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Energie & Management > Nordrhein-Westfalen - Urteil entzieht die Raumplanung politischer Willkür
Quelle: Fotolia / vege
Nordrhein-Westfalen

Urteil entzieht die Raumplanung politischer Willkür

Das Oberverwaltungsgericht für NRW und das Landesparlament haben große Hürden für die Erneuerbaren gekippt, die das frühere CDU-FDP-Bündnis im Landesentwicklungsplan aufgestellt hatte.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster hat am 21. März zwölf Ziele und Grundsätze eines Landesentwicklungsplans (LEP) von 2019, von denen einige faktisch die Erneuerbaren ausbremsten, für unwirksam erklärt.

Für den erfolgreichen Kläger, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sprach NRW-Geschäftsleiter Dirk Jansen gegenüber unserer Redaktion von einem „Urteil mit bundesweiter Signalwirkung“. Für die Raumplanung sei eine ernsthafte Abwägung erforderlich, sie dürfe nicht einfach landespolitischen Zielen folgen.

Ironie der Geschichte: Zufällig am selben Tag beschloss der NRW-Landtag mit den Stimmen von Schwarz-Grün einen neuen LEP, der die faktische Verhinderungsplanung der schwarz-gelben Vorgängerkoalition gegen die regenerativen Energien tilgt. Von der energiepolitischen Handschrift der FDP, die bis 2022 mit der CDU regiert hatte, bleibt damit an Rhein und Ruhr wenig übrig.

Mit der Ökopartei als neuem Juniorpartner der CDU werden etwa die windkraftkritischen Beschlüsse der vorigen Koalition rückgängig gemacht. Diese hatten zum Beispiel über den LEP 2019 Eingang in die Verwaltungspraxis gefunden. So hatte darin ein Ziel festgelegt, Windenergie in Waldgebieten nur in begründeten Ausnahmefällen zuzulassen – sofern zum Beispiel im Offenland keine Alternativstandorte möglich seien. Damit wurde der Wald de facto zur Windkraft-freien Zone erklärt.

Ein anderer Passus, gleichfalls von den Liberalen vorangetrieben, hatte den Abstand zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung auf 1.500 Meter festgelegt (wenngleich das NRW-Baugesetzbuch später die Distanz auf 1.000 Meter reduzierte). 

Im Landtag öffnete nun die Mehrheit aus neubesonnener CDU und Grünen die Wälder für Wind und schaffte starre Abstände ab. Sie orientiert sich dabei auch am neuen Flächenziel der Bundesregierung, das für NRW auf 1,8 Prozent des Gebiets Windkraft vorsieht.

Schwarz-Grün muss jetzt Farbe bekennen

Der 11. Senat des OVG attestierte den früheren planerischen Zielen und Grundsätzen handwerkliche, fachliche Mängel. Schon 2022 hatte es Regelungen zu einem weitergehenden Kiesabbau kassiert. Die Argumentation der Gegner damals wie heute lautete, dass andere betroffene Schutzgüter - Umwelt, Klima, unberührte Fläche - nicht ausreichend in die Abwägung eingeflossen waren.

Der BUND sieht laut NRW-Geschäftsleiter Dirk Jansen folglich in dem Urteil vom 21. März eine „grundsätzliche Bedeutung für die Aufstellung von Landesentwicklungsplänen“. Also auch für das, was Schwarz-Grün am selben Tag beschloss. Beziehungsweise für das, was die Koalition im LEP unverändert stehen lassen wollte.

Und hier sieht Jansen ein „dickes Pflichtenheft“ auf Alexandra Renz zukommen. Die Leitende Ministerialrätin im NRW-Wirtschaftsministerium, für das beklagte Land am OVG zugegen, hat schon für etliche Regierungen am LEP gestrickt. Das muss sie nun erneut, denn die aktuelle Regierung hat sich zu unwirksam erklärten Zielen neu zu positionieren: etwa zum Ausbau von Regionalflughäfen.

„Solche Festlegungen durch die Politik gehen nun nicht mehr so leicht wie in der Vergangenheit“, sagt Dirk Jansen. Er sieht das vom BUND angestrengte Normenkontrollverfahren als bundesweit einmalig an. Von sofort an seien in der Raumordnung eines Landes „vollständige Abwägungen“ erforderlich. „Eine ideologische Herangehensweise der Politik – nach dem Motto ‚Wir wollen das‘ – ist nunmehr unrechtmäßig und mit erheblichen Risiken verbunden“, sagt Dirk Jansen.

Erneuerbaren-Lobby weitgehend mit neuem LEP zufrieden

Die neuen Änderungen am LEP vom 21. März treffen derweil größtenteils auf Zustimmung des Branchenverbands LEE NRW. Die Erneuerbaren-Lobbyorganisation sieht damit die Umsetzung des Flächenziels schon 2025 auf einem guten Weg. Allerdings kritisiert LEE-Vorsitzender Hans-Josef Vogel, dass auf niedrigeren Verwaltungsebenen alte Hemmnisse neu auftauchen. Einige Regionalräte wollen in den sechs NRW-Planungsregionen den 1.000-Meter-Abstand wiedererstehen lassen.

Auch dürften Kommunen nun Windenergieanlagen nicht mehr in sogenannten „Bereichen zum Schutz der Natur“ (BSN) ausweisen. Das hält Vogel für unbegründet und kontraproduktiv.

Zudem hätte sich der LEE mehr Elan beim Ausbau der Freiflächen-Solarkraft gewünscht. Trotz positiver Ansätze werde „der Ausbau von Sonne, Wind und allen anderen regenerativen Energieträger im Land dennoch kein Selbstläufer“.

