E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Österreich - Einigung unter Druck auf Energieeffizienzgesetz-Entwurf
Quelle: Pixabay / slon_pics
Österreich

Einigung unter Druck auf Energieeffizienzgesetz-Entwurf

Der Entwurf liegt vor: Bis 2030 soll der österreichische Energiebedarf um 18 Prozent sinken. Die Bundesländer erhalten diesbezügliche Ziele. Bei den Vertrieben fällt eine Pflicht weg.
Nach knapp zwei Jahren intensiver Verhandlungen sendet die österreichische Bundesregierung aus konservativer ÖVP und Grünen den Entwurf des neuen Energieeffizienzgesetzes (EEffG) zur Begutachtung aus. Die Frist für Stellungnahmen läuft bis einschließlich 18. Januar 2023, berichtete Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) am 22. Dezember bei einer Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Martin Kocher (parteilos, von der ÖVP nominiert).

Die Zeit drängt: Seitens der EU-Kommission läuft ein Vertragsverletzungsverfahren, weil Österreich die 2. Energieeffizienzrichtlinie vom 11. Dezember 2018 noch immer nicht umgesetzt hat. Dies hätte bis 25. Oktober 2020 vollständig erfolgen müssen.

Gut informierte Kreise berichteten der Redaktion, die Kommission habe in letzter Zeit angedeutet, langsam die Geduld zu verlieren. Strafzahlungen in nicht unerheblicher Höhe standen dem Vernehmen nach im Raum. Gewessler erläuterte dazu, der aktuelle Entwurf sei auch an die Kommission gegangen: „Ich hoffe, das hat einen positiven Effekt auf das Verfahren.“ Jedenfalls sei sie mit Energiekommissarin Kadri Simson (Estnische Zentrumspartei) in ständigem Kontakt.

Die türkis-grüne Koalition muss für das Gesetz im österreichischen Bundesparlament um eine Zweidrittelmehrheit werben, die sie selbst nicht hat, bestätigte die Ministerin auf Anfrage der Redaktion. Faktisch läuft dies darauf hinaus, sich um die Zustimmung der Sozialdemokraten (SPÖ) zu bemühen. Die rechtsgerichteten Freiheitlichen (FPÖ) lehnen die Energie- und Klimapolitik der Wiener Bundesregierung aus Prinzip ab. Die liberalen Neos sind zu schwach, um die Zweidrittelmehrheit zu sichern.

Drei Punkte

Von den Inhalten des Gesetzes nannte Gewessler drei zentrale Punkte:
  • Erstens soll der jährliche Brutto-Endenergiebedarf Österreichs bis 2030 um knapp 18 Prozent auf 255 Milliarden kWh verringert werden. Laut Gewessler nimmt dies die Vorgaben der kommenden 3. Energieeffizienzrichtlinie der EU weitgehend vorweg. Für die neun Bundesländer sind im EEffG-Entwurf verbindliche Ziele festgelegt. Strafen für Länder, die ihr jeweiliges Ziel verfehlen, sind nicht vorgesehen. „Ich gehe aber davon aus, dass sich die Länder an das Gesetz halten werden“, gab sich Gewessler optimistisch.
  • Zweitens sind für Energieeffizienz-Maßnahmen bei den Haushalten und den Unternehmen jährlich 190 Millionen Euro vorgesehen. Wie bisher müssen Industriebetriebe alle vier Jahre ihren Energiebedarf („Energieaudit“) erheben. Ebenfalls nicht neu ist die von Gewessler erwähnte Pflicht der Energielieferanten, für die Haushalte Beratungsstellen einzurichten, um sie beim Setzen von Effizienzmaßnahmen zu unterstützen. Sie bestand bereits auf Basis des bisherigen EEffG, das bis Ende 2020 galt.
    Den Energielieferanten bringt der EEffG-Entwurf gewissermaßen ein „Weihnachtsgeschenk“: Die „Lieferantenverpflichtung“, die ihnen vorschreibt, bei ihren Kunden Effizienzmaßnahmen zu setzen oder zu finanzieren, entfällt. Laut Gewessler hat sich diese nicht bewährt: „Was wir gesehen haben, waren eher kreative Berechnungsmethoden als tatsächliche Bedarfsverminderungen.“
    Davor hatte die Branche freilich selbst oft gewarnt. Legendär ist eine diesbezügliche Äußerung des vormaligen Generaldirektors des Stromkonzerns Verbund, Wolfgang Anzengruber: Er hatte festgestellt, es ergebe wenig Sinn, ausgerechnet Brauereien zur Senkung des Bierkonsums der Bevölkerung zu verpflichten. Ähnlich stehe es mit der Lieferantenverpflichtung.
  • Drittens wird der Bund mit gutem Beispiel vorangehen und jährlich 3 Prozent der von ihm genutzten Gebäude thermisch-energetisch sanieren, kündigte Gewessler an: „Das geht von Polizeistationen bis zu Ministerien. Und gerade bei den letzteren ist einiges drin.“
Erste Reaktionen
 
Aus Kreisen der Elektrizitätswirtschaft hieß es gegenüber der Redaktion, es sei erfreulich, dass der Entwurf jetzt vorliege. Auch der Wegfall der Lieferantenverpflichtung wird grundsätzlich begrüßt. Nun gelte es, den Entwurf im Detail zu analysieren.

