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Quelle: Fotolia / Denis Junker
Meinung

Der "Atomkompromiss" löst keine Probleme

Habecks vermeintlich gelungener Kompromiss in Sachen Atomkraftwerke ist bei näherem Hinsehen nicht mehr als eine Schnapsidee. Ein Kommentar von Tom Weingärtner.
Robert Habeck wollte es mit seiner Entscheidung über die Zukunft der drei noch am Netz verbliebenen AKW allen recht machen und hat doch fast alle gegen sich aufgebracht. Auf den ersten Blick sieht es vielleicht nach einem gelungenen Kompromiss aus, was sich der grüne Wirtschafts- und Klimaminister hat einfallen lassen. Die drei Atomkraftwerke einfach weiterlaufen zu lassen, hätte die Identität der grünen Basis in Frage gestellt. Alte Veteranen vor allem aus Niedersachsen, wo in wenigen Wochen gewählt wird, drohen für diesen Fall mit einem Sonderparteitag. Das könnte auch für die Ampel in Berlin gefährlich werden.

Die drei AKW einfach abzuschalten hätte aber nur schwer zu kalkulierende Risiken für die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität vor allem in Süddeutschland heraufbeschworen. Diesen Problemen will Habeck dadurch entgegentreten, dass er die beiden süddeutschen Anlagen in die Reserve nimmt. Da trifft es sich gut, dass das AKW Emsland weniger wichtig für die Stabilität des deutschen Stromnetzes ist. Es soll deswegen am 31. Dezember planmäßig abgeschaltet werden. Die Parteifreunde in Niedersachsen können darauf hinweisen, dass der Atomausstieg wenigstens dort ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen wird.

Die Risiken bleiben

Bei genauer Betrachtung erweist sich die Lösung des grünen Ministers allerdings eher als eine Schnapsidee. Denn sie reduziert die vermeintlichen Risiken, die mit dem Weiterbetrieb verbunden wären, nur geringfügig und trägt zur Lösung der Probleme auf dem deutschen Elektriztätsmarkt nur wenig bei. Habeck selber hat wiederholt darauf hingewiesen, dass wir uns in einer Situation befinden, in der es auf „jede Kilowattstunde“ ankommt.
 

Das bedeutet, wir müssen mehr Strom produzieren, nach Möglichkeit nicht aus Gas. Es kann deswegen nicht überzeugen, wenn der Minister seine Entscheidung damit begründet, dass die drei AKW nur wenig Gas ersetzen und nur einen kleinen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Wenn jede Kilowattstunde gebraucht wird, dann auch die Kilowattstunden aus Isar 2, Neckarwestheim und dem Reaktor im Emsland.

Dass die Kernkraft eine gefährliche Technologie ist, kann dagegen nicht wirklich geltend gemacht werden. Denn das ist sie natürlich auch jetzt. Das Risiko, das von den drei Anlagen bis zum nächsten Frühjahr ausgeht, ist nicht signifikant größer als in den nächsten drei Monaten, in denen sie ja auch noch laufen – sonst müsste man sie ja sofort abschalten. Es fällt auch kein zusätzlicher Atommüll an, wenn die noch vorhandenen Brennstäbe für ein paar Monate weiter benutzt werden.

Einzelne Experten gehen sogar davon aus, dass es gefährlicher ist, die Anlagen in Süddeutschland erst in die Reserve zu überführen und später, wenn es zu Engpässen kommt, wieder hochzufahren. Statt sie einfach weiterlaufen zu lassen, bis die Brennstäbe erschöpft sind. Hinzu kommt, dass der Staat teuer dafür bezahlen muss, dass die Reaktoren in der Reserve gehalten werden, ohne Geld zu verdienen.

Dort leisten sie keinen Beitrag, um Strom zu erzeugen und das Angebot zu erhöhen. Aber genau das brauchen wir in den nächsten Monaten am allernötigsten.

