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Energie & Management > Stromnetz - Agora-Studie „meilenweit fern der Realität“
Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
Stromnetz

Agora-Studie „meilenweit fern der Realität“

Hundert Milliarden kWh Strom ließen sich durch dynamische Tarife im Jahr 2035 bei Haushalten „flexibilisieren“, sagt die Denkfabrik Agora. Praktiker machen eine andere Rechnung auf.
Die Zahlen sind Zukunftsmusik, und die Experten, die sie ausgerechnet haben, nennen das Jahr, wann sie der Energiewirtschaft den Takt vorgeben könnte. Bis 2035 könnte es so weit sein, dass sich jährlich 100 Milliarden kWh an Stromnachfrage für Elektroautos, Wärmepumpen und Heimspeicher flexibilisieren lassen. Das entspräche 10 Prozent des Gesamtverbrauchs. Die Kosteneinsparung läge bei 4,8 Milliarden Euro. Auf diese Zahlen kam die Organisation Agora Energiewende zusammen mit der Forschungsstelle für Energiewirtschaft im vergangenen Dezember.

Am 31. Januar stellten die Wissenschaftler ihre Studie mit dem Titel „Haushaltsnahe Flexibilitäten nutzen. Wie Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Co. die Stromkosten für alle senken können“ in einer Podiumsveranstaltung zur Diskussion. Dafür waren Experten eingeladen, die sich der Frage der Flexibilisierung aus unterschiedlicher Perspektive in der Praxis gegenüber sehen. Sie zeigten sich angetan von den energie- und volkswirtschaftlichen Zukunftsklängen, machten aber deutlich, was das gegenwärtige Instrumentarium hergibt.

„Wir sind noch meilenweit von dem entfernt, was da in der Studie beschrieben ist“, sagte Karsten Bourwieg. Der Vorsitzende der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur betonte, dass das, was in der Studie beschrieben ist, im Grunde heute schon möglich sei. „Es macht nur keiner. Wir müssen uns fragen, warum!“, so Bourwieg.

„Alle wollen Flatrates“

Die Elektromobilisten, die wir bisher haben, hätten den Paragrafen 14a Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) „bisher nicht haben wollen“. In diesem Paragrafen ist die Einführung dynamischer Tarife ab kommendem Jahr für alle Stromanbieter festgeschrieben. Als weiteres Beispiel zeitgenössischer Dissonanzen zu den Agora-Überlegungen nannte er Gewerbekunden mit RLM-Anschluss. Die Marktdurchdringung mit dynamischen Tarifen sei überschaubar. „Fragen sie doch mal warum“, sagte er zu den Wissenschaftlern und lieferte die Antwort gleich mit: Der Unternehmer wolle wissen, was Energie nächstes Jahr kostet. „Da kann ich rechnen, da hab ich Ruhe“, beschrieb Bourwieg dessen Standpunkt. Was die Bindung des Stromtarifs an den Börsenpreis angeht, gab er zu bedenken: „Es ist gefährlich, den Eindruck zu erwecken, dass die Koppelung an den Spotmarkt immer billiger ist.“ Dabei verwies er auf die Erfahrungen mit dem Telefonnetz: „Alle wollen Flatrates.“

Und über noch einen Punkt machte sich Bourwieg auf dem Podium Gedanken: „Was hier in der Studie vorgeschlagen wird, sind Tausende von Niederspannungsnetzentgelten“, sagte er und stellte die Frage nach der Transparenz in den Raum.

„Perspektivisch eine Antwort aus dem Netz“

Sein Fazit zu der Studie: „Super, dass wir darüber reden“, aber: „Lassen sie uns gemeinsam die nächsten beiden Jahre beobachten und begleiten“, sagte er mit Blick die zunächst einmal vorgesehen drei Tarifzonen für Verteilnetzbetreiber.

Lob für Studie gab es auch von der Geschäftsführerin von Enercity Netz. „Ich bin davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir auch in Deutschland diese dynamischen Börsenstrom-Tarife erreichen werden“, sagte Christiane Fraiss. Die Studie zeige „sehr schön, was das mit unserem Netz macht“.

Der Paragraf 14a sei ein toller erster Schritt. „Wir brauchen perspektivisch eine Antwort aus dem Netz, wie wir mit dem Ausbaubedarf, der sich möglicherweise eben aus Börsenstrom-Impulsen ergibt, umgehen“, so Fraiss. Bei Enercity habe man sich auf den Weg der Digitalisierung gemacht.

Zuspruch zu dem Papier, aber auch Bedenken daran kamen von Peter Ugolini-Schmidt von den Elektrizitätswerken Schönau (EWS). „Ich bin hin- und hergerissen“, sagte er. Was er auch begrüßte: Die Studie räume mit Mythen auf, „wir müssen nicht bei den Kleinstverbrauchern, wo nichts zu schieben ist, schieben“.

Auch für die EWS ist die Zukunft, wie sie die Agora entwirft, noch ein großes Stück entfernt. „Wir haben noch keinen dynamischen Tarif“, sagte Ugolini-Schmidt. „Ein dynamischer Tarif macht nur Sinn, wenn ich die Infrastruktur dafür habe, da sind wir beim Smart Meter.“ EWS habe solche Geräte in Pilotprojekten verbaut. Doch die Daten hätten noch nicht die Qualität, die man „für eine saubere Abrechnung“ benötige. „Das hängt ein Stück weit mit der technischen Anbindung zusammen.“

Die Studie „Haushaltsnahe Flexibilitäten nutzen. Wie Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Co. die Stromkosten für alle senken können“ stellt Agora Energiewende auf ihrer Internetseite zum Download bereit. 

