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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Print-Ausgabe - Dekarbonisierte Industrie braucht grüne Energie
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Print-Ausgabe

Dekarbonisierte Industrie braucht grüne Energie

Die deutsche Industrie hat den Aufruf zum Klimaschutz angenommen, 60 % aller Großunternehmen haben feste Ziele zur CO2-Reduktion.
Aktuell verbraucht die Industrie rund 42 % der deutschen Primärenergie. Diese stammt zu großen Teilen heute noch aus fossilen Quellen wie Kohle, Erdöl oder Erdgas. Ihre Verbrennung setzt naturgemäß Treibhausgase wie CO2 frei. Will die Industrie also künftig weniger Klimagase verursachen, braucht sie alternative Energiequellen, umso mehr, wenn Deutschland Ende 2022 auch das letzte Kernkraftwerk abschaltet. Laut einer Deloitte-Umfrage vom November haben sich rund 60 % der großen deutschen Unternehmen feste CO2-Reduktionsziele gesetzt. Dabei streben knapp 40 % in absehbarer Zukunft CO2-Neutralität an.

Am guten Willen mangelt es also nicht, wohl an der klimaneutralen Energie, die die Brücke in eine dekarbonisierte Zukunft schlägt. Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW, mahnte daher die neue Bundesregierung, die Versorgungssicherheit bei der Energie im Auge zu behalten. Dies sei „auch eine nationale Frage“, da sonst Industrie und Wirtschaft aus Deutschland abwanderten.

BASF rechnet mit einer Verdreifachung seines Strombedarfs

Eine Möglichkeit für die Industrie, Klimagase zu vermeiden, ist der Umstieg auf Strom, dieser kann immerhin für Deutschland schon zu knapp der Hälfte aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden. Allerdings steigt dann der Strombedarf gewaltig an. Der Chemieriese BASF rechnet mit einer Verdreifachung allein seines Strombedarfs schon bis 2035, wenn er auf Elektrocracker und andere Technologien umstellt. Gleiches gilt für die Stahlbranche oder die Zementindustrie. Für mehr Strom müssten aber auch mehr erneuerbare Energieerzeuger gebaut werden. Das aber ist in der vergangenen Legislaturperiode stark vernachlässigt worden.

Schon bis 2030 sollte Strom laut Bundesregierung zu 70 % aus erneuerbaren Quellen kommen, das sei ohne eine entsprechende Flächenausweisung und Genehmigungen nicht zu schaffen, mahnte Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Da von der Planung bis zur Inbetriebnahme von großen Stromerzeugern Jahre vergehen, sei keine Zeit mehr zu verlieren. Auch das Repowering an bereits erprobten Windstandorten müsse wesentlich erleichtert werden, wenn schnell genug Strom erzeugt werden soll.

Kerstin Andreae begrüßte, dass die alte Bundesregierung am Ende ihrer Amtszeit endlich die Prognose der künftigen Stromnachfrage erhöht hatte. Nun müsse die neue Regierung beantworten, wie dieser Bedarf befriedigt werden soll. Das Strommarktdesign müsse dafür sorgen, dass erneuerbare Energie bevorzugt genutzt und wirtschaftlich entgolten wird, forderte sie. Dazu könne die CO2-Bepreisung beitragen, auf der anderen Seite müsse die EEG-Umlage schrittweise auf null abgesenkt werden. Die überfällige Reform der Abgaben und Umlagen müsse endlich kommen.

​ „Wer in Infrastruktur investiert, baut für Jahrzehnte“

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU (Verband der kommunalen Unternehmen), beklagte die fehlenden politischen Beschlüsse: „Wer in Infrastruktur investiert, baut für Jahrzehnte“, erläuterte Liebing. Daher müsse anders als bei den Anfang der 2000er-Jahre noch gebauten Steinkohlekraftwerken heute die richtige Technologie politisch angereizt werden. Dazu gehörten kommunale Wärmekonzepte, die den regional richtigen Weg in die klimaneutrale Versorgung bahnen. Hier könnten Industrie und Haushalte vernetzt werden, weil Produktion oft Abwärme erzeugt, die zum Heizen verwendet werden kann, was Brennstoffe spart. Auch das haben viele schon verstanden. Der Stahlproduzent Arcelor Mittal liefert zum Beispiel Abwärme an das Hamburger Fernwärmenetz. Nur wird das dem Unternehmen noch nicht zur Klimabilanz angerechnet.

