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Energie & Management > Telekommunikation - Das Netz für die Daseinsvorsorge des 21. Jahrhunderts
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Telekommunikation

Das Netz für die Daseinsvorsorge des 21. Jahrhunderts

Wie Stadtwerke das Thema 5G strategisch für sich nutzen können, erläutern Volker Rieger und Jörg Borowski, Managing Partner bei der Unternehmensberatung Detecon im Gespräch mit E&M.
E&M: Herr Rieger, Herr Borowski: Laut Ihrer Marktumfrage vom vergangenen Jahr sehen 90 Prozent der Energieversorger in Deutschland das Thema 5G als bedeutend oder sehr bedeutend an. Warum eigentlich?

Rieger: Die Versorger sind seit Jahren auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern − von Smart Home bis zu Ladesäulen. Das hängt natürlich mit der Marktliberalisierung und der Energiewende zusammen. Man muss sich einfach die Frage stellen: Was ist eigentlich die digitale Daseinsvorsorge des 21. Jahrhunderts? Was können wir als Stadtwerk für die Bürger, Unternehmer, Besucher deiner Stadt anbieten? Die wollen nicht mehr nur Strom aus der Steckdose, sie wollen digitale Dienste aus der Steckdose. Die Corona-Pandemie hat noch deutlicher gemacht, dass wir das brauchen. Es ist ein valider Ansatz zu sagen, dass ein Stadtwerk der Zukunft nicht mehr nur Strom, Gas und Wasser, sondern auch digitale Konnektivität bereitstellen muss. Dafür kann 5G eine wichtige Rolle spielen.

Borowski: 5G ist für die Digitalisierung im Allgemeinen ungemein wichtig, weil es im Gegensatz zu seinen Vorgängern den Charakter eines universellen Transportmediums für Daten hat. Dadurch sind den möglichen Anwendungsfällen kaum Grenzen gesetzt. Man kann hier wirklich seine Fantasie spielen lassen, wie man etwa als Stadtwerk die Digitalisierung in die eigene Kernwertschöpfung hineinbekommt, wie man damit Innovation gestalten und neue Geschäftsmodelle realisieren kann.

 
In vielen deutschen Städten hat mittlerweile der Aufbau von 5G-Basisstationen begonnen
Bild: Deutsche Telekom
 

E&M: Welche Rollen können die Stadtwerke bei 5G spielen?

Rieger: Stadtwerke sind zum einen in der Anwenderrolle, etwa für Internet-of-Things-Anwendungen: Man kann Smart Grids, Ampelsteuerung oder Gebäudeüberwachung realisieren und eines Tages auch die Straßenbahn autonom fahren lassen. Hier gibt es ein sehr breites Themenspektrum.
Das zweite große Feld für Stadtwerke ist die vorhandene Infrastruktur, die man den Playern in diesem Markt zur Verfügung stellen kann. Man kann etwa fertige Antennenstandorte anbieten, mitsamt Strom und Glasfaseranschluss. Auch ein sehr attraktives ‚Spielfeld‘.
Als Drittes können Stadtwerke auch selbst als Anbieter von 5G-Leistungen auftreten, etwa zur Versorgung für Gewerbegebiete − oder in Verbindung mit der Kommune, um die Connectivity für die Smart City bereitzustellen. Aber hier ist die Lage heute etwas unklar ...

E&M: Was hat sich denn geändert?

Borowski: Konkret geht es für die Stadtwerke um das Spektrum von 3,7 bis 3,8 Gigahertz, das man für besondere geografisch begrenzte Anwendungen erwerben kann, also die sogenannten Campusnetze. Hier gab es Diskussionen, ob man diese Frequenzen auch für etwas größere Areale wie eine Region nutzen kann. Das wäre für Stadtwerke natürlich eine sehr interessante Option gewesen. Hierzu gibt es vom Gesetzgeber noch keine finale Entscheidung, aber man hat beschlossen, die Campusnetze zunächst auf eng begrenzte Gebiete, typischerweise Firmenareale, zu beschränken.

E&M: Unter den bisher 88 Frequenzzuteilungen für Campusnetze durch die Bundesnetzagentur findet sich mit Netz Leipzig dann auch gerade mal ein Unternehmen aus dem Energiesektor ..
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Borowski: Das liegt eben daran, dass die Campusnetze in ihrem aktuellen Zuschnitt in erster Linie die fertigende Industrie ansprechen − etwa um auf einem eng begrenzten Industriegelände Güter autonom zu transportieren.

