E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Recht - Bundesnetzagentur muss mehr Verantwortung übernehmen
Quelle: Shutterstock
Recht

Bundesnetzagentur muss mehr Verantwortung übernehmen

Deutschland muss seine Regulierungspraxis an das europäische Recht anpassen. Die Strom- und Gasunternehmen rätseln weiter darüber, was das bedeutet.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte Anfang September entschieden, dass Deutschland die Strom- und Gasrichtlinie der EU nicht richtig umgesetzt hat. In einer Online-Diskussion dazu, die von der Anwaltskanzlei Luther veranstaltet wurde, waren sich alle Beteiligten einig, dass der deutsche Gesetzgeber den Artikel 24 des Energiewirtschaftsgesetzes(EnWG) überarbeiten oder sogar streichen müsse.

Dadurch würden die darauf basierenden Verordnungen ihre rechtliche Grundlage verlieren. Die deutsche Regulierungsbehörde, die Bundesnetzagentur, müsste dann ohne Vorgaben aus Berlin entscheiden, welche Unternehmen Zugang zum deutschen Strom- und Gasmarkt erhalten und zu welchen Bedingungen.

Christoph Riechmann von der Beraterfirma Frontier Economics verwies darauf, dass die deutsche Regulierung eine lange Vorgeschichte habe. Diese Tradition werde die Arbeit der Bundesnetzagentur auch ohne die Verordnungen der Bundesregierung weiter beeinflussen. Eine stabile und vorhersehbare Regulierung sei mit einer größeren Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur durchaus vereinbar. Allerdings müsse damit gerechnet werden, dass Grundsatzentscheidungen der Behörde aus den letzten Jahren überprüft würden.

Riechmann nannte in diesem Zusammenhang die in den Verordnungen der Regierung gemachten Produktivitätsvorgaben. Dazu habe die Behörde eine unterschiedliche Empfehlung abgegeben. In Zukunft könnte sie ihre Vorstellungen in die Regulierungsentscheidungen einfließen lassen.

In Bonn könne man sich auch stärker an der Regulierungspraxis in anderen EU-Ländern wie Österreich oder den Niederlanden orientieren, deren nationale Behörden über einen wesentlich größeren Ermessensspielraum verfügten. Ãœber die Länge der Regulierungsperiode etwa werde die Bundesnetzagentur in Zukunft selber entscheiden. Auswirkungen könne mehr Unabhängigkeit der Regulierer auch auf den Eigenkapitalzins, die Gewichtung einzelner Kostenfaktoren oder die Tarifstruktur haben.

Regulierer haben gut mit den Vorgaben aus Berlin gelebt

Chris Mögelin, Justiziar der Bundesnetzagentur, widersprach dem nicht. Die deutschen Regulierer hätten gut mit den Vorgaben aus Berlin gelebt und nicht nach mehr Unabhängigkeit verlangt. Die in den letzten Jahren entstandene Regulierung funktioniere zur Zufriedenheit der meisten Unternehmen. Das gelte auch für die Kalkulation von Kosten: „Niemand will an den Eigenkapitalzins rangehen.“

Deutschland habe bis zu 24 Monaten, um das Urteil umzusetzen. Bis dahin bleibe das EnWG in seiner jetzigen Form gültig. Um Rechtssicherheit und stabile Verhältnisse auf den Energiemärkten zu garantieren, verlange auch der EuGH einen „ausreichenden Vorlauf“, um zu Regulierungsentscheidungen zu kommen. Es müsse aber allen Beteiligten klar sein, dass die Ãœbergangsphase zeitlich begrenzt sei.

Mögelin wies darauf hin, dass die Regierung „politische Leitlinien“ für die Regulierung vorgeben dürfe. Lediglich die „technisch-fachlichen Entscheidungen“ seien nach dem Urteil des EuGH der Bundesnetzagentur vorbehalten. Der Rechtsschutz der betroffenen Unternehmen sei auch in Zukunft gesichert.

Nach Ansicht des Fachanwaltes Angelo Vallone müssen die deutschen Gerichte dabei aber in Zukunft direkt europäisches Recht anwenden, wenn sie Entscheidungen der Bonner Behörde Ã¼berprüfen. Es werde deswegen öfter als bisher zu einer Beteiligung des EuGH in diesen Verfahren kommen.

Die Justiziarin des BDEW, Paula Hahn, geht davon aus, dass die Bundesnetzagentur ihren größeren Entscheidungsspielraum „auch zugunsten der Unternehmen“ nutzen kann. Wenn die Regulierungsbehörde in Zukunft Recht setzen könne, müssten ihre Entscheidungen von innen und von außen stärker kontrolliert werden. Mehr Transparenz und anspruchsvollere Begründungen seien notwendig. Die Regulierungsentscheidungen sollten außerdem durch ein unabhängiges, wissenschaftliches Gremium kontrolliert werden.

Das Urteil des EuGH ist nach Ansicht des BDEW nicht so eindeutig, dass Klarheit darüber herrsche, wie es umgesetzt werden müsse. Eine Änderung des EnWG sollte deswegen in enger Abstimmung mit der EU-Kommission erfolgen.


