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Energie & Management > Wasserstoff - Eon erachtet Deutschland als nicht H2-ready
Bei der Präsentation der H2-Bilanz für Deutschland (von links): Leif Erichsen, Eren Cam, Patrick Lammers und Gabriel Clemens. Quelle: Eon
Wasserstoff

Eon erachtet Deutschland als nicht H2-ready

Kommt Deutschland schnell genug voran, um die von der Bundesregierung festgelegten Ziele zu erreichen? Mit einem klaren "Nein" antwortet Eon mit seiner erstmalig erschienenen H2-Bilanz.
Die Ziele der Bundesregierung sind klar: Bis zum Jahr 2030 soll auf deutschem Boden eine Elektrolysekapazität von 10.000 MW entstehen. 80 % des deutschen Wasserstoffbedarfs sollen on top durch Importe dazukommen. Laut der von Eon am 9. November in Berlin vorgestellten H2-Bilanz sind diese Ziele jedoch unrealistisch, zumindest beim gegenwärtigen Tempo. Mit Blick auf 2030 attestiert die H2-Bilanz dem Hochlauf des Wasserstoffmarktes in Deutschland mehrere Unzulänglichkeiten.

Zur H2-Bilanz von Eon: Der Essener Energiekonzern will Deutschland von sofort an halbjährlich eine Art Wasserstoff-Zeugnis ausstellen. „Wir brauchen belegbare Daten, um zu erkennen, ob wir nachsteuern müssen“, betonte Eon-Vorstand Patrick Lammers bei der Vorstellung der Bilanz. Diese soll eine Momentaufnahme des Wasserstoffhochlaufs in Deutschland sein. Indikatoren seien etwa die Erzeugungskapazität von grünem Wasserstoff, Importmengen und Infrastruktur. Die Datenbasis stammt vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln (Ewi). Auch Zahlen zu konkreten Vorhaben bis 2030 fließen ein. 

Zu folgenden Ergebnissen kommt die von Eon beauftragte H2-Bilanz:
  • Erzeugungskapazität: Gegenwärtig seien in Deutschland 33 Elektrolyseure mit einer installierten Leistung von 65 MW in Betrieb, führte Eren Cam bei der Präsentation der Bilanz an. Cam ist Manager und und Head of Energy Commodities im Ewi. Berücksichtige man alle bis 2030 geplanten Elektrolyse-Projekte zum Aufbau der Elektrolysekapazität entsteht in Deutschland eine Erzeugungsleistung von 5.600 MW. Dies sei nur etwas mehr als die Hälfte der von der Regierung anvisierten Erzeugungskapazität.
  • Importbedarf: Aktuell hätten die Wasserstoff-Importe nach Deutschland natürlich noch keine signifikante Relevanz, erklärte Eren Cam. Die Bilanz beziehe sich auf die Leitstudie der Deutschen Energieagentur (Dena), die für 2030 einen Wasserstoff-Bedarf von 66 Milliarden kWh prognostiziert. Nach gegenwärtigem Stand gehe die Bilanz für 2030 jedoch von einer Importlücke von 50,5 Milliarden kWh aus, was in etwa dem monatlichen Erdgasverbrauch in Deutschland im September 2022 entspricht. Eon-Manager Lammers verwies zudem auf folgendes Dilemma: „Geht der Aufbau der nationalen Wasserstoffproduktion nicht schneller voran, erhöht sich der vorhandene Importbedarf noch weiter.“
  • Infrastruktur: Aktuell besteht in Deutschland laut der Bilanz ein 417 Kilometer langes Wasserstoff-Netz − „damit kommt man nicht mal vom geplanten Terminal Wilhelmshaven zum Chemiepark Bitterfeld“, verdeutlichte Manager Lammers. Die Länge entspreche 0,1 Prozent des deutschen Gasnetzes. 
Lammers nannte verschiedene Baustellen, die für Unsicherheiten im Markt sorgen und den Wasserstoffhochlauf ausbremsen. Politisch zeitnah angegangen werden müssten folgende Punkte:
  • Definition von grünem Wasserstoff: Die fehlende Klarstellung auf EU-Ebene, was konkret unter "grünem" Wasserstoff zu verstehen ist, hemme Investitionsentscheidungen. Anlagenbetreiber wüssten nicht, ob ihre heutige Planung die künftigen Kriterien erfüllen wird.
  • Aufbau des Wasserstoffnetzes: Der Vorschlag der EU-Kommission zur Entflechtung des Netzes − das sogenannte Unbundling − würde es langfristig nicht erlauben, Erdgas- und Wasserstoff-Netze innerhalb eines Unternehmens zu führen. "Je nach Ausgestaltung des Unbundling wären Unternehmen dazu gezwungen, ihr umgerüstetes Wasserstoffnetz zu verkaufen", so Lammers. Damit würde Gasnetzbetreibern von Grund auf der Anreiz entzogen, ihre Netze auf Wasserstoff umzurüsten. 
  • Förderumfeld in Deutschland: Die Förderungen seien noch nicht ausgereift genug, damit bis zum Jahr 2030 eine vollständig neue Industrie entstehen kann. Der Markthochlauf erfordere jedoch einen pragmatischen Finanzierungsrahmen für Investitionen in Wasserstoffprojekte. Besonders durch eine finanzielle Unterstützung bei den Betriebskosten seien Unternehmen zur Umstellung auf grüne Alternativen zu bewegen.
  • Genehmigungsverfahren: Eon fordert, die für Windenergie und Photovoltaik geplante gesetzliche Einstufung als Projekte „von überragendem öffentlichem Interesse“ auch für Wasserstoffprojekte geltend zu machen. Für den Bau neuer Wasserstoffleitungen ist diese Regelung in der aktuellen Gesetzgebung bereits aufgenommen worden, allerdings nur befristet bis Ende 2025. Die große Investitionsphase werde jedoch nach Einschätzung von Eon erst nach 2035 eintreten. Nur, wenn diese Befristung aufgehoben werde, gebe es eine langfristige Planungssicherheit im operativen Geschäft.
Die Daten der ersten von Eon veröffentlichen H2-Bilanz stehen auf der Eon-Konzernseite zum Download bereit. 

