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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Automobilindustrie an Biokraftstoffen interessiert
Biomasse aus Restholz für die Kraftstoffproduktion. Quelle: mtu
E&M Vor 20 Jahren

Automobilindustrie an Biokraftstoffen interessiert

Schon vor 20 Jahren war die Unabhängigkeit des Verkehrssektors vom Erdöl ein vieldiskutiertes Thema. Einige Projekte nährten die Hoffnung, das Ziel bald in Reichweite zu haben.
Im April 2002 hatten die Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen beschlossen, Biokraftstoffe generell von der Steuer zu befreien. Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen, und seine Kollegin, die finanzpolitische Sprecherin Christine Scheel, hatten den Beschluss als wichtigen Schritt gewertet, der das Solarzeitalter im Verkehrssektor einleiten werde. Es gebe nun eine Perspektive, die Abhängigkeit von Erdöl als Kraftstoff zu verringern – ganz abgesehen von neuen Einkommensquellen für Landwirte.

Mit der Verabschiedung im Bundesrat mit den Stimmen der Koalition sowie der CDU/CSU und der damaligen PDS im Juni vor 20 Jahren wurde die bisherige Steuerbefreiung von Pflanzenölen, wie beispielsweise Biodiesel, auf alle biologischen Treibstoffe ausgedehnt. Damit profitierten Biogas sowie synthetisches Benzin und Diesel aus fester Biomasse, Bioethanol, Biomethanol und Wasserstoff aus Biomasse von der neuen Regelung.

Dass bei so mancher Konferenz und in so manchem Fachbeitrag von einem „Aufschwung“ und einem „sehr dynamischen Markt“ gesprochen wurde lag nicht zuletzt daran, dass die Automobilindustrie vor 20 Jahren die sich bietenden Gelegenheiten öffentlichkeitswirksam nutzten, Interesse an biogenen Kraftstoffen zu demonstrieren. Dazu gehörte auch die Daimler Chrysler AG, die 2002 eine Kooperation mit dem sächsischen Chemie- und Technologieunternehmen Choren einging. Choren Industries aus Freiberg wollte Stadtwerke als Lieferanten „veredelter Biomasse“ zur Produktion von regenerativ erzeugtem Treibstoff gewinnen.

E&M-Redakteur Peter Focht berichtete damals.
 
„Mit nachhaltig produzierten Kraftstoffen – wie Diesel, Methanol oder auch Benzin – lässt sich in Zukunft die Versorgungsbasis für Kraftstoffe sichern“, erklärte Bodo Wolf, Geschäftsführer von Choren Industries, in Stuttgart vor Journalisten. „Zudem lassen sich die CO2-Emissionen im Straßenverkehr drastisch senken, da erneuerbare Kraftstoffe Teil eines geschlossenen CO2-Kreislaufs sind“, ergänzte Klaus-Dieter Vöhringer, Forschungs- und Technologievorstand der Daimler Chrysler AG.

Wolf und Vöhringer unterzeichneten einen Vertrag über ein einjähriges gemeinsames Forschungsprojekt mit 11 Mio. Euro Budget. Choren wird in diesem Rahmen in der erweiterten Carbo-V-Versuchsanlage in Freiberg Methanol und Diesel aus Biomasse produzieren. Daimler Chrysler will den Diesel in herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren und das Methanol als Sprit für Brennstoffzellen-Versuchsfahrzeuge testen. Wolfs Konzept zur Kraftstoffproduktion sieht vor, Biomasse – im konkreten Fall Restholz aus dem sächsischen Erzgebirge – zunächst zu Koks zu verarbeiten.

Diese Aufgabe könnten, langfristig gesehen, Stadtwerke in vielen dezentralen Anlagen übernehmen, in denen lokal anfallende Biomasse „veredelt“ werden könnte. Die Koksproduktion ermöglicht Energiegewinnung in Kraft-Wärme-Kopplung. Der Koks wird dann in einem weiteren Schritt in Synthesegas umgewandelt, aus dem sich Diesel und Methanol herstellen lassen.

