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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Deutschland am Laufen halten - aber wie?
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Deutschland am Laufen halten - aber wie?

Die VKU-Mitglieder trafen sich zum Kongress in Berlin. So viel Politprominenz wie nie eilte herbei, um ihnen für Geleistetes zu danken.

Trotz Corona-Pandemie und Energiekrise hielten die Menschen in den kommunalen Unternehmen tagtäglich „Deutschland am Laufen“, wie es das Motto ihres Verbands VKU verspricht. Dafür dankte ihnen Kanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich. Hinzu kamen vier Minister und der Oppositionsführer der Union. Das Lob ist Anerkennung für die enormen Leistungen der Vergangenheit und Gegenwart, aber mindestens ebenso ein Vorschuss für die fordernden Aufgaben der Zukunft.

Nicht umsonst fragte der Kongress: „Wie halten wir Deutschland am Laufen?“ Der Bundeskanzler sagte in seiner Rede: „Die Stadtwerke sind wichtige Akteure der Energiewende.“ Dessen sind sich die Unternehmen natürlich bewusst. Aktuell aber müssen sie viel Arbeitskraft in die Umsetzung der Preisbremsen für die Endkunden stecken, mit denen sie eigentlich eine hoheitliche Aufgabe des Staates umsetzen, wie VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing betonte. „Deutschlandweit kostet uns das dreistellige Millionenbeträge, die niemand zurückzahlt.“

Herausforderung sind die vier Ds

Daher stellte der Verband einen Zehn-Punkte-Katalog mit Forderungen auf, um auch die kommenden Aufgaben bewältigen zu können. Die Herausforderungen etikettierte VKU-Präsident Ulf Kämpfer mit vier Ds: Dekarbonisierung, Demografie, Digitalisierung und die Sicherung der Daseinsvorsorge für die Zukunft. Dafür forderte der Verband sichere Investitionsrahmen, damit das knappe Geld nachhaltig eingesetzt werden kann.

Angeregte Pausendiskussionen
Quelle: VKU/Budde

Die Unternehmen benötigten aktuell einen Finanzschutzschirm von Bürgschaften, warb Liebing. Ein solcher Schutzschirm in Höhe von 100 Milliarden Euro könne aus dem Margining-Programm für den Börsenhandel kommen. Damit sollten höhere Sicherheitsleistungen im Terminhandel abgefedert werden, damit die Versorger noch Liquidität für notwendige Investitionen in die Energiewende haben. Andernfalls fehle das Geld für wichtige Investitionen insbesondere in die Infrastruktur. Das betreffe Stromverteilnetze, Smart Meter Rollout, Wärmenetze und nicht fossile Fahrzeuge für den öffentlichen Nahverkehr und die Müllentsorgung.

Der neue VKU-Präsident Ulf Kämpfer, zugleich Oberbürgermeister von Kiel, erinnerte, dass die ehrgeizigen Beschlüsse der Politik „vor Ort in den Kommunen umgesetzt werden“. „Bis 2030 haben wir uns gesetzlich zu 80 Prozent erneuerbarem Strom im Netz, 15 Millionen Elektroautos und sechs Millionen Wärmepumpen verpflichtet“, das sei eine enorme Herausforderung.

Anpassung an den Klimawandel

Nicht nur die klimafreundliche Energieversorgung gehöre zur Daseinsvorsorge, auch die Anpassung an den Klimawandel, vor allem in der Wasserversorgung. „Wasser als kostbares Gut muss immer prioritär geschützt werden“, forderte Kämpfer. Vier Dürrejahre hätten schon im vergangenen Jahr Gemeinden mit versiegenden Brunnen konfrontiert. Zugleich hätten Hochwasserkatastrophen wie an der Ahr bewiesen, dass die Folgen der Klimaerwärmung längst in Deutschland angekommen sind und Anpassungen erforderten.

In der Digitalisierung sei Deutschland weit zurück, kritisierte Kämpfer. So decke die Versorgung mit Glasfaserkabeln in Kiel 62 Prozent der Fläche ab, deutschlandweit durchschnittlich 26 Prozent und selbst in Berlin nur 10 Prozent. Wenn bürokratische Verwaltungsprozesse digitalisiert würden, diene das auch dazu, den demografisch bedingten Arbeitskräftemangel abzufedern, appellierte der VKU-Präsident. Nur so sei es möglich, weiter einheitliche Lebensverhältnisse in Deutschland zu sichern. Der Ausbau intelligenter und steuerbarer Stromverteilnetze sei der Schlüssel, um trotz volatiler Erzeugung die Stromversorgung stabil zu halten. Doch das bedeute hohe Investitionen und Personalbedarf.

