E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Europaeische Union - Brüssel bereitet massive Eingriffe in den Strommarkt vor
Quelle: iStock / FrankyDeMeyer
Europaeische Union

Brüssel bereitet massive Eingriffe in den Strommarkt vor

Die EU-Kommission will den europäischen Strommarkt mittelfristig neu gestalten und kurzfristig massiv in die Preisbildung eingreifen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Kehrtwende in der Energiepolitik kürzlich angekündigt. Der europäische Strommarkt werde seinen Aufgaben nicht mehr gerecht. „Deswegen arbeitet die Kommission an kurzfristigen Eingriffen in den Markt und einem völlig neuen Marktdesign. Wir brauchen ein Model für den Strommarkt, das funktioniert und uns wieder in ein Gleichgewicht bringt.“

In einem Arbeitspapier der Kommission, das am 2. September in Brüssel bekannt wurde, wird von einer generellen Begrenzung der Gaspreise in der EU abgeraten. Dieses Modell wird gegenwärtig von Spanien und Portugal praktiziert, ist aber mit hohen Subventionen aus den öffentlichen Haushalten verbunden. Ein Höchstpreis führe zu einer höheren Nachfrage nach Gas und Strom und sei in der gegenwärtigen Situation kontraproduktiv, heißt es in Brüssel. Vielmehr müsse es darum gehen, die Nachfrage zu reduzieren.

Im Hinblick auf den Strommarkt empfiehlt die Kommission den Mitgliedsstaaten, sich auf Einsparziele wie für Gas zu verständigen. Die Energieminister hatten sich Ende Juli darauf geeinigt, 15 % weniger Gas zu verbrauchen. Die Mitgliedsstaaten könnten außerdem „Ãœbergewinne“ besonders besteuern und die Einnahmen verwenden, um Abgaben auf den Energieverbrauch zu senken oder die Verbraucher durch Direktzahlungen zu entlasten.

Schließlich könne der Großhandelspreis für Strom, der durch Windkraft, Photovoltaik-Anlagen, Kern- oder Kohlekraft erzeugt wird, gedeckelt werden. Damit würde die Leitfunktion der Gaskraftwerke, die gegenwärtig als teuerste Anbieter den Preis bestimmen, ausgehebelt. Die Betreiber von herkömmlichen Kraftwerken und die Erzeuger von Grünstrom müssten ihren Strom billiger anbieten und würden deutlich weniger Gewinne machen.

Das Papier soll am 9. September auf einem Sonderrat vorgelegt und von den Energieministern diskutiert werden. Die Kommissionspräsidentin hat konkrete Vorschläge im Rahmen ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt, die sie am 14. September vor dem Parlament in Straßburg hält.

Geteilte Reaktionen 

Begeistert von den Plänen der Kommission sind insbesondere die Grünen. Endlich gehe die Kommission gegen die Ãœbergewinne der Energieunternehmen vor, sagte ihr energiepolitischer Sprecher, Michael Bloss: „Damit schaffen wir die Grundlage für das dringend benötigte europäische Energiegeld.“

Die Unionsparteien stehen den Vorstellungen der Kommission dagegen kritisch gegenüber. Die Deckelung der Preise für Strom aus Kohle, Kernkraft und erneuerbaren Quellen könne die Wirtschaft und die privaten Kunden zwar kurzfristig entlasten, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Pieper, müsse aber „ein zeitlich begrenztes Notfallinstrument bleiben. Voraussetzung ist auch ein EU-einheitlicher, transparenter Mechanismus, wie die durch fossile Höchstpreise an den Börsen verursachten Zusatzeinnahmen der anderen Energieformen an die Stromverbraucher zurückgegeben werden.“ Die Funktionsfähigkeit des EU-Binnenmarktes müsse ebenso gewährleistet bleiben, wie die Versorgungssicherheit. Dazu bleibe das Kommissionspapier „leider sehr vage“. Um Anreize und Planungssicherheit für die Unternehmen zu schaffen, bedürfe es einer „klaren, zeitlichen Limitierung“. Neue Regeln für die Preisfindung auf dem Elektrizitätsmarkt müssten der spezifischen Situation der einzelnen Erzeugungsvarianten besser gerecht werden.

Skeptisch sind auch Experten wie der Ökonom Georg Zachmann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Es sei eine „ökonomische Gesetzmäßigkeit“, dass auch die Anbieter von günstigem Strom höhere Preise verlangen könnten, wenn die Nachfrage steige: „Den Merit-Order-Preismechanismus kann man nur dauerhaft ersetzen, wenn man den Markt radikal zentralisiert.“ Der Staat müsse dann in jede Vertragsbeziehung eingreifen können. Das sei „politisch unrealistisch“. Zachmann empfiehlt stattdessen, wieder mehr Kraftwerke ans Netz zu bringen. Das Grundproblem sei der Mangel an Energie. Auch die Energieexpertin des DIW, Claudia Kemfert, hält eine Entkoppelung des Strom- vom Gaspreis für „kurzfristig weder machbar noch sinnvoll“.

Die Strombörse EEX wollte sich heute nicht zu dem Papier der Kommission äußern. Interventionen auf den Strom- und Gasmärkten sollten jedoch „der Preisbildung nachgelagert erfolgen“.