E&M: Ist das Thema Campusnetze dann für Stadtwerke überhaupt noch interessant?

Rieger: Durchaus, Stadtwerke könnten sich eine dieser ‚Industriefrequenzen‘ zum Beispiel für den eigenen Betriebshof oder das Busdepot sichern, um sich dort die nötigen Erfahrungen für das Thema 5G zu verschaffen. Wenn dann die regional zugeschnittenen Netze doch wieder auf die Agenda kommen, ist man gut aufgestellt.

E&M: 5G braucht technisch bedingt sehr viele Basisstationen, die per Glasfaser angebunden sind. Deutschland hängt international weit zurück bei Glasfaserausbau. Bremst das 5G aus − oder führt es umgekehrt sogar zum Boom beim Glasfaserausbau?

Borowski: Ich denke, eher das Zweite wird der Fall sein. Tatsächlich ist 5G eine Technologie, die quasi nur auf der letzten Meile drahtlos arbeitet und ansonsten eine engmaschige Glasfaserinfrastruktur benötigt. Aus der Perspektive des Glasfaserausbaus sorgt 5G ganz klar für einen Nachfrageschub, weil die ganzen 5G-Small-Cells angebunden werden müssen.

Rieger: Eine flächendeckende 5G-Versorgung ist aufgrund der schieren Menge eine gewaltige Infrastrukturaufgabe, keine Frage. Aber ich glaube nicht, dass fehlende Glasfaser der limitierende Faktor dafür sein wird.

E&M: 5G hat Eigenschaften wie hohe Datenbandbreiten und minimale Latenz. Auf der anderen Seite fehlt es an der Eindringtiefe in Gebäude. Ein K.o.-Kriterium für Energieanwendungen?

Borowski: Das muss man ausdifferenzieren und sich Anwendung für Anwendung daraufhin ansehen. Anfangs wird man sicher mit einer Kombination verschiedener Technologien arbeiten, etwa mit kostengünstigen schmalbandigen Netzen wie Lorawan für die Zähleranbindung. Aber langfristig sollte möglichst alles auf dem Universalnetz 5G laufen, das ist ja gerade der Charme dieser Technologie.

Rieger: 5G ist kein Single-Use-Case-Thema. Als Netz für nur eine Anwendung würde sich 5G niemals rechnen − egal ob bei Stadtwerken oder in der Industrie. 5G kann alle Anwendungen abdecken und irgendwann ist es einfach eine Komplexitätsfrage, ob ich fünf Netze betreiben oder alles auf ein Netz migrieren will, das auch die anspruchsvollen Anwendungen abdecken kann.

E&M: ... trotz der hohen notwendigen Investitionen?

Borowski: 5G stellt eine große Investition dar für eine mittel- bis langfristige digitale Daseinsvorsorge. Das muss wohlüberlegt sein und macht den Einstieg etwas kompliziert. Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass es die eine Anwendung gibt, die sich innerhalb von zwölf Monaten rechnet. Es wird immer um einen Stapel von Anwendungen gehen, um das Kombinieren von Use Cases.

Rieger: Man sollte zwei bis drei Use Cases finden, die 90 Prozent der Investition rechtfertigen. Das wäre eine gute Ausgangsbasis. Darauf aufbauend kann man das mit der Zeit um weitere Anwendungen ergänzen. Die könnten zum Beispiel auch von Start-ups kommen, während man als Stadtwerk eher die Plattform monetarisiert.

E&M: Wie kann ich als Stadtwerk konkret vorgehen, um in das Thema 5G einzusteigen?

Rieger: Die drei verschiedenen Rollen, die wir schon genannt haben, sind ein ganz guter Wegweiser: Welche Rolle traue ich mir zu, welche kann ich sogar richtig gut? Eine andere Frage, die man sich stellen sollte: Sehe ich das Thema nur als Cash Cow, indem ich meine ohnehin vorhandene Infrastruktur weiter vermiete, oder sehe ich darin ein strategisches Zukunftsthema etwa für die Transformation zur Smart City?

Ein Stadtwerk ist in einem kommunalen Verband zumeist die Einheit, wo viel technische Betriebskompetenz vorhanden ist. Somit kann ich als Stadtwerk auch gut die Smart-City-Karte spielen und sagen: Ich baue dir diesen Universal Connectivity Layer auf und betreibe ihn im Sinne einer digitalen Daseinsvorsorge.

