E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Europaeische Union - Der europäische Weg aus der Krise
Quelle: iStock / FrankyDeMeyer
Europaeische Union

Der europäische Weg aus der Krise

Die EU will schon vor 2030 unabhängig von fossilen Brennstoffen aus Russland werden. Der Plan "REPowerEU" soll Mitte März von den Staats- und Regierungschefs gebilligt werden.
Die Strategie der EU-Kommission besteht darin, die europäischen Gasspeicher mit Lieferungen aus anderen Regionen rasch aufzufüllen, möglichst viel Gas im Wärme- und Energiesektor zu ersetzen und den Ausbau der erneuerbaren Energien noch stärker zu beschleunigen als dies ohnehin geplant war. Es sei höchste Zeit, dass sich die EU um ihre energiepolitischen Schwachstellen kümmere, sagte der Vize-Präsident der Kommission, Frans Timmermans, nach der Kommissionssitzung am 8. März in Straßburg (Frankreich). Die Lösung des Problems seien die erneuerbaren Energien: "Die Erneuerbaren sind billig, sauber und unbegrenzt verfügbar. Anstatt die Förderung fossiler Energien woanders zu bezahlen, sollten wir hier Arbeitsplätze schaffen."

Nach den Plänen der Kommission sollen zwei Drittel der russischen Gasimporte, das sind 100 Mrd. m3, binnen Jahresfrist durch andere Energieträger, Einsparungen oder durch andere Lieferanten ersetzt werden.

Zunächst sollen die Gasspeicher in der EU über den Sommer mithilfe zusätzlicher Flüssigerdgas-Lieferungen aus den USA, Algerien, Ägypten oder Nigeria aufgefüllt werden. Mit Ländern wie Japan oder Südkorea verhandelt die Kommission über den Weiterverkauf vertraglich vereinbarter Lieferungen. Für diesen Winter sei die Versorgung gesichert, sagte Energiekommissarin Kadris Simson.

Im April will die Kommission gesetzliche Regelungen vorschlagen, mit denen sichergestellt wird, dass die Gasspeicher der EU jedes Jahr am 1.Oktober zu 90 % gefüllt sind. Brüssel will die Auffüllung genau kontrollieren und den Mitgliedsstaaten Instrumente zur Durchsetzung zur Verfügung stellen. Vorgesehen sind auch Vorschriften, mit denen die Solidarität der Mitgliedsstaaten, die nicht alle über ausreichende Speicherkapazität verfügen, beim Einsatz des gespeicherten Gasvolumens sichergestellt wird. Gleichzeitig will die Kommission dafür sorgen, dass sich alle Mitgliedsstaaten an den Kosten der Lagerhaltung beteiligen.

Mittelfristig soll das russische Gas durch andere Lieferanten ersetzt werden. Dabei setzt die Kommission auf mehr Importe über Pipelines aus anderen Ländern sowie auf höhere Importe von Flüssigerdgas (LNG), Biomethan und grünem Wasserstoff. Der Einsatz von Gas in der Industrie, in der Energiewirtschaft und in Gebäuden soll durch Investitionen zur Erhöhung der Energieeffizienz, den Ausbau der erneuerbaren Energien und eine schnellere Elektrifizierung reduziert werden. Engpässe in der Infrastruktur sollen gezielt beseitigt werden. Bei der Umsetzung des Programms will die Kommission die Mitgliedsstaaten unterstützen, sowohl bei der Identifizierung und Planung geeigneter Projekte als auch bei der Finanzierung. Dafür stünden die Mittel aus dem Corona-Fonds zur Verfügung.

Gestaltung der Energiepreise unter der Lupe

Die vollständige Umsetzung der Vorschläge "Fit for 55", die die Kommission im Sommer vergangenen Jahres zum Klimaschutz vorgelegt hatte, würden den Gasverbrauch der EU bis 2030 nach Schätzungen der Behörde um 30 % (entspricht 100 bcm) reduzieren. Mit den Maßnahmen von "REPowerEU“"könnte diese Menge auf 155 bcm angehoben werden, zwei Drittel davon binnen Jahresfrist. Insgesamt beliefen sich die russischen Gas-Lieferungen im vergangenen Jahr auf 155 bcm, das waren 40 % des gesamten Verbrauchs. Außerdem importierte die EU ein Drittel ihres Rohöls und die Hälfte ihrer Steinkohle aus Russland.

Mit Blick auf die Energiepreise prüft die Kommission "alle Optionen", um ein Übergreifen der Gas- auf die Strompreise zu begrenzen. Dazu gehörten auch zeitlich befristete Höchstpreise und eine Überprüfung der Regulierung, beziehungsweise des "Designs" des Elektrizitätsmarktes. Damit kommt die Kommission einer Forderung Frankreichs und anderer Länder nach. Im April soll die Regulierungsbehörde der EU, ACER, dazu einen Bericht vorlegen. Ziel sei es, die Belastung der Unternehmen und der Verbraucher durch hohe Strompreise zu begrenzen. Es werde weiter untersucht, ob einzelne Versorger, insbesondere der russische Energiekonzern Gazprom, ihre Marktmacht missbrauchten.

