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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: Fotolia / tomas
E&M Vor 20 Jahren

"Eine Ministererlaubnis würde den Gashandel lähmen"

Der Gashandel hatte noch gar nicht Fahrt im liberalisierten Markt aufgenommen, da drohte er schon wieder gestoppt zu werden, dachten zumindest viele Marktteilnehmer vor 20 Jahren.
Im Januar vor 20 Jahren hatte das Bundeskartellamt der Übernahme der Ruhrgas durch Eon einen Riegel vorgeschoben. In der Branche war dennoch die Meinung weit verbreitet, dass die Entscheidung der Wettbewerbshüter nur die Umsetzung der Eon-Pläne etwas hinauszögern aber nicht verhindern würde. Das Zauberwort hieß Ministererlaubnis.

Grundlage der Ministererlaubnis ist der §42 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Dort heißt es in Absatz 1: „Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie erteilt auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. (…) Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn durch das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet wird. Weicht die Entscheidung vom Votum der Stellungnahme ab, die die Monopolkommission nach Absatz 5 Satz 1 erstellt hat, ist dies in der Verfügung gesondert zu begründen.“
 
Dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge gab es bislang (Stand: Dezember 2021) 23 Anträge auf Ministererlaubnis. In sechs Fällen wurde sie nicht gewährt.
 
Jörg Spicker, Geschäftsführer der Aquila Energy GmbH in Essen, war einer von zahlreichen Marktteilnehmern, die beim Bundeskartellamt ihre Bedenken gegen die geplante Übernahme der Ruhrgas durch Eon angemeldet hatten und in den Beurteilungsprozess einbezogen wurden. Käme eine Ministererlaubnis, dann gäbe es in den nächsten Jahren keinen Gashandel mehr, erklärte er im Gespräch mit E&M-Chefredakteur Helmut Sendner im Januar 2002.
 
Jörg Spicker (hier ein Bild von 2003): "Die Vorschläge von Eon waren so lächerlich, dass das Kartellamt nicht guten Gewissens zustimmen konnte"
Bild: E&M

E&M: Herr Spicker, das Kartellamt hat die Übernahme der Ruhrgas durch Eon untersagt, und jetzt kommt die Ministererlaubnis?
Spicker: Ich glaube nicht, dass das so schnell gehen wird, und selbst wenn sie erteilt wird, gibt es immer noch Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Das Kartellamt sagt vollkommen zu Recht, dass durch die Übernahme eine marktbeherrschende Stellung beim Gas entstünde und dass auch der Strommarkt beeinträchtigt werden könnte. Was für uns jetzt wichtig ist, das ist der Cross Commodity Markt, wo man durch geschickte Preissetzung beim Gas die Strompreise beeinflussen kann. Anzeichen davon haben wir im Dezember erlebt.

"Ich habe Verständnis, dass ein Minister sich starke Konzerne wünscht"