E&M: Und wenn ich als Stadtwerkechef gern 5G aufbauen möchte, der Stadtrat aber kritisch gegenüber 5G eingestellt ist, wie das schon in einigen Kommunen zu beobachten war?

Borowski: Das hat etwas von einer Waagschale: Auf der einen Seite gilt es natürlich, die Ängste der Bevölkerung, die zu solchen Beschlüssen führen, ernst zu nehmen. Dazu sollte man das Thema objektivieren und Fakten sprechen lassen, um hier Befürchtungen auszuräumen. Auf der anderen Seite kann man die andere Waagschale füllen und erläutern, welchen Nutzen 5G für die Bürger bringen kann. Es geht dabei ja um gewichtige Themen wie innere Sicherheit, Klimaschutz, Bildung. Dafür lassen sich viele sehr sinnvolle, das Gemeinwohl stärkende Beispiele finden.

E&M: Für Stadtwerke sehr wichtig ist auch das Thema Klimaschutz. Über die Energieeffizienz von 5G gehen die Meinungen aber weit auseinander ...

Borowski: Die aufgewendete Energie pro Datenmenge ist bei 5G definitiv viel geringer als bei den vorherigen Mobilfunktechnologien. Das ändert aber nichts daran, dass die übertragenen Datenmengen deutlich höher sind als früher. So ergibt sich aus absoluter Sicht natürlich eine Steigerung des Energiebedarfs für den Betrieb dieser Netze. Aber man sollte die Fragestellung tatsächlich noch weiter fassen und sich fragen: Was macht man mit den übertragenen Daten? Wie weit resultieren daraus Anwendungen, die helfen, Energie zu sparen? Etwa wenn mithilfe von 5G eine intelligente Verkehrssteuerung oder Parkraumbewirtschaftung realisiert wird. Und diese Gesamtbilanz, davon bin ich zutiefst überzeugt, ist sehr positiv.

Rieger: Außerdem kann man seine Rechenzentren und Basisstationen ja auch mit erneuerbarem Strom betreiben, dann schließt sich der Kreis wieder. E&M

 
Volker Rieger ist Managing Partner bei der Unternehmensberatung Detecon und verantwortet das Beratungsgeschäft im Bereich Corporate & Digital Strategy. Zuvor leitete er den Beratungsbereich Energie
Bild: Detecon
 
 Jörg Borowski ist ebenfalls Managing Partner bei Detecon und verantwortet in dem Bereich Communications Industry die Themen 5G und Campusnetzwerke. Er ist u.a. Autor der Studie „5G-Campusnetze in der Industrie“ (Detecon, Universität Regensburg, 2019)
Bild: Detecon
 


 

Leipziger Campusnetz für die Straßenbahnwartung

88 Lizenzen für Campusnetze hat die Bundesnetzagentur innerhalb eines Jahres vergeben. Mit der Stadtwerketochter Leipzig Netz ist bislang nur ein Unternehmen aus dem Stadtwerkeumfeld dabei. Bei den Leipziger Stadtwerken ist geplant, die 5G-Campuslizenz im Bereich des Straßenbahnen zu nutzen.
Konkret gehe es um die Verbesserung und zukunftsgerichtete Prozessoptimierung von Wartungsvorgängen am Technischen Zentrum Heiterblick, wie ein Sprecher auf Anfrage von E&M erläuterte. Besondere Schwerpunkte liegen dabei auf der Wartungsunterstützung und der Fernwartung mithilfe von Augmented Reality, der Verbesserung von Wartungsprozessen und der Optimierung des Austausches von Verschleißteilen durch vorausschauende Wartung sowie ersten Entwicklungsschritten für eine autarke Bewegung der Straßenbahnen mit Sensordaten („teilautomatisiertes Fahren“) auf einem geschlossenen Betriebsgelände.
„Hierbei bietet 5G die nötige Plattform, um die Anforderung der oben genannten Anwendungen latenzarm und bandbreitentechnisch abzubilden“, so der Sprecher. Außerdem könnten auch anders geartete künftige 5G-Testfälle am Technischen Zentrum Heiterblick erprobt werden, um eine praktische Durchführbarkeit zu eruieren.
 

