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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Bundeskartellamt verhindert Eon-Beteiligung an Ruhrgas
Quelle: Shutterstock
E&M Vor 20 Jahren

Bundeskartellamt verhindert Eon-Beteiligung an Ruhrgas

Die Übernahme der Ruhrgas durch Eon war eines der beherrschenden Themen in der Energiewirtschaft im Jahr 2002
„Kommt sie oder kommt sie nicht“ hatten sich viele Marktteilnehmer und -beobachter noch Anfang 2001 gefragt, als sich das Interesse der zum europäischen Energiegiganten aufsteigenden Eon an der Ruhrgas AG abzeichnete und Wetten über die weiteren Annäherungsschritte abgeschlossen wurden. Aber schon bald war dies nicht mehr die Frage, die für hitzige Diskussionen sorgte. Eher: „Wann kommt sie und wie kommt sie?“

Zu Beginn des Jahres 2002 sahen die Skeptiker zunächst noch das Vertrauen in den ordnungspolitischen Rahmen des sich wettbewerblich entwickelnden Energiemarkts gestärkt. Doch so richtig Freude über die Standhaftigkeit des Präsidenten des Bundeskartellamts wollte nicht aufkommen. Auch wenn viele damals Ulf Böge ihren Respekt zollten, konnten sie nicht die Augen davor verschließen, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) bereits ihre eigene Agenda für die Gestaltung des liberalisierten Energiemarkts verfolgten.

Am 21. Januar 2002 veröffentlichte E&M Powernews folgende Meldung.


Marktbeherrschende Stellung nach Übernahme

Die Wettbewerbshüter in Bonn sehen in der Verbindung Eon/Ruhrgas eine Verstärkung „marktbeherrschender Stellungen sowohl beim Absatz von Gas als auch von Strom“.

Zur Begründung der Verweigerung sagte der Präsident des Bundeskartellamtes Ulf Böge: „Die Verbindung von Eon und Ruhrgas in einer Phase beginnender Liberalisierung auf den Gasmärkten würde die marktbeherrschende Stellung der Ruhrgas zementieren. Die Chancen für wirksamen Wettbewerb durch andere Ferngasunternehmen würden erheblich beeinträchtigt. Es war auch zu befürchten, dass die Marktposition von Eon auf der Stromseite weiter abgesichert würde zu Lasten kleinerer Wettbewerber und damit auch der Verbraucher.“ Böge in seiner Ablehnung weiter: „Die von den Unternehmen angebotenen Auflagen waren wettbewerblich von geringer Bedeutung und somit nicht geeignet, die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellungen auf den Gasmärkten und den Strommärkten zu beseitigen.“

Aus dem Bundeskanzleramt wurde heute dementiert, dass eine Ministererlaubnis für die Ruhrgasübernahme schon versprochen worden sei.


Vor diesem Hintergrund kommentierte E&M-Chefredakteur Helmut Sendner in der Ausgabe von Energie & Management vor 20 Jahren.


Größe zwingt zur Größe

Viel Arbeit haben sich die Kartellwächter um Ulf Böge, den Chef des Bundeskartellamtes, hoffentlich nicht gemacht, um herauszufinden, ob durch die Übernahme der Ruhrgas durch Eon ein marktbeherrschender Erdgasversorger in Deutschland entsteht. Die Geschäftsberichte der Ruhrgas, von Eon und der Eon-Tochter Thüga zeigen sehr schnell, wie stark diese Unternehmen auf dem Erdgasmarkt sind.

Die Arbeit hätten sich die Bonner Beamten in der obersten Wettbewerbsbehörde ohnehin sparen können, denn Bundeswirtschaftsminister Werner Müller und auch sein Kanzler Gerhard Schröder haben – höchst ungewöhnlich – schon im Vorfeld des Verfahrens signalisiert, dass es eine – in der deutschen Wirtschaftsgeschichte bisher rare – Ministererlaubnis für den Deal geben wird. Das größengläubige Handelsblatt schreibt dazu: „Für Müller, ja die rot-grüne Koalition insgesamt sind das Kartellrecht und die Ordnungspolitik überflüssiger Ballast, der am besten über Bord geworfen werden sollte.“ Verbunden damit sind weiterhin die Spekulationen, dass Müller auf einen Vorstandsposten bei Eon, seinem früheren Arbeitgeber, hofft. Und der Kanzler der Konzerne dann – Stoiber und die Arbeitslosen vor den Augen – Chef von RWE?

