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Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren

"Eine Eins-zu-eins-Deckung können wir nicht erwarten"

Noch kurz vor ihrer Fusion mit der Leipzig Power Exchange (LPX) erregte die Frankfurter European Energy Exchange (EEX) mit einem Konzept für das Clearing von OTC-Geschäften Aufsehen.
Der Verdacht lag nahe, die EEX in Frankfurt wolle noch kurz vor ihrer Verschmelzung mit der LPX in Leipzig unter Beweis stellen, dass auf hessischem Boden doch die besten Energiebörsen-Konzepte entstehen. Aber es sollten erst gar keine Missverständnisse aufkommen. Deshalb stellte EEX-Vorstand Hans E. Schweickardt den überraschten Journalisten gleich zu Beginn Roland Lehmann, damals Leiter des Vertriebs der LPX, als Gast der Pressekonferenz vor. Dieser verhielt sich dann auch als solcher, blieb dezent im Hintergrund und bekräftigte lediglich, dass er wohl kaum anwesend wäre, wenn hinter der Fusion der beiden deutschen Strombörsen noch ein Fragezeichen stünde. Deren genauer Zeitplan blieb aber weiterhin das Geheimnis der Verantwortlichen.

Keinen Hehl machte Schweickardt daraus, dass es durchaus zähe Verhandlungen waren, die Streitpunkte mittlerweile jedoch einvernehmlich geklärt worden waren. Dagegen sei das Clearing von außerbörslich geschlossenen Kontrakten nicht umstritten gewesen. Die Pleite von Enron, die die Branche erschüttert hatte, habe gezeigt, wie wichtig die Minimierung des Gegenparteirisikos sei. Die Pläne zur Einführung des OTC-Clearings hätten bereits Mitte 2001 auf dem Tisch gelegen.
Eine Konkurrenz für das OTC-Clearing durch Internetplattformen wie die der GFI Group fürchtete Schweickardt damals nicht. Sie seien allenfalls in der Lage, die EEX etwas in Atem zu halten.

Anfang 2002 sprach E&M-Redakteur Fritz Wilhelm am Rande der Pressekonferenz in Frankfurt mit Hans E. Schweickardt, Vorstand der EEX AG, Frankfurt am Main, und designierter Vorstand der neuen EEX AG, Leipzig.
 
Hans E. Schweickardt, Vorstand der EEX (hier ein Bild von 2009)
Quelle: Alpiq

E&M: Herr Schweickardt, mit einem neuen Angebot kann man sich natürlich gut profilieren. Aber warum haben Sie das OTC-Clearing nicht unter dem Etikett der fusionierten EEX vorgestellt?

Schweickardt: Es geht nicht darum, sich zu profilieren. Wir haben uns tatsächlich überlegt, ob wir das Konzept vor oder nach der Fusion vorstellen. Es gibt aber handfeste Gründe, dies jetzt zu tun. Zum einen gibt es zurzeit im Markt eine Nachfrage nach Angeboten, die das Gegenparteirisiko absichern. Hier können wir als Börse mit dem OTC-Clearing ein sehr interessantes Angebot machen. Zum anderen brauchen wir im Rahmen der Fusion das OTC-Clearing. Statt auf einen volumengewichteten Durchschnittspreis wird sich der Terminmarkt der neuen EEX auf den Market Clearing Price, wie er jetzt in der Stundenauktion der LPX ermittelt wird, beziehen. Um diesen Übergang für die Marktteilnehmer so einfach wie möglich zu gestalten, brauchen wir ein außerbörsliches Clearing. Nehmen wir den Jahresfuture 2004 auf der Basis des volumengewichteten Durchschnittspreises als Beispiel. Dieser Kontrakt kann theoretisch bis zum Dezember 2003 gehandelt werden. Es ist anzunehmen, dass nach dem Übergang zum neuen Referenzpreis kein Handelsteilnehmer mehr eine offene Position im alten Produkt haben möchte. Denn erstens: Die Liquidität dürfte sehr gering sein. Und zweitens: Wenn er tatsächlich noch einen Counterpart findet und seine Position schließt, tut er das quasi vor den Augen der Öffentlichkeit.

E&M: … und die Öffentlichkeit scheuen die Händler wie der Teufel das Weihwasser.

