E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Windkraft Onshore - Bewegung im Konflikt von Windenergie und Erdbebenmessung
Bild: Fotolia, DeVIce
Windkraft Onshore

Bewegung im Konflikt von Windenergie und Erdbebenmessung

Zehn, fünf oder doch nur ein Kilometer? Um den Abstand von Windkraftanlagen zu Erdbeben-Messstationen in NRW rankt sich jahrelanger Streit, den ein neues Gutachten nun beilegen könnte.
Es schwingt und rauscht, sobald Windkraftanlagen in Bewegung geraten. Wie das so ist, wenn Rotoren durch die Luft schneiden. Dass Windturbinen dadurch auch im Erdreich Vibrationen und Rauschen verursachen, die die Arbeit seismologischer Stationen empfindlich stören können, darüber liegt die Windkraftbranche in Nordrhein-Westfalen seit Jahren im Clinch mit dem Geologischen Dienst (GD NRW). Die tiefen Gräben könnte nun ein vom NRW-Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten zuschütten.

Der geltende Windenergieerlass im bevölkerungsreichsten Bundesland regelt, wann der GD NRW bei Windenergieprojekten einzuschalten ist. Ein Prüffall im Genehmigungsprozess liegt demnach vor, wenn Windturbinen im Umkreis von zehn Kilometern zu Erdbeben-Messstationen geplant sind. Der Radius sei unverhältnismäßig groß, kritisiert der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) seit Jahren.

Ein Kilometer Abstand zu Messstationen reicht bei 3-MW-Anlagen

Dem Lobbyverband sind die Einwände der Behörde zu pauschal, die dadurch ausgelösten Blockaden von Projekten zu groß. Der Geologische Dienst argumentiere „stets ohne fundierten Nachweis“, argwöhnte der LEE NRW bereits im Jahr 2016. Die Proteste sorgten zumindest im Rheinland, wo der Geologische Dienst 13 Messstationen betreibt, für eine Änderung. Hier wird der GD NRW nur noch hinzugezogen, sobald Windturbine und Seismograph in fünf Kilometern Abstand zueinander stehen. Doch auch dies blockiere in der Konsequenz noch immer Windparks mit mehr als 100 MW Leistung, so der LEE NRW.

Ein Gutachten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), eine Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft, könnte die Prüfpraxis nun grundlegend vereinfachen. Bei einzelnen Windenergieanlagen empfiehlt das Analysten-Team um Prof. Dr. Joachim Ritter vom Geophysikalischen Institut einen Mindestabstand von einem Kilometer, den Windenergieanlagen zu Erdbeben-Messstationen einhalten sollten. In wenigen Konstellationen könne der Schutzbereich auf 3,5 Kilometer anwachsen.

Keine Aussagen über Wirkung von Windparks und modernen Anlagen

Dass das KIT Dutzende Messstationen in NRW auf Einflussfaktoren wissenschaftlich untersucht hat, ist eine alte Forderung des LEE NRW. Er zieht aus dem Gutachten vor allem den Schluss, dass Erdbeben-Messstationen den Ausbau der Windenergie im Land „nicht mehr maßgeblich behindern“ können. Um das Prozedere zu vereinheitlichen, schlägt das KIT für NRW „ein virtuelles Messnetz“ aller seismologischen Stationen vor. Damit könne die Erdbebenbeobachtung in Echtzeit und gleichmäßig erfolgen. Daraus ließen sich vom Untergrund sowie der Größe der Windenergieanlagen abhängige Schutzradien um Messstationen ableiten.

Den Vorschlag des KIT, Messstationen zu klassifizieren und in Beziehung zu Windenergieanlagen zu setzen, begrüßt der LEE NRW als "sich andeutenden Kompromiss". „Bekannte Fehler“ seien aber zu vermeiden: „Pauschale Schutzradien dürfen nicht zu Ausschlussradien werden. Einzelfallprüfungen und Kompensationsmöglichkeiten müssen als Teil der Lösung ermöglicht werden“, fordert LEE-NRW-Vorsitzender Reiner Priggen (Grüne).

Mit dem Gutachten sind allerdings längst nicht alle Fragen zum Verhältnis von Windkraftanlagen und seismologischen Stationen beantwortet. So beziehen die Empfehlungen des KIT sich ausdrücklich auf Einzelanlagen. Über die möglicherweise verstärkende Wirkung mehrerer Turbinen in Windparks seien weitere Untersuchungen anzustellen. Auch fehlten Messergebnisse zu größeren Turbinen, die mehr als 3 MW Leistung erbringen und heute an Land weitgehend Standard sind. Es scheint, als werde das Schwingen und Rauschen noch eine Weile die Begleitmusik im Konflikt von Windenergiebranche und Geologischem Dienst bleiben.

Der "Bericht zur Erarbeitung eines Prognosetools für seismische Immissionen an Erdbeben-Messstationen in Nordrhein-Westfalen (NRW)" ist auf der Internetseite des Geologischen Dienstes NRW veröffentlicht.

