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Energie & Management > Erdgasfahrzeuge - Biogas-Branche erbost über Priorität für Elektro-Mobilität
Quelle: stadtratte / Fotolia
Erdgasfahrzeuge

Biogas-Branche erbost über Priorität für Elektro-Mobilität

Die Biogas-Branche sieht ihre Entwicklungschancen im Verkehrssektor stark behindert. E-Mobilität werde einseitig und grundlos bevorzugt. Eine Tagung arbeitete diesen Konflikt heraus.
Es gibt eine Branche, die um den guten alten Verbrennungsmotor kämpft: die Biogas-Hersteller. Ihre Lobbyorganisation, der Fachverband Biogas, unterstellt der Politik, Biomethan beziehungsweise Bio-CNG als alternativen und klimaschonenden Kraftstoff nicht die gebührende Aufmerksamkeit und Förderung zukommen zu lassen. Stattdessen würden Antriebe auf batterieelektrischer und Wasserstoff-Basis bevorzugt.

In der laufenden Aktionswoche „Biogas2drive“ des Fachverbands machte eine prominent besetzte Talkrunde die Konfliktlinien deutlich. Autohersteller würden durch gesetzliche Rahmenbedingungen bei den Klimazielen in die Elektro-Mobilität „gezwungen“, sagte Thomas Willner, Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Er forderte eine Technologieoffenheit bei der Mobilität der Zukunft.

Schwerer CO2-Rucksack vor erstem Kilometer

Besonders die Flottengrenzwertregelung schaffe einen unberechtigten Vorteil für E-Antriebe. Batteriebetriebene Elektroautos werden als Null-Emission-Antriebe geführt und helfen den Fahrzeugbauern dabei, ihre durch Verbrenner weiter stark belastete Flottenbilanz in den „grünen Bereich“ zu drücken und somit die Auflagen der Klimagesetze perspektivisch zu erfüllen.

Der Null-Emission-Vorstellung bei E-Autos liegen nach WIllners Ansicht gleich mehrere Rechenfehler zugrunde: Durch die Produktion neuartiger Elektroantriebe und den Verbrauch seltener Rohstoffe, die für die Batterien unter ökologisch untragbaren Bedingungen abgebaut würden, gehe jedes Elektroauto mit einem prall gefüllten Rucksack an CO2-Belastung auf den ersten Kilometer. Dazu sei der geladene Strom nicht grün, sondern durch die Kohleanteile am Strommix noch lange belastet.

Außerdem begebe sich Deutschland perspektivisch in starke Abhängigkeit von China, das über einen Großteil der Batterie-Rohstoffe verfüge und die Preise auf dem Weltmarkt diktieren werde. Alternative Kraftstoffe wie Biogas hingegen, so Willner, erfüllten bereits heute alle nachhaltigen Ansprüche, weil etwa Rohstoffe und Technik vorhanden seien und das CO2 aus dem Verbrennen von Biomethan „klimaneutral“ sei.

BMVI: Biogas kann Bedarf nicht decken

Hendrik Haßheider aus dem Bundesverkehrsministerium (BMVI, Abteilung "Alternative Kraftstoffe") bemühte sich, den von Willner aufgebauten Gegensatz zu entkräften: „E-Mobilität als Irrweg zu bezeichnen – dem muss ich entschieden widersprechen!“ Mit der überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED II) habe die Politik auch ein Steuerungsmittel geschaffen, um Biokraftstoffe im Verkehr verpflichtend auszubauen. Damit bleibe es für Autohersteller attraktiv und notwendig, alle nachhaltigen Antriebsarten am Markt zu halten.

Haßheider wies zudem darauf hin, dass allein der Bedarf des Verkehrssektors an Erneuerbaren weit über das Potenzial von Biogas hinausgehe. Im Jahr 2020 deckte fossiles Erdgas nach Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gut ein Viertel des Primärenergieverbauchs in Deutschland, absolut 3.100 Petajoule (PJ). Alle Biokraftstoffe zusammen erreichten im selben Jahr aber nur den Wert von 115 PJ, mit einem errechneten Potenzial von 150 PJ. Damit sei klar, dass Biomethan nur zu einem Teil die Energiewende im Verkehr tragen könne, zumal ökologisches Gas auch im Wettbewerb der Sektoren stehe und etwa für die Wärmeversorgung wichtig sei.

Für den Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) drängte Jens Pawlowski auf Planungssicherheit. Im Schwerlastverkehr habe sich Biogas bewährt, zumal Elektro-, Wasserstoff- oder Oberleitungsantriebe für diesen Bereich noch bis Ende der 20er-Jahre auf sich warten lassen würden. „Wir dürfen uns dort nicht verzetteln, sondern müssen die zeitliche Lücke jetzt schließen“, so Pawlowski. Biogas sei sofort verfügbar und überall einsetzbar, brauche aber weiter staatliche Anreize. Denn die Mehrkosten für einen Gas-LKW würde der Staat nur zu 40 % übernehmen, bei Elektroantrieben aber zu 80 %. Die bis Ende 2023 geltende Mautbefreiung für Biogas-LKW sei langfristig zu verlängern. 

Der Präsident des Fachverbands Biogas, Horst Seide, selbst Energiewirt aus Niedersachsen mit zwei Biogasanlagen und sechs Tankstellen, stellte ebenfalls die Klimaneutralität des Kraftstoffs heraus. Wenn Gülle und Mist für den Antrieb zum Einsatz kämen, „bewegen wir uns sogar im negativen Emissionsbereich“, so Seide. Denn das klimaschädliche Methan der Exkremente werde in weniger belastendes CO2 umgewandelt. Die Branche benötige weniger Bürokratie und klare Regelungen, um ihren Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs leisten zu können.

