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Energie & Management > Meinung - Ende der politischen Willkür
Quelle: Fotolia/Do Ra
Meinung

Ende der politischen Willkür

Lange war klar, dass die Regierung das dritte Energiepaket der EU nicht richtig umgesetzt hat. Der EuGH hat ihr nun die Grenzen aufgezeigt - zurecht. Ein Kommentar von Tom Weingärtner.
Beim Europäischen Gerichtshof hat der deutsche Sonderweg in der Energiepolitik sein Ende gefunden. Die integrierten Energieunternehmen müssen ihren Einfluss auf den Netzbetrieb weiter zurückfahren und die Bundesnetzagentur wird in Zukunft alleine darüber entscheiden, welche Unternehmen Zugang zum deutschen Stromnetz erhalten und wie viel sie dafür zahlen müssen –, ohne dass die Politik sie dabei an die Hand nimmt.

Schlecht ist das natürlich für die Unternehmen, die einen kurzen Draht zur Politik haben. Ihre Interessen sind bei einem Minister gut aufgehoben, der von Abgeordneten abhängig ist, deren Parteifreunde in den Verwaltungsräten der kommunalen Versorger sitzen. Auch die großen Energiekonzerne sind in Berlin bestens vernetzt, ihre Lobbyisten gehen im Bundestag und in den Ministerien ein und aus. Sie fürchten – wahrscheinlich zurecht – dass die Beamten der Bundesnetzagentur schwerer zu beeinflussen sind. Zum Beispiel, wenn es darum geht, die Kosten der Netzbetreiber großzügig anzuerkennen.

Eine gute Nachricht ist das Urteil des EuGH für die deutschen Strom- und Gaskunden. Sie können hoffen, dass die Regulierungsbehörde ihre Interessen ernster nimmt als bisher. Denn nach den Vorgaben der EU, die in Zukunft auch in Deutschland gelten, sollen vor allem sie und nicht die Platzhirsche der Energiewirtschaft von den Entscheidungen der Bundesnetzagentur profitieren.

In der Energiewirtschaft wird gerne der Eindruck erweckt, dass dadurch die Energiewende infrage gestellt wird. Auch die Politiker lassen sich nur zu gerne von der Idee verführen, die Kosten für politische Ambitionen durch regulatorische Vorgaben zu verschleiern. Tatsächlich hat das eine nichts mit dem anderen zu tun: Die Regulierung der Strom- und Gasmärkte soll Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucherinnen und Verbraucher herbeiführen. Die Unternehmen sollen ihnen ein vielfältiges und preiswertes Angebot machen. Das ist möglich, wie man in fast allen anderen EU-Staaten sehen kann, die ihren Regulierungsbehörden die Unabhängigkeit gewähren, die von Brüssel verlangt wird.

Auf die lange Bank schieben, kommt teuer

Auf einem völlig anderen Blatt steht, wie wir Windräder, Sonnenkollektoren oder Strom- und Gasleitungen bezahlen, die für die Erreichung politischer Ziele gebraucht werden. Sie dürfen nicht dadurch finanziert werden, dass der Wettbewerb eingeschränkt und der Energiewirtschaft die Möglichkeit eröffnet wird, überhöhte Gewinne zulasten ihrer Kunden zu realisieren.

Sinn der Regulierung ist es, politische Willkür auf den Energiemärkten zu beenden. Die Spitzenverbände der deutschen Energiewirtschaft lechzen dagegen nach politischer Orientierung unter dem Vorwand, die deutsche Demokratie sei in Gefahr. Ihre Anwälte versteigen sich sogar zu der Forderung, dass nicht Deutschland seine Gesetze ändern muss, sondern die EU überlegen sollte, wie sie dem deutschen Recht genügen könne.

Tatsächlich dürfte sich an der deutschen Regulierungspraxis zumindest kurzfristig nicht viel ändern. Der Wirtschaftsminister der neuen Bundesregierung wäre gut beraten, die vom Gericht verlangten Änderungen zeitnah in den Bundestag einzubringen. Den Versuch, die Umsetzung auf die lange Bank zu schieben, könnte die Kommission damit beantworten, dass sie ein Zwangsgeld gegen Deutschland erwirkt.

Wie die Bundesnetzagentur mit mehr Unabhängigkeit umgehen würde, ist damit noch nicht gesagt. Am wahrscheinlichsten ist, dass sie ihre Entscheidungen weiter an der bisherigen Praxis orientiert. Neue Akzente werden die Regulierer in Bonn nur vorsichtig und auf längere Sicht setzen.
 
