E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Klimaschutz - Abscheiden, einlagern, weiterverwerten
Quelle: Fotolia / frenta
Klimaschutz

Abscheiden, einlagern, weiterverwerten

Die europäische Industrie wird auf absehbare Zeit nicht ohne fossile Energie auskommen. In Brüssel überlegt man, wie man mit dem entstehenden Kohlendioxid umgehen soll.
Ab 2050 sollen in der EU keine Klimagase mehr in die Atmosphäre entweichen. Das bedeutet aber nicht, dass die Industrie oder die Energiewirtschaft vollständig auf den Einsatz fossiler Energie verzichten können. Das dabei entstehenden CO2 soll nach Ansicht der EU-Kommission abgeschieden und eingelagert oder in anderen industriellen Prozessen verwendet werden. CO2, das in die Atmosphäre entweicht, müsse dieser wieder entzogen und dauerhaft eingelagert werden, heißt es in einer Mitteilung, die die Kommission am 6. Februar veröffentlicht hat.

Darin entwirft sie den Aufbau einer kompletten CO2-Lieferkette in den nächsten Jahren: Kohlendioxid, das in chemischen Fabriken, Zement- oder Kraftwerken entsteht, würde mit entsprechenden Anlagen aufgefangen, über Pipelines, per Schiff, Bahn oder Lkw weiter transportiert und am Ende entweder verarbeitet oder in geologisch geeigneten Endlagern deponiert.

Um ihre Klimaziele zu erreichen, müsse die EU bis 2030 in der Lage sein, mindestens 50 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abzuscheiden. Diese Kapazität müsse bis 2050 auf 450 Millionen Tonnen erhöht werden, heißt es in der Mitteilung. Ab 2040 müssten im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR: EU, Norwegen, Island, Liechtenstein) mindestens 200 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr deponiert werden.

Einlagerung in geologischen Formationen

Langfristig erwartet die Kommission, dass die EU einen Ausgleich für mindestens 400 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr finden muss, die in der Industrie, der Landwirtschaft, dem Luftverkehr und an anderer Stelle unvermeidbar sind. Dabei sollen auch „natürliche“ Lösungen (BioCCS) eine Rolle spielen. Die Kommission geht davon aus, dass in Kraftwerken, die fossile Brennstoffe oder Biomasse einsetzen, auch 2050 noch mindestens 100 Millionen Tonnen CO2 anfallen.

Etwas mehr Kohlendioxid entstehe bei industriellen Prozessen, zum Beispiel in der chemischen Industrie. „100 bis 200 Millionen Tonnen CO2 müssen der Atmosphäre direkt entzogen werden.“ Der größte Teil des abgeschiedenen und aufgefangenen CO2 soll in geologischen Formationen gelagert werden, die dafür geeignet sind. Ein wachsender Teil des verbleibenden CO2 könne zur Herstellung neuer Produkte verwendet werden. Möglichkeiten dafür sieht man in Brüssel bei der Herstellung neuartiger Baustoffe, synthetischer Kraftstoffe und von Chemikalien.

Bislang setzen 20 Mitgliedsstaaten der EU bei der Erreichung ihrer Klimaziele auf die Einlagerung (CCS) und/oder die Verwendung (CCU) von Kohlendioxid. Dazu gehöre auch Deutschland. Am weitesten fortgeschritten sind Pläne zur Einlagerung von CO2 in Dänemark und den Niederlanden, die den Einsatz von CCS auch staatlich fördern. Ein wachsendes Interesse seitens der Industrie gebe es auch in Frankreich, Deutschland und Österreich, schreibt die Kommission.

Auf europäischer Ebene stelle der Emissionshandel (ETS) einen wichtigen Anreiz zum Einsatz von CCS und CCU dar. Die Beihilferegeln der Union erlaubten es den Mitgliedsstaaten, ihren Einsatz finanziell zu fördern. Nach der Netto-Null-Industrie-Verordnung gelten CCS und CCU als „strategische Technologien“, die schneller genehmigt werden. Die technologischen Lösungen, CO2 aufzufangen, sind nach Ansicht der Kommission verfügbar, ihr industrieller Einsatz stehe aber erst am Anfang.

Potentielle Lagerstätten seien grundsätzlich bekannt, müssten aber noch zu einsatzfähigen Deponien ausgebaut werden. Dafür seien erhebliche Investitionen nötig, auch für den Aufbau einer Transport-Infrastruktur. Außerdem müsse die Öffentlichkeit davon überzeugt werden, dass CCS eine zuverlässige Lösung für das Klima sei.