Bereits jetzt könnten die Mitgliedsstaaten Preise regulieren und überhöhte Gewinne der Energiewirtschaft oder Einnahmen aus dem Emissionshandel einsetzen, um die Verbraucher zu entlasten. Unternehmen, die durch die hohen Energiepreise gefährdet würden, könnten im Rahmen von Ausnahmeregeln unterstützt werden. Eine Schließung energieintensiver Branchen wie der Düngemittel-Industrie lehne die Kommission dagegen ab, sagte Timmermans.

Vorübergehende Lockerung der staatlichen Beihilfen

Darüber hinaus will die Kommission nach Rücksprache mit den Mitgliedsstaaten die geltenden Regeln für staatliche Beihilfen vorübergehend lockern, damit Unternehmen mit hohen Energiekosten gezielt unterstützt werden können. In Brüssel denkt man dabei zum Beispiel an Liquiditätsbeihilfen für energieintensive Unternehmen. Es könnten auch mehr Sektoren als energieintensiv anerkannt und zeitlich befristet unterstützt werden, unter der Bedingung, dass sie zusätzliche Anstrengungen unternehmen, ihre Produktion zu dekarbonisieren.

Zur Finanzierung solcher Hilfen könnten die Mitgliedsstaaten außerordentliche Gewinne der Energiewirtschaft aufgrund der jüngsten Preisentwicklung (sogenannte Windfall-Profits, die insbesondere bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien entstehen) gesondert besteuern. In Brüssel geht man davon aus, dass die öffentlichen Haushalte dadurch bis zu 200 Mrd. Euro zusätzlich einnehmen könnten.

Die Kommission weist außerdem darauf hin, dass die Regeln des Stabilitätspaktes weiter ausgesetzt sind. In Brüssel ist man offensichtlich bereit, höhere Defizite nicht nur zur Bekämpfung der Corona-Epidemie zu akzeptieren, sondern auch, wenn es darum geht, mit der Energiekrise fertig zu werden.

Mittwoch, 9.03.2022, 08:56 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - Der europäische Weg aus der Krise
Quelle: iStock / FrankyDeMeyer
Europaeische Union
Der europäische Weg aus der Krise
Die EU will schon vor 2030 unabhängig von fossilen Brennstoffen aus Russland werden. Der Plan "REPowerEU" soll Mitte März von den Staats- und Regierungschefs gebilligt werden.
Die Strategie der EU-Kommission besteht darin, die europäischen Gasspeicher mit Lieferungen aus anderen Regionen rasch aufzufüllen, möglichst viel Gas im Wärme- und Energiesektor zu ersetzen und den Ausbau der erneuerbaren Energien noch stärker zu beschleunigen als dies ohnehin geplant war. Es sei höchste Zeit, dass sich die EU um ihre energiepolitischen Schwachstellen kümmere, sagte der Vize-Präsident der Kommission, Frans Timmermans, nach der Kommissionssitzung am 8. März in Straßburg (Frankreich). Die Lösung des Problems seien die erneuerbaren Energien: "Die Erneuerbaren sind billig, sauber und unbegrenzt verfügbar. Anstatt die Förderung fossiler Energien woanders zu bezahlen, sollten wir hier Arbeitsplätze schaffen."

Nach den Plänen der Kommission sollen zwei Drittel der russischen Gasimporte, das sind 100 Mrd. m3, binnen Jahresfrist durch andere Energieträger, Einsparungen oder durch andere Lieferanten ersetzt werden.

Zunächst sollen die Gasspeicher in der EU über den Sommer mithilfe zusätzlicher Flüssigerdgas-Lieferungen aus den USA, Algerien, Ägypten oder Nigeria aufgefüllt werden. Mit Ländern wie Japan oder Südkorea verhandelt die Kommission über den Weiterverkauf vertraglich vereinbarter Lieferungen. Für diesen Winter sei die Versorgung gesichert, sagte Energiekommissarin Kadris Simson.

Im April will die Kommission gesetzliche Regelungen vorschlagen, mit denen sichergestellt wird, dass die Gasspeicher der EU jedes Jahr am 1.Oktober zu 90 % gefüllt sind. Brüssel will die Auffüllung genau kontrollieren und den Mitgliedsstaaten Instrumente zur Durchsetzung zur Verfügung stellen. Vorgesehen sind auch Vorschriften, mit denen die Solidarität der Mitgliedsstaaten, die nicht alle über ausreichende Speicherkapazität verfügen, beim Einsatz des gespeicherten Gasvolumens sichergestellt wird. Gleichzeitig will die Kommission dafür sorgen, dass sich alle Mitgliedsstaaten an den Kosten der Lagerhaltung beteiligen.