E&M-Korrespondent Tom Weingärtner
Quelle: Privat

Freitag, 3.09.2021, 16:12 Uhr
Tom Weingärtner
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Ende der politischen Willkür
Lange war klar, dass die Regierung das dritte Energiepaket der EU nicht richtig umgesetzt hat. Der EuGH hat ihr nun die Grenzen aufgezeigt - zurecht. Ein Kommentar von Tom Weingärtner.
Beim Europäischen Gerichtshof hat der deutsche Sonderweg in der Energiepolitik sein Ende gefunden. Die integrierten Energieunternehmen müssen ihren Einfluss auf den Netzbetrieb weiter zurückfahren und die Bundesnetzagentur wird in Zukunft alleine darüber entscheiden, welche Unternehmen Zugang zum deutschen Stromnetz erhalten und wie viel sie dafür zahlen müssen –, ohne dass die Politik sie dabei an die Hand nimmt.

Schlecht ist das natürlich für die Unternehmen, die einen kurzen Draht zur Politik haben. Ihre Interessen sind bei einem Minister gut aufgehoben, der von Abgeordneten abhängig ist, deren Parteifreunde in den Verwaltungsräten der kommunalen Versorger sitzen. Auch die großen Energiekonzerne sind in Berlin bestens vernetzt, ihre Lobbyisten gehen im Bundestag und in den Ministerien ein und aus. Sie fürchten – wahrscheinlich zurecht – dass die Beamten der Bundesnetzagentur schwerer zu beeinflussen sind. Zum Beispiel, wenn es darum geht, die Kosten der Netzbetreiber großzügig anzuerkennen.

Eine gute Nachricht ist das Urteil des EuGH für die deutschen Strom- und Gaskunden. Sie können hoffen, dass die Regulierungsbehörde ihre Interessen ernster nimmt als bisher. Denn nach den Vorgaben der EU, die in Zukunft auch in Deutschland gelten, sollen vor allem sie und nicht die Platzhirsche der Energiewirtschaft von den Entscheidungen der Bundesnetzagentur profitieren.

In der Energiewirtschaft wird gerne der Eindruck erweckt, dass dadurch die Energiewende infrage gestellt wird. Auch die Politiker lassen sich nur zu gerne von der Idee verführen, die Kosten für politische Ambitionen durch regulatorische Vorgaben zu verschleiern. Tatsächlich hat das eine nichts mit dem anderen zu tun: Die Regulierung der Strom- und Gasmärkte soll Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucherinnen und Verbraucher herbeiführen. Die Unternehmen sollen ihnen ein vielfältiges und preiswertes Angebot machen. Das ist möglich, wie man in fast allen anderen EU-Staaten sehen kann, die ihren Regulierungsbehörden die Unabhängigkeit gewähren, die von Brüssel verlangt wird.

Auf die lange Bank schieben, kommt teuer

Auf einem völlig anderen Blatt steht, wie wir Windräder, Sonnenkollektoren oder Strom- und Gasleitungen bezahlen, die für die Erreichung politischer Ziele gebraucht werden. Sie dürfen nicht dadurch finanziert werden, dass der Wettbewerb eingeschränkt und der Energiewirtschaft die Möglichkeit eröffnet wird, überhöhte Gewinne zulasten ihrer Kunden zu realisieren.

Sinn der Regulierung ist es, politische Willkür auf den Energiemärkten zu beenden. Die Spitzenverbände der deutschen Energiewirtschaft lechzen dagegen nach politischer Orientierung unter dem Vorwand, die deutsche Demokratie sei in Gefahr. Ihre Anwälte versteigen sich sogar zu der Forderung, dass nicht Deutschland seine Gesetze ändern muss, sondern die EU überlegen sollte, wie sie dem deutschen Recht genügen könne.

Tatsächlich dürfte sich an der deutschen Regulierungspraxis zumindest kurzfristig nicht viel ändern. Der Wirtschaftsminister der neuen Bundesregierung wäre gut beraten, die vom Gericht verlangten Änderungen zeitnah in den Bundestag einzubringen. Den Versuch, die Umsetzung auf die lange Bank zu schieben, könnte die Kommission damit beantworten, dass sie ein Zwangsgeld gegen Deutschland erwirkt.

Wie die Bundesnetzagentur mit mehr Unabhängigkeit umgehen würde, ist damit noch nicht gesagt. Am wahrscheinlichsten ist, dass sie ihre Entscheidungen weiter an der bisherigen Praxis orientiert. Neue Akzente werden die Regulierer in Bonn nur vorsichtig und auf längere Sicht setzen.
 
E&M-Korrespondent Tom Weingärtner
Quelle: Privat

Freitag, 3.09.2021, 16:12 Uhr
Tom Weingärtner

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