Montag, 11.01.2021, 12:01 Uhr
Peter Koller
Energie & Management > Telekommunikation - Das Netz für die Daseinsvorsorge des 21. Jahrhunderts
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Telekommunikation
Das Netz für die Daseinsvorsorge des 21. Jahrhunderts
Wie Stadtwerke das Thema 5G strategisch für sich nutzen können, erläutern Volker Rieger und Jörg Borowski, Managing Partner bei der Unternehmensberatung Detecon im Gespräch mit E&M.
E&M: Herr Rieger, Herr Borowski: Laut Ihrer Marktumfrage vom vergangenen Jahr sehen 90 Prozent der Energieversorger in Deutschland das Thema 5G als bedeutend oder sehr bedeutend an. Warum eigentlich?

Rieger: Die Versorger sind seit Jahren auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern − von Smart Home bis zu Ladesäulen. Das hängt natürlich mit der Marktliberalisierung und der Energiewende zusammen. Man muss sich einfach die Frage stellen: Was ist eigentlich die digitale Daseinsvorsorge des 21. Jahrhunderts? Was können wir als Stadtwerk für die Bürger, Unternehmer, Besucher deiner Stadt anbieten? Die wollen nicht mehr nur Strom aus der Steckdose, sie wollen digitale Dienste aus der Steckdose. Die Corona-Pandemie hat noch deutlicher gemacht, dass wir das brauchen. Es ist ein valider Ansatz zu sagen, dass ein Stadtwerk der Zukunft nicht mehr nur Strom, Gas und Wasser, sondern auch digitale Konnektivität bereitstellen muss. Dafür kann 5G eine wichtige Rolle spielen.

Borowski: 5G ist für die Digitalisierung im Allgemeinen ungemein wichtig, weil es im Gegensatz zu seinen Vorgängern den Charakter eines universellen Transportmediums für Daten hat. Dadurch sind den möglichen Anwendungsfällen kaum Grenzen gesetzt. Man kann hier wirklich seine Fantasie spielen lassen, wie man etwa als Stadtwerk die Digitalisierung in die eigene Kernwertschöpfung hineinbekommt, wie man damit Innovation gestalten und neue Geschäftsmodelle realisieren kann.

 
In vielen deutschen Städten hat mittlerweile der Aufbau von 5G-Basisstationen begonnen
Bild: Deutsche Telekom
 

E&M: Welche Rollen können die Stadtwerke bei 5G spielen?

Rieger: Stadtwerke sind zum einen in der Anwenderrolle, etwa für Internet-of-Things-Anwendungen: Man kann Smart Grids, Ampelsteuerung oder Gebäudeüberwachung realisieren und eines Tages auch die Straßenbahn autonom fahren lassen. Hier gibt es ein sehr breites Themenspektrum.
Das zweite große Feld für Stadtwerke ist die vorhandene Infrastruktur, die man den Playern in diesem Markt zur Verfügung stellen kann. Man kann etwa fertige Antennenstandorte anbieten, mitsamt Strom und Glasfaseranschluss. Auch ein sehr attraktives ‚Spielfeld‘.
Als Drittes können Stadtwerke auch selbst als Anbieter von 5G-Leistungen auftreten, etwa zur Versorgung für Gewerbegebiete − oder in Verbindung mit der Kommune, um die Connectivity für die Smart City bereitzustellen. Aber hier ist die Lage heute etwas unklar ...

E&M: Was hat sich denn geändert?

Borowski: Konkret geht es für die Stadtwerke um das Spektrum von 3,7 bis 3,8 Gigahertz, das man für besondere geografisch begrenzte Anwendungen erwerben kann, also die sogenannten Campusnetze. Hier gab es Diskussionen, ob man diese Frequenzen auch für etwas größere Areale wie eine Region nutzen kann. Das wäre für Stadtwerke natürlich eine sehr interessante Option gewesen. Hierzu gibt es vom Gesetzgeber noch keine finale Entscheidung, aber man hat beschlossen, die Campusnetze zunächst auf eng begrenzte Gebiete, typischerweise Firmenareale, zu beschränken.

E&M: Unter den bisher 88 Frequenzzuteilungen für Campusnetze durch die Bundesnetzagentur findet sich mit Netz Leipzig dann auch gerade mal ein Unternehmen aus dem Energiesektor ..
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Borowski: Das liegt eben daran, dass die Campusnetze in ihrem aktuellen Zuschnitt in erster Linie die fertigende Industrie ansprechen − etwa um auf einem eng begrenzten Industriegelände Güter autonom zu transportieren.