E&M: Wurde beim Kartellamt gar nicht darüber diskutiert, dass man „ja, aber“ sagt, also mit entsprechenden Auflagen genehmigt?
Spicker: Im Ansatz ist diese Diskussion geführt worden. Eon hat selbst einige Vorschläge gemacht, um Bedenken des Kartellamtes auszuräumen. Die waren aber so lächerlich, dass das Kartellamt nicht guten Gewissens zustimmen konnte. Aus Vertraulichkeitsgründen darf ich Ihnen keine Details nennen, aber es ging um Marginalien.
E&M: Also darum, dass beispielsweise die Thüga abgegeben werden muss, das war kein Thema?
Spicker: Weit gefehlt. Was Eon vorgeschlagen hat, das war auch halbherzig vorgetragen, so dass uns deutlich wurde, dass im Hintergrund offensichtlich schon ganz andere Dinge abgelaufen sind und man der Untersagung des Bundeskartellamtes sehr gelassen gegenübersteht.
E&M: Weil die Ministererlaubnis schon versprochen wurde?
Spicker: Das kann ich so natürlich nicht bestätigen, aber es ist gesichert, dass Gespräche stattgefunden haben und dass jemand wie Wirtschaftsminister Müller offensichtlich ein starkes Interesse daran hat, Ordnungspolitik zu betreiben.
Ich habe Verständnis, dass ein Minister sich starke Konzerne im europäischen Wettbewerb wünscht, aber dafür die Früchte des Wettbewerbs am Standort Deutschland zu opfern, das kann ich nicht verstehen. Jemanden, der in der Vergangenheit bei RWE und bei Eon gearbeitet hat, dem darf eine solche Entscheidung nicht überlassen werden.
E&M: Nehmen wir den Fall, dass es eine Ministererlaubnis mit nur geringen Einschränkungen gibt, was passiert dann mit dem Gashandel?
Spicker: Dann wird der Gashandel in Deutschland tatsächlich für die nächsten zwei bis drei Jahre zum Erliegen kommen. Nehmen Sie nur die Thüga, die mit ihrer Deutschen Erdgashandelsgesellschaft vorsichtige Schritte versucht, um ihren etwa hundert mit der Ruhrgas unzufriedenen Beteiligungsunternehmen Spielraum zu geben, da passiert dann nichts mehr.
Der kombinierte Konzern aus Eon und Ruhrgas ist so mächtig und flächendeckend, dass über 80% des Bundesgebietes vom Wettbewerb nahezu ausgeschlossen würden.
 
„Wenn jetzt noch diese Fusion dazukommt, dann sehe ich ganz, ganz schwarz“
 
E&M: Wenn RWE mit Wingas näher zusammenrücken würde, wäre das dann eine Verbesserung oder eher noch schlimmer für den Markt?
Spicker: Der Markt würde nur noch mehr polarisiert. Wingas ist ja längst nicht mehr das Enfant Terrible und RWE, mit ihren Beteiligungen in Holland oder in Tschechien, wird das Ihre tun und keine neuen Kräfte aufkommen lassen.
E&M: Seit Enron fehlt, ist die Situation beim Erdgashandel schwieriger geworden?
Spicker: Genauso ist es. Das war ein wirklicher Knock-out für den Gasmarkt, denn alle Enron-Kunden sind weinend zu ihren bisherigen Versorgern zurückgegangen. Wenn jetzt noch diese Fusion dazukommt, dann sehe ich ganz, ganz schwarz.
E&M: Immerhin hat sich Ruhrgas jetzt am Hub in Bunde engagiert. Ist das kein positives Zeichen?
Spicker: Zunächst einmal ist es positiv, dass es am Hub in Bunde jetzt Wettbewerb zwischen zwei Hub-Operatoren gibt. Da ist einmal die Gasunie mit verschiedenen Händlern und jetzt eben Ruhrgas zusammen mit Statoil und BEB. Bei Gasunie gehe ich davon aus, dass die diese Sache tatsächlich ernst nehmen, wovon ich bei Ruhrgas nicht wirklich überzeugt bin. Alle Erfahrungen zeigen, dass Ruhrgas sich bei anderen Hubs und auch bei der Weiterentwicklung der Verbändevereinbarung in Deutschland nach außen hin offensiv gibt, aber tatsächlich die bewährte Verzögerungstaktik fährt.
E&M: Was ist nun Ihr Programm?
Spicker: Wie auch immer die Konstellation in Zukunft aussieht, es müssen Gasmengen aus den Händen der großen Gesellschaften freigegeben werden, um Hubs zu etablieren und die Liquidität im Gasmarkt voranzubringen. Dazu brauchen wir Auflagen, von wem auch immer die zu erteilen sind, sonst kommen wir im Gasmarkt in den nächsten zwei, drei Jahren nicht weiter.
E&M: Und wieso meinen Sie, dass man dann in drei Jahren weiterkommt?
Spicker: Weil dann die Entwicklung in Brüssel weitergegangen ist, und ich glaube nicht, dass die EU-Kommission die Situation in Deutschland einfach hinnimmt. Aber es geht um die Jahre dazwischen, wo wir uns fragen müssen, was wir als Unternehmen auf dem deutschen Markt überhaupt noch tun können.
 

