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Energie & Management > Österreich - Wirtschaftskammer: Internationaler Gasleitungs-Ausbau dringend
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich

Wirtschaftskammer: Internationaler Gasleitungs-Ausbau dringend

Österreichs bestehende Pipelines sind zu sehr auf Importe aus Russland ausgerichtet, hieß es bei einem Hintergrundgespräch. Nötig sei die Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien.
 
Die Wirtschaftskammer (WKÖ) befürchtet neuerlich steigende Gaspreise infolge der wieder anziehenden Nachfrage nach LNG in China, hieß es bei einem Hintergrundgespräch in Wien am 2. März. Als weiteres Problem für die Gasversorgung der Unternehmen erachtet die Kammer die einseitige Ausrichtung der österreichischen Pipelines auf Importe aus Russland. Diese könnten aus politischen Gründen auch seitens der EU unterbrochen werden.

Dringend nötig ist aus Sicht der WKÖ daher der Ausbau von Leitungen, mit denen Gas aus anderen Regionen importiert werden kann. In einem Zuge sollten die betreffenden Pipelines wie die West-Austria-Gasleitung (WAG) vom Knoten Baumgarten rund 40 Kilometer nordöstlich von Wien nach Oberkappel an der Grenze zu Bayern für den Transport von Wasserstoff fit gemacht werden. Bestehende diesbezügliche Pläne und Projekte der Gasindustrie begrüßt die Kammer.

Kritik übt die WKÖ indessen an der Bundesregierung: Im Rahmen des Programms RepowerEU seien rund 10 Milliarden Euro für den Bau von Gasleitungen zur Verfügung gestanden. Die Regierung habe indessen versäumt, einen Teil dieser Mittel für Österreich in Anspruch zu nehmen. Notwendig wäre der WKÖ zufolge auch, Leitungsengpässe in Deutschland und Italien zu beseitigen, die die Versorgung Österreichs behindern. Leider sei von diesbezüglichen Gesprächen seitens der Bundesregierung mit den einschlägigen Stellen in den betreffenden Ländern bis dato nichts bekannt. Dabei wird Italien nach Ansicht der Kammer der wichtigste Partner Österreichs bei den längerfristig unverzichtbaren Einfuhren von Wasserstoff sein.

Russisches Gas bleibt wichtig

Für wenig realistisch hält die WKÖ Feststellungen des Energieministeriums (BMK), nach denen die Gasimporte aus Russland im Jahr 2022 von vormals rund 80 Prozent auf 23 Prozent der Gesamteinfuhren gesunken sind. Das kann den Informationen der Kammer zufolge allenfalls für sehr kurze Zeit der Fall gewesen sein. Außerdem handle es sich offenbar um eine kommerzielle Betrachtung, nicht jedoch um den letztlich entscheidenden Verlauf der physischen Gasflüsse.

Schon in der Vergangenheit hatten österreichische Unternehmen Gas unter anderem in Norwegen gekauft. Aus netztechnischen Gründen tauschten die norwegischen Lieferanten die entsprechenden Mengen indessen mit der russischen Gasprom ab, die diese auf der üblichen Route über die Bratstwo-Leitung nach Baumgarten lieferte. Ähnliche Operationen erfolgten nach Angaben der WKÖ auch in den vergangenen Monaten und trugen zum nominellen Absinken der Einfuhren aus Russland bei.

Gestützt auf Daten der für die übergeordnete Netzsteuerung zuständigen Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) geht die WKÖ davon aus, dass sich Österreich 2022 insgesamt zu rund 70 Prozent mit russischem Gas versorgte. Dies deckt sich weitgehend mit Angaben, die die AGGM Mitte Januar 2023 selbst gemacht hatte. Ohnehin stellt sich für die WKÖ die Frage, ob Österreich vollständig auf russisches Gas verzichten kann. Auf absehbare Zeit hält sie dies für unrealistisch.