E&M: Ist das Thema Campusnetze dann für Stadtwerke überhaupt noch interessant?

Rieger: Durchaus, Stadtwerke könnten sich eine dieser ‚Industriefrequenzen‘ zum Beispiel für den eigenen Betriebshof oder das Busdepot sichern, um sich dort die nötigen Erfahrungen für das Thema 5G zu verschaffen. Wenn dann die regional zugeschnittenen Netze doch wieder auf die Agenda kommen, ist man gut aufgestellt.

E&M: 5G braucht technisch bedingt sehr viele Basisstationen, die per Glasfaser angebunden sind. Deutschland hängt international weit zurück bei Glasfaserausbau. Bremst das 5G aus − oder führt es umgekehrt sogar zum Boom beim Glasfaserausbau?

Borowski: Ich denke, eher das Zweite wird der Fall sein. Tatsächlich ist 5G eine Technologie, die quasi nur auf der letzten Meile drahtlos arbeitet und ansonsten eine engmaschige Glasfaserinfrastruktur benötigt. Aus der Perspektive des Glasfaserausbaus sorgt 5G ganz klar für einen Nachfrageschub, weil die ganzen 5G-Small-Cells angebunden werden müssen.

Rieger: Eine flächendeckende 5G-Versorgung ist aufgrund der schieren Menge eine gewaltige Infrastrukturaufgabe, keine Frage. Aber ich glaube nicht, dass fehlende Glasfaser der limitierende Faktor dafür sein wird.

E&M: 5G hat Eigenschaften wie hohe Datenbandbreiten und minimale Latenz. Auf der anderen Seite fehlt es an der Eindringtiefe in Gebäude. Ein K.o.-Kriterium für Energieanwendungen?

Borowski: Das muss man ausdifferenzieren und sich Anwendung für Anwendung daraufhin ansehen. Anfangs wird man sicher mit einer Kombination verschiedener Technologien arbeiten, etwa mit kostengünstigen schmalbandigen Netzen wie Lorawan für die Zähleranbindung. Aber langfristig sollte möglichst alles auf dem Universalnetz 5G laufen, das ist ja gerade der Charme dieser Technologie.

Rieger: 5G ist kein Single-Use-Case-Thema. Als Netz für nur eine Anwendung würde sich 5G niemals rechnen − egal ob bei Stadtwerken oder in der Industrie. 5G kann alle Anwendungen abdecken und irgendwann ist es einfach eine Komplexitätsfrage, ob ich fünf Netze betreiben oder alles auf ein Netz migrieren will, das auch die anspruchsvollen Anwendungen abdecken kann.

E&M: ... trotz der hohen notwendigen Investitionen?

Borowski: 5G stellt eine große Investition dar für eine mittel- bis langfristige digitale Daseinsvorsorge. Das muss wohlüberlegt sein und macht den Einstieg etwas kompliziert. Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass es die eine Anwendung gibt, die sich innerhalb von zwölf Monaten rechnet. Es wird immer um einen Stapel von Anwendungen gehen, um das Kombinieren von Use Cases.

Rieger: Man sollte zwei bis drei Use Cases finden, die 90 Prozent der Investition rechtfertigen. Das wäre eine gute Ausgangsbasis. Darauf aufbauend kann man das mit der Zeit um weitere Anwendungen ergänzen. Die könnten zum Beispiel auch von Start-ups kommen, während man als Stadtwerk eher die Plattform monetarisiert.

E&M: Wie kann ich als Stadtwerk konkret vorgehen, um in das Thema 5G einzusteigen?

Rieger: Die drei verschiedenen Rollen, die wir schon genannt haben, sind ein ganz guter Wegweiser: Welche Rolle traue ich mir zu, welche kann ich sogar richtig gut? Eine andere Frage, die man sich stellen sollte: Sehe ich das Thema nur als Cash Cow, indem ich meine ohnehin vorhandene Infrastruktur weiter vermiete, oder sehe ich darin ein strategisches Zukunftsthema etwa für die Transformation zur Smart City?

Ein Stadtwerk ist in einem kommunalen Verband zumeist die Einheit, wo viel technische Betriebskompetenz vorhanden ist. Somit kann ich als Stadtwerk auch gut die Smart-City-Karte spielen und sagen: Ich baue dir diesen Universal Connectivity Layer auf und betreibe ihn im Sinne einer digitalen Daseinsvorsorge.

