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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Die Ü20-Party: Sekt und Selters
Bild: Stadtwerke Husum
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Die Ü20-Party: Sekt und Selters

Tausende MW Windkraft fallen seit 2021 jährlich aus der 20-jährigen Förderung. Mit den Weiterbetriebskonzepten für die sogenannten Ü20-Standorte steht und fällt die Energiewende.
Vom 32 Meter hohen Longinusturm in den Nottulner Baumbergen (NRW) weitet sich der Blick über die Westfälische Bucht. Ins Auge fällt recht schnell auch eine alte Dame, die seit bald 30 Jahren unmittelbare Nachbarin des Funk- und Aussichtsturms ist und „den Langen“ kaum überragt: eine getriebelose E-40 aus dem Hause Enercon. Sie zählte Anfang der 90er zur technologischen Speerspitze der Windkraftanlagen. Heute gehört die 500-kW-Mühle zu den ergrauten Ü20-Winzlingen, die auch als TW600 (Tacke), V47 (Vestas) oder N27 (Nordex) noch immer ihre schmalen Rotoren in den Wind halten.

Ü20 − dieses Etikett zeigt nicht nur das Betriebsalter in Jahren an. Es rückt zugleich die Frage in den Vordergrund, warum sie sich überhaupt noch drehen können. Aus Sicht des Bundesverbands Windenergie (BWE) haben die Onshore-Mühlen der ersten Generation, die häufig weniger als ein Zehntel der Leistung moderner 5- und 6-MW-Turbinen bereitstellen, dennoch eine große Bedeutung für die Energiewende: Bis 2025 fallen in Summe etwa 15.000 MW aus Altanlagen aus der Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

Ihr Weiterbetrieb, so BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm, sei bei guter Verfassung sinnvoll. Er verweist auf eine Studie des Beratungsunternehmens Deutsche Windguard, nach der die Geschwister der Nottulner E-40, die sukzessive ausgefördert sein werden, zu etwa 70 % außerhalb der planerisch festgeschriebenen Windvorranggebiete stehen. Mit anderen Worten: Nach den heutigen Bestimmungen würden sie kaum mehr genehmigt. Solange die Pionieranlagen noch den Dreh raus haben, sollten sie möglichst weiter Ökostrom produzieren.

Das Platzhirsch-Prinzip ist kontraproduktiv

Das Platzhirsch-Prinzip widerspricht der Theorie einer gelingenden Energiewende, die eine Modernisierung und dafür das Repowering benötigt. Danach treten wenige neue, große und leistungsstarke Turbinen an die Stelle der Pioniere, um die Windparks auszudünnen und zugleich den Stromertrag deutlich zu steigern. Das funktioniert aber nicht, wenn nicht einmal jeder dritte Altstandort zur Verfügung steht. „Die Nachfrage nach erneuerbarem Strom steigt rasant“, sagt BWE-Mann Axthelm, während der Zubau insbesondere bei der Windenergie an Land „massiv eingebrochen“ sei.

Wären tatsächlich alle Altanlagen ersatzlos verschwunden, gäbe es 2021 einen Nettorückbau, weil nur etwa 2.200 bis 2.400 MW neue Kapazitäten entstehen. Die Bundesländer müssten ihre bisherige „Flächenplanung noch einmal neu beurteilen“, fordert Axthelm. Einige Regionen halten seit 2002 an ihrer Flächenpolitik fest − ein Anachronismus angesichts sich ständig beschleunigender Klimaziele. Vor diesem Hintergrund, so Axthelm, sei der Weiterbetrieb „die einzige Option, um in der Fläche weiter Windenergie zu ernten“.

Von der befürchteten Stilllegungswelle der Ü20-Anlagen sei Deutschland weit entfernt, sagt auch Jürgen Quentin von der Fachagentur (FA) Windenergie an Land. Jahr für Jahr gingen etwa 200 Turbinen aus Altersgründen oder für das Repowering vom Netz. Auch bis zur Jahresmitte 2021 waren es nur etwas mehr als 100 stillgelegte Anlagen mit insgesamt 120 MW; die Windguard kam auf 140 MW, von denen auch nur die Hälfte ausgefördert war.