Weil wir schon bei Vorstandsposten und Gerüchten sind: Burckhard Bergmann, Chef der Ruhrgas, soll für sein wohlwollendes Verhalten („Für Ruhrgas durchaus Chancen“) schon ein Vorstandsposten bei Eon zugesichert worden sein. Aber auf die Posten kommt es wirklich nicht an, das Fatale an der Geschichte ist, dass diese Größe zwangsläufig andere Größen erlauben muss, ja förmlich dazu zwingt. Der RWE Gas-Chef Manfred Scholle deutet es in einem E&M-Interview an, dass solche Entscheidungen andere Entscheidungen ermöglichen. So forsch die Wingas immer noch auftritt, ihre Eigner werden erkennen, dass das Unternehmen im europäischen Markt zu klein ist und sich neue, oder überhaupt Chancen in Europa erst durch die Verbindung mit dem RWE ergeben. Und die Verbundnetz Gas als ostdeutscher Erdgasversorger ist dann genauso zu klein.

Nach einer Ministererlaubnis für Eon/Ruhrgas wird das Bundeskartellamt kein einziges Argument mehr haben gegen beliebige Fusionen auf dem deutschen Erdgasmarkt. Und die müssen, so makaber das klingt, im Sinne des Wettbewerbs tatsächlich sein, soll Eon mit der Ruhrgas nicht das Feld überlassen werden. Hoffnungen beim Wettbewerb müssen jetzt, und das ist noch mal makaber, auf die den Energiemarkt beherrschenden Ölmultis gesetzt werden, die im Erdgas einen Wachstumsmarkt erkennen.

Der deutsche Strommarkt wird von vier Unternehmen beherrscht, der Erdgasmarkt wahrscheinlich bald von nur zwei, nämlich Eon und RWE. Es ist zu hoffen, dass sich EnBW und die neue Vattenfall Europe beim Gas verstärken können, damit es entsprechend dem europäisch denkenden Duo Schröder/Müller auch in Deutschland noch Wettbewerb gibt.

Samstag, 8.01.2022, 18:33 Uhr
Helmut Sendner und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Bundeskartellamt verhindert Eon-Beteiligung an Ruhrgas
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E&M Vor 20 Jahren
Bundeskartellamt verhindert Eon-Beteiligung an Ruhrgas
Die Übernahme der Ruhrgas durch Eon war eines der beherrschenden Themen in der Energiewirtschaft im Jahr 2002
„Kommt sie oder kommt sie nicht“ hatten sich viele Marktteilnehmer und -beobachter noch Anfang 2001 gefragt, als sich das Interesse der zum europäischen Energiegiganten aufsteigenden Eon an der Ruhrgas AG abzeichnete und Wetten über die weiteren Annäherungsschritte abgeschlossen wurden. Aber schon bald war dies nicht mehr die Frage, die für hitzige Diskussionen sorgte. Eher: „Wann kommt sie und wie kommt sie?“

Zu Beginn des Jahres 2002 sahen die Skeptiker zunächst noch das Vertrauen in den ordnungspolitischen Rahmen des sich wettbewerblich entwickelnden Energiemarkts gestärkt. Doch so richtig Freude über die Standhaftigkeit des Präsidenten des Bundeskartellamts wollte nicht aufkommen. Auch wenn viele damals Ulf Böge ihren Respekt zollten, konnten sie nicht die Augen davor verschließen, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) bereits ihre eigene Agenda für die Gestaltung des liberalisierten Energiemarkts verfolgten.

Am 21. Januar 2002 veröffentlichte E&M Powernews folgende Meldung.


Marktbeherrschende Stellung nach Übernahme

Die Wettbewerbshüter in Bonn sehen in der Verbindung Eon/Ruhrgas eine Verstärkung „marktbeherrschender Stellungen sowohl beim Absatz von Gas als auch von Strom“.