Mittelfristig soll das russische Gas durch andere Lieferanten ersetzt werden. Dabei setzt die Kommission auf mehr Importe über Pipelines aus anderen Ländern sowie auf höhere Importe von Flüssigerdgas (LNG), Biomethan und grünem Wasserstoff. Der Einsatz von Gas in der Industrie, in der Energiewirtschaft und in Gebäuden soll durch Investitionen zur Erhöhung der Energieeffizienz, den Ausbau der erneuerbaren Energien und eine schnellere Elektrifizierung reduziert werden. Engpässe in der Infrastruktur sollen gezielt beseitigt werden. Bei der Umsetzung des Programms will die Kommission die Mitgliedsstaaten unterstützen, sowohl bei der Identifizierung und Planung geeigneter Projekte als auch bei der Finanzierung. Dafür stünden die Mittel aus dem Corona-Fonds zur Verfügung.

Gestaltung der Energiepreise unter der Lupe

Die vollständige Umsetzung der Vorschläge "Fit for 55", die die Kommission im Sommer vergangenen Jahres zum Klimaschutz vorgelegt hatte, würden den Gasverbrauch der EU bis 2030 nach Schätzungen der Behörde um 30 % (entspricht 100 bcm) reduzieren. Mit den Maßnahmen von "REPowerEU“"könnte diese Menge auf 155 bcm angehoben werden, zwei Drittel davon binnen Jahresfrist. Insgesamt beliefen sich die russischen Gas-Lieferungen im vergangenen Jahr auf 155 bcm, das waren 40 % des gesamten Verbrauchs. Außerdem importierte die EU ein Drittel ihres Rohöls und die Hälfte ihrer Steinkohle aus Russland.

Mit Blick auf die Energiepreise prüft die Kommission "alle Optionen", um ein Übergreifen der Gas- auf die Strompreise zu begrenzen. Dazu gehörten auch zeitlich befristete Höchstpreise und eine Überprüfung der Regulierung, beziehungsweise des "Designs" des Elektrizitätsmarktes. Damit kommt die Kommission einer Forderung Frankreichs und anderer Länder nach. Im April soll die Regulierungsbehörde der EU, ACER, dazu einen Bericht vorlegen. Ziel sei es, die Belastung der Unternehmen und der Verbraucher durch hohe Strompreise zu begrenzen. Es werde weiter untersucht, ob einzelne Versorger, insbesondere der russische Energiekonzern Gazprom, ihre Marktmacht missbrauchten.

Bereits jetzt könnten die Mitgliedsstaaten Preise regulieren und überhöhte Gewinne der Energiewirtschaft oder Einnahmen aus dem Emissionshandel einsetzen, um die Verbraucher zu entlasten. Unternehmen, die durch die hohen Energiepreise gefährdet würden, könnten im Rahmen von Ausnahmeregeln unterstützt werden. Eine Schließung energieintensiver Branchen wie der Düngemittel-Industrie lehne die Kommission dagegen ab, sagte Timmermans.

Vorübergehende Lockerung der staatlichen Beihilfen

Darüber hinaus will die Kommission nach Rücksprache mit den Mitgliedsstaaten die geltenden Regeln für staatliche Beihilfen vorübergehend lockern, damit Unternehmen mit hohen Energiekosten gezielt unterstützt werden können. In Brüssel denkt man dabei zum Beispiel an Liquiditätsbeihilfen für energieintensive Unternehmen. Es könnten auch mehr Sektoren als energieintensiv anerkannt und zeitlich befristet unterstützt werden, unter der Bedingung, dass sie zusätzliche Anstrengungen unternehmen, ihre Produktion zu dekarbonisieren.

Zur Finanzierung solcher Hilfen könnten die Mitgliedsstaaten außerordentliche Gewinne der Energiewirtschaft aufgrund der jüngsten Preisentwicklung (sogenannte Windfall-Profits, die insbesondere bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien entstehen) gesondert besteuern. In Brüssel geht man davon aus, dass die öffentlichen Haushalte dadurch bis zu 200 Mrd. Euro zusätzlich einnehmen könnten.

Die Kommission weist außerdem darauf hin, dass die Regeln des Stabilitätspaktes weiter ausgesetzt sind. In Brüssel ist man offensichtlich bereit, höhere Defizite nicht nur zur Bekämpfung der Corona-Epidemie zu akzeptieren, sondern auch, wenn es darum geht, mit der Energiekrise fertig zu werden.

Mittwoch, 9.03.2022, 08:56 Uhr
Tom Weingärtner

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.