RWE und der Stahlproduzent Outokumpu haben in Krefeld eine neuartige Stromerzeugungs- und Speicheranlage in Betrieb genommen. Der Stahlhersteller hat die Walzgerüste im Werk umgebaut und fährt sie dank eines Speichers und dreier Gasmotoren netzoptimiert. Das spart fürs Unternehmen Stromkosten in Spitzenzeiten und entlastet das Netz. Cem Kurutas, Geschäftsführer und Vice President Operations Krefeld bei Outokumpu, erklärte: „Der Edelstahlmarkt ist hart umkämpft, um den Produktionsstandort Deutschland in diesem schwierigen Marktumfeld langfristig wettbewerbsfähig zu halten, müssen wir unseren Energieverbrauch und unsere Kostenstruktur optimieren.“

Für Thyssen Krupp Steel Europe erläuterte Technikvorstand Arnd Köfler auf einer Fachtagung, dass schon ab 2025 die erste Stahlproduktion mit Wasserstoffdirektreduktion in Betrieb gehen solle. „Damit sind wir in der Lage, bereits zehn Prozent unserer heutigen CO2-Emissionen zu mindern“, kündigte er an. 2029 werde die zweite Anlage umgestellt.

Aluminiumbranche sehr preissensibel


Allerdings stellte er auch Forderungen seiner Branche an die Politik auf. Der Bundeshaushalt 2022 müsse zentrale Maßnahmen und Instrumente für die Dekarbonisierung enthalten und zum Beispiel Investitions- und Betriebskosten über Klimaverträge aus dem Transformationsfonds fördern. Das solle den Unternehmen bei der Umstellung helfen und sie vor Wettbewerbsnachteilen im Weltmarkt schützen, so Köfler. Auch auf EU-Ebene müssten Beihilferecht und Handelsregeln angepasst werden.

Für die nötigen Bauten sollten die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Leitmärkte für grüne Grundstoffe seien nötig, um klimaneutrale Materialien zu zertifizieren und über Quoten in den Markt zu bringen. Um genügend Wasserstoff zur Verfügung zu haben, solle die Politik sich langfristig um Erzeugungs- und Lieferverträge auch mit dem Ausland bemühen, sagten die Industrievertreter.

Auch Philipp Schlüter, Vorstandsvorsitzender der Trimet Aluminium, unterstützt die Forderung nach mehr Effizienz. Seine Branche sei sehr preissensibel, weil die Stromkosten 40 % der Gesamtproduktionskosten ausmachten. Daher seien zusätzliche Bürden wie Netzumlagen und CO2-Bepreisung möglicherweise Gründe, die Produktion aus Deutschland und Europa wegzuverlagern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Die Carbon-Leakage-Abwanderung wird nicht schleichend passieren, sondern wie eine Guillotine herunterfallen“, mahnte Schlüter.

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, warnte bei der Präsentation der Studie „Klimapfade 2.0“: „Uns läuft die Zeit davon.“ Der Umbau zu Klimaneutralität sei eine gesamtgesellschaftliche Mammutaufgabe und erfordere bis 2030 jährlich Mehrinvestitionen von rund 100 Mrd. Euro. Vom Staat brauche die Wirtschaft eine „Infrastrukturoffensive“. Nur mit einer digitalisierten Verwaltung, die Baugenehmigungen schnell erteilt, und mit schnellem Internet im ganzen Land sowie leistungsfähigen Energienetzen sei die Brücke ins klimaneutrale Deutschland zu bauen. Die BASF zum Beispiel sichert sich aktuell über Direktlieferverträge (PPA) künftigen Windstrom aus der Nordsee. Allerdings kann dieser ohne Stromleitungen nicht zum Produktionsstandort Ludwigshafen kommen.
 
