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Energie & Management > Recht - Beschleunigung von Prozessen: Experten gegen Entwurf
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
Recht

Beschleunigung von Prozessen: Experten gegen Entwurf

Wie sollen Gerichtsverfahren um Infrastruktur-Vorhaben schneller werden? Jedenfalls nicht so, wie sich dies das Kabinett vorstellt, erklärten fast alle Sachverständigen im Bundestag.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich ist am 23. Januar bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags auf Ablehnung annähernd aller geladenen Sachverständigen gestoßen. Das geht aus einem Newsletter des Parlaments hervor. Die Bundesregierung will für Infrastruktur-Vorhaben, also etwa Stromtrassen, Erneuerbare-Energien-Anlagen oder Flüssigerdgas-Terminals, die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ändern.

Richter meldeten grundsätzliche Zweifel an, ob sich im gerichtlichen Verfahren überhaupt eine relevante Beschleunigung erreichen lässt. Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vorsitzender des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, führte beispielsweise in seiner Stellungnahme aus, dass in der Praxis weitestgehend Einigkeit darüber bestehe, dass die Möglichkeiten der Beschleunigung der verwaltungsgerichtlichen Verfahren nahezu ausgeschöpft seien. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen führten − mit Ausnahme der Verkürzung des Instanzenweges − „bestenfalls zu keiner Verzögerung“, sagte der von der CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagene Sachverständige.

Allein Lob von BBH-Co-Chefin

Eine grundsätzlich positive Einschätzung des Entwurfes vertrat die Anwältin Ines Zenke von der Kanzlei Becker Büttner Held. Positiv hob sie die geplanten Regelungen zur innerprozessualen Präklusion (abschließender Tatsachenvortrag der Kläger) und Priorisierung hervor. „Wenn man nicht losläuft, kommt man nicht an“, sagte die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Juristin. Sie steht auch dem SPD-Wirtschaftsforum vor.

Unisono kritisch gesehen wurde von den sich dazu äußernden Sachverständigen der im Entwurf vorgesehene frühere Erörterungstermin in Gerichtsverfahren zu besonders bedeutsamen Vorhaben. Bei zu priorisierenden Verfahren soll das Gericht danach innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Klageerwiderung einen Erörterungstermin einberufen, um eine gütliche Einigung zu erzielen beziehungsweise eine Strukturierung des weiteren Verfahrens zu ermöglichen. Die Sachverständigen argumentierten, dass dies bei den Gerichten zu einem höheren Aufwand führen würde, ohne dass zu erwarten sei, dass die Prozesse schneller laufen.

Auch zu spätes Vorbringen von Behörden soll unbeachtlich werden

Weniger eindeutig fiel das Meinungsbild der Sachverständigen zur Einführung einer präklusionsbewehrten Klageerwiderungs-Frist von zehn Wochen im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz aus. Kritisch äußerten sich vor allem die Sachverständigen aus der Richterschaft. Richter Seegmüller sagte beispielsweise, die vorgeschlagene Regelung gehe „an der Praxis vorbei“. Sie zwinge die Beklagten zu einer kleinteiligen Erwiderung und führe zu weiterem Prüfungsaufwand bei Gericht. Zudem könne dann, sollte ein Punkt nicht erwidert worden sein, eine eigentlich rechtmäßige Planung aufgrund der Präklusion für rechtswidrig erklärt werden müssen. Das Kabinett konterkariere damit seine eigene Intention, führte Seegmüller aus.

Für diese Regelung sprachen sich hingegen unter anderen die Vertreterin des Bundes Umwelt und Naturschutz (BUND), Franziska Heß, sowie der Anwalt Philipp Schulte aus. Schulte schrieb, dass durch so eine Frist verhindert werden könne, dass der Zeitgewinn durch die Klagebegründungs-Frist „durch eine späte oder unvollständige Erwiderung der Beklagtenseite sogleich wieder eingebüßt wird“. Diese Frist müsse aber auch für Beigeladene greifen, forderte der von den Grünen vorgeschlagene Schulte.

Änderung im Eilrechtsschutz "kann nach hinten losgehen"

Strittig wurde zudem der Vorschlag zum Eilrechtsschutz diskutiert (Paragraf 80c Absatz 2 VwGO). In diesen Verfahren soll das Gericht bestimmte angegriffene Mängel an Verwaltungsakten außer Acht lassen können, wenn es davon ausgeht, dass sie sich heilen lassen. BUND-Vertreterin Heß erhob dagegen europa- und verfassungsrechtliche Bedenken. Der von der Linken vorgeschlagene Remo Klinger, Mitglied im Ausschuss für Umweltrecht des Deutschen Anwaltvereins, führte aus, die Änderung könnten gerade im Bereich der Windkraftanlagen nach hinten losgehen und den Ausbau der Windenergie in dieser Legislaturperiode deutlich ausbremsen, sei dies doch der für dieses Verfahren relevante Bereich.

Für die Norm in modifizierter Form sprach sich die Rechtswissenschaftlerin Bettina Schöndorf-Haubold von der Universität Gießen aus. Sie schlug zudem vor, eine entsprechende Kostenregelung zu finden. Wenn ein Kläger so durch seine Klage eine Heilung des Verwaltungsaktes anstoße, dürfe er nicht mit den Kosten belastet werden, führte die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Sachverständige aus.

