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Energie & Management > Recht - Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verurteilt
Bild: Fotolia.com, Stefan Welz
Recht

Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verurteilt

Das Bundesverfassungsgericht hat Beschwerden gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz stattgegeben. Damit müssten die Klimagasemissionen als Budget schon bis 2030 deutlich verringert werden.
Umweltorganisationen wie Greenpeace hatten mit Einzelpersonen Verfassungsbeschwerden eingereicht, weil sie die Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen (THG) und damit zur Begrenzung der globalen Erwärmung als unzureichend erachten. Die Karlsruher Richter verpflichteten den Gesetzgeber mit ihrem Urteil vom 29. April, bis Ende 2022 die Reduktionsziele für THG für die Zeit nach 2030 näher zu regeln.

Bundestag und Bundesrat hatten Ende 2019 das Klimaschutzgesetz verabschiedet. Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden hielten die festgelegten Maßnahmen nicht für ausreichend. Das Gericht gab ihnen recht, sie seien „durch die Regelungen in dem Gesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt“. Im Urteil heißt es: „Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.“

Einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wie geplant auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Maßnahmen machbar, was die Freiheiten der heutigen Jugend drastisch beschränke. „Zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit hätte der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern“, so das Urteil.

Bundesregierung muss Emissionsmengen schon vor 2030 reduzieren

Das Verfassungsgericht fordert nun, frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion. Damit verbinden die Richter Entwicklungsdruck und Planungssicherheit. Weitere Reduktionsmaßnahmen müssten rechtzeitig über das Jahr 2030 hinaus und Jahresemissionsmengen hinreichend weit in die Zukunft hinein festgelegt werden.

Gleich vier Verfassungsbeschwerden hatten das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seit 2018 aufgefordert, die Gesetzgebung zum Klimaschutz zu überprüfen. Geklagt haben Jugendliche und Erwachsene aus dem In- und Ausland, unterstützt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), sowie von Germanwatch, Greenpeace und Protect the Planet.

Urteil "Schallende Ohrfeige" für bisherige Klimapolitik

Die Anwälte der Kläger äußerten sich in einer Videokonferenz erfreut über das Urteil. Felix Ekardt nannte es eine „schallende Ohrfeige für die Bundesregierung“, weil damit die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen als ungenügend beurteilt wurden und das Klimaschutzziel von Paris als verfassungsrechtlich verbindlich anerkannt wurde. Rechtsanwältin Roda Verheyen sagte, die sei ein „Meilenstein in der Rechtsprechung“. Leugner der Klimakrise hätten keine Chance mehr, da die Wissenschaft als Basis der Entscheidungen anerkannt wurde. „Leider wurde Klimaschutz nicht als Menschenrecht anerkannt“, bedauerte sie.

Das Gericht habe das Recht auf Zukunft für nächste Generationen bestätigt, sagte Rechtsanwalt Remo Klinger. „Der Schluck aus der Flasche muss kleiner werden bis 2030, sonst gibt es danach keine Treibhausgasemissionen mehr zu verteilen“, fordere das Gericht von der Politik. Die Klägerin Sophie Backsen, von der nordfriesischen Insel Pelworm sagte: „Endlich steht fest, das schon in den nächsten zehn Jahren etwas passieren muss.“
 
Videokonferenz von Greenpeace zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klimaklage mit Rechtsanwälten und Klägern
Bild: Greenpeace

Rückenwind für Klimaschützer

Luisa Neubauer von den Fridays for Future kommentierte als Klägerin, Klimaschutz werde nicht länger als freiwillige Maßnahme, sondern als Pflicht anerkannt. „Wir können mit neuem Selbstbewusstsein Maßnahmen einfordern, auch im Bundestagswahlkampf“, kündigte Neubauer an. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, sagte: „Verfassungsrechtlich steht ab heute fest, dass jede künftige Bundesregierung gesetzlich verpflichtet ist, jährliche CO2-Minderungsziele einzuhalten.“

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nannte das Urteil via Twitter „epochal für Klimaschutz und Rechte der jungen Menschen“. Es sorge für Planungssicherheit für die Wirtschaft. Die FDP hält dagegen nach der Richterentscheidung „einen Neustart beim Klimaschutz“ für nötig, antwortete Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag auf dem gleichen Wege. Dazu gehörten ein klarer CO2-Deckel und Zertifikatehandel.

Schneller Ausstieg aus fossilen Energieträgern gefordert

Die DUH nannte die Klimaschutz-Entscheidung das "bedeutendste Urteil zum Umweltschutz in der Geschichte des Gerichts". Sie fordert die Bundesregierung auf, nun sofort zu handeln und die Maßnahmen endlich umzusetzen, die bereits in den Verfassungsbeschwerden genannt wurden. DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner sagte: „Alle demokratischen Parteien müssen zeigen, dass sie es ernst meinen mit dem Ausstieg aus fossilen Energien.“ Das bedeute einen Kohleausstieg schon bis 2030 und den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien.

