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Gastbeitrag

"Bei Wasserstoffnetzen werden Chancen vertan"

Der Frage, was das Gesetz zur Regelung reiner Wasserstoffnetze bringt, geht Silke Goldberg* von der Kanzlei Herbert Smith Freehills in einem Gastbeitrag nach.
Mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht, zu dem zuletzt der Bundesrat am 26. März Stellung genommen hatte, wurde der erste Spatenstich für eine Regulierung von Wasserstoff gesetzt. 

Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zielt darauf ab, Wasserstoff nach dem Vorbild der Strom- und Erdgasmärkte zu regulieren – allerdings mit erheblichen Abweichungen und Abstrichen: Die Regulierung reiner Wasserstoffnetze ist zunächst freiwillig und abhängig von der Entscheidung der jeweiligen Netzbetreiber, sich eben dieser Regulierung zu unterwerfen. 

​Noch offene Vertragspraxis

Der Zugang zum Anschluss an Wasserstoffnetze wird auf dem Prinzip des verhandelten Netzzugangs erfolgen. Dies bedeutet vor allem, dass die seit 2006 standardisierten Netzzugangsverträge nicht angewendet werden können. Ob und wie sich eine neue Vertragspraxis entwickeln wird, ist offen. 

Die Tarife zur Nutzung der Wasserstoffnetze sollen sich nicht nach der Anreizregulierungsverordnung richten. Stattdessen ist eine kostenorientierte Tarifstruktur nach Paragraph 21 EnWG vorgesehen, die angemessen, diskriminierungsfrei sowie transparent sein muss. Sie darf auch nicht ungünstiger sein, als sie von den Netzbetreibern in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihrer Unternehmen oder gegenüber verbundenen Unternehmen angewendet wird. 

Die Wasserstoffnetze werden nicht in den Netzentwicklungsplan für bestehende Erdgasnetze miteinbezogen. Vielmehr soll für diese ab 2035 ein eigener Netzentwicklungsplan aufgestellt werden. Dies bedeutet in der Praxis, Wasserstoffnetze unabhängig von den bestehenden Gasnetzen zu planen, zu regulieren und zu finanzieren. Hier werden gleich zwei Chancen vertan: Zum einen wird versäumt, den Aufbau des Wasserstoffnetzes als Gesamtsystem auf der Grundlage bestehender Infrastruktur zu planen. Zum anderen wird verpasst, die Rolle der Gasnetze für die Dekarbonisierung volkswirtschaftlich auszuloten und zu optimieren. 

Fernleitungsnetzbetreiber ohne Planungssicherheit

Insgesamt lässt der Gesetzentwurf einen integrierten Ansatz vermissen, der alle Netzbetreiber mit einschließt und eine sektorübergreifende Netzplanung (Wasserstoff, Gas, Strom) ermöglicht. Die Entwicklung von Gas- und Wasserstoffinfrastrukturen wurde nicht abgestimmt, was verhindert, dass sich die Wasserstoffnetze schrittweise, abhängig von dem Bedarf und der technologischen Entwicklung, aus dem Erdgasnetz heraus entwickeln können.

Ein solcher Ansatz hätte Flexibilität, aber auch Planungssicherheit für die Fernleitungsnetzbetreiber gewährleisten können. Gerade angesichts der Erfahrung mit der bestehenden und gut eingespielten Regulierung der Erdgasnetze wäre dies möglich gewesen – mit relativ geringem gesetzgeberischen Aufwand. 

Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Entwicklungen zu einem europäischen Regulierungsrahmen für Wasserstoffinfrastruktur – nur eine Übergangsregelung darstellt und schon heute absehbar ist, dass die deutschen Regelungen im Zuge der Entwicklungen auf EU-Ebene geändert werden.

Für den deutschen Markt bedeutet diese Übergangslösung: Auch nach Verabschiedung der EnWG-Novelle fehlt die notwendige Planungssicherheit, solange, bis für den Wasserstoffsektor ein europäischer Regulierungsrahmen geschaffen worden ist. Laut EU-Kommission soll ein erster Vorschlag für eine EU-weite Regelung des Wasserstoffsektors bis Ende 2021 kommen. Eine Umsetzung in deutsches Recht dürfte nicht vor 2025 zu erwarten sein.