Dienstag, 24.01.2023, 09:31 Uhr
Georg Eble
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Beschleunigung von Prozessen: Experten gegen Entwurf
Wie sollen Gerichtsverfahren um Infrastruktur-Vorhaben schneller werden? Jedenfalls nicht so, wie sich dies das Kabinett vorstellt, erklärten fast alle Sachverständigen im Bundestag.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich ist am 23. Januar bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags auf Ablehnung annähernd aller geladenen Sachverständigen gestoßen. Das geht aus einem Newsletter des Parlaments hervor. Die Bundesregierung will für Infrastruktur-Vorhaben, also etwa Stromtrassen, Erneuerbare-Energien-Anlagen oder Flüssigerdgas-Terminals, die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ändern.

Richter meldeten grundsätzliche Zweifel an, ob sich im gerichtlichen Verfahren überhaupt eine relevante Beschleunigung erreichen lässt. Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vorsitzender des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, führte beispielsweise in seiner Stellungnahme aus, dass in der Praxis weitestgehend Einigkeit darüber bestehe, dass die Möglichkeiten der Beschleunigung der verwaltungsgerichtlichen Verfahren nahezu ausgeschöpft seien. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen führten − mit Ausnahme der Verkürzung des Instanzenweges − „bestenfalls zu keiner Verzögerung“, sagte der von der CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagene Sachverständige.

Allein Lob von BBH-Co-Chefin

Eine grundsätzlich positive Einschätzung des Entwurfes vertrat die Anwältin Ines Zenke von der Kanzlei Becker Büttner Held. Positiv hob sie die geplanten Regelungen zur innerprozessualen Präklusion (abschließender Tatsachenvortrag der Kläger) und Priorisierung hervor. „Wenn man nicht losläuft, kommt man nicht an“, sagte die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Juristin. Sie steht auch dem SPD-Wirtschaftsforum vor.

Unisono kritisch gesehen wurde von den sich dazu äußernden Sachverständigen der im Entwurf vorgesehene frühere Erörterungstermin in Gerichtsverfahren zu besonders bedeutsamen Vorhaben. Bei zu priorisierenden Verfahren soll das Gericht danach innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Klageerwiderung einen Erörterungstermin einberufen, um eine gütliche Einigung zu erzielen beziehungsweise eine Strukturierung des weiteren Verfahrens zu ermöglichen. Die Sachverständigen argumentierten, dass dies bei den Gerichten zu einem höheren Aufwand führen würde, ohne dass zu erwarten sei, dass die Prozesse schneller laufen.

Auch zu spätes Vorbringen von Behörden soll unbeachtlich werden

Weniger eindeutig fiel das Meinungsbild der Sachverständigen zur Einführung einer präklusionsbewehrten Klageerwiderungs-Frist von zehn Wochen im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz aus. Kritisch äußerten sich vor allem die Sachverständigen aus der Richterschaft. Richter Seegmüller sagte beispielsweise, die vorgeschlagene Regelung gehe „an der Praxis vorbei“. Sie zwinge die Beklagten zu einer kleinteiligen Erwiderung und führe zu weiterem Prüfungsaufwand bei Gericht. Zudem könne dann, sollte ein Punkt nicht erwidert worden sein, eine eigentlich rechtmäßige Planung aufgrund der Präklusion für rechtswidrig erklärt werden müssen. Das Kabinett konterkariere damit seine eigene Intention, führte Seegmüller aus.

Für diese Regelung sprachen sich hingegen unter anderen die Vertreterin des Bundes Umwelt und Naturschutz (BUND), Franziska Heß, sowie der Anwalt Philipp Schulte aus. Schulte schrieb, dass durch so eine Frist verhindert werden könne, dass der Zeitgewinn durch die Klagebegründungs-Frist „durch eine späte oder unvollständige Erwiderung der Beklagtenseite sogleich wieder eingebüßt wird“. Diese Frist müsse aber auch für Beigeladene greifen, forderte der von den Grünen vorgeschlagene Schulte.

Änderung im Eilrechtsschutz "kann nach hinten losgehen"

Strittig wurde zudem der Vorschlag zum Eilrechtsschutz diskutiert (Paragraf 80c Absatz 2 VwGO). In diesen Verfahren soll das Gericht bestimmte angegriffene Mängel an Verwaltungsakten außer Acht lassen können, wenn es davon ausgeht, dass sie sich heilen lassen. BUND-Vertreterin Heß erhob dagegen europa- und verfassungsrechtliche Bedenken. Der von der Linken vorgeschlagene Remo Klinger, Mitglied im Ausschuss für Umweltrecht des Deutschen Anwaltvereins, führte aus, die Änderung könnten gerade im Bereich der Windkraftanlagen nach hinten losgehen und den Ausbau der Windenergie in dieser Legislaturperiode deutlich ausbremsen, sei dies doch der für dieses Verfahren relevante Bereich.

Für die Norm in modifizierter Form sprach sich die Rechtswissenschaftlerin Bettina Schöndorf-Haubold von der Universität Gießen aus. Sie schlug zudem vor, eine entsprechende Kostenregelung zu finden. Wenn ein Kläger so durch seine Klage eine Heilung des Verwaltungsaktes anstoße, dürfe er nicht mit den Kosten belastet werden, führte die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Sachverständige aus.

Dienstag, 24.01.2023, 09:31 Uhr
Georg Eble

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