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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: Shutterstock/jorisvo
E&M Vor 20 Jahren

"Die Wettbewerbskommission setzt auf das falsche Pferd"

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist derzeit eines der beherrschenden politischen Themen. Das war vor 20 Jahren nicht anders, als eine neue EU-Richtlinie in Kraft trat.
Mechthild Rothe war 2001 Mitglied im Ausschuss für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie des EU-Parlaments. Vor 20 Jahren war die SPD-Politikerin, die dem Europaparlament bis 2009 angehörte, Berichterstatterin für die damals neue EU-Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt.
 
E&M-Chefreporter Ralf Köpke sprach mit ihr über den neuen Regulierungsrahmen.
 
E&M: Frau Rothe, welche Bedeutung hat die Richtlinie zum Ausbau erneuerbarer Energien, die das Europäische Parlament jüngst beschlossen hat, für die Zukunft der Ökoenergien? 2010 sollen Wind-, Solar-, Wasser- und Bioenergie EU-weit einen Anteil von 22 Prozent an der Stromerzeugung haben.

Rothe: Wir haben mit dem Regelwerk einen wichtigen, heute noch gar nicht richtig abzuschätzenden Baustein für die Zukunft einer nachhaltigen Energieversorgung gelegt. Es ist überhaupt das erste Gesetz im Bereich erneuerbarer Energien, das ein EU-Parlament beschlossen hat und das für mich drei wichtige Eckpfeiler hat.
E&M: Fangen wir mit Punkt Eins an.

Rothe: Für die Investoren gibt es nun Rechtssicherheit. Lange Zeit gab es in Brüssel und Straßburg durchaus Überlegungen, nationale erfolgreiche Fördermodelle wie das deutsche Stromeinspeisegesetz durch einen Zertifikatehandel abzuschaffen. Damit ist jetzt Schluss. Alle 15 Mitgliedsländer können nun ihr eigenes Fördersystem wählen.

E&M: Das schreibt nicht mehr als den Status quo fest.

Rothe: Das ist richtig und falsch zugleich. Wir haben es bei den Beratungen nicht geschafft, die Ausbauziele für alle Mitgliedsstaaten verbindlich festzuschreiben. Aber diese Quoten sind Orientierungswerte, über deren Erreichen die Regierungen alle zwei Jahre regelmäßig berichten müssen. Damit stellt sich automatisch die Frage, wie erfolgreich das jeweils gewählte Fördersystem ist: das deutsche oder spanische Einspeisegesetz mit festen, gesetzlich garantierten Abnahmepreisen für Ökostrom, das Ausschreibemodell wie es derzeit noch in Großbritannien angewandt wird oder der Zertifikatehandel, wie ihn die dänische Regierung will.

E&M: Welche Bedeutung hat die neue Richtlinie für das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz, der Nachfolgeregelung für das alte Einspeisegesetz?

Rothe: Die Richtlinie beruht auf einem Kompromiss mit dem Ministerrat, der dem Entwurf auch so zugestimmt hat. Deshalb wird das EEG weiter Bestand haben. Frühestens in vier Jahren kann die Kommission damit beginnen, ein eigenes Ökostromgesetz zu erarbeiten. Dabei gibt es eine siebenjährige Übergangszeit für die Investoren, das heißt jeder Bundesbürger, der sich innerhalb der nächsten elf Jahre beispielsweise an einem Windpark beteiligt, kann für die nächsten 20 Jahre mit den im EEG genannten Vergütungssätzen rechnen.

E&M: Wo bleibt der dritte Eckpfeiler, den Sie andeuteten?

Rothe: Die Kommission hat sich bei ihrem gemeinsamen Vorschlag an dem Modell zu orientieren, das für den größten Marktdurchbruch der erneuerbaren Energien gesorgt hat. Ich bin mir sehr sicher, dass sich die deutsche oder spanische EEG-Regelung wie schon heute auch in vier Jahren als überlegen erweisen wird.
 