E&M: Und wenn ich als Stadtwerkechef gern 5G aufbauen möchte, der Stadtrat aber kritisch gegenüber 5G eingestellt ist, wie das schon in einigen Kommunen zu beobachten war?

Borowski: Das hat etwas von einer Waagschale: Auf der einen Seite gilt es natürlich, die Ängste der Bevölkerung, die zu solchen Beschlüssen führen, ernst zu nehmen. Dazu sollte man das Thema objektivieren und Fakten sprechen lassen, um hier Befürchtungen auszuräumen. Auf der anderen Seite kann man die andere Waagschale füllen und erläutern, welchen Nutzen 5G für die Bürger bringen kann. Es geht dabei ja um gewichtige Themen wie innere Sicherheit, Klimaschutz, Bildung. Dafür lassen sich viele sehr sinnvolle, das Gemeinwohl stärkende Beispiele finden.

E&M: Für Stadtwerke sehr wichtig ist auch das Thema Klimaschutz. Über die Energieeffizienz von 5G gehen die Meinungen aber weit auseinander ...

Borowski: Die aufgewendete Energie pro Datenmenge ist bei 5G definitiv viel geringer als bei den vorherigen Mobilfunktechnologien. Das ändert aber nichts daran, dass die übertragenen Datenmengen deutlich höher sind als früher. So ergibt sich aus absoluter Sicht natürlich eine Steigerung des Energiebedarfs für den Betrieb dieser Netze. Aber man sollte die Fragestellung tatsächlich noch weiter fassen und sich fragen: Was macht man mit den übertragenen Daten? Wie weit resultieren daraus Anwendungen, die helfen, Energie zu sparen? Etwa wenn mithilfe von 5G eine intelligente Verkehrssteuerung oder Parkraumbewirtschaftung realisiert wird. Und diese Gesamtbilanz, davon bin ich zutiefst überzeugt, ist sehr positiv.

Rieger: Außerdem kann man seine Rechenzentren und Basisstationen ja auch mit erneuerbarem Strom betreiben, dann schließt sich der Kreis wieder. E&M

 
Volker Rieger ist Managing Partner bei der Unternehmensberatung Detecon und verantwortet das Beratungsgeschäft im Bereich Corporate & Digital Strategy. Zuvor leitete er den Beratungsbereich Energie
Bild: Detecon
 
 Jörg Borowski ist ebenfalls Managing Partner bei Detecon und verantwortet in dem Bereich Communications Industry die Themen 5G und Campusnetzwerke. Er ist u.a. Autor der Studie „5G-Campusnetze in der Industrie“ (Detecon, Universität Regensburg, 2019)
Bild: Detecon
 


 

Leipziger Campusnetz für die Straßenbahnwartung

88 Lizenzen für Campusnetze hat die Bundesnetzagentur innerhalb eines Jahres vergeben. Mit der Stadtwerketochter Leipzig Netz ist bislang nur ein Unternehmen aus dem Stadtwerkeumfeld dabei. Bei den Leipziger Stadtwerken ist geplant, die 5G-Campuslizenz im Bereich des Straßenbahnen zu nutzen.
Konkret gehe es um die Verbesserung und zukunftsgerichtete Prozessoptimierung von Wartungsvorgängen am Technischen Zentrum Heiterblick, wie ein Sprecher auf Anfrage von E&M erläuterte. Besondere Schwerpunkte liegen dabei auf der Wartungsunterstützung und der Fernwartung mithilfe von Augmented Reality, der Verbesserung von Wartungsprozessen und der Optimierung des Austausches von Verschleißteilen durch vorausschauende Wartung sowie ersten Entwicklungsschritten für eine autarke Bewegung der Straßenbahnen mit Sensordaten („teilautomatisiertes Fahren“) auf einem geschlossenen Betriebsgelände.
„Hierbei bietet 5G die nötige Plattform, um die Anforderung der oben genannten Anwendungen latenzarm und bandbreitentechnisch abzubilden“, so der Sprecher. Außerdem könnten auch anders geartete künftige 5G-Testfälle am Technischen Zentrum Heiterblick erprobt werden, um eine praktische Durchführbarkeit zu eruieren.
 

Montag, 11.01.2021, 12:01 Uhr
Peter Koller

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