Beide Treibstoff-Arten sind schwefel- und aromatenfrei, was ihre Attraktivität unter Umweltgesichtspunkten noch erheblich erhöht. Der im sächsischen Freiberg erzeugte Versuchs-Treibstoff soll dann Anfang nächsten Jahres in Stuttgart von Daimler Chrysler erprobt werden. Das gestern vereinbarte Forschungsprojekt hat Erkenntnisse über Preise und Qualität der regenerativen Kraftstoffe sowie über Energie- und Stoffbilanzen ihrer Erzeugung zum Ziel. Der Automobilkonzern unterstützt die Arbeiten mit mehr als 1 Mio. Euro, Das Bundeswirtschaftsministerium steuert 5,5 Mio. Euro bei.

Biodiesel als Übergangsprodukt

Bei Daimler Chrysler in Stuttgart betrachtet man den Biodiesel aus Freiberger Produktion als Übergangsprodukt für den Zeitraum, bis Brennstoffzellenautos und reiner Wasserstoff als Treibstoff serienreif sind. „Die Brennstoffzelle braucht noch etliche Jahre, bis sie in großen Stückzahlen am Markt sein wird“, sagte Vöhringer. Das Rückgrat für den Antrieb werde auf absehbare Zeit der Verbrennungsmotor bleiben, so der Vorstand.

So sieht man das offensichtlich auch bei der EU: Kommission und Parlament planen eine Direktive für die Förderung von Biotreibstoffen für Transport und Verkehr. Damit soll europaweit bis 2010 ein Biokraftstoff-Anteil von 5,75 % und bis 2020 von 8 % am gesamten Treibstoffaufkommen erreicht werden. Zum Vergleich: Im Jahr 1999 betrug dieser Anteil bescheidene 0,22 %.

Daimler Chrysler begrüße es sehr, dass Brüssel dies mit einer Steuerermäßigung von 50 % unterstützen wolle, sagte Vöhringer. Er schloss jedoch aus, dass der Fahrzeugbauer auch zum Kraftstoffhersteller wird.

Das könnte sich Wolf für Choren schon eher vorstellen, sofern die traditionellen Hersteller kein Interesse an seiner Technologie zeigen. „Wir sind bereit, Kraftstoffe aus Sonnenenergie unter der Marke Choren auf den Markt zu bringen“, so Wolf. Spätestens Anfang 2006 wollen die Sachsen außerdem erste industrielle Anlagen zur Herstellung von Biosprit mit Produktionskapazitäten von 100.000 Tonnen pro Jahr installieren.

Die Carbo-V-Technik ist laut Wolf wesentlich effektiver als andere Prozesse zur Herstellung von Biokraftstoffen aus Raps, Zuckerrohr oder Mais. Ihm schwebt für die Zukunft eine kombinierte Nutzung von Biomasse als Kohlenstoffträger und regenerativer Energie zur Erzeugung von Wasserstoff aus Wasser vor. Der Kohlenstoff der Biomasse könne damit vollständig genutzt werden. Die Kraftstoff-Ausbeute erhöhe sich dadurch erheblich. Dadurch sei ein Wirkungsgrad des Gesamtsystems von mehr als 75 % möglich.

Auch Volkswagen zeigt Interesse

Auch eine Weiterentwicklung seiner Technik hat Wolf schon im Visier: „Wir stellen fest, durch Gewinnung von Elektroenergie aus regenerativen Quellen und deren Verwendung für die Wasserelektrolyse ist es möglich, aus CO2 und Wasser marktfähige Kraftstoffe im unendlichen Zyklus herzustellen“, prognostiziert er. Und was den Preis anbelangt: „Ohne Mineralölsteuer könnten wir schon heute zu aktuellen Tankstellenpreisen liefern.“

Bis es soweit ist, müssen jedoch erst einmal die Versuche in Freiberg erfolgreich verlaufen. Interesse zeigt daran nicht nur Daimler Chrysler, sondern mittlerweile auch Volkswagen.
 