Standorte wie das der BASF in Schwarzheide sollen klimaschonender werden. Wie das umfänglich gelingen soll, ist eine der drängensten Fragen
Quelle: BASF

 

 

Dienstag, 7.12.2021, 09:55 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Print-Ausgabe - Dekarbonisierte Industrie braucht grüne Energie
Quelle: E&M
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Dekarbonisierte Industrie braucht grüne Energie
Die deutsche Industrie hat den Aufruf zum Klimaschutz angenommen, 60 % aller Großunternehmen haben feste Ziele zur CO2-Reduktion.
Aktuell verbraucht die Industrie rund 42 % der deutschen Primärenergie. Diese stammt zu großen Teilen heute noch aus fossilen Quellen wie Kohle, Erdöl oder Erdgas. Ihre Verbrennung setzt naturgemäß Treibhausgase wie CO2 frei. Will die Industrie also künftig weniger Klimagase verursachen, braucht sie alternative Energiequellen, umso mehr, wenn Deutschland Ende 2022 auch das letzte Kernkraftwerk abschaltet. Laut einer Deloitte-Umfrage vom November haben sich rund 60 % der großen deutschen Unternehmen feste CO2-Reduktionsziele gesetzt. Dabei streben knapp 40 % in absehbarer Zukunft CO2-Neutralität an.

Am guten Willen mangelt es also nicht, wohl an der klimaneutralen Energie, die die Brücke in eine dekarbonisierte Zukunft schlägt. Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW, mahnte daher die neue Bundesregierung, die Versorgungssicherheit bei der Energie im Auge zu behalten. Dies sei „auch eine nationale Frage“, da sonst Industrie und Wirtschaft aus Deutschland abwanderten.

BASF rechnet mit einer Verdreifachung seines Strombedarfs

Eine Möglichkeit für die Industrie, Klimagase zu vermeiden, ist der Umstieg auf Strom, dieser kann immerhin für Deutschland schon zu knapp der Hälfte aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden. Allerdings steigt dann der Strombedarf gewaltig an. Der Chemieriese BASF rechnet mit einer Verdreifachung allein seines Strombedarfs schon bis 2035, wenn er auf Elektrocracker und andere Technologien umstellt. Gleiches gilt für die Stahlbranche oder die Zementindustrie. Für mehr Strom müssten aber auch mehr erneuerbare Energieerzeuger gebaut werden. Das aber ist in der vergangenen Legislaturperiode stark vernachlässigt worden.

Schon bis 2030 sollte Strom laut Bundesregierung zu 70 % aus erneuerbaren Quellen kommen, das sei ohne eine entsprechende Flächenausweisung und Genehmigungen nicht zu schaffen, mahnte Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Da von der Planung bis zur Inbetriebnahme von großen Stromerzeugern Jahre vergehen, sei keine Zeit mehr zu verlieren. Auch das Repowering an bereits erprobten Windstandorten müsse wesentlich erleichtert werden, wenn schnell genug Strom erzeugt werden soll.

Kerstin Andreae begrüßte, dass die alte Bundesregierung am Ende ihrer Amtszeit endlich die Prognose der künftigen Stromnachfrage erhöht hatte. Nun müsse die neue Regierung beantworten, wie dieser Bedarf befriedigt werden soll. Das Strommarktdesign müsse dafür sorgen, dass erneuerbare Energie bevorzugt genutzt und wirtschaftlich entgolten wird, forderte sie. Dazu könne die CO2-Bepreisung beitragen, auf der anderen Seite müsse die EEG-Umlage schrittweise auf null abgesenkt werden. Die überfällige Reform der Abgaben und Umlagen müsse endlich kommen.

​ „Wer in Infrastruktur investiert, baut für Jahrzehnte“

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU (Verband der kommunalen Unternehmen), beklagte die fehlenden politischen Beschlüsse: „Wer in Infrastruktur investiert, baut für Jahrzehnte“, erläuterte Liebing. Daher müsse anders als bei den Anfang der 2000er-Jahre noch gebauten Steinkohlekraftwerken heute die richtige Technologie politisch angereizt werden. Dazu gehörten kommunale Wärmekonzepte, die den regional richtigen Weg in die klimaneutrale Versorgung bahnen. Hier könnten Industrie und Haushalte vernetzt werden, weil Produktion oft Abwärme erzeugt, die zum Heizen verwendet werden kann, was Brennstoffe spart. Auch das haben viele schon verstanden. Der Stahlproduzent Arcelor Mittal liefert zum Beispiel Abwärme an das Hamburger Fernwärmenetz. Nur wird das dem Unternehmen noch nicht zur Klimabilanz angerechnet.