Der Energiesprecher der SPÖ, Alois Schroll, kritisierte, der Entwurf komme „um zwei Jahre zu spät.“ Nun solle das Gesetz offenbar rasch beschlossen werden: „Deshalb wird ein viel zu kurzer Begutachtungszeitraum anberaumt.“

Donnerstag, 22.12.2022, 14:42 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Einigung unter Druck auf Energieeffizienzgesetz-Entwurf
Quelle: Pixabay / slon_pics
Österreich
Einigung unter Druck auf Energieeffizienzgesetz-Entwurf
Der Entwurf liegt vor: Bis 2030 soll der österreichische Energiebedarf um 18 Prozent sinken. Die Bundesländer erhalten diesbezügliche Ziele. Bei den Vertrieben fällt eine Pflicht weg.
Nach knapp zwei Jahren intensiver Verhandlungen sendet die österreichische Bundesregierung aus konservativer ÖVP und Grünen den Entwurf des neuen Energieeffizienzgesetzes (EEffG) zur Begutachtung aus. Die Frist für Stellungnahmen läuft bis einschließlich 18. Januar 2023, berichtete Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) am 22. Dezember bei einer Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Martin Kocher (parteilos, von der ÖVP nominiert).

Die Zeit drängt: Seitens der EU-Kommission läuft ein Vertragsverletzungsverfahren, weil Österreich die 2. Energieeffizienzrichtlinie vom 11. Dezember 2018 noch immer nicht umgesetzt hat. Dies hätte bis 25. Oktober 2020 vollständig erfolgen müssen.

Gut informierte Kreise berichteten der Redaktion, die Kommission habe in letzter Zeit angedeutet, langsam die Geduld zu verlieren. Strafzahlungen in nicht unerheblicher Höhe standen dem Vernehmen nach im Raum. Gewessler erläuterte dazu, der aktuelle Entwurf sei auch an die Kommission gegangen: „Ich hoffe, das hat einen positiven Effekt auf das Verfahren.“ Jedenfalls sei sie mit Energiekommissarin Kadri Simson (Estnische Zentrumspartei) in ständigem Kontakt.

Die türkis-grüne Koalition muss für das Gesetz im österreichischen Bundesparlament um eine Zweidrittelmehrheit werben, die sie selbst nicht hat, bestätigte die Ministerin auf Anfrage der Redaktion. Faktisch läuft dies darauf hinaus, sich um die Zustimmung der Sozialdemokraten (SPÖ) zu bemühen. Die rechtsgerichteten Freiheitlichen (FPÖ) lehnen die Energie- und Klimapolitik der Wiener Bundesregierung aus Prinzip ab. Die liberalen Neos sind zu schwach, um die Zweidrittelmehrheit zu sichern.

Drei Punkte

Von den Inhalten des Gesetzes nannte Gewessler drei zentrale Punkte:
  • Erstens soll der jährliche Brutto-Endenergiebedarf Österreichs bis 2030 um knapp 18 Prozent auf 255 Milliarden kWh verringert werden. Laut Gewessler nimmt dies die Vorgaben der kommenden 3. Energieeffizienzrichtlinie der EU weitgehend vorweg. Für die neun Bundesländer sind im EEffG-Entwurf verbindliche Ziele festgelegt. Strafen für Länder, die ihr jeweiliges Ziel verfehlen, sind nicht vorgesehen. „Ich gehe aber davon aus, dass sich die Länder an das Gesetz halten werden“, gab sich Gewessler optimistisch.
  • Zweitens sind für Energieeffizienz-Maßnahmen bei den Haushalten und den Unternehmen jährlich 190 Millionen Euro vorgesehen. Wie bisher müssen Industriebetriebe alle vier Jahre ihren Energiebedarf („Energieaudit“) erheben. Ebenfalls nicht neu ist die von Gewessler erwähnte Pflicht der Energielieferanten, für die Haushalte Beratungsstellen einzurichten, um sie beim Setzen von Effizienzmaßnahmen zu unterstützen. Sie bestand bereits auf Basis des bisherigen EEffG, das bis Ende 2020 galt.
    Den Energielieferanten bringt der EEffG-Entwurf gewissermaßen ein „Weihnachtsgeschenk“: Die „Lieferantenverpflichtung“, die ihnen vorschreibt, bei ihren Kunden Effizienzmaßnahmen zu setzen oder zu finanzieren, entfällt. Laut Gewessler hat sich diese nicht bewährt: „Was wir gesehen haben, waren eher kreative Berechnungsmethoden als tatsächliche Bedarfsverminderungen.“
    Davor hatte die Branche freilich selbst oft gewarnt. Legendär ist eine diesbezügliche Äußerung des vormaligen Generaldirektors des Stromkonzerns Verbund, Wolfgang Anzengruber: Er hatte festgestellt, es ergebe wenig Sinn, ausgerechnet Brauereien zur Senkung des Bierkonsums der Bevölkerung zu verpflichten. Ähnlich stehe es mit der Lieferantenverpflichtung.
  • Drittens wird der Bund mit gutem Beispiel vorangehen und jährlich 3 Prozent der von ihm genutzten Gebäude thermisch-energetisch sanieren, kündigte Gewessler an: „Das geht von Polizeistationen bis zu Ministerien. Und gerade bei den letzteren ist einiges drin.“
Erste Reaktionen
 
Aus Kreisen der Elektrizitätswirtschaft hieß es gegenüber der Redaktion, es sei erfreulich, dass der Entwurf jetzt vorliege. Auch der Wegfall der Lieferantenverpflichtung wird grundsätzlich begrüßt. Nun gelte es, den Entwurf im Detail zu analysieren.

Der Energiesprecher der SPÖ, Alois Schroll, kritisierte, der Entwurf komme „um zwei Jahre zu spät.“ Nun solle das Gesetz offenbar rasch beschlossen werden: „Deshalb wird ein viel zu kurzer Begutachtungszeitraum anberaumt.“

Donnerstag, 22.12.2022, 14:42 Uhr
Klaus Fischer

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.