*Silke Goldberg, Partnerin der Kanzlei Herbert Smith Freehills, London und Düsseldorf
 
Silke Goldberg
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Mittwoch, 21.04.2021, 11:24 Uhr
Redaktion
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"Bei Wasserstoffnetzen werden Chancen vertan"
Der Frage, was das Gesetz zur Regelung reiner Wasserstoffnetze bringt, geht Silke Goldberg* von der Kanzlei Herbert Smith Freehills in einem Gastbeitrag nach.
Mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht, zu dem zuletzt der Bundesrat am 26. März Stellung genommen hatte, wurde der erste Spatenstich für eine Regulierung von Wasserstoff gesetzt. 

Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zielt darauf ab, Wasserstoff nach dem Vorbild der Strom- und Erdgasmärkte zu regulieren – allerdings mit erheblichen Abweichungen und Abstrichen: Die Regulierung reiner Wasserstoffnetze ist zunächst freiwillig und abhängig von der Entscheidung der jeweiligen Netzbetreiber, sich eben dieser Regulierung zu unterwerfen. 

​Noch offene Vertragspraxis

Der Zugang zum Anschluss an Wasserstoffnetze wird auf dem Prinzip des verhandelten Netzzugangs erfolgen. Dies bedeutet vor allem, dass die seit 2006 standardisierten Netzzugangsverträge nicht angewendet werden können. Ob und wie sich eine neue Vertragspraxis entwickeln wird, ist offen. 

Die Tarife zur Nutzung der Wasserstoffnetze sollen sich nicht nach der Anreizregulierungsverordnung richten. Stattdessen ist eine kostenorientierte Tarifstruktur nach Paragraph 21 EnWG vorgesehen, die angemessen, diskriminierungsfrei sowie transparent sein muss. Sie darf auch nicht ungünstiger sein, als sie von den Netzbetreibern in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihrer Unternehmen oder gegenüber verbundenen Unternehmen angewendet wird. 

Die Wasserstoffnetze werden nicht in den Netzentwicklungsplan für bestehende Erdgasnetze miteinbezogen. Vielmehr soll für diese ab 2035 ein eigener Netzentwicklungsplan aufgestellt werden. Dies bedeutet in der Praxis, Wasserstoffnetze unabhängig von den bestehenden Gasnetzen zu planen, zu regulieren und zu finanzieren. Hier werden gleich zwei Chancen vertan: Zum einen wird versäumt, den Aufbau des Wasserstoffnetzes als Gesamtsystem auf der Grundlage bestehender Infrastruktur zu planen. Zum anderen wird verpasst, die Rolle der Gasnetze für die Dekarbonisierung volkswirtschaftlich auszuloten und zu optimieren. 

Fernleitungsnetzbetreiber ohne Planungssicherheit

Insgesamt lässt der Gesetzentwurf einen integrierten Ansatz vermissen, der alle Netzbetreiber mit einschließt und eine sektorübergreifende Netzplanung (Wasserstoff, Gas, Strom) ermöglicht. Die Entwicklung von Gas- und Wasserstoffinfrastrukturen wurde nicht abgestimmt, was verhindert, dass sich die Wasserstoffnetze schrittweise, abhängig von dem Bedarf und der technologischen Entwicklung, aus dem Erdgasnetz heraus entwickeln können.

Ein solcher Ansatz hätte Flexibilität, aber auch Planungssicherheit für die Fernleitungsnetzbetreiber gewährleisten können. Gerade angesichts der Erfahrung mit der bestehenden und gut eingespielten Regulierung der Erdgasnetze wäre dies möglich gewesen – mit relativ geringem gesetzgeberischen Aufwand. 

Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Entwicklungen zu einem europäischen Regulierungsrahmen für Wasserstoffinfrastruktur – nur eine Übergangsregelung darstellt und schon heute absehbar ist, dass die deutschen Regelungen im Zuge der Entwicklungen auf EU-Ebene geändert werden.

Für den deutschen Markt bedeutet diese Übergangslösung: Auch nach Verabschiedung der EnWG-Novelle fehlt die notwendige Planungssicherheit, solange, bis für den Wasserstoffsektor ein europäischer Regulierungsrahmen geschaffen worden ist. Laut EU-Kommission soll ein erster Vorschlag für eine EU-weite Regelung des Wasserstoffsektors bis Ende 2021 kommen. Eine Umsetzung in deutsches Recht dürfte nicht vor 2025 zu erwarten sein.

*Silke Goldberg, Partnerin der Kanzlei Herbert Smith Freehills, London und Düsseldorf
 
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Mittwoch, 21.04.2021, 11:24 Uhr
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