 
Tom Weingärtner ist E&M-Korrespondent in Brüssel. Bild: E&M 

 

Dienstag, 6.09.2022, 16:58 Uhr
Tom Weingärtner
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Meinung
Der "Atomkompromiss" löst keine Probleme
Habecks vermeintlich gelungener Kompromiss in Sachen Atomkraftwerke ist bei näherem Hinsehen nicht mehr als eine Schnapsidee. Ein Kommentar von Tom Weingärtner.
Robert Habeck wollte es mit seiner Entscheidung über die Zukunft der drei noch am Netz verbliebenen AKW allen recht machen und hat doch fast alle gegen sich aufgebracht. Auf den ersten Blick sieht es vielleicht nach einem gelungenen Kompromiss aus, was sich der grüne Wirtschafts- und Klimaminister hat einfallen lassen. Die drei Atomkraftwerke einfach weiterlaufen zu lassen, hätte die Identität der grünen Basis in Frage gestellt. Alte Veteranen vor allem aus Niedersachsen, wo in wenigen Wochen gewählt wird, drohen für diesen Fall mit einem Sonderparteitag. Das könnte auch für die Ampel in Berlin gefährlich werden.

Die drei AKW einfach abzuschalten hätte aber nur schwer zu kalkulierende Risiken für die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität vor allem in Süddeutschland heraufbeschworen. Diesen Problemen will Habeck dadurch entgegentreten, dass er die beiden süddeutschen Anlagen in die Reserve nimmt. Da trifft es sich gut, dass das AKW Emsland weniger wichtig für die Stabilität des deutschen Stromnetzes ist. Es soll deswegen am 31. Dezember planmäßig abgeschaltet werden. Die Parteifreunde in Niedersachsen können darauf hinweisen, dass der Atomausstieg wenigstens dort ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen wird.

Die Risiken bleiben

Bei genauer Betrachtung erweist sich die Lösung des grünen Ministers allerdings eher als eine Schnapsidee. Denn sie reduziert die vermeintlichen Risiken, die mit dem Weiterbetrieb verbunden wären, nur geringfügig und trägt zur Lösung der Probleme auf dem deutschen Elektriztätsmarkt nur wenig bei. Habeck selber hat wiederholt darauf hingewiesen, dass wir uns in einer Situation befinden, in der es auf „jede Kilowattstunde“ ankommt.
 

Das bedeutet, wir müssen mehr Strom produzieren, nach Möglichkeit nicht aus Gas. Es kann deswegen nicht überzeugen, wenn der Minister seine Entscheidung damit begründet, dass die drei AKW nur wenig Gas ersetzen und nur einen kleinen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Wenn jede Kilowattstunde gebraucht wird, dann auch die Kilowattstunden aus Isar 2, Neckarwestheim und dem Reaktor im Emsland.

Dass die Kernkraft eine gefährliche Technologie ist, kann dagegen nicht wirklich geltend gemacht werden. Denn das ist sie natürlich auch jetzt. Das Risiko, das von den drei Anlagen bis zum nächsten Frühjahr ausgeht, ist nicht signifikant größer als in den nächsten drei Monaten, in denen sie ja auch noch laufen – sonst müsste man sie ja sofort abschalten. Es fällt auch kein zusätzlicher Atommüll an, wenn die noch vorhandenen Brennstäbe für ein paar Monate weiter benutzt werden.

Einzelne Experten gehen sogar davon aus, dass es gefährlicher ist, die Anlagen in Süddeutschland erst in die Reserve zu überführen und später, wenn es zu Engpässen kommt, wieder hochzufahren. Statt sie einfach weiterlaufen zu lassen, bis die Brennstäbe erschöpft sind. Hinzu kommt, dass der Staat teuer dafür bezahlen muss, dass die Reaktoren in der Reserve gehalten werden, ohne Geld zu verdienen.

Dort leisten sie keinen Beitrag, um Strom zu erzeugen und das Angebot zu erhöhen. Aber genau das brauchen wir in den nächsten Monaten am allernötigsten.

 
Tom Weingärtner ist E&M-Korrespondent in Brüssel. Bild: E&M 

 

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