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Energie & Management > Europaeische Union - Regulierer sieht Gefahr weiter steigender Preise
Quelle: Shutterstock / Savvapanf Photo
Europaeische Union

Regulierer sieht Gefahr weiter steigender Preise

Die europäische Regulierungsbehörde Acer erwartet, dass sich die Energiepreise im nächsten Jahr wieder normalisieren. Zuvor könnte sich die Lage aber noch zuspitzen.
In einer Untersuchung bestätigen die Experten der EU-Regulierungsbehörde Acer frühere Analysen, wonach der Anstieg der Energiepreise vor allem auf die gestiegene Nachfrage nach Gas in Asien zurückzuführen ist. Dadurch konnte die EU weniger Flüssiggas einführen. Hinzu kamen Nebenfaktoren wie ungünstige Witterungsverhältnisse oder Ausfälle von Infrastruktur. Im Ergebnis lagen die Gaspreise im Oktober um 400 % über dem Niveau vom April. Die Strompreise legten im gleichen Zeitraum um 200 % zu.

Acer hat das Verhalten Russlands untersucht, das als größter Lieferant der EU 35 % des Erdgasbedarfes deckt. Russland werde 2021 voraussichtlich 5 % mehr Gas liefern als 2020, heißt es in dem Papier. Trotz der hohen Preise, die gegenwärtig in der EU erzielt werden, habe Gazprom aber keine zusätzliche Leitungskapazität gebucht.

Es sei unklar, ob der Konzern mehr Gas liefern könnte. So sei der Verbrauch in Russland selbst (einschließlich der Auffüllung der Speicher) im Vergleich zum Vorjahr um 12 % gestiegen. Zusätzliche Mengen würden an die Türkei und China geliefert.

Die Regulierungsbehörde der EU hat keine Hinweise gefunden, dass es auf den Energiemärkten zu Insidergeschäften oder anderen Manipulationen gekommen ist. Angesichts der fundamentalen Entwicklung könnten solche Versuche auch nur geringe Auswirkungen auf das Preisniveau haben, heißt es in dem Bericht.

Weitere Preisentwicklung hängt am Wetter

Die Entwicklung der Preise in den kommenden Monaten hängt nach Ansicht von Acer vor allem vom Wetter ab. Sollte der Winter noch kälter werden als vor einem Jahr, müsse mit noch höheren Gaspreisen gerechnet werden. 40 % der Gasnachfrage entfällt auf die privaten Haushalte, die dann mehr Gas benötigen, um ihre Wohnungen zu heizen. Die Nachfrage der Industrie werde vom anhaltenden Aufschwung bestimmt. Der könne durch die hohen Energiepreise zwar abgebremst werden, dafür gebe es bislang aber keine Anzeichen.

Dem stehe ein begrenztes Angebot gegenüber. Die Speicher der EU seien nicht so gut gefüllt wie sonst um diese Jahreszeit und ihre Möglichkeiten, zusätzliche Mengen Gas einzukaufen, seien begrenzt: „Wenn wir nicht mehr LNG oder Pipelinegas importieren als gegenwärtig, könnten die Lagerbestände knapp werden, um einen Winter wie 2020-21 zu bestehen, und sie wären nicht ausreichend, wenn es noch kälter würde.“

Trotzdem sprechen sich die Regulierer der EU gegen Eingriffe in die Preisbildung am Markt aus. Preisobergrenzen oder vergleichbare Maßnahmen könnten die Verbraucher zwar kurzfristig entlasten, würden aber das Vertrauen der Anbieter beschädigen und den Wettbewerb verzerren. Die Regulierer haben zwar Verständnis dafür, dass die Politik sozial schwache Verbraucher schützen will. Das dürfe aber die Wirkung des Preissignals nicht beeinträchtigen, das Voraussetzung für die benötigte Verhaltensänderung der Verbraucher und der Investoren sei.

Kritisch betrachtet Acer den Vorschlag der Kommission und einzelner Mitgliedsstaaten, mehr Gas obligatorisch zu speichern. Das führe zwar zu einer höheren Lagerhaltung, könne aber den Handel beeinträchtigen und dadurch zu höheren Preisen führen. Eine genaue Analyse sei angezeigt.

Noch kritischer beurteilen die Regulierer den gemeinsamen Einkauf von Gas durch mehrere EU-Staaten. Angesichts der hohen Preise, die in Asien gezahlt würden, könnten dadurch keine zusätzlichen Mengen akquiriert werden. Versuche, einen gemeinsamen Einkauf in der Vergangenheit zu organisieren, seien regelmäßig fehlgeschlagen. Sie seien auch nicht wünschenswert, weil sie zu weniger Transparenz und weniger Wettbewerb führten und den Gashubs Liquidität entziehen würden. Sinnvoller wäre eine weitere Harmonisierung der Marktregeln, ein Ausbau der Leitungsnetze und eine Stärkung des Gashandels an den Hubs.