Donnerstag, 29.04.2021, 11:46 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Recht - Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verurteilt
Bild: Fotolia.com, Stefan Welz
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Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verurteilt
Das Bundesverfassungsgericht hat Beschwerden gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz stattgegeben. Damit müssten die Klimagasemissionen als Budget schon bis 2030 deutlich verringert werden.
Umweltorganisationen wie Greenpeace hatten mit Einzelpersonen Verfassungsbeschwerden eingereicht, weil sie die Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen (THG) und damit zur Begrenzung der globalen Erwärmung als unzureichend erachten. Die Karlsruher Richter verpflichteten den Gesetzgeber mit ihrem Urteil vom 29. April, bis Ende 2022 die Reduktionsziele für THG für die Zeit nach 2030 näher zu regeln.

Bundestag und Bundesrat hatten Ende 2019 das Klimaschutzgesetz verabschiedet. Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden hielten die festgelegten Maßnahmen nicht für ausreichend. Das Gericht gab ihnen recht, sie seien „durch die Regelungen in dem Gesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt“. Im Urteil heißt es: „Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.“

Einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wie geplant auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Maßnahmen machbar, was die Freiheiten der heutigen Jugend drastisch beschränke. „Zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit hätte der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern“, so das Urteil.

Bundesregierung muss Emissionsmengen schon vor 2030 reduzieren

Das Verfassungsgericht fordert nun, frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion. Damit verbinden die Richter Entwicklungsdruck und Planungssicherheit. Weitere Reduktionsmaßnahmen müssten rechtzeitig über das Jahr 2030 hinaus und Jahresemissionsmengen hinreichend weit in die Zukunft hinein festgelegt werden.

Gleich vier Verfassungsbeschwerden hatten das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seit 2018 aufgefordert, die Gesetzgebung zum Klimaschutz zu überprüfen. Geklagt haben Jugendliche und Erwachsene aus dem In- und Ausland, unterstützt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), sowie von Germanwatch, Greenpeace und Protect the Planet.

Urteil "Schallende Ohrfeige" für bisherige Klimapolitik

Die Anwälte der Kläger äußerten sich in einer Videokonferenz erfreut über das Urteil. Felix Ekardt nannte es eine „schallende Ohrfeige für die Bundesregierung“, weil damit die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen als ungenügend beurteilt wurden und das Klimaschutzziel von Paris als verfassungsrechtlich verbindlich anerkannt wurde. Rechtsanwältin Roda Verheyen sagte, die sei ein „Meilenstein in der Rechtsprechung“. Leugner der Klimakrise hätten keine Chance mehr, da die Wissenschaft als Basis der Entscheidungen anerkannt wurde. „Leider wurde Klimaschutz nicht als Menschenrecht anerkannt“, bedauerte sie.

Das Gericht habe das Recht auf Zukunft für nächste Generationen bestätigt, sagte Rechtsanwalt Remo Klinger. „Der Schluck aus der Flasche muss kleiner werden bis 2030, sonst gibt es danach keine Treibhausgasemissionen mehr zu verteilen“, fordere das Gericht von der Politik. Die Klägerin Sophie Backsen, von der nordfriesischen Insel Pelworm sagte: „Endlich steht fest, das schon in den nächsten zehn Jahren etwas passieren muss.“
 
Videokonferenz von Greenpeace zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klimaklage mit Rechtsanwälten und Klägern
Bild: Greenpeace

Rückenwind für Klimaschützer

Luisa Neubauer von den Fridays for Future kommentierte als Klägerin, Klimaschutz werde nicht länger als freiwillige Maßnahme, sondern als Pflicht anerkannt. „Wir können mit neuem Selbstbewusstsein Maßnahmen einfordern, auch im Bundestagswahlkampf“, kündigte Neubauer an. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, sagte: „Verfassungsrechtlich steht ab heute fest, dass jede künftige Bundesregierung gesetzlich verpflichtet ist, jährliche CO2-Minderungsziele einzuhalten.“

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nannte das Urteil via Twitter „epochal für Klimaschutz und Rechte der jungen Menschen“. Es sorge für Planungssicherheit für die Wirtschaft. Die FDP hält dagegen nach der Richterentscheidung „einen Neustart beim Klimaschutz“ für nötig, antwortete Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag auf dem gleichen Wege. Dazu gehörten ein klarer CO2-Deckel und Zertifikatehandel.

Schneller Ausstieg aus fossilen Energieträgern gefordert

Die DUH nannte die Klimaschutz-Entscheidung das "bedeutendste Urteil zum Umweltschutz in der Geschichte des Gerichts". Sie fordert die Bundesregierung auf, nun sofort zu handeln und die Maßnahmen endlich umzusetzen, die bereits in den Verfassungsbeschwerden genannt wurden. DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner sagte: „Alle demokratischen Parteien müssen zeigen, dass sie es ernst meinen mit dem Ausstieg aus fossilen Energien.“ Das bedeute einen Kohleausstieg schon bis 2030 und den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien.

Donnerstag, 29.04.2021, 11:46 Uhr
Susanne Harmsen

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