Mechtild Rothe (MdEP; auf einem Bild von 2009): „Ich bin mir sehr sicher, dass sich die deutsche oder spanische EEG-Regelung wie schon heute auch in vier Jahren als überlegen erweisen wird“
Quelle: Ralf Köpke

E&M: Warum hat sich der Energie-Ministerrat dann nicht schon heute für ein Mindestpreissystem a la EEG entschieden?

Rothe: Es war auch früher meine Strategie, voll auf ein europäisches Einspeisemodell zu setzen. Ich habe, wie andere auch, lernen müssen, dass wir das nicht durchsetzen können. Hätten wir an unserer Linie festgehalten, stünden wir heute mit leeren Händen da oder müssten uns mit einem Zertifikatemodell abfinden. Die Mehrheit der EU-Länder ist aus verschiedenen Gründen derzeit nicht für ein Einspeisegesetz zu gewinnen. Aber die Zahl der Anhänger steigt. Dass ausgerechnet Frankreich seit kurzem ein Fördermodell für Ökostrom hat, das dem deutschen EEG ähnelt, hätte vor zwei, drei Jahren noch niemand für möglich gehalten. Für mich gibt es keinen Zweifel daran, dass das Mindestpreis-Modell sich europaweit durchsetzen wird.

E&M: Sehen Sie eine Chance, dass die Kopenhagener Regierung ihren Systemwechsel rückgängig macht? Dänemark versucht neuerdings, mit einem Zertifikatehandel den Ökostromausbau voranzubringen.

Rothe: Die Unzufriedenheit in Dänemark mit den „green certificates“ wächst, auch in politischen Kreisen. Allein durch den Beschluss des Gesetzes ist der gesamte inländische Windmarkt zusammengebrochen, in diesem Jahr werden in Dänemark kaum neue Windmühlen ans Netz gehen. Die Investoren wandern ins Ausland ab, was der Regierung überhaupt nicht schmeckt.

E&M: Wie erklären Sie es, dass das EU-Parlament auf der einen Seite den Ausbau der Ökoenergien forciert, die Wettbewerbskommission unter Mario Monti aber ständig gegen das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz opponiert?

Rothe: Das ist Politik. Die Wettbewerbskommission setzt meines Erachtens auf das falsche Pferd. Das deutsche oder das spanische EEG ist für mich ein Gesetz, das die bestehenden Wettbewerbsnachteile für die regenerativen Energien im Vergleich zu den fossilen und nuklearen Energieträgern ausgleicht. Diesen Ansatz wird sich Mario Monti nie zu eigen machen. Deshalb ist es wichtig, dass die Politik für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgt.

E&M: Monti versucht nun wieder, trotz des eindeutigen Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 13. März, dem EEG einen Beihilfe-Charakter nachzuweisen. Geben Sie diesem Vorstoß eine Chance?

Rothe: Nein. Die Generaldirektion ficht einen verlorenen Kampf, ich kann Herrn Monti und seinen Mitarbeitern nur empfehlen, die Urteilsbegründung noch einmal gründlich zu lesen.

E&M: Nicht nur Herr Monti hat in Brüssel anscheinend etwas gegen den Ausbau der Ökoenergien, sondern auch die Forschungsdirektion. Beim Entwurf für das 6. EU-Forschungsrahmenprogramm fallen die erneuerbaren Energien fast komplett durchs Raster.

Rothe: Diese Beurteilung ist richtig. Wir im Forschungs- und Energieausschuss werden den Entwurf mit dieser eklatanten Schieflage nicht akzeptieren. Ich sehe da genügend Spielraum für Änderungsmöglichkeiten. Es ist heute schon möglich, effiziente Windparks auf hoher See zu bauen. Allerdings besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, um diese Technik zu verbessern.

E&M: In welchen EU-Ländern sehen Sie derzeit die größten Zuwächse beim Ökoenergien-Ausbau?

Rothe: Deutschland und Spanien zeigen momentan für mich die größten Anstrengungen. Bremser sind sicherlich die skandinavischen Länder. Wenig tut sich auch in Großbritannien. Zwar hat die Regierung Blair einen ambitionierten Ausbauplan beschlossen, aber zwischen Plan und Umsetzung klafft eine große Lücke.
 