Zur Begründung der Verweigerung sagte der Präsident des Bundeskartellamtes Ulf Böge: „Die Verbindung von Eon und Ruhrgas in einer Phase beginnender Liberalisierung auf den Gasmärkten würde die marktbeherrschende Stellung der Ruhrgas zementieren. Die Chancen für wirksamen Wettbewerb durch andere Ferngasunternehmen würden erheblich beeinträchtigt. Es war auch zu befürchten, dass die Marktposition von Eon auf der Stromseite weiter abgesichert würde zu Lasten kleinerer Wettbewerber und damit auch der Verbraucher.“ Böge in seiner Ablehnung weiter: „Die von den Unternehmen angebotenen Auflagen waren wettbewerblich von geringer Bedeutung und somit nicht geeignet, die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellungen auf den Gasmärkten und den Strommärkten zu beseitigen.“

Aus dem Bundeskanzleramt wurde heute dementiert, dass eine Ministererlaubnis für die Ruhrgasübernahme schon versprochen worden sei.


Vor diesem Hintergrund kommentierte E&M-Chefredakteur Helmut Sendner in der Ausgabe von Energie & Management vor 20 Jahren.


Größe zwingt zur Größe

Viel Arbeit haben sich die Kartellwächter um Ulf Böge, den Chef des Bundeskartellamtes, hoffentlich nicht gemacht, um herauszufinden, ob durch die Übernahme der Ruhrgas durch Eon ein marktbeherrschender Erdgasversorger in Deutschland entsteht. Die Geschäftsberichte der Ruhrgas, von Eon und der Eon-Tochter Thüga zeigen sehr schnell, wie stark diese Unternehmen auf dem Erdgasmarkt sind.

Die Arbeit hätten sich die Bonner Beamten in der obersten Wettbewerbsbehörde ohnehin sparen können, denn Bundeswirtschaftsminister Werner Müller und auch sein Kanzler Gerhard Schröder haben – höchst ungewöhnlich – schon im Vorfeld des Verfahrens signalisiert, dass es eine – in der deutschen Wirtschaftsgeschichte bisher rare – Ministererlaubnis für den Deal geben wird. Das größengläubige Handelsblatt schreibt dazu: „Für Müller, ja die rot-grüne Koalition insgesamt sind das Kartellrecht und die Ordnungspolitik überflüssiger Ballast, der am besten über Bord geworfen werden sollte.“ Verbunden damit sind weiterhin die Spekulationen, dass Müller auf einen Vorstandsposten bei Eon, seinem früheren Arbeitgeber, hofft. Und der Kanzler der Konzerne dann – Stoiber und die Arbeitslosen vor den Augen – Chef von RWE?

Weil wir schon bei Vorstandsposten und Gerüchten sind: Burckhard Bergmann, Chef der Ruhrgas, soll für sein wohlwollendes Verhalten („Für Ruhrgas durchaus Chancen“) schon ein Vorstandsposten bei Eon zugesichert worden sein. Aber auf die Posten kommt es wirklich nicht an, das Fatale an der Geschichte ist, dass diese Größe zwangsläufig andere Größen erlauben muss, ja förmlich dazu zwingt. Der RWE Gas-Chef Manfred Scholle deutet es in einem E&M-Interview an, dass solche Entscheidungen andere Entscheidungen ermöglichen. So forsch die Wingas immer noch auftritt, ihre Eigner werden erkennen, dass das Unternehmen im europäischen Markt zu klein ist und sich neue, oder überhaupt Chancen in Europa erst durch die Verbindung mit dem RWE ergeben. Und die Verbundnetz Gas als ostdeutscher Erdgasversorger ist dann genauso zu klein.

Nach einer Ministererlaubnis für Eon/Ruhrgas wird das Bundeskartellamt kein einziges Argument mehr haben gegen beliebige Fusionen auf dem deutschen Erdgasmarkt. Und die müssen, so makaber das klingt, im Sinne des Wettbewerbs tatsächlich sein, soll Eon mit der Ruhrgas nicht das Feld überlassen werden. Hoffnungen beim Wettbewerb müssen jetzt, und das ist noch mal makaber, auf die den Energiemarkt beherrschenden Ölmultis gesetzt werden, die im Erdgas einen Wachstumsmarkt erkennen.

Der deutsche Strommarkt wird von vier Unternehmen beherrscht, der Erdgasmarkt wahrscheinlich bald von nur zwei, nämlich Eon und RWE. Es ist zu hoffen, dass sich EnBW und die neue Vattenfall Europe beim Gas verstärken können, damit es entsprechend dem europäisch denkenden Duo Schröder/Müller auch in Deutschland noch Wettbewerb gibt.

Samstag, 8.01.2022, 18:33 Uhr
Helmut Sendner und Fritz Wilhelm

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