Anfang 2021 waren noch fast 4.500 Windenergieanlagen mit 3.400 MW am Netz, deren Förderung ausgelaufen ist. Davon gehören 1.200 mit zusammen 500 MW in die Ü25-Klasse. Im Schnitt leisten ihre Generatoren nur 0,42 MW. Wenn heutzutage ein neuer Turm aus dem Festlandboden wächst, liegt die Kapazität im Mittel über 4 MW. Gute Gesundheit, also geringe Reparaturanfälligkeit, ist eine Bedingung für ihren Fortbestand.

Stimmung der Ü20-Betreiber hat sich merklich aufgehellt

Eine andere lebensverlängernde Maßnahme ist der Ertrag. Im ersten Pandemie-Jahr stürzte der Börsenpreis für Strom zeitweise auf unter 1 Cent je kWh ins Bodenlose. Das deckt auf Dauer nicht einmal die Betriebs- und Wartungskosten von Ü20-Anlagen. Die Folge wäre ein massiver Abbau gewesen, zumal wenn nicht die Gründerväter der Energiewende, Landwirte, die Betreibenden sind. „Deren Anlagen stehen oft auf eigenem Boden, sodass die Pioniere keine Pachtkosten zahlen müssen“, so Branchenexperte Quentin.

Die Stimmung der Ü20-Betreiberinnen und -Betreiber hat sich in diesem Jahr merklich aufgehellt. Die „Marktwerte Wind onshore“ sind deutlich über 4 Cent pro kWh angestiegen; im Juli sogar auf ein Allzeithoch von 6,8 Cent. Dies ermöglicht ein angemessenes Auskommen, das den Abbau vertagt.
Hinzu kommt ein Zubrot der scheidenden Bundesregierung. Sie hatte auf den Preisverfall reagiert und das Ende der Förderung nachträglich hinausgezögert. Dies bringt den Windmüllern zum Marktpreis je kWh zusätzlich bis zum 30. Juni 1 Cent, bis 30. September 0,5 Cent und bis 31. Dezember 0,25 Cent ein.

Das ist einerseits hilfreich. Andererseits wäre es „erforderlich gewesen, die rechtlichen Regelungen für den Weiterbetrieb durch eine Repowering-Strategie zu begleiten, da eigentlich die Erneuerung des Anlagenparks in den Mittelpunkt rücken müsste“, so BWE-Geschäftsführer Axthelm.

Kritik an dem Aufschlag kommt auch von Christoph Dany. Der Geschäftsführer der Hanse Windkraft glaubt fest daran, „dass es keine Bestandsförderung für Altanlagen mehr geben muss“. Sie führe „zu nichts“, außer dass Betreibende womöglich notwendige Reparaturen und den Verkauf aufschöben. Das 2018 gegründete Hamburger Unternehmen zielt auf Anlagen, die ausgefördert sind oder nur noch wenige Jahre haben. Hanse Windkraft macht deren Betreiberinnen und Betreibern ein Kaufangebot, das vom erwarteten Ertrag der letzten − im Idealfall drei − EEG-Jahre die Nebenkosten und den Preis für den Rückbau abzieht.

Zudem kommt eine Ertragsbeteiligung der Alteigentümer in Betracht. Sofern es sich um einen Repowering-Standort handelt, sei auch hier das spätere Mitverdienen selbstverständlich. Dany betont, das Unternehmen handele auch aus Idealismus. Als Tochter der Stadtwerke München zahlten die erworbenen Ü20-Anlagen auf die Klimaziele des kommunalen Versorgers ein, der bis 2025 etwa 7,5 Mrd. kWh Grünstrom pro Jahr selbst produzieren will. Das ist so viel Energie, wie München verbraucht.

Weil Hanse Windkraft in den Verträgen auf ein Rückfallrecht verzichtet, bleiben die Verkäufer praktischerweise von Ersatzansprüchen verschont, sollte eine Altanlage kurz nach dem Verkauf wider Erwarten das Zeitliche segnen. Ein einziges Mal in den gut drei Geschäftsjahren, so Dany, habe eine Erwerbung nach zwei Monaten einen Getriebeschaden erlitten. Dank eines eingesetzten Gebrauchtgetriebes läuft sie immer noch.

Interesse an ausgeförderten Ü20-Windparks zeigen viele Energieunternehmen: Die Energiekontor AG, die Naturstrom AG oder auch Baywa Re sind nur einige Beispiele für Projektierer und Erzeuger, die den Strom der Windveteranen über feste Abnahmeverträge, kurz PPA (Power Purchase Agreements), an Industriekunden und Versorger verkaufen oder selbst nutzen.