Für die benötigten Fachkräfte in Handwerks- und Ingenieurberufen sollten diese attraktiver gemacht werden und Zuwanderer angeworben werden. „Dafür sind kommunale Unternehmen mit ihrer sinnstiftenden Aufgabe der Daseinsvorsorge prädestiniert“, schloss Kämpfer. Der VKU berate die Politik „mit einem Praxischeck bei der Ausarbeitung des Rechtsrahmens für die Energiewende“, versprach er den versammelten Unternehmensvertretern.

Erneuerbaren-Ausbau beschleunigen

„Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir eine extreme Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien mit weiteren Erleichterungen im Genehmigungsrecht, mehr Personal in den zuständigen Behörden und der Digitalisierung von Verfahren“, forderte Liebing von Bund und Ländern. Hinzu käme eine Reform des Strommarktdesigns, um die Versorgungssicherheit in einem klimaneutralen Stromsystem zu sichern. „Eine marktliche Bepreisung von Kapazitäten schafft dauerhaft Anreize, gesicherte Leistung vorzuhalten“, erinnerte der Geschäftsführer an den Vorschlag des Verbands.
 

VKU-Präsident Ulf Kämpfer (l.) und Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing Quelle: VKU/Trenkel

Zugleich müsse die Politik schnell eine Kraftwerksstrategie umsetzen und Fakten schaffen, die den Zubau regelbarer Kapazitäten im Wettbewerb jetzt anreizen und einen angemessenen Förderrahmen für H2-ready-Gaskraftwerke per KWKG-Reform bieten. „Investitionsanreize brauchen wir auch, um den Netzausbau zu forcieren − hier ist in puncto Anreizregulierung die Bundesnetzagentur gefordert“, sagte Liebing.

Für mehr Tempo bei der Wärmewende solle das Bundesgesetz zur kommunalen Wärmeplanung schnellstens kommen, flankiert durch eine Harmonisierung mit dem Bau- und Fachordnungsrecht sowie bestehenden Förderprogrammen. „Bei der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG; d. Red.) dürfen klimaneutrale Gase und hybride Technologien in der dezentralen Wärmeversorgung nicht ausgeschlossen werden“, appellierte er. Es brauche Technologieoffenheit und für die Transformation der Gasnetze einen tragfähigen Regulierungsrahmen.

Wasserstoff auch kommunal nutzen

Bei der notwendigen, weiteren Diversifizierung des Energieportfolios setze der VKU nicht auf Fracking von Erdgas, sondern auf Wasserstoff − und fordert „klare Kante der Bundesregierung in Brüssel“. Wasserstoff, der bei der Abwasserentsorgung oder bei der Verbrennung von nicht-recycelbarem Abfall in Müllheizkraftwerken gewonnen wird, müsse einbezogen werden, forderte Liebing.

Mit den aktuellen Gesetzesvorlagen der EU würden kommunale Unternehmen komplett ausgeschlossen von der Wasserstoffwirtschaft, weil dafür zusätzliche erneuerbare Erzeugung und direkte räumliche und zeitliche Korrelation als Bedingung gelten, bedauerte Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München.

Gespanntes Zuhören im Auditorium
Quelle: VKU/Trenkel

Der neu gewählte Präsident der Federation of Local Energy Companies (CEDEC) mahnte zugleich an, Bestrebungen in der EU entgegenzuwirken, die die Energieversorgung nach französischem Vorbild zentralisieren wollten. „Der marktwirtschaftliche Ansatz im Strombereich darf nicht zerschlagen werden“, warnte Bieberbach. Das würde das dezentrale deutsche System kommunaler Versorger gefährden.

Für die baldige Nutzung von mehr Wasserstoff dürfe es keine strenge Trennung von Gas- und Wasserstoffnetzen geben, forderten auf dem Kongress mehrere Gasnetzbetreiber. „Leider ist die Bundesregierung hier gegenüber der EU nicht an unserer Seite“, bedauerte Marion Walsmann, kommunalpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, in der Diskussion.


