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Energie & Management > Wärmewende - Biogas, Wasserstoff, Geothermie?
Quelle: Shutterstock / JPC-PROD
Wärmewende

Biogas, Wasserstoff, Geothermie?

Vertreter von Stadtwerken betonen bei einer Diskussion auf der Stadtwerketagung in Berlin die enormen Herausforderungen der lokalen Wärmewende. 
Schneller Ausstieg aus russischem Erdgas, rasches Umsteuern auf erneuerbare Energieträger – angesichts des wachsenden Drucks erläuterten Vertreterinnen und Vertreter dreier Stadtwerke aus Großstädten in Nordrhein-Westfalen auf der Handelsblatt-Jahresstagung "Stadtwerke 2022" in Berlin ihre Dekarbonisierungsstrategien. Dem Stromsektor kam dabei eine hohe Bedeutung zu: Ausbau der Photovoltaik auf Dachflächen war ein Thema, Freiflächen-Photovoltaik, die Stärkung der Stromnetze für den steigenden Strombedarf. Beklagt wurden die mangelnde Akzeptanz von Windkraftwerken in der Bevölkerung und die enorme Bürokratie bei deren Genehmigung.

Aber die eigentlichen Herausforderungen der lokalen Energiewende liegen nicht im Strom-, sondern im Wärmesektor. "Die Wärmewende ist in unserer Agenda nicht seriös darstellbar", erklärte Markus Hilkenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Wuppertaler Stadtwerke WSW. 2Was machen wir mit den Altbauten, wie gehen wir mit dem Gasnetz um? Es gibt keine Grundlage, konkret zu beschreiben, wie die Umstellung von Erdgas auf erneuerbare Energieträger erfolgen soll."

In Dortmund sieht es ähnlich aus. Dort werden 80 % der Heizungen mit Erdgas betrieben. Heike Heim, Vorsitzende der Geschäftsführung der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung DEW21: "Hier eine technisch machbare und bezahlbare Alternative zu schaffen, ist eine enorme Herausforderung."

Krefeld am Niederrhein schließlich verfügt über eine Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage. "Sie wird mit lokalen Brennstoffen bestückt, die zu 53 Prozent biogenen Ursprungs sind – und damit klimaneutral verbrannt werden", so Carsten Liedtke, Vorstandssprecher der SWK Stadtwerke Krefeld. Überschüsse werden in das lokale Fernwärmenetz eingespeist. Die SWK bauen derzeit außerdem eine der größten Biogasaufbereitungsanlagen Deutschlands. Aus Klärschlamm und Natursubstraten sollen künftig 7,8 Mio. Tonnen Biomethan pro Jahr gewonnen werden, abgeschiedenes CO2 geht als Biodünger in die Vermarktung.

Krefeld: Beteiligung an Windparks in Asien und Texas

Als weiteres Geschäftsmodell im Rahmen der Dekarbonisierung stellte Liedtke die Beteiligung der SWK am RWE-Konzern heraus. Die Krefelder Stadtwerke seien nicht nur Mitgründer der Energiekonzerns gewesen, sondern hätten in der Vergangenheit immer wieder Aktien hinzugekauft. "RWE steht bei uns für die Teilhabe an Erneuerbare-Energie-Projekten, die wir alleine gar nicht erreichen könnten", so Liedtke. Etwa an Windparks in Asien, in Texas, an Offshore-Windkraftanlagen. "Wir sprechen dort mit."

Wuppertal: 30 Mio. Euro für Fernwärme

In Wuppertal plant man Investitionen von 30 Mio. Euro in die Fernwärme, erklärte Markus Hilkenbach, WSW. Wesentliche Treiber der Dekarbonisierung seien Projekte wie die 15-Prozent-Beteiligung am Steinkohlekraftwerk Wilhelmshaven, das sukzessive auf die Verbrennung von Holzpellets umgerüstet wird. Auch der Bau von Geothermie-Kraftwerken ist geplant. "Geothermie ist ein spannendes Thema, um eine Diversifizierung der Wärmeversorgung herzustellen", so Hilkenbach. Aber schnell gehe das nicht. "Bei Geothermie sprechen wir von Entwicklungszeiten von zehn bis zwölf Jahren.“

