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Energie & Management > Europaeische Union - Bürokratie statt Innovation beim Klimaschutz
Quelle: Shutterstock / Lightspring
Europaeische Union

Bürokratie statt Innovation beim Klimaschutz

Im Europäischen Parlament beginnt die Beratung des Klimapaketes. Mit den Vorschlägen zum Ausbau der erneuerbaren Energien sind die Abgeordneten nicht zufrieden.
Der Berichterstatter des Parlamentes, Markus Pieper (CDU), könnte sich einerseits noch ambitioniertere Ziele für den Einsatz der erneuerbaren Energie vorstellen als die EU-Kommission, besonders wenn es um die Entwicklung biologischer und synthetischer Kraftstoffe, sogenannter E-Fuels geht.

Die Kommission will den Anteil der erneuerbaren Energien am Verbrauch von Primärenergie bis 2030 auf 40 % anheben. Bislang gilt ein Zielwert von 32 %, das sind etwa 50 % mehr als heute. 40 % seien „anspruchsvoll, aber erreichbar“, sagt Pieper. Auf die Energiepreise könne sich das langfristig nur dämpfend auswirken.

Positiv bewertet er das Bekenntnis der Kommission zur Elektrifizierung, insbesondere des Verkehrs. Die damit einhergehenden Vorgaben für den Ausbau der Ladeinfrastruktur oder die Qualität von Batterien seien geeignet, das Vertrauen der Verbraucher in die Zukunft der Elektromobilität zu stärken. Sektorziele für den Verkehr, den Gebäudepark oder die Industrie – zum Beispiel 40 GW Elektrolysekapazität zur Erzeugung von grünem Wasserstoff – seien eine wichtige Orientierung für Unternehmen und Investoren.

Das Instrumentarium, mit dem die Kommission diese Ziele erreichen will, hält Pieper dagegen für „halbherzig“ und „wenig kreativ“. Genehmigungsverfahren würden nur geringfügig erleichtert, weil die Kommission keine Änderungen beim Naturschutz vorschlage. Es liege durchaus in der Zuständigkeit der EU, im Rahmen des Artenschutzes nur noch bestimmte Populationen zu schonen. Bei der Errichtung von Windrädern müsste man dann nicht mehr auf jeden einzelnen Rotmilan Rücksicht nehmen, wenn es woanders noch genügend vergleichbare Exemplare gebe. Von dieser Möglichkeit habe die Kommission aber keinen Gebrauch gemacht. Das sei „wenig überzeugend“.

Die Synergien, die in der weiteren Integration des Binnenmarktes lägen, würden durch die Vorschläge der Kommission nicht mobilisiert. Pieper hat dabei vor allem die Mittel aus dem europäischen Corona-Fonds im Auge. Sie sollten stärker als bislang für grenzüberschreitende Grünstrom- oder Wasserstoff-Projekte bereitgestellt werden. Vor allem die großen Mitgliedsstaaten mit einem jährlichen Stromverbrauch über 100 TWh sollten mindestens drei solcher Projekte realisieren.

Ein besonderes Ärgernis sei es, dass die Kommission auf eine Modernisierung des 20 Jahre alten Systems zur Zertifizierung von Grünstrom verzichte. Hier gebe es inzwischen digitale Möglichkeiten, die eine effiziente Integration erneuerbarer Energien in den Elektrizitätsmarkt erleichtern würden. Ein digitaler Herkunftsnachweis garantiere eine lückenlose Rückverfolgung und Handelbarkeit von Grünstrom in Echtzeit und sorge so „ohne Formulare und Bürokratie“ für einen liquiden Markt. Ãœberhaupt setze das Paket der Kommission zu sehr auf Bürokratie, eine „Innovationskomponente“ fehle dagegen.

Pieper fordert deswegen in einem Änderungsvorschlag die Einführung einer „Innovationsquote“. Bestehende Technologien müssten entweder verbessert oder für neue Einsatzmöglichkeiten erschlossen werden. Außerdem erwarte man, dass neue Berichtspflichten und andere, bürokratische Auflagen durch Erleichterungen an anderer Stelle kompensiert würden.

