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Energie & Management > Belgien - Belgien verschiebt Atomausstieg
Quelle: Pixabay / Markus Distelrath
Belgien

Belgien verschiebt Atomausstieg

Belgien wird den Ausstieg aus der Atomenergie um mindestens zehn Jahre verschieben. Darauf haben sich die Regierung in Brüssel und der Energiekonzern Engie verständigt.

 

Die Vereinbarung sieht vor, die beiden jüngsten der sieben belgischen Atommeiler, Doel 4 und Tihange 3 mit jeweils 1000 MW Leistung, bis 2035 weiter zu betreiben. In den monatelangen Verhandlungen sei es um die Sicherheit der belgischen Energieversorgung in den nächsten Jahren gegangen, sagte Premierminister Alexander De Croo am 9. Januar auf einer Pressekonferenz in Brüssel.

Die Vereinbarung erlaube es, die fünf älteren belgischen Reaktoren planmäßig bis 2025 vom Netz zu nehmen. Die belgische Regierung hatte den bereits 2003 beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie im März letzten Jahres grundsätzlich bestätigt, angesichts der unsicheren Lage auf den europäischen Energiemärkten jedoch die Option einer weiteren Nutzung für den Fall vorgesehen, dass die Versorgungssicherheit anders nicht garantiert werden könne. Der Plan A der Koalition aus Liberalen, Konservativen, Grünen und Sozialisten, die Leistung aller Meiler durch einen Zubau der erneuerbaren Energien und zwei weitere Gaskraftwerke fristgerecht zu ersetzen, erschien der Regierung am Ende aber „zu riskant“.

Sie sei zu diesem Ergebnis auch angesichts des Zustandes der französischen Kernkraftwerke gelangt, sagte De Croo, die dem Markt aufgrund ihrer Reparaturanfälligkeit nicht vollständig zur Verfügung stünden. Ohne die beiden AKW müsse Belgien im Winter 2026-27 und 2027-28 mit Engpässen in der Stromversorgung rechnen. Allerdings müssten die beiden Reaktoren für den zehnjährigen Weiterbetrieb ertüchtigt werden. Sie sollen deswegen im Sommer 2025 vom Netz genommen und überholt werden. Die Arbeiten sollen etwa ein Jahr dauern, so dass Doel und Tihange vor dem Winter 2026-27 wieder in Betrieb gehen könnten. Im Winter 2025-26 würde sich damit allerdings eine Versorgungslücke eröffnen.

50 Prozent staatliche Beteiligung

Mit der Unterzeichnung des Vertrages könnten „die Arbeiten für die Verlängerung der Laufzeit morgen beginnen“, sagte De Croo. Der Vertrag zwischen dem belgischen Staat und Electrabel/Engie sieht vor, dass der Staat und Engie eine gemeinsame Gesellschaft gründen und der Staat zu 50 Prozent Eigentümer der beiden Anlagen wird. Den Betrieb der Stromproduktion in Doel und Tihange übernimmt Engie. Die Kosten für die Modernisierung der beiden Reaktoren werden je zur Hälfte durch den belgischen Staat und Engie aufgebracht. Beide Parteien teilten sich auch die in den zehn Jahren anfallenden Gewinne, sagte De Croo weiter: „Wir werden Miteigentümer und können mitreden.“

Beide Reaktoren würden 2026 „absolut sicher und mit der Genehmigung der zuständigen Behörden“ wieder ans Netz gehen. Im Hinblick auf die zusätzlich anfallenden nuklearen Abfälle habe man sich zunächst nur darauf verständigt, wann sie der staatlichen Entsorgungsagentur Ondraf übergeben und wie die Entsorgungskosten kalkuliert würden.

NRW will Umweltverträglichkeitsprüfung

Die Vereinbarung zwischen der Regierung und Engie entspricht nur teilweise dem Koalitionsvertrag der in Brüssel regierenden Parteien. Die grüne Energieministerin, Tine Van de Straeten, betonte, dass die Entscheidung „vor dem Hintergrund eines Krieges auf europäischem Boden“ gefallen sei. Dagegen verlangte der liberale Koalitionspartner, mehr als nur zwei Atommeiler nach 2025 weiter zu betreiben. Die Opposition verweist außerdem darauf, dass der Bau von zwei geplanten Gaskraftwerken noch immer nicht begonnen wurde. Diese Anlagen sind nicht Gegenstand der Vereinbarung.

Die belgische Regierung hat die Nachbarstaaten über ihre Entscheidung informiert und ihnen angeboten, sich an einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung zu beteiligen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat inzwischen angekündigt, dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will: „Die Landesregierung verfolgt damit das Ziel, die Anrainerinteressen Nordrhein-Westfalens und seiner Bevölkerung in Bezug auf die Umwelt- und Sicherheitsbelange bestmöglich zu vertreten. Dafür werden alle zur Verfügung stehenden verfahrensrechtlichen Mittel genutzt.“ Der Meiler in Tihange ist nur 60 Kilometer, Doel 130 Kilometer von der Grenze zu NRW entfernt.
Forderungen der Regierung in Düsseldorf oder von grenznahen Gemeinden, die belgischen AKW aus Sicherheitsgründen vom Netz zu nehmen, sind in der Vergangenheit jedoch von den belgischen Behörden immer zurückgewiesen worden.