Dortmund: Einsparungen durch Digitalisierung

In Dortmund setzt DEW21 vor allem auf die Digitalisierung: "Das Einsparpotenzial digitaler Technologien ist fünf- bis sechsmal stärker als ihr eigener CO2-Fußbabdruck", erklärte Heike Heim. Auch die Dortmunder haben vor allem den Wärmesektor im Visier. "In keinem anderen Sektor kommt es derart auf die individuellen Bedingungen vor Ort an." DEW21 hat daher ein intelligentes Wärmeplanungstool entwickelt, das Kundendaten mit öffentlichen Daten verknüpft mit dem Ziel, eine Wärmebedarfskarte für Dortmund zu erstellen. Auf dieser Basis soll der Wärmevertrieb und die weitere Netzausbauplanung erfolgen. "Wir hoffen am Ende sogar, eine automatisierte Trassenplanung zu bekommen", so Heim.

Weitere Beispiele der Digitalisierung in Dortmund: ein intelligentes Abfallmanagement, das signalisiert, wann Glascontainer voll sind. "Nur volle Container werden geleert. Das spart CO2 und senkt die Lärmbelastung." Und ein System zur Verkehrsflusssteuerung, um den Parkplatzsuchverkehr einzudämmen. "30 Prozent des CO2 im örtlichen Verkehr fallen durch die Parkplatzsuche an", so Heike Heim.

Und was ist mit der energetischen Sanierung des Altbaubestands, den 80 bis 100 Jahren alten Häusern, die teils noch über Fenster mit Einfachverglasung verfügen? Bei den kommunalen Wohnungsverwaltungen komme die energetische Sanierung gut voran, so der Konsens unter den Diskutierenden. Aber die Mehrheit der Wohnungen in Deutschland sei im Besitz von Privatpersonen. Erst mit der nächsten Heizkostenabrechnung, so der Moderator, werde wohl ein "Ruck durchs Land" gehen.

Dienstag, 10.05.2022, 17:05 Uhr
Mirko Heinemann
Energie & Management > Wärmewende - Biogas, Wasserstoff, Geothermie?
Quelle: Shutterstock / JPC-PROD
Wärmewende
Biogas, Wasserstoff, Geothermie?
Vertreter von Stadtwerken betonen bei einer Diskussion auf der Stadtwerketagung in Berlin die enormen Herausforderungen der lokalen Wärmewende. 
Schneller Ausstieg aus russischem Erdgas, rasches Umsteuern auf erneuerbare Energieträger – angesichts des wachsenden Drucks erläuterten Vertreterinnen und Vertreter dreier Stadtwerke aus Großstädten in Nordrhein-Westfalen auf der Handelsblatt-Jahresstagung "Stadtwerke 2022" in Berlin ihre Dekarbonisierungsstrategien. Dem Stromsektor kam dabei eine hohe Bedeutung zu: Ausbau der Photovoltaik auf Dachflächen war ein Thema, Freiflächen-Photovoltaik, die Stärkung der Stromnetze für den steigenden Strombedarf. Beklagt wurden die mangelnde Akzeptanz von Windkraftwerken in der Bevölkerung und die enorme Bürokratie bei deren Genehmigung.

Aber die eigentlichen Herausforderungen der lokalen Energiewende liegen nicht im Strom-, sondern im Wärmesektor. "Die Wärmewende ist in unserer Agenda nicht seriös darstellbar", erklärte Markus Hilkenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Wuppertaler Stadtwerke WSW. 2Was machen wir mit den Altbauten, wie gehen wir mit dem Gasnetz um? Es gibt keine Grundlage, konkret zu beschreiben, wie die Umstellung von Erdgas auf erneuerbare Energieträger erfolgen soll."

In Dortmund sieht es ähnlich aus. Dort werden 80 % der Heizungen mit Erdgas betrieben. Heike Heim, Vorsitzende der Geschäftsführung der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung DEW21: "Hier eine technisch machbare und bezahlbare Alternative zu schaffen, ist eine enorme Herausforderung."