Freitag, 26.08.2022, 14:24 Uhr
Peter Focht und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Automobilindustrie an Biokraftstoffen interessiert
Biomasse aus Restholz für die Kraftstoffproduktion. Quelle: mtu
E&M Vor 20 Jahren
Automobilindustrie an Biokraftstoffen interessiert
Schon vor 20 Jahren war die Unabhängigkeit des Verkehrssektors vom Erdöl ein vieldiskutiertes Thema. Einige Projekte nährten die Hoffnung, das Ziel bald in Reichweite zu haben.
Im April 2002 hatten die Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen beschlossen, Biokraftstoffe generell von der Steuer zu befreien. Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen, und seine Kollegin, die finanzpolitische Sprecherin Christine Scheel, hatten den Beschluss als wichtigen Schritt gewertet, der das Solarzeitalter im Verkehrssektor einleiten werde. Es gebe nun eine Perspektive, die Abhängigkeit von Erdöl als Kraftstoff zu verringern – ganz abgesehen von neuen Einkommensquellen für Landwirte.

Mit der Verabschiedung im Bundesrat mit den Stimmen der Koalition sowie der CDU/CSU und der damaligen PDS im Juni vor 20 Jahren wurde die bisherige Steuerbefreiung von Pflanzenölen, wie beispielsweise Biodiesel, auf alle biologischen Treibstoffe ausgedehnt. Damit profitierten Biogas sowie synthetisches Benzin und Diesel aus fester Biomasse, Bioethanol, Biomethanol und Wasserstoff aus Biomasse von der neuen Regelung.

Dass bei so mancher Konferenz und in so manchem Fachbeitrag von einem „Aufschwung“ und einem „sehr dynamischen Markt“ gesprochen wurde lag nicht zuletzt daran, dass die Automobilindustrie vor 20 Jahren die sich bietenden Gelegenheiten öffentlichkeitswirksam nutzten, Interesse an biogenen Kraftstoffen zu demonstrieren. Dazu gehörte auch die Daimler Chrysler AG, die 2002 eine Kooperation mit dem sächsischen Chemie- und Technologieunternehmen Choren einging. Choren Industries aus Freiberg wollte Stadtwerke als Lieferanten „veredelter Biomasse“ zur Produktion von regenerativ erzeugtem Treibstoff gewinnen.

E&M-Redakteur Peter Focht berichtete damals.
 
„Mit nachhaltig produzierten Kraftstoffen – wie Diesel, Methanol oder auch Benzin – lässt sich in Zukunft die Versorgungsbasis für Kraftstoffe sichern“, erklärte Bodo Wolf, Geschäftsführer von Choren Industries, in Stuttgart vor Journalisten. „Zudem lassen sich die CO2-Emissionen im Straßenverkehr drastisch senken, da erneuerbare Kraftstoffe Teil eines geschlossenen CO2-Kreislaufs sind“, ergänzte Klaus-Dieter Vöhringer, Forschungs- und Technologievorstand der Daimler Chrysler AG.

Wolf und Vöhringer unterzeichneten einen Vertrag über ein einjähriges gemeinsames Forschungsprojekt mit 11 Mio. Euro Budget. Choren wird in diesem Rahmen in der erweiterten Carbo-V-Versuchsanlage in Freiberg Methanol und Diesel aus Biomasse produzieren. Daimler Chrysler will den Diesel in herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren und das Methanol als Sprit für Brennstoffzellen-Versuchsfahrzeuge testen. Wolfs Konzept zur Kraftstoffproduktion sieht vor, Biomasse – im konkreten Fall Restholz aus dem sächsischen Erzgebirge – zunächst zu Koks zu verarbeiten.

Diese Aufgabe könnten, langfristig gesehen, Stadtwerke in vielen dezentralen Anlagen übernehmen, in denen lokal anfallende Biomasse „veredelt“ werden könnte. Die Koksproduktion ermöglicht Energiegewinnung in Kraft-Wärme-Kopplung. Der Koks wird dann in einem weiteren Schritt in Synthesegas umgewandelt, aus dem sich Diesel und Methanol herstellen lassen.