Donnerstag, 21.03.2024, 17:33 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Nordrhein-Westfalen - Urteil entzieht die Raumplanung politischer Willkür
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Nordrhein-Westfalen
Urteil entzieht die Raumplanung politischer Willkür
Das Oberverwaltungsgericht für NRW und das Landesparlament haben große Hürden für die Erneuerbaren gekippt, die das frühere CDU-FDP-Bündnis im Landesentwicklungsplan aufgestellt hatte.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster hat am 21. März zwölf Ziele und Grundsätze eines Landesentwicklungsplans (LEP) von 2019, von denen einige faktisch die Erneuerbaren ausbremsten, für unwirksam erklärt.

Für den erfolgreichen Kläger, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sprach NRW-Geschäftsleiter Dirk Jansen gegenüber unserer Redaktion von einem „Urteil mit bundesweiter Signalwirkung“. Für die Raumplanung sei eine ernsthafte Abwägung erforderlich, sie dürfe nicht einfach landespolitischen Zielen folgen.

Ironie der Geschichte: Zufällig am selben Tag beschloss der NRW-Landtag mit den Stimmen von Schwarz-Grün einen neuen LEP, der die faktische Verhinderungsplanung der schwarz-gelben Vorgängerkoalition gegen die regenerativen Energien tilgt. Von der energiepolitischen Handschrift der FDP, die bis 2022 mit der CDU regiert hatte, bleibt damit an Rhein und Ruhr wenig übrig.

Mit der Ökopartei als neuem Juniorpartner der CDU werden etwa die windkraftkritischen Beschlüsse der vorigen Koalition rückgängig gemacht. Diese hatten zum Beispiel über den LEP 2019 Eingang in die Verwaltungspraxis gefunden. So hatte darin ein Ziel festgelegt, Windenergie in Waldgebieten nur in begründeten Ausnahmefällen zuzulassen – sofern zum Beispiel im Offenland keine Alternativstandorte möglich seien. Damit wurde der Wald de facto zur Windkraft-freien Zone erklärt.

Ein anderer Passus, gleichfalls von den Liberalen vorangetrieben, hatte den Abstand zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung auf 1.500 Meter festgelegt (wenngleich das NRW-Baugesetzbuch später die Distanz auf 1.000 Meter reduzierte). 

Im Landtag öffnete nun die Mehrheit aus neubesonnener CDU und Grünen die Wälder für Wind und schaffte starre Abstände ab. Sie orientiert sich dabei auch am neuen Flächenziel der Bundesregierung, das für NRW auf 1,8 Prozent des Gebiets Windkraft vorsieht.

Schwarz-Grün muss jetzt Farbe bekennen

Der 11. Senat des OVG attestierte den früheren planerischen Zielen und Grundsätzen handwerkliche, fachliche Mängel. Schon 2022 hatte es Regelungen zu einem weitergehenden Kiesabbau kassiert. Die Argumentation der Gegner damals wie heute lautete, dass andere betroffene Schutzgüter - Umwelt, Klima, unberührte Fläche - nicht ausreichend in die Abwägung eingeflossen waren.

Der BUND sieht laut NRW-Geschäftsleiter Dirk Jansen folglich in dem Urteil vom 21. März eine „grundsätzliche Bedeutung für die Aufstellung von Landesentwicklungsplänen“. Also auch für das, was Schwarz-Grün am selben Tag beschloss. Beziehungsweise für das, was die Koalition im LEP unverändert stehen lassen wollte.

Und hier sieht Jansen ein „dickes Pflichtenheft“ auf Alexandra Renz zukommen. Die Leitende Ministerialrätin im NRW-Wirtschaftsministerium, für das beklagte Land am OVG zugegen, hat schon für etliche Regierungen am LEP gestrickt. Das muss sie nun erneut, denn die aktuelle Regierung hat sich zu unwirksam erklärten Zielen neu zu positionieren: etwa zum Ausbau von Regionalflughäfen.

„Solche Festlegungen durch die Politik gehen nun nicht mehr so leicht wie in der Vergangenheit“, sagt Dirk Jansen. Er sieht das vom BUND angestrengte Normenkontrollverfahren als bundesweit einmalig an. Von sofort an seien in der Raumordnung eines Landes „vollständige Abwägungen“ erforderlich. „Eine ideologische Herangehensweise der Politik – nach dem Motto ‚Wir wollen das‘ – ist nunmehr unrechtmäßig und mit erheblichen Risiken verbunden“, sagt Dirk Jansen.

Erneuerbaren-Lobby weitgehend mit neuem LEP zufrieden

Die neuen Änderungen am LEP vom 21. März treffen derweil größtenteils auf Zustimmung des Branchenverbands LEE NRW. Die Erneuerbaren-Lobbyorganisation sieht damit die Umsetzung des Flächenziels schon 2025 auf einem guten Weg. Allerdings kritisiert LEE-Vorsitzender Hans-Josef Vogel, dass auf niedrigeren Verwaltungsebenen alte Hemmnisse neu auftauchen. Einige Regionalräte wollen in den sechs NRW-Planungsregionen den 1.000-Meter-Abstand wiedererstehen lassen.

Auch dürften Kommunen nun Windenergieanlagen nicht mehr in sogenannten „Bereichen zum Schutz der Natur“ (BSN) ausweisen. Das hält Vogel für unbegründet und kontraproduktiv.

Zudem hätte sich der LEE mehr Elan beim Ausbau der Freiflächen-Solarkraft gewünscht. Trotz positiver Ansätze werde „der Ausbau von Sonne, Wind und allen anderen regenerativen Energieträger im Land dennoch kein Selbstläufer“.

Donnerstag, 21.03.2024, 17:33 Uhr
Volker Stephan

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