„Grünes“ Gas auch für Raumwärme

Das geplante Erneuerbare-Gase-Gesetz sieht die WKÖ grundsätzlich positiv. Bedenken hegt sie hinsichtlich der Ausgleichzahlungen. Diese werden fällig, wenn ein Versorger den ihm vorgeschriebenen Anteil „grüner“ Gase an der an Endkunden verkauften Menge nicht erreicht. Die Zahlungen belaufen sich auf 200 Euro/MWh. Laut der WKÖ könnte sich durch die Weiterverrechnung der Zahlungen samt einem Gewinnaufschlag für die Endkunden ein Gaspreis von rund 250 Euro/MWh ergeben, was für die Industrie nicht tragbar wäre. Diesbezüglich sei „Flexibilität“ gefragt. Notwendig ist laut der WKÖ ferner, „grüne“ Gase von der Erdgasabgabe sowie von der CO2-Besteuerung zu befreien.

Unverständlich ist der WKÖ zufolge, warum die Bundesregierung den Einsatz solcher Gase im Raumwärmesektor verbieten möchte. Dies ist im Entwurf zum Erneuerbare-Wärme-Gesetz vorgesehen, der sich in parlamentarischer Behandlung befindet. Österreich könne ohnehin nicht genug „grüne“ Gase erzeugen, um seinen Gesamtbedarf zu decken. Wenn aber Importe somit unverzichtbar seien, spreche nichts dagegen, etwas größere Mengen einzuführen, um auch den Bedarf für die Raumwärme zu decken, konstatiert die WKÖ.

Nur ein Problem mit dem Klimaschutzgesetz

Mit dem seit zwei Jahren überfälligen neue Klimaschutzgesetz schließlich hat WKÖ nach eigenen Angaben nur ein wirkliches Problem. Dieses besteht in der Absicht des Energieministeriums, ein Individualrecht auf Klagen zur Einführung von Klimaschutzmaßnahmen zu etablieren. Staatlich anerkannte Umweltorganisationen könnten dieses Recht unter anderem nutzen, um die Senkung von Emissionsgrenzwerten für Unternehmen gerichtlich durchzusetzen. Dies bringe massive Rechtsunsicherheit für die Wirtschaft mit sich. Im schlimmsten Fall müssten Betriebe nach entsprechenden Gerichtsurteilen geschlossen werden. Und das könne nicht in Frage kommen.

Freitag, 3.03.2023, 11:30 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Wirtschaftskammer: Internationaler Gasleitungs-Ausbau dringend
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich
Wirtschaftskammer: Internationaler Gasleitungs-Ausbau dringend
Österreichs bestehende Pipelines sind zu sehr auf Importe aus Russland ausgerichtet, hieß es bei einem Hintergrundgespräch. Nötig sei die Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien.
 
Die Wirtschaftskammer (WKÖ) befürchtet neuerlich steigende Gaspreise infolge der wieder anziehenden Nachfrage nach LNG in China, hieß es bei einem Hintergrundgespräch in Wien am 2. März. Als weiteres Problem für die Gasversorgung der Unternehmen erachtet die Kammer die einseitige Ausrichtung der österreichischen Pipelines auf Importe aus Russland. Diese könnten aus politischen Gründen auch seitens der EU unterbrochen werden.

Dringend nötig ist aus Sicht der WKÖ daher der Ausbau von Leitungen, mit denen Gas aus anderen Regionen importiert werden kann. In einem Zuge sollten die betreffenden Pipelines wie die West-Austria-Gasleitung (WAG) vom Knoten Baumgarten rund 40 Kilometer nordöstlich von Wien nach Oberkappel an der Grenze zu Bayern für den Transport von Wasserstoff fit gemacht werden. Bestehende diesbezügliche Pläne und Projekte der Gasindustrie begrüßt die Kammer.

Kritik übt die WKÖ indessen an der Bundesregierung: Im Rahmen des Programms RepowerEU seien rund 10 Milliarden Euro für den Bau von Gasleitungen zur Verfügung gestanden. Die Regierung habe indessen versäumt, einen Teil dieser Mittel für Österreich in Anspruch zu nehmen. Notwendig wäre der WKÖ zufolge auch, Leitungsengpässe in Deutschland und Italien zu beseitigen, die die Versorgung Österreichs behindern. Leider sei von diesbezüglichen Gesprächen seitens der Bundesregierung mit den einschlägigen Stellen in den betreffenden Ländern bis dato nichts bekannt. Dabei wird Italien nach Ansicht der Kammer der wichtigste Partner Österreichs bei den längerfristig unverzichtbaren Einfuhren von Wasserstoff sein.

