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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Erdgas ist gleich Ruhrgas ist gleich Eon?
Bild: tomas / Fotolia
E&M Vor 20 Jahren

Erdgas ist gleich Ruhrgas ist gleich Eon?

Im Jahr 2001 kam viel Bewegung in die Struktur des Gasmarkts. E&M-Chefredakteur und Herausgeber Helmut Sendner kommentierte damals die Schachzüge von Eon und RWE.
Als es die Ruhrgas AG noch gab, bot sie immer wieder Reibungsfläche, für die Wettbewerber und für die Medien. Im Sommer 2001 war das nicht anders. Damals zeichneten sich die großen Veränderungen im Gasmarkt bereits ab, die dann mit einer umstrittenen Ministererlaubnis im Jahr darauf besiegelt wurden.
 
75 Jahre Ruhrgas heißt, ein dreiviertel Jahrhundert Erdgas. Der Essener Konzern hat die Erdgasversorgung quasi erfunden und hatte im Jahr 2000 am Erdgasabsatz in Deutschland einen Marktanteil von knapp 63%. Nach allgemeinem Verständnis ist das eine marktbeherrschende Stellung.
 
Die hat sich der Branchen-Primus risikoreich, geschickt, intelligent und hart erarbeitet – mit allen positiven und negativen Nebeneffekten. Wie von keinem anderen Unternehmen wurden technische Entwicklungen vorangetrieben, wurden die Bezugsquellen der Importenergie diversifiziert. Die Ruhrgas hat für eine ganze Branche investiert, die heute auch ein Öko-Siegel trägt. Dabei entstanden zwangsläufig, und sicher auch gewollt, besondere Beziehungsgeflechte, man kann auch von Abhängigkeiten sprechen: Von politischen, wirtschaftlichen, technischen und selbst journalistischen.

In der Erdgasversorgung war und ist die Ruhrgas ohne Beispiel. Das weckt Neid, es entstehen Begehrlichkeiten und begleitend auch ungerechte Betrachtungsweisen. So ist das nun mal bei Siegern, der Doping-Verdacht ist immer da.

Herbert Detharding, der Chef der Wintershall AG, die mit ihrer Gastochter Wingas den Ruhrgas-Vorständen seit Jahren die gute Laune verdirbt, hat vor etwa einem Jahr gesagt, dass es die Ruhrgas in wenigen Jahren in ihrer bisherigen Form nicht mehr geben werde. Ein Wunschtraum, kommentierten die einen, Blödsinn sagten die anderen, und der damals amtierende Ruhrgas-Vorstandsvorsitzende Friedrich Späth sagte der Zeitung Energie & Management: „Zu solchen Hirngespinsten gebe ich keinen Kommentar ab“. Detharding schimpfte gern auf den Monopolisten, so wie das die Wingas-Manager heute noch tun.

Durch die komplizierte Gesellschafterstruktur, so nüchterne Analysten, sei es sehr schwierig für einen Anteilseigner bei der Ruhrgas, das klare Sagen zu bekommen. So wie es aussieht, wird es dem Eon-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Hartmann gelingen. Hartmann bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des „veritablen Coup“:

„Wir können nunmehr auch unsere Stellung im Gas durch den Aufbau einer maßgeblichen Position bei Ruhrgas deutlich stärken.“ Der Eon-Chef präsentierte Folien, die eindrucksvoll zeigten, welche Stellung die Ruhrgas im Markt hat. Beim Erdgasabsatz, so die Folie von Hartmann, folgen der Ruhrgas das RWE, BEB, VNG und die Wingas. Eon wurde da nicht gezeigt. Nur so viel von Hartmann: „Insbesondere über Thüga, Contigas und Heingas sowie über zahlreiche Regionalversorger wie zum Beispiel Avacon und EWE ist Eon auf der Ortsgasstufe und im Vertrieb bereits stark präsent; dem gegenüber bestehen beim Import und in der Fernverteilung noch Defizite."

Hartmann hätte auch sagen (und zeigen) können, dass Eon mit ihren Töchtern beim Gasabsatz an den Endkunden einen Marktanteil von mindestens 30 % hat und damit deutlich vor dem RWE liegt. Er hätte erwähnen können, dass die Ruhrgas wesentliche Anteile an der Leipziger Verbundnetz Gas (VNG) hat; er hätte sagen können, dass, wenn der Ruhrgas-Deal so läuft, wie er sich das vorstellt, die Ruhrgas eine noch stärkere Position im Gasmarkt haben wird, als jetzt schon von vielen Marktteilnehmern kritisiert wird. Und schließlich hätte Hartmann noch erwähnen können, dass Eon zusammen mit Ruhrgas zur beherrschenden Kraft im Gasgeschäft wird. So etwas sagt Hartmann natürlich nicht, denn schließlich muss er im Gegenteil erwähnen, dass das Kartellamt noch zu prüfen hat. Ulf Böge, der Präsident der obersten Wettbewerbsbehörde Deutschlands, wird viel grübeln müssen, unter welchen Auflagen er den BP-Eon-Deal zulässt.
 