Freitag, 20.08.2021, 15:47 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren -
Quelle: Shutterstock/jorisvo
E&M Vor 20 Jahren
"Die Wettbewerbskommission setzt auf das falsche Pferd"
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist derzeit eines der beherrschenden politischen Themen. Das war vor 20 Jahren nicht anders, als eine neue EU-Richtlinie in Kraft trat.
Mechthild Rothe war 2001 Mitglied im Ausschuss für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie des EU-Parlaments. Vor 20 Jahren war die SPD-Politikerin, die dem Europaparlament bis 2009 angehörte, Berichterstatterin für die damals neue EU-Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt.
 
E&M-Chefreporter Ralf Köpke sprach mit ihr über den neuen Regulierungsrahmen.
 
E&M: Frau Rothe, welche Bedeutung hat die Richtlinie zum Ausbau erneuerbarer Energien, die das Europäische Parlament jüngst beschlossen hat, für die Zukunft der Ökoenergien? 2010 sollen Wind-, Solar-, Wasser- und Bioenergie EU-weit einen Anteil von 22 Prozent an der Stromerzeugung haben.

Rothe: Wir haben mit dem Regelwerk einen wichtigen, heute noch gar nicht richtig abzuschätzenden Baustein für die Zukunft einer nachhaltigen Energieversorgung gelegt. Es ist überhaupt das erste Gesetz im Bereich erneuerbarer Energien, das ein EU-Parlament beschlossen hat und das für mich drei wichtige Eckpfeiler hat.
E&M: Fangen wir mit Punkt Eins an.

Rothe: Für die Investoren gibt es nun Rechtssicherheit. Lange Zeit gab es in Brüssel und Straßburg durchaus Überlegungen, nationale erfolgreiche Fördermodelle wie das deutsche Stromeinspeisegesetz durch einen Zertifikatehandel abzuschaffen. Damit ist jetzt Schluss. Alle 15 Mitgliedsländer können nun ihr eigenes Fördersystem wählen.

E&M: Das schreibt nicht mehr als den Status quo fest.

Rothe: Das ist richtig und falsch zugleich. Wir haben es bei den Beratungen nicht geschafft, die Ausbauziele für alle Mitgliedsstaaten verbindlich festzuschreiben. Aber diese Quoten sind Orientierungswerte, über deren Erreichen die Regierungen alle zwei Jahre regelmäßig berichten müssen. Damit stellt sich automatisch die Frage, wie erfolgreich das jeweils gewählte Fördersystem ist: das deutsche oder spanische Einspeisegesetz mit festen, gesetzlich garantierten Abnahmepreisen für Ökostrom, das Ausschreibemodell wie es derzeit noch in Großbritannien angewandt wird oder der Zertifikatehandel, wie ihn die dänische Regierung will.

E&M: Welche Bedeutung hat die neue Richtlinie für das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz, der Nachfolgeregelung für das alte Einspeisegesetz?

Rothe: Die Richtlinie beruht auf einem Kompromiss mit dem Ministerrat, der dem Entwurf auch so zugestimmt hat. Deshalb wird das EEG weiter Bestand haben. Frühestens in vier Jahren kann die Kommission damit beginnen, ein eigenes Ökostromgesetz zu erarbeiten. Dabei gibt es eine siebenjährige Übergangszeit für die Investoren, das heißt jeder Bundesbürger, der sich innerhalb der nächsten elf Jahre beispielsweise an einem Windpark beteiligt, kann für die nächsten 20 Jahre mit den im EEG genannten Vergütungssätzen rechnen.

E&M: Wo bleibt der dritte Eckpfeiler, den Sie andeuteten?

Rothe: Die Kommission hat sich bei ihrem gemeinsamen Vorschlag an dem Modell zu orientieren, das für den größten Marktdurchbruch der erneuerbaren Energien gesorgt hat. Ich bin mir sehr sicher, dass sich die deutsche oder spanische EEG-Regelung wie schon heute auch in vier Jahren als überlegen erweisen wird.
 
