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Energie & Management > Klimaschutz - Chemische Industrie könnte CO2 als Rohstoff nutzen
Quelle: Fotolia / bluedesign
Klimaschutz

Chemische Industrie könnte CO2 als Rohstoff nutzen

In einem Webinar von Zukunft Gas wurden verschiedene Pilotprojekte vorgestellt, die aus dem Klimagas CO2 Rohstoffe für die chemische Industrie und klimafreundliche Kraftstoffe machen.
In einer Zukunft ohne fossile Brennstoffe muss einerseits das Klimagas Kohlendioxid (CO2) vermieden werden, andererseits fehlen der Industrie Kohlenstoffverbindungen, die heute oft aus fossilen Quellen stammen. Diese beiden Herausforderungen könnten gelöst werden, indem CO2 als Rohstoff für chemische Prozesse gewonnen wird, anstatt es nur zu vermeiden oder unter die Erde zu verpressen (CCS). Einige Beispiele wurden am 11. September in einem Webinar des Branchenverbandes Zukunft Gas vorgestellt.

CO2 wird auch in einer klimaneutralen Zukunft weiter entstehen, so aus der Müllverbrennung, der Baustoffindustrie oder der Papierherstellung. Anstatt es einzulagern, könnte es vielfältig eingesetzt werden. So könne es direkt in Getränken, als Trockeneis oder Kältemittel eingesetzt werden, wie auch heute schon üblich. Allerdings geht dies mit einer nur kurzen Bindung einher, bevor es doch wieder in die Atmosphäre entweicht.

Mit einiger Umwandlung kann es Kohlenstoff als Rohstoff ersetzen statt Erdöl oder Erdgas. Eine längere Bindung des Gases ist möglich, wenn es biologisch eingelagert wird, beispielsweise durch Pflanzenwachstum oder in alternativen Kraftstoffen (E-Fuels). Eine langfristige Bindung ist möglich, wenn es karbonisiert wird und in Baustoffen oder Chemikalien verwendet wird, erläuterte Fabian Muralter, Projektleiter des Analyseinstituts Prognos. Hierfür entstehen aber Energiebedarfe von 8 bis 49 MWh/t, je nach Produkt, sagte Muralter.

Zwei Projekte vorgestellt

Prof. Ulf-Peter Apfel, Abteilungsleiter für Electrosynthese am Fraunhofer-Institut Umsicht, sprach über das Projekt „Leuna 100“ in Sachsen-Anhalt. Hier soll aus Wind- und PV-Strom Wasserstoff erzeugt und mit CO2-Abgasen aus der benachbarten chemischen Industrie zu klimafreundlichem Methanol verarbeitet werden. Dies diene dann als Kraftstoff für Schiffe und Flugzeuge, die nicht mit Elektroantrieben arbeiten können.

Mark Misselhorn, Geschäftsführer der Caphenia GmbH, stellte ein erstes Projekt in Frankfurt/Main bei Höchst vor. Dort habe sein Unternehmen im März dieses Jahres mit dem Bau einer Anlage begonnen, die noch in diesem Jahr fertig werden soll und schon ab 2025 aus CO2 jährlich 500 Tonnen Wasserstoff sowie CO (Kohlenmonoxid) produzieren werde, so Misselhorn. CO diene als universeller Ausgangsstoff für die benachbarte chemische Industrie.

Rahmensetzung entscheidet über Projekte

Carbon Management sei eine Schnittstelle zwischen ambitioniertem Klimaschutz und Industriepolitik, fasste Muralter zusammen. Allerdings fehle dafür teilweise noch der rechtliche und wirtschaftliche Rahmen. So werde aktuell der politische Fokus vor allem auf die C02-Abscheidung, den Transport und die geologische Speicherung gelegt (CCS). Dafür sei aber eine neue Infrastruktur mit hohen Kosten erforderlich. Diese könne auch zu fossilen Lock-ins führen, wenn die CO2-Lieferungen erst einmal etabliert werden, warnte er.