Krefeld am Niederrhein schließlich verfügt über eine Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage. "Sie wird mit lokalen Brennstoffen bestückt, die zu 53 Prozent biogenen Ursprungs sind – und damit klimaneutral verbrannt werden", so Carsten Liedtke, Vorstandssprecher der SWK Stadtwerke Krefeld. Überschüsse werden in das lokale Fernwärmenetz eingespeist. Die SWK bauen derzeit außerdem eine der größten Biogasaufbereitungsanlagen Deutschlands. Aus Klärschlamm und Natursubstraten sollen künftig 7,8 Mio. Tonnen Biomethan pro Jahr gewonnen werden, abgeschiedenes CO2 geht als Biodünger in die Vermarktung.

Krefeld: Beteiligung an Windparks in Asien und Texas

Als weiteres Geschäftsmodell im Rahmen der Dekarbonisierung stellte Liedtke die Beteiligung der SWK am RWE-Konzern heraus. Die Krefelder Stadtwerke seien nicht nur Mitgründer der Energiekonzerns gewesen, sondern hätten in der Vergangenheit immer wieder Aktien hinzugekauft. "RWE steht bei uns für die Teilhabe an Erneuerbare-Energie-Projekten, die wir alleine gar nicht erreichen könnten", so Liedtke. Etwa an Windparks in Asien, in Texas, an Offshore-Windkraftanlagen. "Wir sprechen dort mit."

Wuppertal: 30 Mio. Euro für Fernwärme

In Wuppertal plant man Investitionen von 30 Mio. Euro in die Fernwärme, erklärte Markus Hilkenbach, WSW. Wesentliche Treiber der Dekarbonisierung seien Projekte wie die 15-Prozent-Beteiligung am Steinkohlekraftwerk Wilhelmshaven, das sukzessive auf die Verbrennung von Holzpellets umgerüstet wird. Auch der Bau von Geothermie-Kraftwerken ist geplant. "Geothermie ist ein spannendes Thema, um eine Diversifizierung der Wärmeversorgung herzustellen", so Hilkenbach. Aber schnell gehe das nicht. "Bei Geothermie sprechen wir von Entwicklungszeiten von zehn bis zwölf Jahren.“

Dortmund: Einsparungen durch Digitalisierung

In Dortmund setzt DEW21 vor allem auf die Digitalisierung: "Das Einsparpotenzial digitaler Technologien ist fünf- bis sechsmal stärker als ihr eigener CO2-Fußbabdruck", erklärte Heike Heim. Auch die Dortmunder haben vor allem den Wärmesektor im Visier. "In keinem anderen Sektor kommt es derart auf die individuellen Bedingungen vor Ort an." DEW21 hat daher ein intelligentes Wärmeplanungstool entwickelt, das Kundendaten mit öffentlichen Daten verknüpft mit dem Ziel, eine Wärmebedarfskarte für Dortmund zu erstellen. Auf dieser Basis soll der Wärmevertrieb und die weitere Netzausbauplanung erfolgen. "Wir hoffen am Ende sogar, eine automatisierte Trassenplanung zu bekommen", so Heim.

Weitere Beispiele der Digitalisierung in Dortmund: ein intelligentes Abfallmanagement, das signalisiert, wann Glascontainer voll sind. "Nur volle Container werden geleert. Das spart CO2 und senkt die Lärmbelastung." Und ein System zur Verkehrsflusssteuerung, um den Parkplatzsuchverkehr einzudämmen. "30 Prozent des CO2 im örtlichen Verkehr fallen durch die Parkplatzsuche an", so Heike Heim.

Und was ist mit der energetischen Sanierung des Altbaubestands, den 80 bis 100 Jahren alten Häusern, die teils noch über Fenster mit Einfachverglasung verfügen? Bei den kommunalen Wohnungsverwaltungen komme die energetische Sanierung gut voran, so der Konsens unter den Diskutierenden. Aber die Mehrheit der Wohnungen in Deutschland sei im Besitz von Privatpersonen. Erst mit der nächsten Heizkostenabrechnung, so der Moderator, werde wohl ein "Ruck durchs Land" gehen.

Dienstag, 10.05.2022, 17:05 Uhr
Mirko Heinemann

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