Donnerstag, 30.09.2021, 14:17 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Recht - Bundesnetzagentur muss mehr Verantwortung übernehmen
Quelle: Shutterstock
Recht
Bundesnetzagentur muss mehr Verantwortung übernehmen
Deutschland muss seine Regulierungspraxis an das europäische Recht anpassen. Die Strom- und Gasunternehmen rätseln weiter darüber, was das bedeutet.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte Anfang September entschieden, dass Deutschland die Strom- und Gasrichtlinie der EU nicht richtig umgesetzt hat. In einer Online-Diskussion dazu, die von der Anwaltskanzlei Luther veranstaltet wurde, waren sich alle Beteiligten einig, dass der deutsche Gesetzgeber den Artikel 24 des Energiewirtschaftsgesetzes(EnWG) überarbeiten oder sogar streichen müsse.

Dadurch würden die darauf basierenden Verordnungen ihre rechtliche Grundlage verlieren. Die deutsche Regulierungsbehörde, die Bundesnetzagentur, müsste dann ohne Vorgaben aus Berlin entscheiden, welche Unternehmen Zugang zum deutschen Strom- und Gasmarkt erhalten und zu welchen Bedingungen.

Christoph Riechmann von der Beraterfirma Frontier Economics verwies darauf, dass die deutsche Regulierung eine lange Vorgeschichte habe. Diese Tradition werde die Arbeit der Bundesnetzagentur auch ohne die Verordnungen der Bundesregierung weiter beeinflussen. Eine stabile und vorhersehbare Regulierung sei mit einer größeren Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur durchaus vereinbar. Allerdings müsse damit gerechnet werden, dass Grundsatzentscheidungen der Behörde aus den letzten Jahren überprüft würden.

Riechmann nannte in diesem Zusammenhang die in den Verordnungen der Regierung gemachten Produktivitätsvorgaben. Dazu habe die Behörde eine unterschiedliche Empfehlung abgegeben. In Zukunft könnte sie ihre Vorstellungen in die Regulierungsentscheidungen einfließen lassen.

In Bonn könne man sich auch stärker an der Regulierungspraxis in anderen EU-Ländern wie Österreich oder den Niederlanden orientieren, deren nationale Behörden über einen wesentlich größeren Ermessensspielraum verfügten. Ãœber die Länge der Regulierungsperiode etwa werde die Bundesnetzagentur in Zukunft selber entscheiden. Auswirkungen könne mehr Unabhängigkeit der Regulierer auch auf den Eigenkapitalzins, die Gewichtung einzelner Kostenfaktoren oder die Tarifstruktur haben.

Regulierer haben gut mit den Vorgaben aus Berlin gelebt

Chris Mögelin, Justiziar der Bundesnetzagentur, widersprach dem nicht. Die deutschen Regulierer hätten gut mit den Vorgaben aus Berlin gelebt und nicht nach mehr Unabhängigkeit verlangt. Die in den letzten Jahren entstandene Regulierung funktioniere zur Zufriedenheit der meisten Unternehmen. Das gelte auch für die Kalkulation von Kosten: „Niemand will an den Eigenkapitalzins rangehen.“

Deutschland habe bis zu 24 Monaten, um das Urteil umzusetzen. Bis dahin bleibe das EnWG in seiner jetzigen Form gültig. Um Rechtssicherheit und stabile Verhältnisse auf den Energiemärkten zu garantieren, verlange auch der EuGH einen „ausreichenden Vorlauf“, um zu Regulierungsentscheidungen zu kommen. Es müsse aber allen Beteiligten klar sein, dass die Ãœbergangsphase zeitlich begrenzt sei.

Mögelin wies darauf hin, dass die Regierung „politische Leitlinien“ für die Regulierung vorgeben dürfe. Lediglich die „technisch-fachlichen Entscheidungen“ seien nach dem Urteil des EuGH der Bundesnetzagentur vorbehalten. Der Rechtsschutz der betroffenen Unternehmen sei auch in Zukunft gesichert.

Nach Ansicht des Fachanwaltes Angelo Vallone müssen die deutschen Gerichte dabei aber in Zukunft direkt europäisches Recht anwenden, wenn sie Entscheidungen der Bonner Behörde Ã¼berprüfen. Es werde deswegen öfter als bisher zu einer Beteiligung des EuGH in diesen Verfahren kommen.

Die Justiziarin des BDEW, Paula Hahn, geht davon aus, dass die Bundesnetzagentur ihren größeren Entscheidungsspielraum „auch zugunsten der Unternehmen“ nutzen kann. Wenn die Regulierungsbehörde in Zukunft Recht setzen könne, müssten ihre Entscheidungen von innen und von außen stärker kontrolliert werden. Mehr Transparenz und anspruchsvollere Begründungen seien notwendig. Die Regulierungsentscheidungen sollten außerdem durch ein unabhängiges, wissenschaftliches Gremium kontrolliert werden.

Das Urteil des EuGH ist nach Ansicht des BDEW nicht so eindeutig, dass Klarheit darüber herrsche, wie es umgesetzt werden müsse. Eine Änderung des EnWG sollte deswegen in enger Abstimmung mit der EU-Kommission erfolgen.


Donnerstag, 30.09.2021, 14:17 Uhr
Tom Weingärtner

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.