Beide Treibstoff-Arten sind schwefel- und aromatenfrei, was ihre Attraktivität unter Umweltgesichtspunkten noch erheblich erhöht. Der im sächsischen Freiberg erzeugte Versuchs-Treibstoff soll dann Anfang nächsten Jahres in Stuttgart von Daimler Chrysler erprobt werden. Das gestern vereinbarte Forschungsprojekt hat Erkenntnisse über Preise und Qualität der regenerativen Kraftstoffe sowie über Energie- und Stoffbilanzen ihrer Erzeugung zum Ziel. Der Automobilkonzern unterstützt die Arbeiten mit mehr als 1 Mio. Euro, Das Bundeswirtschaftsministerium steuert 5,5 Mio. Euro bei.

Biodiesel als Übergangsprodukt

Bei Daimler Chrysler in Stuttgart betrachtet man den Biodiesel aus Freiberger Produktion als Übergangsprodukt für den Zeitraum, bis Brennstoffzellenautos und reiner Wasserstoff als Treibstoff serienreif sind. „Die Brennstoffzelle braucht noch etliche Jahre, bis sie in großen Stückzahlen am Markt sein wird“, sagte Vöhringer. Das Rückgrat für den Antrieb werde auf absehbare Zeit der Verbrennungsmotor bleiben, so der Vorstand.

So sieht man das offensichtlich auch bei der EU: Kommission und Parlament planen eine Direktive für die Förderung von Biotreibstoffen für Transport und Verkehr. Damit soll europaweit bis 2010 ein Biokraftstoff-Anteil von 5,75 % und bis 2020 von 8 % am gesamten Treibstoffaufkommen erreicht werden. Zum Vergleich: Im Jahr 1999 betrug dieser Anteil bescheidene 0,22 %.

Daimler Chrysler begrüße es sehr, dass Brüssel dies mit einer Steuerermäßigung von 50 % unterstützen wolle, sagte Vöhringer. Er schloss jedoch aus, dass der Fahrzeugbauer auch zum Kraftstoffhersteller wird.

Das könnte sich Wolf für Choren schon eher vorstellen, sofern die traditionellen Hersteller kein Interesse an seiner Technologie zeigen. „Wir sind bereit, Kraftstoffe aus Sonnenenergie unter der Marke Choren auf den Markt zu bringen“, so Wolf. Spätestens Anfang 2006 wollen die Sachsen außerdem erste industrielle Anlagen zur Herstellung von Biosprit mit Produktionskapazitäten von 100.000 Tonnen pro Jahr installieren.

Die Carbo-V-Technik ist laut Wolf wesentlich effektiver als andere Prozesse zur Herstellung von Biokraftstoffen aus Raps, Zuckerrohr oder Mais. Ihm schwebt für die Zukunft eine kombinierte Nutzung von Biomasse als Kohlenstoffträger und regenerativer Energie zur Erzeugung von Wasserstoff aus Wasser vor. Der Kohlenstoff der Biomasse könne damit vollständig genutzt werden. Die Kraftstoff-Ausbeute erhöhe sich dadurch erheblich. Dadurch sei ein Wirkungsgrad des Gesamtsystems von mehr als 75 % möglich.

Auch Volkswagen zeigt Interesse

Auch eine Weiterentwicklung seiner Technik hat Wolf schon im Visier: „Wir stellen fest, durch Gewinnung von Elektroenergie aus regenerativen Quellen und deren Verwendung für die Wasserelektrolyse ist es möglich, aus CO2 und Wasser marktfähige Kraftstoffe im unendlichen Zyklus herzustellen“, prognostiziert er. Und was den Preis anbelangt: „Ohne Mineralölsteuer könnten wir schon heute zu aktuellen Tankstellenpreisen liefern.“

Bis es soweit ist, müssen jedoch erst einmal die Versuche in Freiberg erfolgreich verlaufen. Interesse zeigt daran nicht nur Daimler Chrysler, sondern mittlerweile auch Volkswagen.
 

Freitag, 26.08.2022, 14:24 Uhr
Peter Focht und Fritz Wilhelm

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