Freitag, 28.04.2023, 10:15 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Deutschland am Laufen halten - aber wie?
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
Deutschland am Laufen halten - aber wie?
Die VKU-Mitglieder trafen sich zum Kongress in Berlin. So viel Politprominenz wie nie eilte herbei, um ihnen für Geleistetes zu danken.

Trotz Corona-Pandemie und Energiekrise hielten die Menschen in den kommunalen Unternehmen tagtäglich „Deutschland am Laufen“, wie es das Motto ihres Verbands VKU verspricht. Dafür dankte ihnen Kanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich. Hinzu kamen vier Minister und der Oppositionsführer der Union. Das Lob ist Anerkennung für die enormen Leistungen der Vergangenheit und Gegenwart, aber mindestens ebenso ein Vorschuss für die fordernden Aufgaben der Zukunft.

Nicht umsonst fragte der Kongress: „Wie halten wir Deutschland am Laufen?“ Der Bundeskanzler sagte in seiner Rede: „Die Stadtwerke sind wichtige Akteure der Energiewende.“ Dessen sind sich die Unternehmen natürlich bewusst. Aktuell aber müssen sie viel Arbeitskraft in die Umsetzung der Preisbremsen für die Endkunden stecken, mit denen sie eigentlich eine hoheitliche Aufgabe des Staates umsetzen, wie VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing betonte. „Deutschlandweit kostet uns das dreistellige Millionenbeträge, die niemand zurückzahlt.“

Herausforderung sind die vier Ds

Daher stellte der Verband einen Zehn-Punkte-Katalog mit Forderungen auf, um auch die kommenden Aufgaben bewältigen zu können. Die Herausforderungen etikettierte VKU-Präsident Ulf Kämpfer mit vier Ds: Dekarbonisierung, Demografie, Digitalisierung und die Sicherung der Daseinsvorsorge für die Zukunft. Dafür forderte der Verband sichere Investitionsrahmen, damit das knappe Geld nachhaltig eingesetzt werden kann.

Angeregte Pausendiskussionen
Quelle: VKU/Budde

Die Unternehmen benötigten aktuell einen Finanzschutzschirm von Bürgschaften, warb Liebing. Ein solcher Schutzschirm in Höhe von 100 Milliarden Euro könne aus dem Margining-Programm für den Börsenhandel kommen. Damit sollten höhere Sicherheitsleistungen im Terminhandel abgefedert werden, damit die Versorger noch Liquidität für notwendige Investitionen in die Energiewende haben. Andernfalls fehle das Geld für wichtige Investitionen insbesondere in die Infrastruktur. Das betreffe Stromverteilnetze, Smart Meter Rollout, Wärmenetze und nicht fossile Fahrzeuge für den öffentlichen Nahverkehr und die Müllentsorgung.

Der neue VKU-Präsident Ulf Kämpfer, zugleich Oberbürgermeister von Kiel, erinnerte, dass die ehrgeizigen Beschlüsse der Politik „vor Ort in den Kommunen umgesetzt werden“. „Bis 2030 haben wir uns gesetzlich zu 80 Prozent erneuerbarem Strom im Netz, 15 Millionen Elektroautos und sechs Millionen Wärmepumpen verpflichtet“, das sei eine enorme Herausforderung.

Anpassung an den Klimawandel

Nicht nur die klimafreundliche Energieversorgung gehöre zur Daseinsvorsorge, auch die Anpassung an den Klimawandel, vor allem in der Wasserversorgung. „Wasser als kostbares Gut muss immer prioritär geschützt werden“, forderte Kämpfer. Vier Dürrejahre hätten schon im vergangenen Jahr Gemeinden mit versiegenden Brunnen konfrontiert. Zugleich hätten Hochwasserkatastrophen wie an der Ahr bewiesen, dass die Folgen der Klimaerwärmung längst in Deutschland angekommen sind und Anpassungen erforderten.

In der Digitalisierung sei Deutschland weit zurück, kritisierte Kämpfer. So decke die Versorgung mit Glasfaserkabeln in Kiel 62 Prozent der Fläche ab, deutschlandweit durchschnittlich 26 Prozent und selbst in Berlin nur 10 Prozent. Wenn bürokratische Verwaltungsprozesse digitalisiert würden, diene das auch dazu, den demografisch bedingten Arbeitskräftemangel abzufedern, appellierte der VKU-Präsident. Nur so sei es möglich, weiter einheitliche Lebensverhältnisse in Deutschland zu sichern. Der Ausbau intelligenter und steuerbarer Stromverteilnetze sei der Schlüssel, um trotz volatiler Erzeugung die Stromversorgung stabil zu halten. Doch das bedeute hohe Investitionen und Personalbedarf.