Donnerstag, 4.03.2021, 14:15 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Windkraft Onshore - Bewegung im Konflikt von Windenergie und Erdbebenmessung
Bild: Fotolia, DeVIce
Windkraft Onshore
Bewegung im Konflikt von Windenergie und Erdbebenmessung
Zehn, fünf oder doch nur ein Kilometer? Um den Abstand von Windkraftanlagen zu Erdbeben-Messstationen in NRW rankt sich jahrelanger Streit, den ein neues Gutachten nun beilegen könnte.
Es schwingt und rauscht, sobald Windkraftanlagen in Bewegung geraten. Wie das so ist, wenn Rotoren durch die Luft schneiden. Dass Windturbinen dadurch auch im Erdreich Vibrationen und Rauschen verursachen, die die Arbeit seismologischer Stationen empfindlich stören können, darüber liegt die Windkraftbranche in Nordrhein-Westfalen seit Jahren im Clinch mit dem Geologischen Dienst (GD NRW). Die tiefen Gräben könnte nun ein vom NRW-Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten zuschütten.

Der geltende Windenergieerlass im bevölkerungsreichsten Bundesland regelt, wann der GD NRW bei Windenergieprojekten einzuschalten ist. Ein Prüffall im Genehmigungsprozess liegt demnach vor, wenn Windturbinen im Umkreis von zehn Kilometern zu Erdbeben-Messstationen geplant sind. Der Radius sei unverhältnismäßig groß, kritisiert der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) seit Jahren.

Ein Kilometer Abstand zu Messstationen reicht bei 3-MW-Anlagen

Dem Lobbyverband sind die Einwände der Behörde zu pauschal, die dadurch ausgelösten Blockaden von Projekten zu groß. Der Geologische Dienst argumentiere „stets ohne fundierten Nachweis“, argwöhnte der LEE NRW bereits im Jahr 2016. Die Proteste sorgten zumindest im Rheinland, wo der Geologische Dienst 13 Messstationen betreibt, für eine Änderung. Hier wird der GD NRW nur noch hinzugezogen, sobald Windturbine und Seismograph in fünf Kilometern Abstand zueinander stehen. Doch auch dies blockiere in der Konsequenz noch immer Windparks mit mehr als 100 MW Leistung, so der LEE NRW.

Ein Gutachten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), eine Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft, könnte die Prüfpraxis nun grundlegend vereinfachen. Bei einzelnen Windenergieanlagen empfiehlt das Analysten-Team um Prof. Dr. Joachim Ritter vom Geophysikalischen Institut einen Mindestabstand von einem Kilometer, den Windenergieanlagen zu Erdbeben-Messstationen einhalten sollten. In wenigen Konstellationen könne der Schutzbereich auf 3,5 Kilometer anwachsen.

Keine Aussagen über Wirkung von Windparks und modernen Anlagen

Dass das KIT Dutzende Messstationen in NRW auf Einflussfaktoren wissenschaftlich untersucht hat, ist eine alte Forderung des LEE NRW. Er zieht aus dem Gutachten vor allem den Schluss, dass Erdbeben-Messstationen den Ausbau der Windenergie im Land „nicht mehr maßgeblich behindern“ können. Um das Prozedere zu vereinheitlichen, schlägt das KIT für NRW „ein virtuelles Messnetz“ aller seismologischen Stationen vor. Damit könne die Erdbebenbeobachtung in Echtzeit und gleichmäßig erfolgen. Daraus ließen sich vom Untergrund sowie der Größe der Windenergieanlagen abhängige Schutzradien um Messstationen ableiten.

Den Vorschlag des KIT, Messstationen zu klassifizieren und in Beziehung zu Windenergieanlagen zu setzen, begrüßt der LEE NRW als "sich andeutenden Kompromiss". „Bekannte Fehler“ seien aber zu vermeiden: „Pauschale Schutzradien dürfen nicht zu Ausschlussradien werden. Einzelfallprüfungen und Kompensationsmöglichkeiten müssen als Teil der Lösung ermöglicht werden“, fordert LEE-NRW-Vorsitzender Reiner Priggen (Grüne).

Mit dem Gutachten sind allerdings längst nicht alle Fragen zum Verhältnis von Windkraftanlagen und seismologischen Stationen beantwortet. So beziehen die Empfehlungen des KIT sich ausdrücklich auf Einzelanlagen. Über die möglicherweise verstärkende Wirkung mehrerer Turbinen in Windparks seien weitere Untersuchungen anzustellen. Auch fehlten Messergebnisse zu größeren Turbinen, die mehr als 3 MW Leistung erbringen und heute an Land weitgehend Standard sind. Es scheint, als werde das Schwingen und Rauschen noch eine Weile die Begleitmusik im Konflikt von Windenergiebranche und Geologischem Dienst bleiben.

Der "Bericht zur Erarbeitung eines Prognosetools für seismische Immissionen an Erdbeben-Messstationen in Nordrhein-Westfalen (NRW)" ist auf der Internetseite des Geologischen Dienstes NRW veröffentlicht.

Donnerstag, 4.03.2021, 14:15 Uhr
Volker Stephan

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.