Mindestens so argwöhnisch wie Böge wird RWE-Chef Dietmar Kuhnt das Tun seines Rivalen Hartmann beäugen. Auf einem E&M vorliegenden aktuellen Strategiepapier der RWE-Gas ist zu lesen, dass ein Konzernprojekt „Gas Development“ geschaffen wurde. „Unter anderem geht es um die Fusion mit Thyssengas, Wingas und die Analyse von Mitwettbewerben in Europa“ so wörtlich in „Top 3 Aktuelles aus dem Konzern“.
 
Das ist nichts wirklich Geheimnisvolles: Seit Jahren spekuliert die Branche, wann der Aufsteiger Wingas in den Armen des RWE liegen wird; und so lange es diese Gerüchte gibt, so dauerhaft wird von Wintershall erklärt, dass man genau in diese und in keine anderen Arme will.

Shell hält noch 25 % an der Thyssengas, eine strategische Behinderung für den 75 %-Eigner RWE ist das nicht wirklich, trotzdem wären 100 % eine Erleichterung für die Essener. International sind Kuhnt und sein Gas-General Manfred Scholle ohnehin ständig auf Einkaufs- und Beteiligungstour.

Die Wingas wär’s, die Kuhnt in seinem Kaufrausch klammern möchte. Darf der Eon/Ruhrgas-Deal kartellrechtlich erfolgen, dann müsste Böge auch da abnicken. Das Gasgeschäft in Deutschland wäre in zwei Händen, eine dritte oder gar vierte Kraft, so wie beim Strom, würde nur noch schwächeln.

Hartmann wird das Sagen bei der Ruhrgas bekommen, das ist jetzt keine kühne Prognose mehr. Das RWE will an die RAG-Tochter Steag ran, was nur durch eine Erhöhung der Anteile an der ehemaligen Ruhrkohle AG (RAG) gelingt. Die RAG wiederum ist Hauptanteilseigner der Bergemann-Gruppe, die noch mehr Einfluss auf die Ruhrgas hat als Gelsenberg, über die nun Eon 25,5 % an der Ruhrgas erhält. Da auch Eon an der RAG beteiligt ist, müssen sich die beiden Strom-Spitzenreiter nur irgendwie einigen, wer wem was zu geben bereit ist. Und dann gibt es noch Exxon und Shell, mit denen Hartmann verhandeln kann: Irgendeine Lösung wird sich finden lassen.

Samstag, 5.06.2021, 17:25 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Erdgas ist gleich Ruhrgas ist gleich Eon?
Bild: tomas / Fotolia
E&M Vor 20 Jahren
Erdgas ist gleich Ruhrgas ist gleich Eon?
Im Jahr 2001 kam viel Bewegung in die Struktur des Gasmarkts. E&M-Chefredakteur und Herausgeber Helmut Sendner kommentierte damals die Schachzüge von Eon und RWE.
Als es die Ruhrgas AG noch gab, bot sie immer wieder Reibungsfläche, für die Wettbewerber und für die Medien. Im Sommer 2001 war das nicht anders. Damals zeichneten sich die großen Veränderungen im Gasmarkt bereits ab, die dann mit einer umstrittenen Ministererlaubnis im Jahr darauf besiegelt wurden.
 
75 Jahre Ruhrgas heißt, ein dreiviertel Jahrhundert Erdgas. Der Essener Konzern hat die Erdgasversorgung quasi erfunden und hatte im Jahr 2000 am Erdgasabsatz in Deutschland einen Marktanteil von knapp 63%. Nach allgemeinem Verständnis ist das eine marktbeherrschende Stellung.
 
Die hat sich der Branchen-Primus risikoreich, geschickt, intelligent und hart erarbeitet – mit allen positiven und negativen Nebeneffekten. Wie von keinem anderen Unternehmen wurden technische Entwicklungen vorangetrieben, wurden die Bezugsquellen der Importenergie diversifiziert. Die Ruhrgas hat für eine ganze Branche investiert, die heute auch ein Öko-Siegel trägt. Dabei entstanden zwangsläufig, und sicher auch gewollt, besondere Beziehungsgeflechte, man kann auch von Abhängigkeiten sprechen: Von politischen, wirtschaftlichen, technischen und selbst journalistischen.

In der Erdgasversorgung war und ist die Ruhrgas ohne Beispiel. Das weckt Neid, es entstehen Begehrlichkeiten und begleitend auch ungerechte Betrachtungsweisen. So ist das nun mal bei Siegern, der Doping-Verdacht ist immer da.

Herbert Detharding, der Chef der Wintershall AG, die mit ihrer Gastochter Wingas den Ruhrgas-Vorständen seit Jahren die gute Laune verdirbt, hat vor etwa einem Jahr gesagt, dass es die Ruhrgas in wenigen Jahren in ihrer bisherigen Form nicht mehr geben werde. Ein Wunschtraum, kommentierten die einen, Blödsinn sagten die anderen, und der damals amtierende Ruhrgas-Vorstandsvorsitzende Friedrich Späth sagte der Zeitung Energie & Management: „Zu solchen Hirngespinsten gebe ich keinen Kommentar ab“. Detharding schimpfte gern auf den Monopolisten, so wie das die Wingas-Manager heute noch tun.