Mechtild Rothe (MdEP; auf einem Bild von 2009): „Ich bin mir sehr sicher, dass sich die deutsche oder spanische EEG-Regelung wie schon heute auch in vier Jahren als überlegen erweisen wird“
Quelle: Ralf Köpke

E&M: Warum hat sich der Energie-Ministerrat dann nicht schon heute für ein Mindestpreissystem a la EEG entschieden?

Rothe: Es war auch früher meine Strategie, voll auf ein europäisches Einspeisemodell zu setzen. Ich habe, wie andere auch, lernen müssen, dass wir das nicht durchsetzen können. Hätten wir an unserer Linie festgehalten, stünden wir heute mit leeren Händen da oder müssten uns mit einem Zertifikatemodell abfinden. Die Mehrheit der EU-Länder ist aus verschiedenen Gründen derzeit nicht für ein Einspeisegesetz zu gewinnen. Aber die Zahl der Anhänger steigt. Dass ausgerechnet Frankreich seit kurzem ein Fördermodell für Ökostrom hat, das dem deutschen EEG ähnelt, hätte vor zwei, drei Jahren noch niemand für möglich gehalten. Für mich gibt es keinen Zweifel daran, dass das Mindestpreis-Modell sich europaweit durchsetzen wird.

E&M: Sehen Sie eine Chance, dass die Kopenhagener Regierung ihren Systemwechsel rückgängig macht? Dänemark versucht neuerdings, mit einem Zertifikatehandel den Ökostromausbau voranzubringen.

Rothe: Die Unzufriedenheit in Dänemark mit den „green certificates“ wächst, auch in politischen Kreisen. Allein durch den Beschluss des Gesetzes ist der gesamte inländische Windmarkt zusammengebrochen, in diesem Jahr werden in Dänemark kaum neue Windmühlen ans Netz gehen. Die Investoren wandern ins Ausland ab, was der Regierung überhaupt nicht schmeckt.

E&M: Wie erklären Sie es, dass das EU-Parlament auf der einen Seite den Ausbau der Ökoenergien forciert, die Wettbewerbskommission unter Mario Monti aber ständig gegen das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz opponiert?

Rothe: Das ist Politik. Die Wettbewerbskommission setzt meines Erachtens auf das falsche Pferd. Das deutsche oder das spanische EEG ist für mich ein Gesetz, das die bestehenden Wettbewerbsnachteile für die regenerativen Energien im Vergleich zu den fossilen und nuklearen Energieträgern ausgleicht. Diesen Ansatz wird sich Mario Monti nie zu eigen machen. Deshalb ist es wichtig, dass die Politik für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgt.

E&M: Monti versucht nun wieder, trotz des eindeutigen Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 13. März, dem EEG einen Beihilfe-Charakter nachzuweisen. Geben Sie diesem Vorstoß eine Chance?

Rothe: Nein. Die Generaldirektion ficht einen verlorenen Kampf, ich kann Herrn Monti und seinen Mitarbeitern nur empfehlen, die Urteilsbegründung noch einmal gründlich zu lesen.

E&M: Nicht nur Herr Monti hat in Brüssel anscheinend etwas gegen den Ausbau der Ökoenergien, sondern auch die Forschungsdirektion. Beim Entwurf für das 6. EU-Forschungsrahmenprogramm fallen die erneuerbaren Energien fast komplett durchs Raster.

Rothe: Diese Beurteilung ist richtig. Wir im Forschungs- und Energieausschuss werden den Entwurf mit dieser eklatanten Schieflage nicht akzeptieren. Ich sehe da genügend Spielraum für Änderungsmöglichkeiten. Es ist heute schon möglich, effiziente Windparks auf hoher See zu bauen. Allerdings besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, um diese Technik zu verbessern.

E&M: In welchen EU-Ländern sehen Sie derzeit die größten Zuwächse beim Ökoenergien-Ausbau?

Rothe: Deutschland und Spanien zeigen momentan für mich die größten Anstrengungen. Bremser sind sicherlich die skandinavischen Länder. Wenig tut sich auch in Großbritannien. Zwar hat die Regierung Blair einen ambitionierten Ausbauplan beschlossen, aber zwischen Plan und Umsetzung klafft eine große Lücke.
 

Freitag, 20.08.2021, 15:47 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm

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