Altanlagen werden an einem neuen Standort wieder aufgebaut

Während Energiekontor und Naturstrom jeweils über 100 Anlagen mit einer Gesamtleistung jenseits von 100 MW den Weiterbetrieb sichern, geht es auch viele Nummern kleiner. Nahe der brandenburgischen Stadt Finsterwalde sind vier Ü20-Windenergieanlagen mit 2,3 MW zu schade zum Aussortieren. Die Partner „ampere.cloud“ und „ane.energy“ vermarkten deren Strom nun direkt über ihr virtuelles Kraftwerk. Kurze Vertragslaufzeiten schweben Andrea Grotzke vor, bei Baywa Re verantwortlich für Energy Solutions. Es ergebe „Sinn, die Mengen mehrerer Ü20-Windparks zu bündeln und sie mit kurzer Laufzeit Industriekunden anzubieten“.

Und wenn ein Auslaufmodell doch einmal den Boden unter dem Turm verliert, muss es nicht gleich in die Gelbe Tonne wandern. Mit dem von der Bundesregierung geförderten Projekt „Rückenwind“ könnten Windpioniere der ersten Stunde noch einmal im Baltikum in diese Rolle schlüpfen, so schwebt es Bernd Weidmann vor. Er ist Projektmitbegründer und Geschäftsführer der Zweitmarkt-Plattform „windturbine.com“. Die Altanlagen werden an einem neuen Standort wieder aufgebaut. Ziel sei ein möglichst langer Weiterbetrieb in Staaten mit Nachholbedarf sowie später ein fachgerechter Rückbau samt Recycling.

Je günstiger der neue Eigentümer die Mühle bekomme, desto länger bleibe der alte an den Erträgen beteiligt. Halte eine Anlage noch eine Dekade und produziere dabei 1 Mio. kWh pro Jahr, könne das durchaus 5.000 bis 10.000 Euro jährlich einbringen. Mit der Firma Inikti aus Litauen und ersten Altbetreibern ist Weidmann bereits im Gespräch.

Dienstag, 31.08.2021, 18:12 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Die Ü20-Party: Sekt und Selters
Bild: Stadtwerke Husum
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
Die Ü20-Party: Sekt und Selters
Tausende MW Windkraft fallen seit 2021 jährlich aus der 20-jährigen Förderung. Mit den Weiterbetriebskonzepten für die sogenannten Ü20-Standorte steht und fällt die Energiewende.
Vom 32 Meter hohen Longinusturm in den Nottulner Baumbergen (NRW) weitet sich der Blick über die Westfälische Bucht. Ins Auge fällt recht schnell auch eine alte Dame, die seit bald 30 Jahren unmittelbare Nachbarin des Funk- und Aussichtsturms ist und „den Langen“ kaum überragt: eine getriebelose E-40 aus dem Hause Enercon. Sie zählte Anfang der 90er zur technologischen Speerspitze der Windkraftanlagen. Heute gehört die 500-kW-Mühle zu den ergrauten Ü20-Winzlingen, die auch als TW600 (Tacke), V47 (Vestas) oder N27 (Nordex) noch immer ihre schmalen Rotoren in den Wind halten.

Ü20 − dieses Etikett zeigt nicht nur das Betriebsalter in Jahren an. Es rückt zugleich die Frage in den Vordergrund, warum sie sich überhaupt noch drehen können. Aus Sicht des Bundesverbands Windenergie (BWE) haben die Onshore-Mühlen der ersten Generation, die häufig weniger als ein Zehntel der Leistung moderner 5- und 6-MW-Turbinen bereitstellen, dennoch eine große Bedeutung für die Energiewende: Bis 2025 fallen in Summe etwa 15.000 MW aus Altanlagen aus der Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

Ihr Weiterbetrieb, so BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm, sei bei guter Verfassung sinnvoll. Er verweist auf eine Studie des Beratungsunternehmens Deutsche Windguard, nach der die Geschwister der Nottulner E-40, die sukzessive ausgefördert sein werden, zu etwa 70 % außerhalb der planerisch festgeschriebenen Windvorranggebiete stehen. Mit anderen Worten: Nach den heutigen Bestimmungen würden sie kaum mehr genehmigt. Solange die Pionieranlagen noch den Dreh raus haben, sollten sie möglichst weiter Ökostrom produzieren.