Noch seien die Kosten für Grundstoffe aus CO2 zwei- bis viermal so teuer wie die konventionelle Produktion. Muralter sieht perspektivisch starke Kostenreduktionen als möglich an. Außerdem würden CO2-Emissionen kontinuierlich teurer. Dennoch würden auch langfristig nur unter optimistischen Annahmen die Rohstoffkosten aus CO2 im Preis ähnlich wie die heutige konventionelle Produktion und mögliche Alternativen. Allerdings hätten immer mehr Unternehmen wegen ihrer eigenen Klimaschutzziele Interesse an treibhausgasfreien Zulieferungen, was einen Markt eröffne.
 
Potenzielle CO2-Mengen, die für Umwandlung zur Verfügung stehen, im Szenarienvergleich
(Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Quelle: Prognos

„Die Projekte sind heute noch zögerlich wegen der unsicheren wirtschaftlichen Perspektive, deshalb ist hier die Politik weiter gefordert“, so Muralter. In Deutschland eröffneten die Carbon-Management-Strategie (CMS) sowie einige Pilotprojekte erste Perspektiven. Diese müssten aber rasch in großindustrielle Anwendungen münden, um sowohl einen Beitrag zur Emissionssenkung zu leisten, als auch selbständig wirtschaftlich tragfähig zu werden, so der Prognos-Fachmann. Ähnliche Aktivitäten wie in Deutschland gebe es auch in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Österreich. In der EU gelte die Industrial Carbon Management Strategy (ICMS). Daher sei es wichtig, das chemisch gebundene CO2 im Emissionshandel abzugsfähig zu machen. Es müsse auch einen Zertifizierungsrahmen für C02-Speicher (CRCF) geben und ein Monitoring. Aktuell gelten biogenes und atmosphärisches C02 als gebunden, wenn sie 35 Jahre und länger gespeichert bleiben, schloss Muralter.

Mittwoch, 11.09.2024, 16:08 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Klimaschutz - Chemische Industrie könnte CO2 als Rohstoff nutzen
Quelle: Fotolia / bluedesign
Klimaschutz
Chemische Industrie könnte CO2 als Rohstoff nutzen
In einem Webinar von Zukunft Gas wurden verschiedene Pilotprojekte vorgestellt, die aus dem Klimagas CO2 Rohstoffe für die chemische Industrie und klimafreundliche Kraftstoffe machen.
In einer Zukunft ohne fossile Brennstoffe muss einerseits das Klimagas Kohlendioxid (CO2) vermieden werden, andererseits fehlen der Industrie Kohlenstoffverbindungen, die heute oft aus fossilen Quellen stammen. Diese beiden Herausforderungen könnten gelöst werden, indem CO2 als Rohstoff für chemische Prozesse gewonnen wird, anstatt es nur zu vermeiden oder unter die Erde zu verpressen (CCS). Einige Beispiele wurden am 11. September in einem Webinar des Branchenverbandes Zukunft Gas vorgestellt.

CO2 wird auch in einer klimaneutralen Zukunft weiter entstehen, so aus der Müllverbrennung, der Baustoffindustrie oder der Papierherstellung. Anstatt es einzulagern, könnte es vielfältig eingesetzt werden. So könne es direkt in Getränken, als Trockeneis oder Kältemittel eingesetzt werden, wie auch heute schon üblich. Allerdings geht dies mit einer nur kurzen Bindung einher, bevor es doch wieder in die Atmosphäre entweicht.

Mit einiger Umwandlung kann es Kohlenstoff als Rohstoff ersetzen statt Erdöl oder Erdgas. Eine längere Bindung des Gases ist möglich, wenn es biologisch eingelagert wird, beispielsweise durch Pflanzenwachstum oder in alternativen Kraftstoffen (E-Fuels). Eine langfristige Bindung ist möglich, wenn es karbonisiert wird und in Baustoffen oder Chemikalien verwendet wird, erläuterte Fabian Muralter, Projektleiter des Analyseinstituts Prognos. Hierfür entstehen aber Energiebedarfe von 8 bis 49 MWh/t, je nach Produkt, sagte Muralter.