Dienstag, 10.01.2023, 14:34 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Belgien - Belgien verschiebt Atomausstieg
Quelle: Pixabay / Markus Distelrath
Belgien
Belgien verschiebt Atomausstieg

Belgien wird den Ausstieg aus der Atomenergie um mindestens zehn Jahre verschieben. Darauf haben sich die Regierung in Brüssel und der Energiekonzern Engie verständigt.

 

Die Vereinbarung sieht vor, die beiden jüngsten der sieben belgischen Atommeiler, Doel 4 und Tihange 3 mit jeweils 1000 MW Leistung, bis 2035 weiter zu betreiben. In den monatelangen Verhandlungen sei es um die Sicherheit der belgischen Energieversorgung in den nächsten Jahren gegangen, sagte Premierminister Alexander De Croo am 9. Januar auf einer Pressekonferenz in Brüssel.

Die Vereinbarung erlaube es, die fünf älteren belgischen Reaktoren planmäßig bis 2025 vom Netz zu nehmen. Die belgische Regierung hatte den bereits 2003 beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie im März letzten Jahres grundsätzlich bestätigt, angesichts der unsicheren Lage auf den europäischen Energiemärkten jedoch die Option einer weiteren Nutzung für den Fall vorgesehen, dass die Versorgungssicherheit anders nicht garantiert werden könne. Der Plan A der Koalition aus Liberalen, Konservativen, Grünen und Sozialisten, die Leistung aller Meiler durch einen Zubau der erneuerbaren Energien und zwei weitere Gaskraftwerke fristgerecht zu ersetzen, erschien der Regierung am Ende aber „zu riskant“.

Sie sei zu diesem Ergebnis auch angesichts des Zustandes der französischen Kernkraftwerke gelangt, sagte De Croo, die dem Markt aufgrund ihrer Reparaturanfälligkeit nicht vollständig zur Verfügung stünden. Ohne die beiden AKW müsse Belgien im Winter 2026-27 und 2027-28 mit Engpässen in der Stromversorgung rechnen. Allerdings müssten die beiden Reaktoren für den zehnjährigen Weiterbetrieb ertüchtigt werden. Sie sollen deswegen im Sommer 2025 vom Netz genommen und überholt werden. Die Arbeiten sollen etwa ein Jahr dauern, so dass Doel und Tihange vor dem Winter 2026-27 wieder in Betrieb gehen könnten. Im Winter 2025-26 würde sich damit allerdings eine Versorgungslücke eröffnen.

50 Prozent staatliche Beteiligung

Mit der Unterzeichnung des Vertrages könnten „die Arbeiten für die Verlängerung der Laufzeit morgen beginnen“, sagte De Croo. Der Vertrag zwischen dem belgischen Staat und Electrabel/Engie sieht vor, dass der Staat und Engie eine gemeinsame Gesellschaft gründen und der Staat zu 50 Prozent Eigentümer der beiden Anlagen wird. Den Betrieb der Stromproduktion in Doel und Tihange übernimmt Engie. Die Kosten für die Modernisierung der beiden Reaktoren werden je zur Hälfte durch den belgischen Staat und Engie aufgebracht. Beide Parteien teilten sich auch die in den zehn Jahren anfallenden Gewinne, sagte De Croo weiter: „Wir werden Miteigentümer und können mitreden.“

Beide Reaktoren würden 2026 „absolut sicher und mit der Genehmigung der zuständigen Behörden“ wieder ans Netz gehen. Im Hinblick auf die zusätzlich anfallenden nuklearen Abfälle habe man sich zunächst nur darauf verständigt, wann sie der staatlichen Entsorgungsagentur Ondraf übergeben und wie die Entsorgungskosten kalkuliert würden.

NRW will Umweltverträglichkeitsprüfung

Die Vereinbarung zwischen der Regierung und Engie entspricht nur teilweise dem Koalitionsvertrag der in Brüssel regierenden Parteien. Die grüne Energieministerin, Tine Van de Straeten, betonte, dass die Entscheidung „vor dem Hintergrund eines Krieges auf europäischem Boden“ gefallen sei. Dagegen verlangte der liberale Koalitionspartner, mehr als nur zwei Atommeiler nach 2025 weiter zu betreiben. Die Opposition verweist außerdem darauf, dass der Bau von zwei geplanten Gaskraftwerken noch immer nicht begonnen wurde. Diese Anlagen sind nicht Gegenstand der Vereinbarung.

Die belgische Regierung hat die Nachbarstaaten über ihre Entscheidung informiert und ihnen angeboten, sich an einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung zu beteiligen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat inzwischen angekündigt, dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will: „Die Landesregierung verfolgt damit das Ziel, die Anrainerinteressen Nordrhein-Westfalens und seiner Bevölkerung in Bezug auf die Umwelt- und Sicherheitsbelange bestmöglich zu vertreten. Dafür werden alle zur Verfügung stehenden verfahrensrechtlichen Mittel genutzt.“ Der Meiler in Tihange ist nur 60 Kilometer, Doel 130 Kilometer von der Grenze zu NRW entfernt.
Forderungen der Regierung in Düsseldorf oder von grenznahen Gemeinden, die belgischen AKW aus Sicherheitsgründen vom Netz zu nehmen, sind in der Vergangenheit jedoch von den belgischen Behörden immer zurückgewiesen worden.

Dienstag, 10.01.2023, 14:34 Uhr
Tom Weingärtner

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