Das Platzhirsch-Prinzip ist kontraproduktiv

Das Platzhirsch-Prinzip widerspricht der Theorie einer gelingenden Energiewende, die eine Modernisierung und dafür das Repowering benötigt. Danach treten wenige neue, große und leistungsstarke Turbinen an die Stelle der Pioniere, um die Windparks auszudünnen und zugleich den Stromertrag deutlich zu steigern. Das funktioniert aber nicht, wenn nicht einmal jeder dritte Altstandort zur Verfügung steht. „Die Nachfrage nach erneuerbarem Strom steigt rasant“, sagt BWE-Mann Axthelm, während der Zubau insbesondere bei der Windenergie an Land „massiv eingebrochen“ sei.

Wären tatsächlich alle Altanlagen ersatzlos verschwunden, gäbe es 2021 einen Nettorückbau, weil nur etwa 2.200 bis 2.400 MW neue Kapazitäten entstehen. Die Bundesländer müssten ihre bisherige „Flächenplanung noch einmal neu beurteilen“, fordert Axthelm. Einige Regionen halten seit 2002 an ihrer Flächenpolitik fest − ein Anachronismus angesichts sich ständig beschleunigender Klimaziele. Vor diesem Hintergrund, so Axthelm, sei der Weiterbetrieb „die einzige Option, um in der Fläche weiter Windenergie zu ernten“.

Von der befürchteten Stilllegungswelle der Ü20-Anlagen sei Deutschland weit entfernt, sagt auch Jürgen Quentin von der Fachagentur (FA) Windenergie an Land. Jahr für Jahr gingen etwa 200 Turbinen aus Altersgründen oder für das Repowering vom Netz. Auch bis zur Jahresmitte 2021 waren es nur etwas mehr als 100 stillgelegte Anlagen mit insgesamt 120 MW; die Windguard kam auf 140 MW, von denen auch nur die Hälfte ausgefördert war.

Anfang 2021 waren noch fast 4.500 Windenergieanlagen mit 3.400 MW am Netz, deren Förderung ausgelaufen ist. Davon gehören 1.200 mit zusammen 500 MW in die Ü25-Klasse. Im Schnitt leisten ihre Generatoren nur 0,42 MW. Wenn heutzutage ein neuer Turm aus dem Festlandboden wächst, liegt die Kapazität im Mittel über 4 MW. Gute Gesundheit, also geringe Reparaturanfälligkeit, ist eine Bedingung für ihren Fortbestand.

Stimmung der Ü20-Betreiber hat sich merklich aufgehellt

Eine andere lebensverlängernde Maßnahme ist der Ertrag. Im ersten Pandemie-Jahr stürzte der Börsenpreis für Strom zeitweise auf unter 1 Cent je kWh ins Bodenlose. Das deckt auf Dauer nicht einmal die Betriebs- und Wartungskosten von Ü20-Anlagen. Die Folge wäre ein massiver Abbau gewesen, zumal wenn nicht die Gründerväter der Energiewende, Landwirte, die Betreibenden sind. „Deren Anlagen stehen oft auf eigenem Boden, sodass die Pioniere keine Pachtkosten zahlen müssen“, so Branchenexperte Quentin.

Die Stimmung der Ü20-Betreiberinnen und -Betreiber hat sich in diesem Jahr merklich aufgehellt. Die „Marktwerte Wind onshore“ sind deutlich über 4 Cent pro kWh angestiegen; im Juli sogar auf ein Allzeithoch von 6,8 Cent. Dies ermöglicht ein angemessenes Auskommen, das den Abbau vertagt.
Hinzu kommt ein Zubrot der scheidenden Bundesregierung. Sie hatte auf den Preisverfall reagiert und das Ende der Förderung nachträglich hinausgezögert. Dies bringt den Windmüllern zum Marktpreis je kWh zusätzlich bis zum 30. Juni 1 Cent, bis 30. September 0,5 Cent und bis 31. Dezember 0,25 Cent ein.

Das ist einerseits hilfreich. Andererseits wäre es „erforderlich gewesen, die rechtlichen Regelungen für den Weiterbetrieb durch eine Repowering-Strategie zu begleiten, da eigentlich die Erneuerung des Anlagenparks in den Mittelpunkt rücken müsste“, so BWE-Geschäftsführer Axthelm.