RWE und der Stahlproduzent Outokumpu haben in Krefeld eine neuartige Stromerzeugungs- und Speicheranlage in Betrieb genommen. Der Stahlhersteller hat die Walzgerüste im Werk umgebaut und fährt sie dank eines Speichers und dreier Gasmotoren netzoptimiert. Das spart fürs Unternehmen Stromkosten in Spitzenzeiten und entlastet das Netz. Cem Kurutas, Geschäftsführer und Vice President Operations Krefeld bei Outokumpu, erklärte: „Der Edelstahlmarkt ist hart umkämpft, um den Produktionsstandort Deutschland in diesem schwierigen Marktumfeld langfristig wettbewerbsfähig zu halten, müssen wir unseren Energieverbrauch und unsere Kostenstruktur optimieren.“

Für Thyssen Krupp Steel Europe erläuterte Technikvorstand Arnd Köfler auf einer Fachtagung, dass schon ab 2025 die erste Stahlproduktion mit Wasserstoffdirektreduktion in Betrieb gehen solle. „Damit sind wir in der Lage, bereits zehn Prozent unserer heutigen CO2-Emissionen zu mindern“, kündigte er an. 2029 werde die zweite Anlage umgestellt.

Aluminiumbranche sehr preissensibel


Allerdings stellte er auch Forderungen seiner Branche an die Politik auf. Der Bundeshaushalt 2022 müsse zentrale Maßnahmen und Instrumente für die Dekarbonisierung enthalten und zum Beispiel Investitions- und Betriebskosten über Klimaverträge aus dem Transformationsfonds fördern. Das solle den Unternehmen bei der Umstellung helfen und sie vor Wettbewerbsnachteilen im Weltmarkt schützen, so Köfler. Auch auf EU-Ebene müssten Beihilferecht und Handelsregeln angepasst werden.

Für die nötigen Bauten sollten die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Leitmärkte für grüne Grundstoffe seien nötig, um klimaneutrale Materialien zu zertifizieren und über Quoten in den Markt zu bringen. Um genügend Wasserstoff zur Verfügung zu haben, solle die Politik sich langfristig um Erzeugungs- und Lieferverträge auch mit dem Ausland bemühen, sagten die Industrievertreter.

Auch Philipp Schlüter, Vorstandsvorsitzender der Trimet Aluminium, unterstützt die Forderung nach mehr Effizienz. Seine Branche sei sehr preissensibel, weil die Stromkosten 40 % der Gesamtproduktionskosten ausmachten. Daher seien zusätzliche Bürden wie Netzumlagen und CO2-Bepreisung möglicherweise Gründe, die Produktion aus Deutschland und Europa wegzuverlagern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Die Carbon-Leakage-Abwanderung wird nicht schleichend passieren, sondern wie eine Guillotine herunterfallen“, mahnte Schlüter.

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, warnte bei der Präsentation der Studie „Klimapfade 2.0“: „Uns läuft die Zeit davon.“ Der Umbau zu Klimaneutralität sei eine gesamtgesellschaftliche Mammutaufgabe und erfordere bis 2030 jährlich Mehrinvestitionen von rund 100 Mrd. Euro. Vom Staat brauche die Wirtschaft eine „Infrastrukturoffensive“. Nur mit einer digitalisierten Verwaltung, die Baugenehmigungen schnell erteilt, und mit schnellem Internet im ganzen Land sowie leistungsfähigen Energienetzen sei die Brücke ins klimaneutrale Deutschland zu bauen. Die BASF zum Beispiel sichert sich aktuell über Direktlieferverträge (PPA) künftigen Windstrom aus der Nordsee. Allerdings kann dieser ohne Stromleitungen nicht zum Produktionsstandort Ludwigshafen kommen.
 
Standorte wie das der BASF in Schwarzheide sollen klimaschonender werden. Wie das umfänglich gelingen soll, ist eine der drängensten Fragen
Quelle: BASF

 

 

Dienstag, 7.12.2021, 09:55 Uhr
Susanne Harmsen

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