Mittwoch, 9.11.2022, 13:51 Uhr
Davina Spohn
Energie & Management > Wasserstoff - Eon erachtet Deutschland als nicht H2-ready
Bei der Präsentation der H2-Bilanz für Deutschland (von links): Leif Erichsen, Eren Cam, Patrick Lammers und Gabriel Clemens. Quelle: Eon
Wasserstoff
Eon erachtet Deutschland als nicht H2-ready
Kommt Deutschland schnell genug voran, um die von der Bundesregierung festgelegten Ziele zu erreichen? Mit einem klaren "Nein" antwortet Eon mit seiner erstmalig erschienenen H2-Bilanz.
Die Ziele der Bundesregierung sind klar: Bis zum Jahr 2030 soll auf deutschem Boden eine Elektrolysekapazität von 10.000 MW entstehen. 80 % des deutschen Wasserstoffbedarfs sollen on top durch Importe dazukommen. Laut der von Eon am 9. November in Berlin vorgestellten H2-Bilanz sind diese Ziele jedoch unrealistisch, zumindest beim gegenwärtigen Tempo. Mit Blick auf 2030 attestiert die H2-Bilanz dem Hochlauf des Wasserstoffmarktes in Deutschland mehrere Unzulänglichkeiten.

Zur H2-Bilanz von Eon: Der Essener Energiekonzern will Deutschland von sofort an halbjährlich eine Art Wasserstoff-Zeugnis ausstellen. „Wir brauchen belegbare Daten, um zu erkennen, ob wir nachsteuern müssen“, betonte Eon-Vorstand Patrick Lammers bei der Vorstellung der Bilanz. Diese soll eine Momentaufnahme des Wasserstoffhochlaufs in Deutschland sein. Indikatoren seien etwa die Erzeugungskapazität von grünem Wasserstoff, Importmengen und Infrastruktur. Die Datenbasis stammt vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln (Ewi). Auch Zahlen zu konkreten Vorhaben bis 2030 fließen ein. 

