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Energie & Management > Europaeische Union - Das Europäische Parlament stellt die Weichen für 2030
Quelle: Shutterstock / jorisvo
Europaeische Union

Das Europäische Parlament stellt die Weichen für 2030

Die große Mehrheit der Europaabgeordneten hat sich für mehr Klimaschutz ausgesprochen als die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Jetzt sind die Mitgliedsstaaten am Zug.
Das Parlament hatte einen Kompromiss über das Klimapaket vor zwei Wochen wie berichtet zunächst abgelehnt. Die drei größten Fraktionen, die konservative EVP, die sozialdemokratische S&D sowie die liberale Renew, hatten sich danach aber auf einen neuen Kompromiss verständigt. Dieser ist jetzt weitgehend unverändert mit einer breiten Mehrheit von 439:157 beschlossen worden.

Der Berichterstatter des Parlamentes, Peter Liese (CDU), nannte den Beschluss „unheimlich ambitioniert“. Die EU werde ihre Treibhausgase in den nächsten acht Jahren um 3,3 % pro Jahr senken, im Vergleich zu 0,8 % pro Jahr in den letzten dreißig Jahren. 2030 würden die vom Emissionshandel (ETS) erfassten Unternehmen 1,5 Milliarden Tonnen weniger CO2 ausstoßen als heute, wenn die Beschlüsse des Parlamentes unverändert umgesetzt würden. Das ist allerdings unwahrscheinlich, weil über den endgültigen Text noch mit den Umweltministern und -ministerinnen der Mitgliedsstaaten verhandelt werden muss. Die Verhandlungen beginnen nach der Sommerpause.

"Mehr Luft" für Unternehmen

Mit den im Parlament vorgenommenen Änderungen soll die Senkung der Treibhausgase durch die Industrie und die Elektrizitätswirtschaft in den kommenden vier Jahren gegenüber dem Vorschlag der Kommission verlangsamt werden. Damit will man den Unternehmen angesichts der aktuellen Energiekrise „mehr Luft“ und Gelegenheit geben, in neue, emissionsarme Technik zu investieren, sagte Liese nach der Abstimmung. Im Gegenzug werde das Reduktionstempo danach erhöht. Insgesamt müssten die vom ETS erfassten Sektoren ihre Emissionen bis 2030 um 63 % senken, zwei Prozentpunkte mehr, als im Vorschlag der Kommission vorgesehen. Der Seeverkehr wird zusätzlich in das ETS einbezogen.

Verändert wurde auch der Fahrplan für die Einführung einer Grenzausgleichsabgabe CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) sowie die Abschaffung der Gratiszertifikate für die Industrie. Die Kommission hatte vorgesehen, den CBAM ab 2026 über zehn Jahre in gleichen Schritten von 10 % einzuführen. Im Gegenzug sollte die Zahl der Gratiszertifikate im gleichen Tempo zurückgeführt werden. Das Parlament will den CBAM erst ab 2027 einführen und die Zahl der Gratiszertifikate im ersten Jahr nur um 7 % zurückführen, 2028 sollen es weitere 9 % sein. Danach würde ihr Umfang schneller gesenkt und 2032 soll es keine Zertifikate mehr gratis geben. Das steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass der CBAM die Erwartungen erfüllt und sich als effektiver Schutz der Industrie vor der Konkurrenz aus Drittstaaten erweist.

Das Parlament spricht sich außerdem für ein Bonus-Malus-System aus, das der Industrie zusätzliche Anreize zur technologischen Erneuerung geben soll. Unternehmen, die ihre Emissionen schneller reduzieren, sollen weiter Gratiszertifikate erhalten, um ihre Investitionen zu finanzieren. Technologischen Nachzüglern würden die Gratiszertifikate dagegen schneller gekürzt.

Die geplante Einführung eines Emissionshandels für den Verkehr und den Gebäudesektor (ETS2) soll nach dem Willen des Parlamentes auf gewerbliche Verbraucher beschränkt werden. Ausgenommen sind Prozessemissionen kleiner Industriebetriebe. Während sich die Konservativen für eine breite Lösung nach deutschem Vorbild einsetzten, wurde das ETS2 von den Sozialdemokraten, den Grünen und den meisten Liberalen unter Hinweis auf die sozialen Folgen abgelehnt.

Ob das ETS2 auch auf private Verbrauchende ausgeweitet werden kann, soll frühestens 2029 von der Kommission geprüft werden. Dafür müsste ein neues Gesetz vorgeschlagen und beschlossen werden. Deutschland könnte trotzdem daran festhalten, Emissionsrechte auch für den privaten Verbrauch zu verlangen.

Der energiepolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Timo Wölken, sagte, er sei froh, dass man sich auf einen Kompromiss verständigt habe, der „keinen sozialen Sprengstoff enthält“. Der Klimasozialfonds, der bereits 2024 eingerichtet und durch Einnahmen aus dem Emissionshandel finanziert werden soll, werde die sozialen Folgen eines beschleunigten Strukturwandels abfedern.

Der grüne Abgeordnete Bas Eikhout sagte in der Debatte des Parlamentes, seine Fraktion werde den Kompromiss der drei Fraktionen unterstützen, obwohl er nicht ausreiche, um das Klimaziel von 1,5 Grad Celsius zu erreichen.