Zwei Projekte vorgestellt

Prof. Ulf-Peter Apfel, Abteilungsleiter für Electrosynthese am Fraunhofer-Institut Umsicht, sprach über das Projekt „Leuna 100“ in Sachsen-Anhalt. Hier soll aus Wind- und PV-Strom Wasserstoff erzeugt und mit CO2-Abgasen aus der benachbarten chemischen Industrie zu klimafreundlichem Methanol verarbeitet werden. Dies diene dann als Kraftstoff für Schiffe und Flugzeuge, die nicht mit Elektroantrieben arbeiten können.

Mark Misselhorn, Geschäftsführer der Caphenia GmbH, stellte ein erstes Projekt in Frankfurt/Main bei Höchst vor. Dort habe sein Unternehmen im März dieses Jahres mit dem Bau einer Anlage begonnen, die noch in diesem Jahr fertig werden soll und schon ab 2025 aus CO2 jährlich 500 Tonnen Wasserstoff sowie CO (Kohlenmonoxid) produzieren werde, so Misselhorn. CO diene als universeller Ausgangsstoff für die benachbarte chemische Industrie.

Rahmensetzung entscheidet über Projekte

Carbon Management sei eine Schnittstelle zwischen ambitioniertem Klimaschutz und Industriepolitik, fasste Muralter zusammen. Allerdings fehle dafür teilweise noch der rechtliche und wirtschaftliche Rahmen. So werde aktuell der politische Fokus vor allem auf die C02-Abscheidung, den Transport und die geologische Speicherung gelegt (CCS). Dafür sei aber eine neue Infrastruktur mit hohen Kosten erforderlich. Diese könne auch zu fossilen Lock-ins führen, wenn die CO2-Lieferungen erst einmal etabliert werden, warnte er.

Noch seien die Kosten für Grundstoffe aus CO2 zwei- bis viermal so teuer wie die konventionelle Produktion. Muralter sieht perspektivisch starke Kostenreduktionen als möglich an. Außerdem würden CO2-Emissionen kontinuierlich teurer. Dennoch würden auch langfristig nur unter optimistischen Annahmen die Rohstoffkosten aus CO2 im Preis ähnlich wie die heutige konventionelle Produktion und mögliche Alternativen. Allerdings hätten immer mehr Unternehmen wegen ihrer eigenen Klimaschutzziele Interesse an treibhausgasfreien Zulieferungen, was einen Markt eröffne.
 
Potenzielle CO2-Mengen, die für Umwandlung zur Verfügung stehen, im Szenarienvergleich
(Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Quelle: Prognos

„Die Projekte sind heute noch zögerlich wegen der unsicheren wirtschaftlichen Perspektive, deshalb ist hier die Politik weiter gefordert“, so Muralter. In Deutschland eröffneten die Carbon-Management-Strategie (CMS) sowie einige Pilotprojekte erste Perspektiven. Diese müssten aber rasch in großindustrielle Anwendungen münden, um sowohl einen Beitrag zur Emissionssenkung zu leisten, als auch selbständig wirtschaftlich tragfähig zu werden, so der Prognos-Fachmann. Ähnliche Aktivitäten wie in Deutschland gebe es auch in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Österreich. In der EU gelte die Industrial Carbon Management Strategy (ICMS). Daher sei es wichtig, das chemisch gebundene CO2 im Emissionshandel abzugsfähig zu machen. Es müsse auch einen Zertifizierungsrahmen für C02-Speicher (CRCF) geben und ein Monitoring. Aktuell gelten biogenes und atmosphärisches C02 als gebunden, wenn sie 35 Jahre und länger gespeichert bleiben, schloss Muralter.

Mittwoch, 11.09.2024, 16:08 Uhr
Susanne Harmsen

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