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Energie & Management > Kernkraft - Berliner Atommüll-Amt zerreißt Brüssels Kernkraft-Pläne
Quelle: Shutterstock / Olga Khalizeva
Kernkraft

Berliner Atommüll-Amt zerreißt Brüssels Kernkraft-Pläne

Die Atommüll-Behörde BASE kritisiert Brüssel, der Kernkraft in der EU einen grünen Anstrich geben zu wollen. Die Einstufung als nachhaltige Technologie sei "fachlich nicht haltbar".
Gut eine Woche, bevor die EU-Staaten am 21. Januar ihre Einschätzung zu den Taxonomie-Plänen der EU-Kommission einreichen müssen, zerpflückt das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) Brüssels grüne Ideen zur Atomenergie. Fachlich sei die Einordnung der Kernkraft als nachhaltige Form der Energieerzeugung „nicht haltbar“, schreibt BASE-Präsident Wolfram König in einer Stellungnahme.

Es ist das ökologische Aufregerthema und ein erster Dämpfer in der Warmlaufphase der Berliner Ampelkoalition. An Silvester hatte die EU-Kommission in ihrem Vorschlag zu einer "Taxonomieverordnung" bekanntgegeben, künftig Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke unter bestimmten Bedingungen das Label "nachhaltig" anheften zu wollen. Demnach sei der Bau neuer, bis 2045 genehmigter Atomkraftwerke ebenso eine nachhaltige Wirtschaftstätigkeit wie die Laufzeitverlängerung alter Kraftwerke.

"Hochrisikotechnologie im Widerspruch zu Generationengerechtigkeit"

Die Bundesregierung sieht ihren Energiewende-Kurs empfindlich gestört und muss sich mit Verweis auf Klimaschutzaspekte vermehrt vorhalten lassen, die als treibhausgasfrei beworbene Kernkraft unnötig früh auszusortieren. Zudem findet Deutschland im kontinentalen Verbund der Staaten erwartbar keine Mehrheit gegen die Brüsseler Pro-Atom-Haltung.

Das in Berlin angesiedelte und dem Bundesumweltministerium (BMU) unterstellte BASE existiert seit 2014 und soll vorrangig die Entsorgung der AKW-Hinterlassenschaften in Deutschland managen. Entsprechend listet Präsident König in seiner Replik auf die Taxonomie-Pläne die aus seiner Behördensicht existierenden Gefahren der Kernkraft auf. Atomenergie sei eine Hochrisikotechnologie, sie erzeuge Abfälle und berge "die Gefahr des Missbrauchs von radioaktivem Material für terroristische und kriegerische Zwecke“.

Nachhaltig sind nach dieser Lesart lediglich die schweren Hypotheken für die Nachwelt. „Kommenden Generationen bürden wir erhebliche Lasten auf, die auch mit dem Anspruch der Generationengerechtigkeit nicht in Einklang zu bringen sind“, so König.

Das BASE war bereits einmal einsamer Rufer in der Wüste

Das Taxonomie-Greenwashing der Atomkraft durch die EU-Kommission findet vordergründig auf wirtschaftlicher Ebene statt. Auch bei diesem Aspekt hält sich König mit Kritik nicht zurück: Die Betreiberhaftung sei in vielen EU-Staaten stark limitiert. Komme es zu Reaktorkatastrophen, „werden die Haftungssummen nicht ausreichen“, womit das Verursacherprinzip verletzt sei.

Den Glauben an den technologischen Fortschritt der Atomtechnologie teilt der Behördenleiter ebenfalls nicht. Brüssel will Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur Atomenergienutzung in die Taxonomie einbeziehen. König erkennt das Zukunftsweisende daran nicht, da die vermeintlich neuen Reaktortypen auf „seit Jahrzehnten bekannten Prinzipien“ beruhten und sich nie durchgesetzt hätten.

Zudem würden alle neuen Reaktorlinien ohne tiefengeologisches Endlager nicht auskommen. Ihre Abfälle würden teils „sogar neue Probleme bei der Entsorgung schaffen“.

So dezidiert die Stellungnahme des BASE auch ausfällt, sie wird angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der EU kaum Wirkung zeigen. Letztlich wird sie das Schicksal einer anderen fachlichen Einschätzung aus dem Juni 2021 teilen. Damals hatte das BASE bereits den Bericht des Joint Research Centres (JRC) der EU teils mit denselben Argumenten auseinander genommen. Die Vorwürfe der Berliner Behörde: Das JRC beschreibe die Folgen der Atomkraftnutzung „unvollständig, methodisch unzulänglich und in stark vereinfachender Weise“. Der Erfolg dieser vernichtenden Kritik: Missachtung. Bis heute - denn die EU-Kommission stützt ihre Taxonomie-Vorschläge auf genau jenen JRC-Report.