Viele Technologien, die für die Energiewende gebraucht würden, seien erst in einigen Jahren einsatzfähig. In der Zwischenzeit dürften die verfügbaren Technologien nicht behindert werden. Ein verbindliches Ziel von 50 % synthetischer Kraftstoffe für 2030 etwa sei nur realistisch, wenn „grauer“ oder „blauer“ Wasserstoff aus Erdgas eingesetzt werden könne.

Die Produktion von „grünem“ Wasserstoff wolle die Kommission zu stark regulieren, wenn diese nur in bestimmten Regionen und zu bestimmten Zeiten erfolgen dürfe. Es fehle außerdem eine Strategie für den Import von grünem Strom und grünem Wasserstoff. Auch hier müsse ein zuverlässiges und unbürokratisches System von Herkunftsnachweisen entwickelt werden.

Das Ziel, 49 % der Energie im Gebäudesektor aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, hält Pieper für sehr anspruchsvoll. Es berge die Gefahr, dass die Haushalte durch den Emissionshandel und hohe Kosten zur Umsetzung der Renovierungsvorgaben doppelt belastet und überfordert würden.

Im Verkehrssektor kann sich Pieper dagegen sogar eine stärkere Reduzierung der Treibhausgase vorstellen als die von der Kommission anvisierten 13 %. Durch den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe und von grünem Strom für Elektroautos sei eine Minderung um 20 % möglich.

Für die meisten seiner Änderungs-Vorschläge sieht Pieper eine Mehrheit im Europäischen Parlament, vor allem für anspruchsvollere Klimaziele. Größeren Widerstand erwartet er bei Grünen und Linken, wenn es um die Rolle von grauem und blauem Wasserstoff in der Transformationsperiode geht.

Die Abstimmung im Plenum ist für September vorgesehen. Danach müssen sich das Parlament und der Ministerrat auf einen gemeinsamen Text verständigen.

Dienstag, 15.02.2022, 13:38 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - Bürokratie statt Innovation beim Klimaschutz
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Europaeische Union
Bürokratie statt Innovation beim Klimaschutz
Im Europäischen Parlament beginnt die Beratung des Klimapaketes. Mit den Vorschlägen zum Ausbau der erneuerbaren Energien sind die Abgeordneten nicht zufrieden.
Der Berichterstatter des Parlamentes, Markus Pieper (CDU), könnte sich einerseits noch ambitioniertere Ziele für den Einsatz der erneuerbaren Energie vorstellen als die EU-Kommission, besonders wenn es um die Entwicklung biologischer und synthetischer Kraftstoffe, sogenannter E-Fuels geht.

Die Kommission will den Anteil der erneuerbaren Energien am Verbrauch von Primärenergie bis 2030 auf 40 % anheben. Bislang gilt ein Zielwert von 32 %, das sind etwa 50 % mehr als heute. 40 % seien „anspruchsvoll, aber erreichbar“, sagt Pieper. Auf die Energiepreise könne sich das langfristig nur dämpfend auswirken.

Positiv bewertet er das Bekenntnis der Kommission zur Elektrifizierung, insbesondere des Verkehrs. Die damit einhergehenden Vorgaben für den Ausbau der Ladeinfrastruktur oder die Qualität von Batterien seien geeignet, das Vertrauen der Verbraucher in die Zukunft der Elektromobilität zu stärken. Sektorziele für den Verkehr, den Gebäudepark oder die Industrie – zum Beispiel 40 GW Elektrolysekapazität zur Erzeugung von grünem Wasserstoff – seien eine wichtige Orientierung für Unternehmen und Investoren.