Mittwoch, 22.06.2022, 16:17 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - Das Europäische Parlament stellt die Weichen für 2030
Quelle: Shutterstock / jorisvo
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Das Europäische Parlament stellt die Weichen für 2030
Die große Mehrheit der Europaabgeordneten hat sich für mehr Klimaschutz ausgesprochen als die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Jetzt sind die Mitgliedsstaaten am Zug.
Das Parlament hatte einen Kompromiss über das Klimapaket vor zwei Wochen wie berichtet zunächst abgelehnt. Die drei größten Fraktionen, die konservative EVP, die sozialdemokratische S&D sowie die liberale Renew, hatten sich danach aber auf einen neuen Kompromiss verständigt. Dieser ist jetzt weitgehend unverändert mit einer breiten Mehrheit von 439:157 beschlossen worden.

Der Berichterstatter des Parlamentes, Peter Liese (CDU), nannte den Beschluss „unheimlich ambitioniert“. Die EU werde ihre Treibhausgase in den nächsten acht Jahren um 3,3 % pro Jahr senken, im Vergleich zu 0,8 % pro Jahr in den letzten dreißig Jahren. 2030 würden die vom Emissionshandel (ETS) erfassten Unternehmen 1,5 Milliarden Tonnen weniger CO2 ausstoßen als heute, wenn die Beschlüsse des Parlamentes unverändert umgesetzt würden. Das ist allerdings unwahrscheinlich, weil über den endgültigen Text noch mit den Umweltministern und -ministerinnen der Mitgliedsstaaten verhandelt werden muss. Die Verhandlungen beginnen nach der Sommerpause.

"Mehr Luft" für Unternehmen

Mit den im Parlament vorgenommenen Änderungen soll die Senkung der Treibhausgase durch die Industrie und die Elektrizitätswirtschaft in den kommenden vier Jahren gegenüber dem Vorschlag der Kommission verlangsamt werden. Damit will man den Unternehmen angesichts der aktuellen Energiekrise „mehr Luft“ und Gelegenheit geben, in neue, emissionsarme Technik zu investieren, sagte Liese nach der Abstimmung. Im Gegenzug werde das Reduktionstempo danach erhöht. Insgesamt müssten die vom ETS erfassten Sektoren ihre Emissionen bis 2030 um 63 % senken, zwei Prozentpunkte mehr, als im Vorschlag der Kommission vorgesehen. Der Seeverkehr wird zusätzlich in das ETS einbezogen.

Verändert wurde auch der Fahrplan für die Einführung einer Grenzausgleichsabgabe CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) sowie die Abschaffung der Gratiszertifikate für die Industrie. Die Kommission hatte vorgesehen, den CBAM ab 2026 über zehn Jahre in gleichen Schritten von 10 % einzuführen. Im Gegenzug sollte die Zahl der Gratiszertifikate im gleichen Tempo zurückgeführt werden. Das Parlament will den CBAM erst ab 2027 einführen und die Zahl der Gratiszertifikate im ersten Jahr nur um 7 % zurückführen, 2028 sollen es weitere 9 % sein. Danach würde ihr Umfang schneller gesenkt und 2032 soll es keine Zertifikate mehr gratis geben. Das steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass der CBAM die Erwartungen erfüllt und sich als effektiver Schutz der Industrie vor der Konkurrenz aus Drittstaaten erweist.

Das Parlament spricht sich außerdem für ein Bonus-Malus-System aus, das der Industrie zusätzliche Anreize zur technologischen Erneuerung geben soll. Unternehmen, die ihre Emissionen schneller reduzieren, sollen weiter Gratiszertifikate erhalten, um ihre Investitionen zu finanzieren. Technologischen Nachzüglern würden die Gratiszertifikate dagegen schneller gekürzt.

Die geplante Einführung eines Emissionshandels für den Verkehr und den Gebäudesektor (ETS2) soll nach dem Willen des Parlamentes auf gewerbliche Verbraucher beschränkt werden. Ausgenommen sind Prozessemissionen kleiner Industriebetriebe. Während sich die Konservativen für eine breite Lösung nach deutschem Vorbild einsetzten, wurde das ETS2 von den Sozialdemokraten, den Grünen und den meisten Liberalen unter Hinweis auf die sozialen Folgen abgelehnt.

Ob das ETS2 auch auf private Verbrauchende ausgeweitet werden kann, soll frühestens 2029 von der Kommission geprüft werden. Dafür müsste ein neues Gesetz vorgeschlagen und beschlossen werden. Deutschland könnte trotzdem daran festhalten, Emissionsrechte auch für den privaten Verbrauch zu verlangen.

Der energiepolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Timo Wölken, sagte, er sei froh, dass man sich auf einen Kompromiss verständigt habe, der „keinen sozialen Sprengstoff enthält“. Der Klimasozialfonds, der bereits 2024 eingerichtet und durch Einnahmen aus dem Emissionshandel finanziert werden soll, werde die sozialen Folgen eines beschleunigten Strukturwandels abfedern.

Der grüne Abgeordnete Bas Eikhout sagte in der Debatte des Parlamentes, seine Fraktion werde den Kompromiss der drei Fraktionen unterstützen, obwohl er nicht ausreiche, um das Klimaziel von 1,5 Grad Celsius zu erreichen.

Mittwoch, 22.06.2022, 16:17 Uhr
Tom Weingärtner

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