Russisches Gas bleibt wichtig

Für wenig realistisch hält die WKÖ Feststellungen des Energieministeriums (BMK), nach denen die Gasimporte aus Russland im Jahr 2022 von vormals rund 80 Prozent auf 23 Prozent der Gesamteinfuhren gesunken sind. Das kann den Informationen der Kammer zufolge allenfalls für sehr kurze Zeit der Fall gewesen sein. Außerdem handle es sich offenbar um eine kommerzielle Betrachtung, nicht jedoch um den letztlich entscheidenden Verlauf der physischen Gasflüsse.

Schon in der Vergangenheit hatten österreichische Unternehmen Gas unter anderem in Norwegen gekauft. Aus netztechnischen Gründen tauschten die norwegischen Lieferanten die entsprechenden Mengen indessen mit der russischen Gasprom ab, die diese auf der üblichen Route über die Bratstwo-Leitung nach Baumgarten lieferte. Ähnliche Operationen erfolgten nach Angaben der WKÖ auch in den vergangenen Monaten und trugen zum nominellen Absinken der Einfuhren aus Russland bei.

Gestützt auf Daten der für die übergeordnete Netzsteuerung zuständigen Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) geht die WKÖ davon aus, dass sich Österreich 2022 insgesamt zu rund 70 Prozent mit russischem Gas versorgte. Dies deckt sich weitgehend mit Angaben, die die AGGM Mitte Januar 2023 selbst gemacht hatte. Ohnehin stellt sich für die WKÖ die Frage, ob Österreich vollständig auf russisches Gas verzichten kann. Auf absehbare Zeit hält sie dies für unrealistisch.

„Grünes“ Gas auch für Raumwärme

Das geplante Erneuerbare-Gase-Gesetz sieht die WKÖ grundsätzlich positiv. Bedenken hegt sie hinsichtlich der Ausgleichzahlungen. Diese werden fällig, wenn ein Versorger den ihm vorgeschriebenen Anteil „grüner“ Gase an der an Endkunden verkauften Menge nicht erreicht. Die Zahlungen belaufen sich auf 200 Euro/MWh. Laut der WKÖ könnte sich durch die Weiterverrechnung der Zahlungen samt einem Gewinnaufschlag für die Endkunden ein Gaspreis von rund 250 Euro/MWh ergeben, was für die Industrie nicht tragbar wäre. Diesbezüglich sei „Flexibilität“ gefragt. Notwendig ist laut der WKÖ ferner, „grüne“ Gase von der Erdgasabgabe sowie von der CO2-Besteuerung zu befreien.

Unverständlich ist der WKÖ zufolge, warum die Bundesregierung den Einsatz solcher Gase im Raumwärmesektor verbieten möchte. Dies ist im Entwurf zum Erneuerbare-Wärme-Gesetz vorgesehen, der sich in parlamentarischer Behandlung befindet. Österreich könne ohnehin nicht genug „grüne“ Gase erzeugen, um seinen Gesamtbedarf zu decken. Wenn aber Importe somit unverzichtbar seien, spreche nichts dagegen, etwas größere Mengen einzuführen, um auch den Bedarf für die Raumwärme zu decken, konstatiert die WKÖ.

Nur ein Problem mit dem Klimaschutzgesetz

Mit dem seit zwei Jahren überfälligen neue Klimaschutzgesetz schließlich hat WKÖ nach eigenen Angaben nur ein wirkliches Problem. Dieses besteht in der Absicht des Energieministeriums, ein Individualrecht auf Klagen zur Einführung von Klimaschutzmaßnahmen zu etablieren. Staatlich anerkannte Umweltorganisationen könnten dieses Recht unter anderem nutzen, um die Senkung von Emissionsgrenzwerten für Unternehmen gerichtlich durchzusetzen. Dies bringe massive Rechtsunsicherheit für die Wirtschaft mit sich. Im schlimmsten Fall müssten Betriebe nach entsprechenden Gerichtsurteilen geschlossen werden. Und das könne nicht in Frage kommen.

Freitag, 3.03.2023, 11:30 Uhr
Klaus Fischer

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