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Energie & Management > Windkraft Onshore - 2022 alle Windräder im Umkreis von Drehfunkfeuern genehmigt
Quelle: Fotolia / Mellimage
Windkraft Onshore

2022 alle Windräder im Umkreis von Drehfunkfeuern genehmigt

Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat im vergangenen Jahr allen Anträgen auf Errichtung von Windenergieanlagen in Anlagenschutzbereichen zugestimmt.
Im Jahr 2022 sind alle 41 Anträge, insgesamt 119 Windenergieanlagen im Anlagenschutzbereich von Drehfunkfeuern zu errichten, vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) genehmigt worden. Das steht in einem siebenseitigen Fortschrittsbericht "über Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Windenergieanlagen an Land und dem Betrieb von Drehfunkfeuern", den das Wirtschaftsministerium für die Bundesregierung am 22. Dezember dem Bundestag erstattete. Dazu ist sie laut dem neuen Paragrafen 99a EEG verpflichtet.

Der Klima- und Energieausschuss trat am 9. Januar erstmals seit 14. Dezember zu einer (Sonder-)Sitzung zusammen, behandelt aber diesen Bericht nicht, sondern erörtert nur die Lage der Ölraffinerie im brandenburgischen Schwedt. Das Plenum kommt am 18. Januar aus der Winterpause zurück.

Hintergrund ist eine Einigung zwischen Wirtschafts- und Verkehrsressort vom April 2022 auf verschiedene Maßnahmen, um der Windkraft im Anlagenschutzbereich von Drehfunkfeuern höhere Genehmigungschancen einzuräumen und trotzdem die Luftfahrtsicherheit aufrechtzuerhalten. 

Drehfunkfeuer zählen zu den Navigationshilfen für Piloten. Ihre Fähigkeit, zur Berechnung korrekter Flugrichtungsvektoren richtige Funksignale zu senden, wird durch die Topographie und durch künstliche Hindernisse wie etwa Windenergieanlagen mehr oder weniger gestört. 

Gleichwohl sollen die EU-Länder ohnehin die meisten (terrestrischen) Drehfunkfeuer abbauen und ihren Flugbetrieb weiter auf modernere satellitengestützte Navigation (GNSS) umstellen. Mit ihr gibt es gar keinen Nutzungskonflikt mit der Windkraft. Es soll nur für den Ausfall oder die mutwillige Störung (Jamming) der Satellitennavigation sowie für nicht umstellbare Flugzeuge ein redundantes, grobmaschiges Netz an Stationen übrig bleiben.

Bislang betreibt die Deutsche Flugsicherung (DFS) 52 Drehfunkfeuer. Davon sind 40 modernere Doppler-Drehfunkfeuer (DVOR, Doppler Very High Frequency Omnidirectional Range) und zwölf ältere konventionelle Drehfunkfeuer (CVOR, Conventional Very High Frequency Omnidirectional Range). Seit 2020 waren 13 Standorte stillgelegt worden, seit 2022 sollten es drei weitere sein. Ob dies geschehen ist, stand in dem Bericht nicht. Bis 2030 will die DFS auf 30 bis 35 Drehfunkfeuer heruntergehen.

Bei den DVOR ließen sich nach einem Bericht der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) vom August 2022 − im Gegensatz zu den CVOR - die Anlagenschutzbereiche bei bisher 36 Drehfunkfeuern von 15 auf 7 Kilometer Radius oder um 19.000 Quadratkilometer verringern. Das reduzierte den Konkurrenzbereich um 101 Quadratkilometer von 118 Quadratkilometern, also fast vollständig. Bis Jahreswechsel sollten auch die restlichen vier DVOR fertiggeprüft werden − dieses Ergebnis lag für den Bericht noch nicht vor.

700 MW mehr durch modernere Funkfeuer

Weitere Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit sind:
  • bis 2025 acht CVOR auf DVOR umzurüsten, um den Störeffekt zu mindern und damit den Anlagenschutzradius verkleinern zu können. Ein solches Projekt wird vom Wirtschaftsministerium gefördert. Insgesamt ermöglicht eine derartige Umrüstung 700 MW installierte Windkraft-Leistung, heißt es in dem Bericht.
  • die Stör-Obergrenze bei der Funknavigation ("Winkelfehler") von 3,0 Grad auf 3,6 Grad anzuheben − dies wird seit 1. August 2022 angewendet,
  • den "Eigenfehler" der Drehfunkfeuer zu reduzieren, der Teil der Stör-Obergrenze wird. Die DFS hält zunächst eine Minderung von 2,0 Grad auf zunächst 1,5 Grad für möglich. Diese wird ebenfalls seit 1. August bei der Berechnung angewendet. Zusammengenommen erhöht sich damit das Störbudget bei DVOR um 1,1 Grad auf 2,1 Grad und bei CVOR um 0,6 Grad auf 1,6 Grad. Das Ministerium rechnet mit einer "deutlich" erhöhten Genehmigungswahrscheinlichkeit, quantifiziert den Effekt aber nicht näher.
  • die Erforschung einer Alternative zur Kreisflugmethode, um die Vorbelastung durch die Topografie und Alt-Hindernisse bei Windprojekten zu bestimmen. Die PTB hält diese nach einer Messkampagne für ungeeignet. Sie plant, im dritten Quartal 2023 erste Ergebnisse zur Bewertung der Alternative vorzulegen. Die Erweiterung des entsprechenden Forschungsprojekts "Weran plus" wird ebenfalls vom Ministerium gefördert.
Eigentlich ein Einbruch um die Hälfte - was das Ministerium sagt