Durch die komplizierte Gesellschafterstruktur, so nüchterne Analysten, sei es sehr schwierig für einen Anteilseigner bei der Ruhrgas, das klare Sagen zu bekommen. So wie es aussieht, wird es dem Eon-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Hartmann gelingen. Hartmann bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des „veritablen Coup“:

„Wir können nunmehr auch unsere Stellung im Gas durch den Aufbau einer maßgeblichen Position bei Ruhrgas deutlich stärken.“ Der Eon-Chef präsentierte Folien, die eindrucksvoll zeigten, welche Stellung die Ruhrgas im Markt hat. Beim Erdgasabsatz, so die Folie von Hartmann, folgen der Ruhrgas das RWE, BEB, VNG und die Wingas. Eon wurde da nicht gezeigt. Nur so viel von Hartmann: „Insbesondere über Thüga, Contigas und Heingas sowie über zahlreiche Regionalversorger wie zum Beispiel Avacon und EWE ist Eon auf der Ortsgasstufe und im Vertrieb bereits stark präsent; dem gegenüber bestehen beim Import und in der Fernverteilung noch Defizite."

Hartmann hätte auch sagen (und zeigen) können, dass Eon mit ihren Töchtern beim Gasabsatz an den Endkunden einen Marktanteil von mindestens 30 % hat und damit deutlich vor dem RWE liegt. Er hätte erwähnen können, dass die Ruhrgas wesentliche Anteile an der Leipziger Verbundnetz Gas (VNG) hat; er hätte sagen können, dass, wenn der Ruhrgas-Deal so läuft, wie er sich das vorstellt, die Ruhrgas eine noch stärkere Position im Gasmarkt haben wird, als jetzt schon von vielen Marktteilnehmern kritisiert wird. Und schließlich hätte Hartmann noch erwähnen können, dass Eon zusammen mit Ruhrgas zur beherrschenden Kraft im Gasgeschäft wird. So etwas sagt Hartmann natürlich nicht, denn schließlich muss er im Gegenteil erwähnen, dass das Kartellamt noch zu prüfen hat. Ulf Böge, der Präsident der obersten Wettbewerbsbehörde Deutschlands, wird viel grübeln müssen, unter welchen Auflagen er den BP-Eon-Deal zulässt.
 
Mindestens so argwöhnisch wie Böge wird RWE-Chef Dietmar Kuhnt das Tun seines Rivalen Hartmann beäugen. Auf einem E&M vorliegenden aktuellen Strategiepapier der RWE-Gas ist zu lesen, dass ein Konzernprojekt „Gas Development“ geschaffen wurde. „Unter anderem geht es um die Fusion mit Thyssengas, Wingas und die Analyse von Mitwettbewerben in Europa“ so wörtlich in „Top 3 Aktuelles aus dem Konzern“.
 
Das ist nichts wirklich Geheimnisvolles: Seit Jahren spekuliert die Branche, wann der Aufsteiger Wingas in den Armen des RWE liegen wird; und so lange es diese Gerüchte gibt, so dauerhaft wird von Wintershall erklärt, dass man genau in diese und in keine anderen Arme will.

Shell hält noch 25 % an der Thyssengas, eine strategische Behinderung für den 75 %-Eigner RWE ist das nicht wirklich, trotzdem wären 100 % eine Erleichterung für die Essener. International sind Kuhnt und sein Gas-General Manfred Scholle ohnehin ständig auf Einkaufs- und Beteiligungstour.

Die Wingas wär’s, die Kuhnt in seinem Kaufrausch klammern möchte. Darf der Eon/Ruhrgas-Deal kartellrechtlich erfolgen, dann müsste Böge auch da abnicken. Das Gasgeschäft in Deutschland wäre in zwei Händen, eine dritte oder gar vierte Kraft, so wie beim Strom, würde nur noch schwächeln.

Hartmann wird das Sagen bei der Ruhrgas bekommen, das ist jetzt keine kühne Prognose mehr. Das RWE will an die RAG-Tochter Steag ran, was nur durch eine Erhöhung der Anteile an der ehemaligen Ruhrkohle AG (RAG) gelingt. Die RAG wiederum ist Hauptanteilseigner der Bergemann-Gruppe, die noch mehr Einfluss auf die Ruhrgas hat als Gelsenberg, über die nun Eon 25,5 % an der Ruhrgas erhält. Da auch Eon an der RAG beteiligt ist, müssen sich die beiden Strom-Spitzenreiter nur irgendwie einigen, wer wem was zu geben bereit ist. Und dann gibt es noch Exxon und Shell, mit denen Hartmann verhandeln kann: Irgendeine Lösung wird sich finden lassen.

Samstag, 5.06.2021, 17:25 Uhr
Fritz Wilhelm

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