Samstag, 22.01.2022, 13:07 Uhr
Fritz Wilhelm
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"Eine Ministererlaubnis würde den Gashandel lähmen"
Der Gashandel hatte noch gar nicht Fahrt im liberalisierten Markt aufgenommen, da drohte er schon wieder gestoppt zu werden, dachten zumindest viele Marktteilnehmer vor 20 Jahren.
Im Januar vor 20 Jahren hatte das Bundeskartellamt der Übernahme der Ruhrgas durch Eon einen Riegel vorgeschoben. In der Branche war dennoch die Meinung weit verbreitet, dass die Entscheidung der Wettbewerbshüter nur die Umsetzung der Eon-Pläne etwas hinauszögern aber nicht verhindern würde. Das Zauberwort hieß Ministererlaubnis.

Grundlage der Ministererlaubnis ist der §42 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Dort heißt es in Absatz 1: „Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie erteilt auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. (…) Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn durch das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet wird. Weicht die Entscheidung vom Votum der Stellungnahme ab, die die Monopolkommission nach Absatz 5 Satz 1 erstellt hat, ist dies in der Verfügung gesondert zu begründen.“
 
Dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge gab es bislang (Stand: Dezember 2021) 23 Anträge auf Ministererlaubnis. In sechs Fällen wurde sie nicht gewährt.
 
Jörg Spicker, Geschäftsführer der Aquila Energy GmbH in Essen, war einer von zahlreichen Marktteilnehmern, die beim Bundeskartellamt ihre Bedenken gegen die geplante Übernahme der Ruhrgas durch Eon angemeldet hatten und in den Beurteilungsprozess einbezogen wurden. Käme eine Ministererlaubnis, dann gäbe es in den nächsten Jahren keinen Gashandel mehr, erklärte er im Gespräch mit E&M-Chefredakteur Helmut Sendner im Januar 2002.
 
Jörg Spicker (hier ein Bild von 2003): "Die Vorschläge von Eon waren so lächerlich, dass das Kartellamt nicht guten Gewissens zustimmen konnte"
Bild: E&M

E&M: Herr Spicker, das Kartellamt hat die Übernahme der Ruhrgas durch Eon untersagt, und jetzt kommt die Ministererlaubnis?
Spicker: Ich glaube nicht, dass das so schnell gehen wird, und selbst wenn sie erteilt wird, gibt es immer noch Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Das Kartellamt sagt vollkommen zu Recht, dass durch die Übernahme eine marktbeherrschende Stellung beim Gas entstünde und dass auch der Strommarkt beeinträchtigt werden könnte. Was für uns jetzt wichtig ist, das ist der Cross Commodity Markt, wo man durch geschickte Preissetzung beim Gas die Strompreise beeinflussen kann. Anzeichen davon haben wir im Dezember erlebt.

"Ich habe Verständnis, dass ein Minister sich starke Konzerne wünscht"