Mittwoch, 31.01.2024, 17:37 Uhr
Manfred Fischer
Energie & Management > Stromnetz - Agora-Studie „meilenweit fern der Realität“
Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
Stromnetz
Agora-Studie „meilenweit fern der Realität“
Hundert Milliarden kWh Strom ließen sich durch dynamische Tarife im Jahr 2035 bei Haushalten „flexibilisieren“, sagt die Denkfabrik Agora. Praktiker machen eine andere Rechnung auf.
Die Zahlen sind Zukunftsmusik, und die Experten, die sie ausgerechnet haben, nennen das Jahr, wann sie der Energiewirtschaft den Takt vorgeben könnte. Bis 2035 könnte es so weit sein, dass sich jährlich 100 Milliarden kWh an Stromnachfrage für Elektroautos, Wärmepumpen und Heimspeicher flexibilisieren lassen. Das entspräche 10 Prozent des Gesamtverbrauchs. Die Kosteneinsparung läge bei 4,8 Milliarden Euro. Auf diese Zahlen kam die Organisation Agora Energiewende zusammen mit der Forschungsstelle für Energiewirtschaft im vergangenen Dezember.

Am 31. Januar stellten die Wissenschaftler ihre Studie mit dem Titel „Haushaltsnahe Flexibilitäten nutzen. Wie Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Co. die Stromkosten für alle senken können“ in einer Podiumsveranstaltung zur Diskussion. Dafür waren Experten eingeladen, die sich der Frage der Flexibilisierung aus unterschiedlicher Perspektive in der Praxis gegenüber sehen. Sie zeigten sich angetan von den energie- und volkswirtschaftlichen Zukunftsklängen, machten aber deutlich, was das gegenwärtige Instrumentarium hergibt.

„Wir sind noch meilenweit von dem entfernt, was da in der Studie beschrieben ist“, sagte Karsten Bourwieg. Der Vorsitzende der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur betonte, dass das, was in der Studie beschrieben ist, im Grunde heute schon möglich sei. „Es macht nur keiner. Wir müssen uns fragen, warum!“, so Bourwieg.

„Alle wollen Flatrates“

Die Elektromobilisten, die wir bisher haben, hätten den Paragrafen 14a Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) „bisher nicht haben wollen“. In diesem Paragrafen ist die Einführung dynamischer Tarife ab kommendem Jahr für alle Stromanbieter festgeschrieben. Als weiteres Beispiel zeitgenössischer Dissonanzen zu den Agora-Überlegungen nannte er Gewerbekunden mit RLM-Anschluss. Die Marktdurchdringung mit dynamischen Tarifen sei überschaubar. „Fragen sie doch mal warum“, sagte er zu den Wissenschaftlern und lieferte die Antwort gleich mit: Der Unternehmer wolle wissen, was Energie nächstes Jahr kostet. „Da kann ich rechnen, da hab ich Ruhe“, beschrieb Bourwieg dessen Standpunkt. Was die Bindung des Stromtarifs an den Börsenpreis angeht, gab er zu bedenken: „Es ist gefährlich, den Eindruck zu erwecken, dass die Koppelung an den Spotmarkt immer billiger ist.“ Dabei verwies er auf die Erfahrungen mit dem Telefonnetz: „Alle wollen Flatrates.“

Und über noch einen Punkt machte sich Bourwieg auf dem Podium Gedanken: „Was hier in der Studie vorgeschlagen wird, sind Tausende von Niederspannungsnetzentgelten“, sagte er und stellte die Frage nach der Transparenz in den Raum.

„Perspektivisch eine Antwort aus dem Netz“

Sein Fazit zu der Studie: „Super, dass wir darüber reden“, aber: „Lassen sie uns gemeinsam die nächsten beiden Jahre beobachten und begleiten“, sagte er mit Blick die zunächst einmal vorgesehen drei Tarifzonen für Verteilnetzbetreiber.

Lob für Studie gab es auch von der Geschäftsführerin von Enercity Netz. „Ich bin davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir auch in Deutschland diese dynamischen Börsenstrom-Tarife erreichen werden“, sagte Christiane Fraiss. Die Studie zeige „sehr schön, was das mit unserem Netz macht“.

Der Paragraf 14a sei ein toller erster Schritt. „Wir brauchen perspektivisch eine Antwort aus dem Netz, wie wir mit dem Ausbaubedarf, der sich möglicherweise eben aus Börsenstrom-Impulsen ergibt, umgehen“, so Fraiss. Bei Enercity habe man sich auf den Weg der Digitalisierung gemacht.

Zuspruch zu dem Papier, aber auch Bedenken daran kamen von Peter Ugolini-Schmidt von den Elektrizitätswerken Schönau (EWS). „Ich bin hin- und hergerissen“, sagte er. Was er auch begrüßte: Die Studie räume mit Mythen auf, „wir müssen nicht bei den Kleinstverbrauchern, wo nichts zu schieben ist, schieben“.

Auch für die EWS ist die Zukunft, wie sie die Agora entwirft, noch ein großes Stück entfernt. „Wir haben noch keinen dynamischen Tarif“, sagte Ugolini-Schmidt. „Ein dynamischer Tarif macht nur Sinn, wenn ich die Infrastruktur dafür habe, da sind wir beim Smart Meter.“ EWS habe solche Geräte in Pilotprojekten verbaut. Doch die Daten hätten noch nicht die Qualität, die man „für eine saubere Abrechnung“ benötige. „Das hängt ein Stück weit mit der technischen Anbindung zusammen.“

Die Studie „Haushaltsnahe Flexibilitäten nutzen. Wie Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Co. die Stromkosten für alle senken können“ stellt Agora Energiewende auf ihrer Internetseite zum Download bereit. 

Mittwoch, 31.01.2024, 17:37 Uhr
Manfred Fischer

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