Donnerstag, 9.09.2021, 14:23 Uhr
Volker Stephan
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Biogas-Branche erbost über Priorität für Elektro-Mobilität
Die Biogas-Branche sieht ihre Entwicklungschancen im Verkehrssektor stark behindert. E-Mobilität werde einseitig und grundlos bevorzugt. Eine Tagung arbeitete diesen Konflikt heraus.
Es gibt eine Branche, die um den guten alten Verbrennungsmotor kämpft: die Biogas-Hersteller. Ihre Lobbyorganisation, der Fachverband Biogas, unterstellt der Politik, Biomethan beziehungsweise Bio-CNG als alternativen und klimaschonenden Kraftstoff nicht die gebührende Aufmerksamkeit und Förderung zukommen zu lassen. Stattdessen würden Antriebe auf batterieelektrischer und Wasserstoff-Basis bevorzugt.

In der laufenden Aktionswoche „Biogas2drive“ des Fachverbands machte eine prominent besetzte Talkrunde die Konfliktlinien deutlich. Autohersteller würden durch gesetzliche Rahmenbedingungen bei den Klimazielen in die Elektro-Mobilität „gezwungen“, sagte Thomas Willner, Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Er forderte eine Technologieoffenheit bei der Mobilität der Zukunft.

Schwerer CO2-Rucksack vor erstem Kilometer

Besonders die Flottengrenzwertregelung schaffe einen unberechtigten Vorteil für E-Antriebe. Batteriebetriebene Elektroautos werden als Null-Emission-Antriebe geführt und helfen den Fahrzeugbauern dabei, ihre durch Verbrenner weiter stark belastete Flottenbilanz in den „grünen Bereich“ zu drücken und somit die Auflagen der Klimagesetze perspektivisch zu erfüllen.

Der Null-Emission-Vorstellung bei E-Autos liegen nach WIllners Ansicht gleich mehrere Rechenfehler zugrunde: Durch die Produktion neuartiger Elektroantriebe und den Verbrauch seltener Rohstoffe, die für die Batterien unter ökologisch untragbaren Bedingungen abgebaut würden, gehe jedes Elektroauto mit einem prall gefüllten Rucksack an CO2-Belastung auf den ersten Kilometer. Dazu sei der geladene Strom nicht grün, sondern durch die Kohleanteile am Strommix noch lange belastet.

Außerdem begebe sich Deutschland perspektivisch in starke Abhängigkeit von China, das über einen Großteil der Batterie-Rohstoffe verfüge und die Preise auf dem Weltmarkt diktieren werde. Alternative Kraftstoffe wie Biogas hingegen, so Willner, erfüllten bereits heute alle nachhaltigen Ansprüche, weil etwa Rohstoffe und Technik vorhanden seien und das CO2 aus dem Verbrennen von Biomethan „klimaneutral“ sei.

BMVI: Biogas kann Bedarf nicht decken

Hendrik Haßheider aus dem Bundesverkehrsministerium (BMVI, Abteilung "Alternative Kraftstoffe") bemühte sich, den von Willner aufgebauten Gegensatz zu entkräften: „E-Mobilität als Irrweg zu bezeichnen – dem muss ich entschieden widersprechen!“ Mit der überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED II) habe die Politik auch ein Steuerungsmittel geschaffen, um Biokraftstoffe im Verkehr verpflichtend auszubauen. Damit bleibe es für Autohersteller attraktiv und notwendig, alle nachhaltigen Antriebsarten am Markt zu halten.

Haßheider wies zudem darauf hin, dass allein der Bedarf des Verkehrssektors an Erneuerbaren weit über das Potenzial von Biogas hinausgehe. Im Jahr 2020 deckte fossiles Erdgas nach Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gut ein Viertel des Primärenergieverbauchs in Deutschland, absolut 3.100 Petajoule (PJ). Alle Biokraftstoffe zusammen erreichten im selben Jahr aber nur den Wert von 115 PJ, mit einem errechneten Potenzial von 150 PJ. Damit sei klar, dass Biomethan nur zu einem Teil die Energiewende im Verkehr tragen könne, zumal ökologisches Gas auch im Wettbewerb der Sektoren stehe und etwa für die Wärmeversorgung wichtig sei.

Für den Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) drängte Jens Pawlowski auf Planungssicherheit. Im Schwerlastverkehr habe sich Biogas bewährt, zumal Elektro-, Wasserstoff- oder Oberleitungsantriebe für diesen Bereich noch bis Ende der 20er-Jahre auf sich warten lassen würden. „Wir dürfen uns dort nicht verzetteln, sondern müssen die zeitliche Lücke jetzt schließen“, so Pawlowski. Biogas sei sofort verfügbar und überall einsetzbar, brauche aber weiter staatliche Anreize. Denn die Mehrkosten für einen Gas-LKW würde der Staat nur zu 40 % übernehmen, bei Elektroantrieben aber zu 80 %. Die bis Ende 2023 geltende Mautbefreiung für Biogas-LKW sei langfristig zu verlängern. 

Der Präsident des Fachverbands Biogas, Horst Seide, selbst Energiewirt aus Niedersachsen mit zwei Biogasanlagen und sechs Tankstellen, stellte ebenfalls die Klimaneutralität des Kraftstoffs heraus. Wenn Gülle und Mist für den Antrieb zum Einsatz kämen, „bewegen wir uns sogar im negativen Emissionsbereich“, so Seide. Denn das klimaschädliche Methan der Exkremente werde in weniger belastendes CO2 umgewandelt. Die Branche benötige weniger Bürokratie und klare Regelungen, um ihren Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs leisten zu können.

Donnerstag, 9.09.2021, 14:23 Uhr
Volker Stephan

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