Milliardeninvestitionen erforderlich

Die größte Herausforderung stelle die Aufgabe dar, aus der CO2-Verwertung und -Entsorgung ein Geschäft zu machen. Immerhin kostet es zwischen 13 und 103 Euro, eine Tonne industrielles CO2 aufzufangen. Hinzu kommen Transport und Lagerung.

Benötigt werde eine Regulierung für die gesamte Wertschöpfungskette, die den besonderen Risiken der Branche Rechnung trage. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Haftung für Lecks in den Leitungen und Speichern oder die Abstimmung bei grenzüberschreitenden Projekten: „Die Abscheidung und Einlagerung von CO2 muss von allen Regierungen in der EU als legitime und notwendige Option zur Dekarbonisierung anerkannt werden.“

Ziel der Kommission ist ein Binnenmarkt für CO2 mit einheitlicher Regulierung. Der Aufbau der CO2-Lieferkette erfordert allerdings Investitionen in Milliardenhöhe, die vor allem von der Industrie aufgebracht werden sollen. Alleine für die bis 2030 anvisierten Deponien für 50 Millionen Tonnen CO2 veranschlagt die Kommission Investitionen von 3 Milliarden Euro. Hinzu kommen 12,2 Milliarden Euro für die Transport-Infrastruktur. Bis 2040 kämen weitere 16 Milliarden Euro hinzu.

Die ersten Projekte könnten sicher nicht ohne eine öffentliche Anschubfinanzierung realisiert werden. Aber dafür stünden im Innovationsfonds der EU 3,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Am Ende sollen CCS, CCU und der Transport von Kohlendioxid kreuz und quer durch Europa ein großes Geschäft werden. Die Beamten der Kommission haben ausgerechnet, dass sich die Umsätze der künftigen CO2-Branche zwischen 45 und 100 Milliarden Euro bewegen könnten. Das könne die Grundlage für bis zu 170.000 neue Arbeitsplätze werden.

Dienstag, 6.02.2024, 14:42 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Klimaschutz - Abscheiden, einlagern, weiterverwerten
Quelle: Fotolia / frenta
Klimaschutz
Abscheiden, einlagern, weiterverwerten
Die europäische Industrie wird auf absehbare Zeit nicht ohne fossile Energie auskommen. In Brüssel überlegt man, wie man mit dem entstehenden Kohlendioxid umgehen soll.
Ab 2050 sollen in der EU keine Klimagase mehr in die Atmosphäre entweichen. Das bedeutet aber nicht, dass die Industrie oder die Energiewirtschaft vollständig auf den Einsatz fossiler Energie verzichten können. Das dabei entstehenden CO2 soll nach Ansicht der EU-Kommission abgeschieden und eingelagert oder in anderen industriellen Prozessen verwendet werden. CO2, das in die Atmosphäre entweicht, müsse dieser wieder entzogen und dauerhaft eingelagert werden, heißt es in einer Mitteilung, die die Kommission am 6. Februar veröffentlicht hat.

Darin entwirft sie den Aufbau einer kompletten CO2-Lieferkette in den nächsten Jahren: Kohlendioxid, das in chemischen Fabriken, Zement- oder Kraftwerken entsteht, würde mit entsprechenden Anlagen aufgefangen, über Pipelines, per Schiff, Bahn oder Lkw weiter transportiert und am Ende entweder verarbeitet oder in geologisch geeigneten Endlagern deponiert.

Um ihre Klimaziele zu erreichen, müsse die EU bis 2030 in der Lage sein, mindestens 50 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abzuscheiden. Diese Kapazität müsse bis 2050 auf 450 Millionen Tonnen erhöht werden, heißt es in der Mitteilung. Ab 2040 müssten im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR: EU, Norwegen, Island, Liechtenstein) mindestens 200 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr deponiert werden.

Einlagerung in geologischen Formationen

Langfristig erwartet die Kommission, dass die EU einen Ausgleich für mindestens 400 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr finden muss, die in der Industrie, der Landwirtschaft, dem Luftverkehr und an anderer Stelle unvermeidbar sind. Dabei sollen auch „natürliche“ Lösungen (BioCCS) eine Rolle spielen. Die Kommission geht davon aus, dass in Kraftwerken, die fossile Brennstoffe oder Biomasse einsetzen, auch 2050 noch mindestens 100 Millionen Tonnen CO2 anfallen.