Schweickardt: Deshalb können sie mit dem OTC-Clearing ihre Positionen außerbörslich glattstellen. Wer im System short ist, geht außerbörslich long und umgekehrt.

E&M: Wie werden dann die Positionen im System geschlossen?

Schweickardt: Im Eurex-System ist eine Funktion implementiert, die den Teilnehmern dies ermöglicht. Im Grunde ist das ein einfacher Vorgang, sozusagen nur ein Mausklick.

E&M: Das OTC-Clearing soll sich nur auf Terminkontrakte beziehen. Die Musik spielt aber doch am physischen OTC-Markt.

Schweickardt: Wenn erst einmal die Marktteilnehmer verinnerlicht haben, dass es wichtig ist, lang laufende physische Kontrakte durch finanzielle Instrumente abzusichern, wird die Liquidität ansteigen.

E&M: Sie erwarten aber nicht, dass jeder Händler parallel zu einer physischen Position auch gleich die finanzielle Absicherung betreibt?

Schweickardt: Eine Eins-zu-eins-Deckung können wir nicht erwarten. Aber ich bin sicher, dass mit der zunehmenden Reife und Professionalität des Marktes das Bewusstsein der Händler für das Thema Risikoabsicherung wächst. Wir werden als Börse durch umfangreiche Schulungen dazu beitragen.

E&M: Sie bieten aber lediglich die Produkte zum Clearing an, die ohnehin schon am Terminmarkt gehandelt werden. Wie sieht es mit strukturierten Produkten aus?

Schweickardt: Sicherlich haben sehr viele Marktteilnehmer individuelle Verträge am OTC-Markt geschlossen, und es stellt sich für sie die Frage, ob sie ihr Risiko mit standardisierten Produkten abbilden können. Das muss jeder Händler für sich selbst beantworten. Wir müssen natürlich darauf bedacht sein, dass wir genügend Liquidität anziehen können. Dies kann aber nur mit standardisierten Produkten, über die nicht lange verhandelt werden muss, gelingen.

E&M: Wie flexibel kann die EEX reagieren, wenn der Markt nun doch nach strukturierten Produkten verlangt? Wie flexibel ist das Eurex-System?

Schweickardt: Es ist schwierig, hierauf eine allgemeingültige Antwort zu geben. Wenn es den Marktteilnehmern nicht reicht, zum Beispiel auf der Grundlage der Stundenauktion ihre Risiken zu managen, werden wir uns etwas einfallen lassen. Eine Börse lebt ja schließlich von Innovationen. Wir haben schon ein Konzept im Kopf, dessen Umsetzung zugegebenermaßen nicht ganz einfach ist. Bitte haben Sie aber Verständnis, dass ich zurzeit hierzu nicht mehr sagen kann.

E&M: Das Thema Clearing war bei den Fusionsverhandlungen mit der LPX ein zäher Brocken, war zu hören. Steht die Clearing-Struktur der neuen EEX nun fest?

Schweickardt : Bereits in den ersten Gesprächen mit der LPX über eine mögliche Fusion haben wir uns darüber verständigt, dass Eurex mit seiner integrierten Clearing-Funktion die Plattform für den Terminmarkt sein soll. Wir haben da sehr schnell eine gemeinsame Linie gefunden. Aus unserer Sicht und der Sicht der Teilnehmer ergibt es keinen Sinn, ein erprobtes und gut integriertes System auseinanderzubrechen. Über das OTC-Clearing selbst brauchten wir überhaupt nicht gesondert zu verhandeln, da es ja eine Funktionalität im Eurex-System ist.

E&M: Die LPX wollte die Clearing Bank Hannover ins Boot holen und musste sie im Zuge der Fusion wieder ausladen. Das hat sicherlich Zeit gekostet.

Schweickardt: Es gab Gespräche der LPX mit der Clearing Bank Hannover. Aber es steht mir nicht an, das Verhältnis der beiden zu kommentieren.

E&M: Wird die Clearing Bank Hannover noch in irgendeiner Weise eine Rolle im Rahmen der neuen EEX spielen?

Schweickardt: Aus heutiger Sicht kann ich das mit Nein beantworten. Wie das in Zukunft aussieht, ist aber eine Entscheidung der neuen EEX in Leipzig.
 