Mittwoch, 12.01.2022, 16:10 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Kernkraft - Berliner Atommüll-Amt zerreißt Brüssels Kernkraft-Pläne
Quelle: Shutterstock / Olga Khalizeva
Kernkraft
Berliner Atommüll-Amt zerreißt Brüssels Kernkraft-Pläne
Die Atommüll-Behörde BASE kritisiert Brüssel, der Kernkraft in der EU einen grünen Anstrich geben zu wollen. Die Einstufung als nachhaltige Technologie sei "fachlich nicht haltbar".
Gut eine Woche, bevor die EU-Staaten am 21. Januar ihre Einschätzung zu den Taxonomie-Plänen der EU-Kommission einreichen müssen, zerpflückt das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) Brüssels grüne Ideen zur Atomenergie. Fachlich sei die Einordnung der Kernkraft als nachhaltige Form der Energieerzeugung „nicht haltbar“, schreibt BASE-Präsident Wolfram König in einer Stellungnahme.

Es ist das ökologische Aufregerthema und ein erster Dämpfer in der Warmlaufphase der Berliner Ampelkoalition. An Silvester hatte die EU-Kommission in ihrem Vorschlag zu einer "Taxonomieverordnung" bekanntgegeben, künftig Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke unter bestimmten Bedingungen das Label "nachhaltig" anheften zu wollen. Demnach sei der Bau neuer, bis 2045 genehmigter Atomkraftwerke ebenso eine nachhaltige Wirtschaftstätigkeit wie die Laufzeitverlängerung alter Kraftwerke.

"Hochrisikotechnologie im Widerspruch zu Generationengerechtigkeit"

Die Bundesregierung sieht ihren Energiewende-Kurs empfindlich gestört und muss sich mit Verweis auf Klimaschutzaspekte vermehrt vorhalten lassen, die als treibhausgasfrei beworbene Kernkraft unnötig früh auszusortieren. Zudem findet Deutschland im kontinentalen Verbund der Staaten erwartbar keine Mehrheit gegen die Brüsseler Pro-Atom-Haltung.

Das in Berlin angesiedelte und dem Bundesumweltministerium (BMU) unterstellte BASE existiert seit 2014 und soll vorrangig die Entsorgung der AKW-Hinterlassenschaften in Deutschland managen. Entsprechend listet Präsident König in seiner Replik auf die Taxonomie-Pläne die aus seiner Behördensicht existierenden Gefahren der Kernkraft auf. Atomenergie sei eine Hochrisikotechnologie, sie erzeuge Abfälle und berge "die Gefahr des Missbrauchs von radioaktivem Material für terroristische und kriegerische Zwecke“.

Nachhaltig sind nach dieser Lesart lediglich die schweren Hypotheken für die Nachwelt. „Kommenden Generationen bürden wir erhebliche Lasten auf, die auch mit dem Anspruch der Generationengerechtigkeit nicht in Einklang zu bringen sind“, so König.

Das BASE war bereits einmal einsamer Rufer in der Wüste

Das Taxonomie-Greenwashing der Atomkraft durch die EU-Kommission findet vordergründig auf wirtschaftlicher Ebene statt. Auch bei diesem Aspekt hält sich König mit Kritik nicht zurück: Die Betreiberhaftung sei in vielen EU-Staaten stark limitiert. Komme es zu Reaktorkatastrophen, „werden die Haftungssummen nicht ausreichen“, womit das Verursacherprinzip verletzt sei.

Den Glauben an den technologischen Fortschritt der Atomtechnologie teilt der Behördenleiter ebenfalls nicht. Brüssel will Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur Atomenergienutzung in die Taxonomie einbeziehen. König erkennt das Zukunftsweisende daran nicht, da die vermeintlich neuen Reaktortypen auf „seit Jahrzehnten bekannten Prinzipien“ beruhten und sich nie durchgesetzt hätten.

Zudem würden alle neuen Reaktorlinien ohne tiefengeologisches Endlager nicht auskommen. Ihre Abfälle würden teils „sogar neue Probleme bei der Entsorgung schaffen“.

So dezidiert die Stellungnahme des BASE auch ausfällt, sie wird angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der EU kaum Wirkung zeigen. Letztlich wird sie das Schicksal einer anderen fachlichen Einschätzung aus dem Juni 2021 teilen. Damals hatte das BASE bereits den Bericht des Joint Research Centres (JRC) der EU teils mit denselben Argumenten auseinander genommen. Die Vorwürfe der Berliner Behörde: Das JRC beschreibe die Folgen der Atomkraftnutzung „unvollständig, methodisch unzulänglich und in stark vereinfachender Weise“. Der Erfolg dieser vernichtenden Kritik: Missachtung. Bis heute - denn die EU-Kommission stützt ihre Taxonomie-Vorschläge auf genau jenen JRC-Report.

Mittwoch, 12.01.2022, 16:10 Uhr
Volker Stephan

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