Etwas mehr Kohlendioxid entstehe bei industriellen Prozessen, zum Beispiel in der chemischen Industrie. „100 bis 200 Millionen Tonnen CO2 müssen der Atmosphäre direkt entzogen werden.“ Der größte Teil des abgeschiedenen und aufgefangenen CO2 soll in geologischen Formationen gelagert werden, die dafür geeignet sind. Ein wachsender Teil des verbleibenden CO2 könne zur Herstellung neuer Produkte verwendet werden. Möglichkeiten dafür sieht man in Brüssel bei der Herstellung neuartiger Baustoffe, synthetischer Kraftstoffe und von Chemikalien.

Bislang setzen 20 Mitgliedsstaaten der EU bei der Erreichung ihrer Klimaziele auf die Einlagerung (CCS) und/oder die Verwendung (CCU) von Kohlendioxid. Dazu gehöre auch Deutschland. Am weitesten fortgeschritten sind Pläne zur Einlagerung von CO2 in Dänemark und den Niederlanden, die den Einsatz von CCS auch staatlich fördern. Ein wachsendes Interesse seitens der Industrie gebe es auch in Frankreich, Deutschland und Österreich, schreibt die Kommission.

Auf europäischer Ebene stelle der Emissionshandel (ETS) einen wichtigen Anreiz zum Einsatz von CCS und CCU dar. Die Beihilferegeln der Union erlaubten es den Mitgliedsstaaten, ihren Einsatz finanziell zu fördern. Nach der Netto-Null-Industrie-Verordnung gelten CCS und CCU als „strategische Technologien“, die schneller genehmigt werden. Die technologischen Lösungen, CO2 aufzufangen, sind nach Ansicht der Kommission verfügbar, ihr industrieller Einsatz stehe aber erst am Anfang.

Potentielle Lagerstätten seien grundsätzlich bekannt, müssten aber noch zu einsatzfähigen Deponien ausgebaut werden. Dafür seien erhebliche Investitionen nötig, auch für den Aufbau einer Transport-Infrastruktur. Außerdem müsse die Öffentlichkeit davon überzeugt werden, dass CCS eine zuverlässige Lösung für das Klima sei.

Milliardeninvestitionen erforderlich

Die größte Herausforderung stelle die Aufgabe dar, aus der CO2-Verwertung und -Entsorgung ein Geschäft zu machen. Immerhin kostet es zwischen 13 und 103 Euro, eine Tonne industrielles CO2 aufzufangen. Hinzu kommen Transport und Lagerung.

Benötigt werde eine Regulierung für die gesamte Wertschöpfungskette, die den besonderen Risiken der Branche Rechnung trage. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Haftung für Lecks in den Leitungen und Speichern oder die Abstimmung bei grenzüberschreitenden Projekten: „Die Abscheidung und Einlagerung von CO2 muss von allen Regierungen in der EU als legitime und notwendige Option zur Dekarbonisierung anerkannt werden.“

Ziel der Kommission ist ein Binnenmarkt für CO2 mit einheitlicher Regulierung. Der Aufbau der CO2-Lieferkette erfordert allerdings Investitionen in Milliardenhöhe, die vor allem von der Industrie aufgebracht werden sollen. Alleine für die bis 2030 anvisierten Deponien für 50 Millionen Tonnen CO2 veranschlagt die Kommission Investitionen von 3 Milliarden Euro. Hinzu kommen 12,2 Milliarden Euro für die Transport-Infrastruktur. Bis 2040 kämen weitere 16 Milliarden Euro hinzu.

Die ersten Projekte könnten sicher nicht ohne eine öffentliche Anschubfinanzierung realisiert werden. Aber dafür stünden im Innovationsfonds der EU 3,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Am Ende sollen CCS, CCU und der Transport von Kohlendioxid kreuz und quer durch Europa ein großes Geschäft werden. Die Beamten der Kommission haben ausgerechnet, dass sich die Umsätze der künftigen CO2-Branche zwischen 45 und 100 Milliarden Euro bewegen könnten. Das könne die Grundlage für bis zu 170.000 neue Arbeitsplätze werden.

Dienstag, 6.02.2024, 14:42 Uhr
Tom Weingärtner

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.