Samstag, 5.02.2022, 16:05 Uhr
Fritz Wilhelm
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Noch kurz vor ihrer Fusion mit der Leipzig Power Exchange (LPX) erregte die Frankfurter European Energy Exchange (EEX) mit einem Konzept für das Clearing von OTC-Geschäften Aufsehen.
Der Verdacht lag nahe, die EEX in Frankfurt wolle noch kurz vor ihrer Verschmelzung mit der LPX in Leipzig unter Beweis stellen, dass auf hessischem Boden doch die besten Energiebörsen-Konzepte entstehen. Aber es sollten erst gar keine Missverständnisse aufkommen. Deshalb stellte EEX-Vorstand Hans E. Schweickardt den überraschten Journalisten gleich zu Beginn Roland Lehmann, damals Leiter des Vertriebs der LPX, als Gast der Pressekonferenz vor. Dieser verhielt sich dann auch als solcher, blieb dezent im Hintergrund und bekräftigte lediglich, dass er wohl kaum anwesend wäre, wenn hinter der Fusion der beiden deutschen Strombörsen noch ein Fragezeichen stünde. Deren genauer Zeitplan blieb aber weiterhin das Geheimnis der Verantwortlichen.

Keinen Hehl machte Schweickardt daraus, dass es durchaus zähe Verhandlungen waren, die Streitpunkte mittlerweile jedoch einvernehmlich geklärt worden waren. Dagegen sei das Clearing von außerbörslich geschlossenen Kontrakten nicht umstritten gewesen. Die Pleite von Enron, die die Branche erschüttert hatte, habe gezeigt, wie wichtig die Minimierung des Gegenparteirisikos sei. Die Pläne zur Einführung des OTC-Clearings hätten bereits Mitte 2001 auf dem Tisch gelegen.
Eine Konkurrenz für das OTC-Clearing durch Internetplattformen wie die der GFI Group fürchtete Schweickardt damals nicht. Sie seien allenfalls in der Lage, die EEX etwas in Atem zu halten.

Anfang 2002 sprach E&M-Redakteur Fritz Wilhelm am Rande der Pressekonferenz in Frankfurt mit Hans E. Schweickardt, Vorstand der EEX AG, Frankfurt am Main, und designierter Vorstand der neuen EEX AG, Leipzig.
 
Hans E. Schweickardt, Vorstand der EEX (hier ein Bild von 2009)
Quelle: Alpiq

E&M: Herr Schweickardt, mit einem neuen Angebot kann man sich natürlich gut profilieren. Aber warum haben Sie das OTC-Clearing nicht unter dem Etikett der fusionierten EEX vorgestellt?

Schweickardt: Es geht nicht darum, sich zu profilieren. Wir haben uns tatsächlich überlegt, ob wir das Konzept vor oder nach der Fusion vorstellen. Es gibt aber handfeste Gründe, dies jetzt zu tun. Zum einen gibt es zurzeit im Markt eine Nachfrage nach Angeboten, die das Gegenparteirisiko absichern. Hier können wir als Börse mit dem OTC-Clearing ein sehr interessantes Angebot machen. Zum anderen brauchen wir im Rahmen der Fusion das OTC-Clearing. Statt auf einen volumengewichteten Durchschnittspreis wird sich der Terminmarkt der neuen EEX auf den Market Clearing Price, wie er jetzt in der Stundenauktion der LPX ermittelt wird, beziehen. Um diesen Übergang für die Marktteilnehmer so einfach wie möglich zu gestalten, brauchen wir ein außerbörsliches Clearing. Nehmen wir den Jahresfuture 2004 auf der Basis des volumengewichteten Durchschnittspreises als Beispiel. Dieser Kontrakt kann theoretisch bis zum Dezember 2003 gehandelt werden. Es ist anzunehmen, dass nach dem Übergang zum neuen Referenzpreis kein Handelsteilnehmer mehr eine offene Position im alten Produkt haben möchte. Denn erstens: Die Liquidität dürfte sehr gering sein. Und zweitens: Wenn er tatsächlich noch einen Counterpart findet und seine Position schließt, tut er das quasi vor den Augen der Öffentlichkeit.

E&M: … und die Öffentlichkeit scheuen die Händler wie der Teufel das Weihwasser.