Freitag, 2.09.2022, 14:57 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - Brüssel bereitet massive Eingriffe in den Strommarkt vor
Quelle: iStock / FrankyDeMeyer
Europaeische Union
Brüssel bereitet massive Eingriffe in den Strommarkt vor
Die EU-Kommission will den europäischen Strommarkt mittelfristig neu gestalten und kurzfristig massiv in die Preisbildung eingreifen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Kehrtwende in der Energiepolitik kürzlich angekündigt. Der europäische Strommarkt werde seinen Aufgaben nicht mehr gerecht. „Deswegen arbeitet die Kommission an kurzfristigen Eingriffen in den Markt und einem völlig neuen Marktdesign. Wir brauchen ein Model für den Strommarkt, das funktioniert und uns wieder in ein Gleichgewicht bringt.“

In einem Arbeitspapier der Kommission, das am 2. September in Brüssel bekannt wurde, wird von einer generellen Begrenzung der Gaspreise in der EU abgeraten. Dieses Modell wird gegenwärtig von Spanien und Portugal praktiziert, ist aber mit hohen Subventionen aus den öffentlichen Haushalten verbunden. Ein Höchstpreis führe zu einer höheren Nachfrage nach Gas und Strom und sei in der gegenwärtigen Situation kontraproduktiv, heißt es in Brüssel. Vielmehr müsse es darum gehen, die Nachfrage zu reduzieren.

Im Hinblick auf den Strommarkt empfiehlt die Kommission den Mitgliedsstaaten, sich auf Einsparziele wie für Gas zu verständigen. Die Energieminister hatten sich Ende Juli darauf geeinigt, 15 % weniger Gas zu verbrauchen. Die Mitgliedsstaaten könnten außerdem „Ãœbergewinne“ besonders besteuern und die Einnahmen verwenden, um Abgaben auf den Energieverbrauch zu senken oder die Verbraucher durch Direktzahlungen zu entlasten.

Schließlich könne der Großhandelspreis für Strom, der durch Windkraft, Photovoltaik-Anlagen, Kern- oder Kohlekraft erzeugt wird, gedeckelt werden. Damit würde die Leitfunktion der Gaskraftwerke, die gegenwärtig als teuerste Anbieter den Preis bestimmen, ausgehebelt. Die Betreiber von herkömmlichen Kraftwerken und die Erzeuger von Grünstrom müssten ihren Strom billiger anbieten und würden deutlich weniger Gewinne machen.

Das Papier soll am 9. September auf einem Sonderrat vorgelegt und von den Energieministern diskutiert werden. Die Kommissionspräsidentin hat konkrete Vorschläge im Rahmen ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt, die sie am 14. September vor dem Parlament in Straßburg hält.

Geteilte Reaktionen 

Begeistert von den Plänen der Kommission sind insbesondere die Grünen. Endlich gehe die Kommission gegen die Ãœbergewinne der Energieunternehmen vor, sagte ihr energiepolitischer Sprecher, Michael Bloss: „Damit schaffen wir die Grundlage für das dringend benötigte europäische Energiegeld.“

Die Unionsparteien stehen den Vorstellungen der Kommission dagegen kritisch gegenüber. Die Deckelung der Preise für Strom aus Kohle, Kernkraft und erneuerbaren Quellen könne die Wirtschaft und die privaten Kunden zwar kurzfristig entlasten, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Pieper, müsse aber „ein zeitlich begrenztes Notfallinstrument bleiben. Voraussetzung ist auch ein EU-einheitlicher, transparenter Mechanismus, wie die durch fossile Höchstpreise an den Börsen verursachten Zusatzeinnahmen der anderen Energieformen an die Stromverbraucher zurückgegeben werden.“ Die Funktionsfähigkeit des EU-Binnenmarktes müsse ebenso gewährleistet bleiben, wie die Versorgungssicherheit. Dazu bleibe das Kommissionspapier „leider sehr vage“. Um Anreize und Planungssicherheit für die Unternehmen zu schaffen, bedürfe es einer „klaren, zeitlichen Limitierung“. Neue Regeln für die Preisfindung auf dem Elektrizitätsmarkt müssten der spezifischen Situation der einzelnen Erzeugungsvarianten besser gerecht werden.

Skeptisch sind auch Experten wie der Ökonom Georg Zachmann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Es sei eine „ökonomische Gesetzmäßigkeit“, dass auch die Anbieter von günstigem Strom höhere Preise verlangen könnten, wenn die Nachfrage steige: „Den Merit-Order-Preismechanismus kann man nur dauerhaft ersetzen, wenn man den Markt radikal zentralisiert.“ Der Staat müsse dann in jede Vertragsbeziehung eingreifen können. Das sei „politisch unrealistisch“. Zachmann empfiehlt stattdessen, wieder mehr Kraftwerke ans Netz zu bringen. Das Grundproblem sei der Mangel an Energie. Auch die Energieexpertin des DIW, Claudia Kemfert, hält eine Entkoppelung des Strom- vom Gaspreis für „kurzfristig weder machbar noch sinnvoll“.

Die Strombörse EEX wollte sich heute nicht zu dem Papier der Kommission äußern. Interventionen auf den Strom- und Gasmärkten sollten jedoch „der Preisbildung nachgelagert erfolgen“.

Freitag, 2.09.2022, 14:57 Uhr
Tom Weingärtner

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.