Kritik an dem Aufschlag kommt auch von Christoph Dany. Der Geschäftsführer der Hanse Windkraft glaubt fest daran, „dass es keine Bestandsförderung für Altanlagen mehr geben muss“. Sie führe „zu nichts“, außer dass Betreibende womöglich notwendige Reparaturen und den Verkauf aufschöben. Das 2018 gegründete Hamburger Unternehmen zielt auf Anlagen, die ausgefördert sind oder nur noch wenige Jahre haben. Hanse Windkraft macht deren Betreiberinnen und Betreibern ein Kaufangebot, das vom erwarteten Ertrag der letzten − im Idealfall drei − EEG-Jahre die Nebenkosten und den Preis für den Rückbau abzieht.

Zudem kommt eine Ertragsbeteiligung der Alteigentümer in Betracht. Sofern es sich um einen Repowering-Standort handelt, sei auch hier das spätere Mitverdienen selbstverständlich. Dany betont, das Unternehmen handele auch aus Idealismus. Als Tochter der Stadtwerke München zahlten die erworbenen Ü20-Anlagen auf die Klimaziele des kommunalen Versorgers ein, der bis 2025 etwa 7,5 Mrd. kWh Grünstrom pro Jahr selbst produzieren will. Das ist so viel Energie, wie München verbraucht.

Weil Hanse Windkraft in den Verträgen auf ein Rückfallrecht verzichtet, bleiben die Verkäufer praktischerweise von Ersatzansprüchen verschont, sollte eine Altanlage kurz nach dem Verkauf wider Erwarten das Zeitliche segnen. Ein einziges Mal in den gut drei Geschäftsjahren, so Dany, habe eine Erwerbung nach zwei Monaten einen Getriebeschaden erlitten. Dank eines eingesetzten Gebrauchtgetriebes läuft sie immer noch.

Interesse an ausgeförderten Ü20-Windparks zeigen viele Energieunternehmen: Die Energiekontor AG, die Naturstrom AG oder auch Baywa Re sind nur einige Beispiele für Projektierer und Erzeuger, die den Strom der Windveteranen über feste Abnahmeverträge, kurz PPA (Power Purchase Agreements), an Industriekunden und Versorger verkaufen oder selbst nutzen.

Altanlagen werden an einem neuen Standort wieder aufgebaut

Während Energiekontor und Naturstrom jeweils über 100 Anlagen mit einer Gesamtleistung jenseits von 100 MW den Weiterbetrieb sichern, geht es auch viele Nummern kleiner. Nahe der brandenburgischen Stadt Finsterwalde sind vier Ü20-Windenergieanlagen mit 2,3 MW zu schade zum Aussortieren. Die Partner „ampere.cloud“ und „ane.energy“ vermarkten deren Strom nun direkt über ihr virtuelles Kraftwerk. Kurze Vertragslaufzeiten schweben Andrea Grotzke vor, bei Baywa Re verantwortlich für Energy Solutions. Es ergebe „Sinn, die Mengen mehrerer Ü20-Windparks zu bündeln und sie mit kurzer Laufzeit Industriekunden anzubieten“.

Und wenn ein Auslaufmodell doch einmal den Boden unter dem Turm verliert, muss es nicht gleich in die Gelbe Tonne wandern. Mit dem von der Bundesregierung geförderten Projekt „Rückenwind“ könnten Windpioniere der ersten Stunde noch einmal im Baltikum in diese Rolle schlüpfen, so schwebt es Bernd Weidmann vor. Er ist Projektmitbegründer und Geschäftsführer der Zweitmarkt-Plattform „windturbine.com“. Die Altanlagen werden an einem neuen Standort wieder aufgebaut. Ziel sei ein möglichst langer Weiterbetrieb in Staaten mit Nachholbedarf sowie später ein fachgerechter Rückbau samt Recycling.

Je günstiger der neue Eigentümer die Mühle bekomme, desto länger bleibe der alte an den Erträgen beteiligt. Halte eine Anlage noch eine Dekade und produziere dabei 1 Mio. kWh pro Jahr, könne das durchaus 5.000 bis 10.000 Euro jährlich einbringen. Mit der Firma Inikti aus Litauen und ersten Altbetreibern ist Weidmann bereits im Gespräch.

Dienstag, 31.08.2021, 18:12 Uhr
Volker Stephan

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