Für die benötigten Fachkräfte in Handwerks- und Ingenieurberufen sollten diese attraktiver gemacht werden und Zuwanderer angeworben werden. „Dafür sind kommunale Unternehmen mit ihrer sinnstiftenden Aufgabe der Daseinsvorsorge prädestiniert“, schloss Kämpfer. Der VKU berate die Politik „mit einem Praxischeck bei der Ausarbeitung des Rechtsrahmens für die Energiewende“, versprach er den versammelten Unternehmensvertretern.

Erneuerbaren-Ausbau beschleunigen

„Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir eine extreme Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien mit weiteren Erleichterungen im Genehmigungsrecht, mehr Personal in den zuständigen Behörden und der Digitalisierung von Verfahren“, forderte Liebing von Bund und Ländern. Hinzu käme eine Reform des Strommarktdesigns, um die Versorgungssicherheit in einem klimaneutralen Stromsystem zu sichern. „Eine marktliche Bepreisung von Kapazitäten schafft dauerhaft Anreize, gesicherte Leistung vorzuhalten“, erinnerte der Geschäftsführer an den Vorschlag des Verbands.
 

VKU-Präsident Ulf Kämpfer (l.) und Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing Quelle: VKU/Trenkel

Zugleich müsse die Politik schnell eine Kraftwerksstrategie umsetzen und Fakten schaffen, die den Zubau regelbarer Kapazitäten im Wettbewerb jetzt anreizen und einen angemessenen Förderrahmen für H2-ready-Gaskraftwerke per KWKG-Reform bieten. „Investitionsanreize brauchen wir auch, um den Netzausbau zu forcieren − hier ist in puncto Anreizregulierung die Bundesnetzagentur gefordert“, sagte Liebing.

Für mehr Tempo bei der Wärmewende solle das Bundesgesetz zur kommunalen Wärmeplanung schnellstens kommen, flankiert durch eine Harmonisierung mit dem Bau- und Fachordnungsrecht sowie bestehenden Förderprogrammen. „Bei der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG; d. Red.) dürfen klimaneutrale Gase und hybride Technologien in der dezentralen Wärmeversorgung nicht ausgeschlossen werden“, appellierte er. Es brauche Technologieoffenheit und für die Transformation der Gasnetze einen tragfähigen Regulierungsrahmen.

Wasserstoff auch kommunal nutzen

Bei der notwendigen, weiteren Diversifizierung des Energieportfolios setze der VKU nicht auf Fracking von Erdgas, sondern auf Wasserstoff − und fordert „klare Kante der Bundesregierung in Brüssel“. Wasserstoff, der bei der Abwasserentsorgung oder bei der Verbrennung von nicht-recycelbarem Abfall in Müllheizkraftwerken gewonnen wird, müsse einbezogen werden, forderte Liebing.

Mit den aktuellen Gesetzesvorlagen der EU würden kommunale Unternehmen komplett ausgeschlossen von der Wasserstoffwirtschaft, weil dafür zusätzliche erneuerbare Erzeugung und direkte räumliche und zeitliche Korrelation als Bedingung gelten, bedauerte Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München.

Gespanntes Zuhören im Auditorium
Quelle: VKU/Trenkel

Der neu gewählte Präsident der Federation of Local Energy Companies (CEDEC) mahnte zugleich an, Bestrebungen in der EU entgegenzuwirken, die die Energieversorgung nach französischem Vorbild zentralisieren wollten. „Der marktwirtschaftliche Ansatz im Strombereich darf nicht zerschlagen werden“, warnte Bieberbach. Das würde das dezentrale deutsche System kommunaler Versorger gefährden.

Für die baldige Nutzung von mehr Wasserstoff dürfe es keine strenge Trennung von Gas- und Wasserstoffnetzen geben, forderten auf dem Kongress mehrere Gasnetzbetreiber. „Leider ist die Bundesregierung hier gegenüber der EU nicht an unserer Seite“, bedauerte Marion Walsmann, kommunalpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, in der Diskussion.


Freitag, 28.04.2023, 10:15 Uhr
Susanne Harmsen

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