Zu folgenden Ergebnissen kommt die von Eon beauftragte H2-Bilanz:
  • Erzeugungskapazität: Gegenwärtig seien in Deutschland 33 Elektrolyseure mit einer installierten Leistung von 65 MW in Betrieb, führte Eren Cam bei der Präsentation der Bilanz an. Cam ist Manager und und Head of Energy Commodities im Ewi. Berücksichtige man alle bis 2030 geplanten Elektrolyse-Projekte zum Aufbau der Elektrolysekapazität entsteht in Deutschland eine Erzeugungsleistung von 5.600 MW. Dies sei nur etwas mehr als die Hälfte der von der Regierung anvisierten Erzeugungskapazität.
  • Importbedarf: Aktuell hätten die Wasserstoff-Importe nach Deutschland natürlich noch keine signifikante Relevanz, erklärte Eren Cam. Die Bilanz beziehe sich auf die Leitstudie der Deutschen Energieagentur (Dena), die für 2030 einen Wasserstoff-Bedarf von 66 Milliarden kWh prognostiziert. Nach gegenwärtigem Stand gehe die Bilanz für 2030 jedoch von einer Importlücke von 50,5 Milliarden kWh aus, was in etwa dem monatlichen Erdgasverbrauch in Deutschland im September 2022 entspricht. Eon-Manager Lammers verwies zudem auf folgendes Dilemma: „Geht der Aufbau der nationalen Wasserstoffproduktion nicht schneller voran, erhöht sich der vorhandene Importbedarf noch weiter.“
  • Infrastruktur: Aktuell besteht in Deutschland laut der Bilanz ein 417 Kilometer langes Wasserstoff-Netz − „damit kommt man nicht mal vom geplanten Terminal Wilhelmshaven zum Chemiepark Bitterfeld“, verdeutlichte Manager Lammers. Die Länge entspreche 0,1 Prozent des deutschen Gasnetzes. 
Lammers nannte verschiedene Baustellen, die für Unsicherheiten im Markt sorgen und den Wasserstoffhochlauf ausbremsen. Politisch zeitnah angegangen werden müssten folgende Punkte:
  • Definition von grünem Wasserstoff: Die fehlende Klarstellung auf EU-Ebene, was konkret unter "grünem" Wasserstoff zu verstehen ist, hemme Investitionsentscheidungen. Anlagenbetreiber wüssten nicht, ob ihre heutige Planung die künftigen Kriterien erfüllen wird.
  • Aufbau des Wasserstoffnetzes: Der Vorschlag der EU-Kommission zur Entflechtung des Netzes − das sogenannte Unbundling − würde es langfristig nicht erlauben, Erdgas- und Wasserstoff-Netze innerhalb eines Unternehmens zu führen. "Je nach Ausgestaltung des Unbundling wären Unternehmen dazu gezwungen, ihr umgerüstetes Wasserstoffnetz zu verkaufen", so Lammers. Damit würde Gasnetzbetreibern von Grund auf der Anreiz entzogen, ihre Netze auf Wasserstoff umzurüsten. 
  • Förderumfeld in Deutschland: Die Förderungen seien noch nicht ausgereift genug, damit bis zum Jahr 2030 eine vollständig neue Industrie entstehen kann. Der Markthochlauf erfordere jedoch einen pragmatischen Finanzierungsrahmen für Investitionen in Wasserstoffprojekte. Besonders durch eine finanzielle Unterstützung bei den Betriebskosten seien Unternehmen zur Umstellung auf grüne Alternativen zu bewegen.
  • Genehmigungsverfahren: Eon fordert, die für Windenergie und Photovoltaik geplante gesetzliche Einstufung als Projekte „von überragendem öffentlichem Interesse“ auch für Wasserstoffprojekte geltend zu machen. Für den Bau neuer Wasserstoffleitungen ist diese Regelung in der aktuellen Gesetzgebung bereits aufgenommen worden, allerdings nur befristet bis Ende 2025. Die große Investitionsphase werde jedoch nach Einschätzung von Eon erst nach 2035 eintreten. Nur, wenn diese Befristung aufgehoben werde, gebe es eine langfristige Planungssicherheit im operativen Geschäft.
Die Daten der ersten von Eon veröffentlichen H2-Bilanz stehen auf der Eon-Konzernseite zum Download bereit. 

Mittwoch, 9.11.2022, 13:51 Uhr
Davina Spohn

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