Seit Mitte 2020, seit die neue DVOR-Störformel angewendet wird, stimmte das BAF bis zum Spätjahr 2022 bei Anträgen für 429 von 448 Windrädern zu, diese in Anlagenschutzbereichen errichten - eine Quote von 95 Prozent, im Jahr 2020 von 100 Prozent.

Das heißt, bereits vor 2022 wurden dort innerhalb von anderthalb Jahren 329 Windenergieanlagen genehmigt. Davon wären bei angenommener gleichmäßiger Entwicklung auf 2021 grob 220 Windräder entfallen. Das wiederum würde bedeuten, dass der Zubau im Radius der Drehfunkfeuer 2022 um fast die Hälfte gesunken ist - Stichwort "Fortschrittsbericht".

Das Wirtschaftsministerium dementierte die Hochrechnung dieser Redaktion auf Anfrage nicht. Es äußerte aber die Vermutung, dass durch die Reduzierung der Anlagenschutzbereiche und den Abbau von Drehfeuern künftig etliche Windparkprojekte keine luftfahrtrechtliche Genehmigung mehr benötigen.

Noch nicht enthalten waren in dem Bericht die Fortschritte der Windkraft im Bereich seismologischer Messstationen und Wetterradare. Hierüber werde erst Ende 2023 ein Bericht vorgelegt, kündigte das Ministerium an, da das EEG 2023 mit dem Paragrafen 99a erst am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist.

Montag, 9.01.2023, 16:03 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Windkraft Onshore - 2022 alle Windräder im Umkreis von Drehfunkfeuern genehmigt
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Windkraft Onshore
2022 alle Windräder im Umkreis von Drehfunkfeuern genehmigt
Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat im vergangenen Jahr allen Anträgen auf Errichtung von Windenergieanlagen in Anlagenschutzbereichen zugestimmt.
Im Jahr 2022 sind alle 41 Anträge, insgesamt 119 Windenergieanlagen im Anlagenschutzbereich von Drehfunkfeuern zu errichten, vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) genehmigt worden. Das steht in einem siebenseitigen Fortschrittsbericht "über Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Windenergieanlagen an Land und dem Betrieb von Drehfunkfeuern", den das Wirtschaftsministerium für die Bundesregierung am 22. Dezember dem Bundestag erstattete. Dazu ist sie laut dem neuen Paragrafen 99a EEG verpflichtet.

Der Klima- und Energieausschuss trat am 9. Januar erstmals seit 14. Dezember zu einer (Sonder-)Sitzung zusammen, behandelt aber diesen Bericht nicht, sondern erörtert nur die Lage der Ölraffinerie im brandenburgischen Schwedt. Das Plenum kommt am 18. Januar aus der Winterpause zurück.

Hintergrund ist eine Einigung zwischen Wirtschafts- und Verkehrsressort vom April 2022 auf verschiedene Maßnahmen, um der Windkraft im Anlagenschutzbereich von Drehfunkfeuern höhere Genehmigungschancen einzuräumen und trotzdem die Luftfahrtsicherheit aufrechtzuerhalten. 

Drehfunkfeuer zählen zu den Navigationshilfen für Piloten. Ihre Fähigkeit, zur Berechnung korrekter Flugrichtungsvektoren richtige Funksignale zu senden, wird durch die Topographie und durch künstliche Hindernisse wie etwa Windenergieanlagen mehr oder weniger gestört. 

Gleichwohl sollen die EU-Länder ohnehin die meisten (terrestrischen) Drehfunkfeuer abbauen und ihren Flugbetrieb weiter auf modernere satellitengestützte Navigation (GNSS) umstellen. Mit ihr gibt es gar keinen Nutzungskonflikt mit der Windkraft. Es soll nur für den Ausfall oder die mutwillige Störung (Jamming) der Satellitennavigation sowie für nicht umstellbare Flugzeuge ein redundantes, grobmaschiges Netz an Stationen übrig bleiben.