Das Instrumentarium, mit dem die Kommission diese Ziele erreichen will, hält Pieper dagegen für „halbherzig“ und „wenig kreativ“. Genehmigungsverfahren würden nur geringfügig erleichtert, weil die Kommission keine Änderungen beim Naturschutz vorschlage. Es liege durchaus in der Zuständigkeit der EU, im Rahmen des Artenschutzes nur noch bestimmte Populationen zu schonen. Bei der Errichtung von Windrädern müsste man dann nicht mehr auf jeden einzelnen Rotmilan Rücksicht nehmen, wenn es woanders noch genügend vergleichbare Exemplare gebe. Von dieser Möglichkeit habe die Kommission aber keinen Gebrauch gemacht. Das sei „wenig überzeugend“.

Die Synergien, die in der weiteren Integration des Binnenmarktes lägen, würden durch die Vorschläge der Kommission nicht mobilisiert. Pieper hat dabei vor allem die Mittel aus dem europäischen Corona-Fonds im Auge. Sie sollten stärker als bislang für grenzüberschreitende Grünstrom- oder Wasserstoff-Projekte bereitgestellt werden. Vor allem die großen Mitgliedsstaaten mit einem jährlichen Stromverbrauch über 100 TWh sollten mindestens drei solcher Projekte realisieren.

Ein besonderes Ärgernis sei es, dass die Kommission auf eine Modernisierung des 20 Jahre alten Systems zur Zertifizierung von Grünstrom verzichte. Hier gebe es inzwischen digitale Möglichkeiten, die eine effiziente Integration erneuerbarer Energien in den Elektrizitätsmarkt erleichtern würden. Ein digitaler Herkunftsnachweis garantiere eine lückenlose Rückverfolgung und Handelbarkeit von Grünstrom in Echtzeit und sorge so „ohne Formulare und Bürokratie“ für einen liquiden Markt. Ãœberhaupt setze das Paket der Kommission zu sehr auf Bürokratie, eine „Innovationskomponente“ fehle dagegen.

Pieper fordert deswegen in einem Änderungsvorschlag die Einführung einer „Innovationsquote“. Bestehende Technologien müssten entweder verbessert oder für neue Einsatzmöglichkeiten erschlossen werden. Außerdem erwarte man, dass neue Berichtspflichten und andere, bürokratische Auflagen durch Erleichterungen an anderer Stelle kompensiert würden.

Viele Technologien, die für die Energiewende gebraucht würden, seien erst in einigen Jahren einsatzfähig. In der Zwischenzeit dürften die verfügbaren Technologien nicht behindert werden. Ein verbindliches Ziel von 50 % synthetischer Kraftstoffe für 2030 etwa sei nur realistisch, wenn „grauer“ oder „blauer“ Wasserstoff aus Erdgas eingesetzt werden könne.

Die Produktion von „grünem“ Wasserstoff wolle die Kommission zu stark regulieren, wenn diese nur in bestimmten Regionen und zu bestimmten Zeiten erfolgen dürfe. Es fehle außerdem eine Strategie für den Import von grünem Strom und grünem Wasserstoff. Auch hier müsse ein zuverlässiges und unbürokratisches System von Herkunftsnachweisen entwickelt werden.

Das Ziel, 49 % der Energie im Gebäudesektor aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, hält Pieper für sehr anspruchsvoll. Es berge die Gefahr, dass die Haushalte durch den Emissionshandel und hohe Kosten zur Umsetzung der Renovierungsvorgaben doppelt belastet und überfordert würden.

Im Verkehrssektor kann sich Pieper dagegen sogar eine stärkere Reduzierung der Treibhausgase vorstellen als die von der Kommission anvisierten 13 %. Durch den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe und von grünem Strom für Elektroautos sei eine Minderung um 20 % möglich.

Für die meisten seiner Änderungs-Vorschläge sieht Pieper eine Mehrheit im Europäischen Parlament, vor allem für anspruchsvollere Klimaziele. Größeren Widerstand erwartet er bei Grünen und Linken, wenn es um die Rolle von grauem und blauem Wasserstoff in der Transformationsperiode geht.

Die Abstimmung im Plenum ist für September vorgesehen. Danach müssen sich das Parlament und der Ministerrat auf einen gemeinsamen Text verständigen.

Dienstag, 15.02.2022, 13:38 Uhr
Tom Weingärtner

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