E&M: Wurde beim Kartellamt gar nicht darüber diskutiert, dass man „ja, aber“ sagt, also mit entsprechenden Auflagen genehmigt?
Spicker: Im Ansatz ist diese Diskussion geführt worden. Eon hat selbst einige Vorschläge gemacht, um Bedenken des Kartellamtes auszuräumen. Die waren aber so lächerlich, dass das Kartellamt nicht guten Gewissens zustimmen konnte. Aus Vertraulichkeitsgründen darf ich Ihnen keine Details nennen, aber es ging um Marginalien.
E&M: Also darum, dass beispielsweise die Thüga abgegeben werden muss, das war kein Thema?
Spicker: Weit gefehlt. Was Eon vorgeschlagen hat, das war auch halbherzig vorgetragen, so dass uns deutlich wurde, dass im Hintergrund offensichtlich schon ganz andere Dinge abgelaufen sind und man der Untersagung des Bundeskartellamtes sehr gelassen gegenübersteht.
E&M: Weil die Ministererlaubnis schon versprochen wurde?
Spicker: Das kann ich so natürlich nicht bestätigen, aber es ist gesichert, dass Gespräche stattgefunden haben und dass jemand wie Wirtschaftsminister Müller offensichtlich ein starkes Interesse daran hat, Ordnungspolitik zu betreiben.
Ich habe Verständnis, dass ein Minister sich starke Konzerne im europäischen Wettbewerb wünscht, aber dafür die Früchte des Wettbewerbs am Standort Deutschland zu opfern, das kann ich nicht verstehen. Jemanden, der in der Vergangenheit bei RWE und bei Eon gearbeitet hat, dem darf eine solche Entscheidung nicht überlassen werden.
E&M: Nehmen wir den Fall, dass es eine Ministererlaubnis mit nur geringen Einschränkungen gibt, was passiert dann mit dem Gashandel?
Spicker: Dann wird der Gashandel in Deutschland tatsächlich für die nächsten zwei bis drei Jahre zum Erliegen kommen. Nehmen Sie nur die Thüga, die mit ihrer Deutschen Erdgashandelsgesellschaft vorsichtige Schritte versucht, um ihren etwa hundert mit der Ruhrgas unzufriedenen Beteiligungsunternehmen Spielraum zu geben, da passiert dann nichts mehr.
Der kombinierte Konzern aus Eon und Ruhrgas ist so mächtig und flächendeckend, dass über 80% des Bundesgebietes vom Wettbewerb nahezu ausgeschlossen würden.
 
„Wenn jetzt noch diese Fusion dazukommt, dann sehe ich ganz, ganz schwarz“
 
E&M: Wenn RWE mit Wingas näher zusammenrücken würde, wäre das dann eine Verbesserung oder eher noch schlimmer für den Markt?
Spicker: Der Markt würde nur noch mehr polarisiert. Wingas ist ja längst nicht mehr das Enfant Terrible und RWE, mit ihren Beteiligungen in Holland oder in Tschechien, wird das Ihre tun und keine neuen Kräfte aufkommen lassen.
E&M: Seit Enron fehlt, ist die Situation beim Erdgashandel schwieriger geworden?
Spicker: Genauso ist es. Das war ein wirklicher Knock-out für den Gasmarkt, denn alle Enron-Kunden sind weinend zu ihren bisherigen Versorgern zurückgegangen. Wenn jetzt noch diese Fusion dazukommt, dann sehe ich ganz, ganz schwarz.
E&M: Immerhin hat sich Ruhrgas jetzt am Hub in Bunde engagiert. Ist das kein positives Zeichen?
Spicker: Zunächst einmal ist es positiv, dass es am Hub in Bunde jetzt Wettbewerb zwischen zwei Hub-Operatoren gibt. Da ist einmal die Gasunie mit verschiedenen Händlern und jetzt eben Ruhrgas zusammen mit Statoil und BEB. Bei Gasunie gehe ich davon aus, dass die diese Sache tatsächlich ernst nehmen, wovon ich bei Ruhrgas nicht wirklich überzeugt bin. Alle Erfahrungen zeigen, dass Ruhrgas sich bei anderen Hubs und auch bei der Weiterentwicklung der Verbändevereinbarung in Deutschland nach außen hin offensiv gibt, aber tatsächlich die bewährte Verzögerungstaktik fährt.
E&M: Was ist nun Ihr Programm?
Spicker: Wie auch immer die Konstellation in Zukunft aussieht, es müssen Gasmengen aus den Händen der großen Gesellschaften freigegeben werden, um Hubs zu etablieren und die Liquidität im Gasmarkt voranzubringen. Dazu brauchen wir Auflagen, von wem auch immer die zu erteilen sind, sonst kommen wir im Gasmarkt in den nächsten zwei, drei Jahren nicht weiter.
E&M: Und wieso meinen Sie, dass man dann in drei Jahren weiterkommt?
Spicker: Weil dann die Entwicklung in Brüssel weitergegangen ist, und ich glaube nicht, dass die EU-Kommission die Situation in Deutschland einfach hinnimmt. Aber es geht um die Jahre dazwischen, wo wir uns fragen müssen, was wir als Unternehmen auf dem deutschen Markt überhaupt noch tun können.
 

Samstag, 22.01.2022, 13:07 Uhr
Fritz Wilhelm

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