Bislang betreibt die Deutsche Flugsicherung (DFS) 52 Drehfunkfeuer. Davon sind 40 modernere Doppler-Drehfunkfeuer (DVOR, Doppler Very High Frequency Omnidirectional Range) und zwölf ältere konventionelle Drehfunkfeuer (CVOR, Conventional Very High Frequency Omnidirectional Range). Seit 2020 waren 13 Standorte stillgelegt worden, seit 2022 sollten es drei weitere sein. Ob dies geschehen ist, stand in dem Bericht nicht. Bis 2030 will die DFS auf 30 bis 35 Drehfunkfeuer heruntergehen.

Bei den DVOR ließen sich nach einem Bericht der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) vom August 2022 − im Gegensatz zu den CVOR - die Anlagenschutzbereiche bei bisher 36 Drehfunkfeuern von 15 auf 7 Kilometer Radius oder um 19.000 Quadratkilometer verringern. Das reduzierte den Konkurrenzbereich um 101 Quadratkilometer von 118 Quadratkilometern, also fast vollständig. Bis Jahreswechsel sollten auch die restlichen vier DVOR fertiggeprüft werden − dieses Ergebnis lag für den Bericht noch nicht vor.

700 MW mehr durch modernere Funkfeuer

Weitere Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit sind:
  • bis 2025 acht CVOR auf DVOR umzurüsten, um den Störeffekt zu mindern und damit den Anlagenschutzradius verkleinern zu können. Ein solches Projekt wird vom Wirtschaftsministerium gefördert. Insgesamt ermöglicht eine derartige Umrüstung 700 MW installierte Windkraft-Leistung, heißt es in dem Bericht.
  • die Stör-Obergrenze bei der Funknavigation ("Winkelfehler") von 3,0 Grad auf 3,6 Grad anzuheben − dies wird seit 1. August 2022 angewendet,
  • den "Eigenfehler" der Drehfunkfeuer zu reduzieren, der Teil der Stör-Obergrenze wird. Die DFS hält zunächst eine Minderung von 2,0 Grad auf zunächst 1,5 Grad für möglich. Diese wird ebenfalls seit 1. August bei der Berechnung angewendet. Zusammengenommen erhöht sich damit das Störbudget bei DVOR um 1,1 Grad auf 2,1 Grad und bei CVOR um 0,6 Grad auf 1,6 Grad. Das Ministerium rechnet mit einer "deutlich" erhöhten Genehmigungswahrscheinlichkeit, quantifiziert den Effekt aber nicht näher.
  • die Erforschung einer Alternative zur Kreisflugmethode, um die Vorbelastung durch die Topografie und Alt-Hindernisse bei Windprojekten zu bestimmen. Die PTB hält diese nach einer Messkampagne für ungeeignet. Sie plant, im dritten Quartal 2023 erste Ergebnisse zur Bewertung der Alternative vorzulegen. Die Erweiterung des entsprechenden Forschungsprojekts "Weran plus" wird ebenfalls vom Ministerium gefördert.
Eigentlich ein Einbruch um die Hälfte - was das Ministerium sagt

Seit Mitte 2020, seit die neue DVOR-Störformel angewendet wird, stimmte das BAF bis zum Spätjahr 2022 bei Anträgen für 429 von 448 Windrädern zu, diese in Anlagenschutzbereichen errichten - eine Quote von 95 Prozent, im Jahr 2020 von 100 Prozent.

Das heißt, bereits vor 2022 wurden dort innerhalb von anderthalb Jahren 329 Windenergieanlagen genehmigt. Davon wären bei angenommener gleichmäßiger Entwicklung auf 2021 grob 220 Windräder entfallen. Das wiederum würde bedeuten, dass der Zubau im Radius der Drehfunkfeuer 2022 um fast die Hälfte gesunken ist - Stichwort "Fortschrittsbericht".

Das Wirtschaftsministerium dementierte die Hochrechnung dieser Redaktion auf Anfrage nicht. Es äußerte aber die Vermutung, dass durch die Reduzierung der Anlagenschutzbereiche und den Abbau von Drehfeuern künftig etliche Windparkprojekte keine luftfahrtrechtliche Genehmigung mehr benötigen.

Noch nicht enthalten waren in dem Bericht die Fortschritte der Windkraft im Bereich seismologischer Messstationen und Wetterradare. Hierüber werde erst Ende 2023 ein Bericht vorgelegt, kündigte das Ministerium an, da das EEG 2023 mit dem Paragrafen 99a erst am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist.

Montag, 9.01.2023, 16:03 Uhr
Georg Eble

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