Schweickardt: Deshalb können sie mit dem OTC-Clearing ihre Positionen außerbörslich glattstellen. Wer im System short ist, geht außerbörslich long und umgekehrt.

E&M: Wie werden dann die Positionen im System geschlossen?

Schweickardt: Im Eurex-System ist eine Funktion implementiert, die den Teilnehmern dies ermöglicht. Im Grunde ist das ein einfacher Vorgang, sozusagen nur ein Mausklick.

E&M: Das OTC-Clearing soll sich nur auf Terminkontrakte beziehen. Die Musik spielt aber doch am physischen OTC-Markt.

Schweickardt: Wenn erst einmal die Marktteilnehmer verinnerlicht haben, dass es wichtig ist, lang laufende physische Kontrakte durch finanzielle Instrumente abzusichern, wird die Liquidität ansteigen.

E&M: Sie erwarten aber nicht, dass jeder Händler parallel zu einer physischen Position auch gleich die finanzielle Absicherung betreibt?

Schweickardt: Eine Eins-zu-eins-Deckung können wir nicht erwarten. Aber ich bin sicher, dass mit der zunehmenden Reife und Professionalität des Marktes das Bewusstsein der Händler für das Thema Risikoabsicherung wächst. Wir werden als Börse durch umfangreiche Schulungen dazu beitragen.

E&M: Sie bieten aber lediglich die Produkte zum Clearing an, die ohnehin schon am Terminmarkt gehandelt werden. Wie sieht es mit strukturierten Produkten aus?

Schweickardt: Sicherlich haben sehr viele Marktteilnehmer individuelle Verträge am OTC-Markt geschlossen, und es stellt sich für sie die Frage, ob sie ihr Risiko mit standardisierten Produkten abbilden können. Das muss jeder Händler für sich selbst beantworten. Wir müssen natürlich darauf bedacht sein, dass wir genügend Liquidität anziehen können. Dies kann aber nur mit standardisierten Produkten, über die nicht lange verhandelt werden muss, gelingen.

E&M: Wie flexibel kann die EEX reagieren, wenn der Markt nun doch nach strukturierten Produkten verlangt? Wie flexibel ist das Eurex-System?

Schweickardt: Es ist schwierig, hierauf eine allgemeingültige Antwort zu geben. Wenn es den Marktteilnehmern nicht reicht, zum Beispiel auf der Grundlage der Stundenauktion ihre Risiken zu managen, werden wir uns etwas einfallen lassen. Eine Börse lebt ja schließlich von Innovationen. Wir haben schon ein Konzept im Kopf, dessen Umsetzung zugegebenermaßen nicht ganz einfach ist. Bitte haben Sie aber Verständnis, dass ich zurzeit hierzu nicht mehr sagen kann.

E&M: Das Thema Clearing war bei den Fusionsverhandlungen mit der LPX ein zäher Brocken, war zu hören. Steht die Clearing-Struktur der neuen EEX nun fest?

Schweickardt : Bereits in den ersten Gesprächen mit der LPX über eine mögliche Fusion haben wir uns darüber verständigt, dass Eurex mit seiner integrierten Clearing-Funktion die Plattform für den Terminmarkt sein soll. Wir haben da sehr schnell eine gemeinsame Linie gefunden. Aus unserer Sicht und der Sicht der Teilnehmer ergibt es keinen Sinn, ein erprobtes und gut integriertes System auseinanderzubrechen. Über das OTC-Clearing selbst brauchten wir überhaupt nicht gesondert zu verhandeln, da es ja eine Funktionalität im Eurex-System ist.

E&M: Die LPX wollte die Clearing Bank Hannover ins Boot holen und musste sie im Zuge der Fusion wieder ausladen. Das hat sicherlich Zeit gekostet.

Schweickardt: Es gab Gespräche der LPX mit der Clearing Bank Hannover. Aber es steht mir nicht an, das Verhältnis der beiden zu kommentieren.

E&M: Wird die Clearing Bank Hannover noch in irgendeiner Weise eine Rolle im Rahmen der neuen EEX spielen?

Schweickardt: Aus heutiger Sicht kann ich das mit Nein beantworten. Wie das in Zukunft aussieht, ist aber eine Entscheidung der neuen EEX in Leipzig.
 

Samstag, 5.02.2022, 16:05 Uhr
Fritz Wilhelm

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