Die jüngste Entwicklung auf den Energiemärkten hat nach Ansicht von Acer eine wichtige Schwäche der europäischen Energiewirtschaft offen gelegt. Angesichts der globalen Entwicklung verhalte sich die Nachfrage in der EU nicht flexibel genug. Der Übergang zu einer emissionsarmen Energieversorgung müsse deswegen auf einem Gesamtkonzept beruhen, das Angebot und Nachfrage einbeziehe.

Mit Blick auf die Elektrizitätswirtschaft widerspricht Acer der Forderung, den Strom- vom Gaspreis zu „entkoppeln“. Das hatte vor allem die französische Regierung verlangt mit Hinweis auf die hohen Margen, die dadurch bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne entstehen. Ein Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wäre nur möglich, wenn die Betreiber der Anlagen höhere Einnahmen erzielen könnten als die nahe Null liegenden Grenzkosten.

Das „Design“ des Strommarktes müsse möglicherweise angepasst werden, schreiben die Regulierer, ohne genau zu präzisieren wie. Das Problem sei jedoch nicht, dass die Erzeuger zu viel verdienten, sondern ob sie genug verdienten, um die notwendigen Investitionen zu finanzieren.

Freitag, 5.11.2021, 13:21 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - Regulierer sieht Gefahr weiter steigender Preise
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Europaeische Union
Regulierer sieht Gefahr weiter steigender Preise
Die europäische Regulierungsbehörde Acer erwartet, dass sich die Energiepreise im nächsten Jahr wieder normalisieren. Zuvor könnte sich die Lage aber noch zuspitzen.
In einer Untersuchung bestätigen die Experten der EU-Regulierungsbehörde Acer frühere Analysen, wonach der Anstieg der Energiepreise vor allem auf die gestiegene Nachfrage nach Gas in Asien zurückzuführen ist. Dadurch konnte die EU weniger Flüssiggas einführen. Hinzu kamen Nebenfaktoren wie ungünstige Witterungsverhältnisse oder Ausfälle von Infrastruktur. Im Ergebnis lagen die Gaspreise im Oktober um 400 % über dem Niveau vom April. Die Strompreise legten im gleichen Zeitraum um 200 % zu.

Acer hat das Verhalten Russlands untersucht, das als größter Lieferant der EU 35 % des Erdgasbedarfes deckt. Russland werde 2021 voraussichtlich 5 % mehr Gas liefern als 2020, heißt es in dem Papier. Trotz der hohen Preise, die gegenwärtig in der EU erzielt werden, habe Gazprom aber keine zusätzliche Leitungskapazität gebucht.

Es sei unklar, ob der Konzern mehr Gas liefern könnte. So sei der Verbrauch in Russland selbst (einschließlich der Auffüllung der Speicher) im Vergleich zum Vorjahr um 12 % gestiegen. Zusätzliche Mengen würden an die Türkei und China geliefert.

Die Regulierungsbehörde der EU hat keine Hinweise gefunden, dass es auf den Energiemärkten zu Insidergeschäften oder anderen Manipulationen gekommen ist. Angesichts der fundamentalen Entwicklung könnten solche Versuche auch nur geringe Auswirkungen auf das Preisniveau haben, heißt es in dem Bericht.

Weitere Preisentwicklung hängt am Wetter

Die Entwicklung der Preise in den kommenden Monaten hängt nach Ansicht von Acer vor allem vom Wetter ab. Sollte der Winter noch kälter werden als vor einem Jahr, müsse mit noch höheren Gaspreisen gerechnet werden. 40 % der Gasnachfrage entfällt auf die privaten Haushalte, die dann mehr Gas benötigen, um ihre Wohnungen zu heizen. Die Nachfrage der Industrie werde vom anhaltenden Aufschwung bestimmt. Der könne durch die hohen Energiepreise zwar abgebremst werden, dafür gebe es bislang aber keine Anzeichen.

Dem stehe ein begrenztes Angebot gegenüber. Die Speicher der EU seien nicht so gut gefüllt wie sonst um diese Jahreszeit und ihre Möglichkeiten, zusätzliche Mengen Gas einzukaufen, seien begrenzt: „Wenn wir nicht mehr LNG oder Pipelinegas importieren als gegenwärtig, könnten die Lagerbestände knapp werden, um einen Winter wie 2020-21 zu bestehen, und sie wären nicht ausreichend, wenn es noch kälter würde.“

Trotzdem sprechen sich die Regulierer der EU gegen Eingriffe in die Preisbildung am Markt aus. Preisobergrenzen oder vergleichbare Maßnahmen könnten die Verbraucher zwar kurzfristig entlasten, würden aber das Vertrauen der Anbieter beschädigen und den Wettbewerb verzerren. Die Regulierer haben zwar Verständnis dafür, dass die Politik sozial schwache Verbraucher schützen will. Das dürfe aber die Wirkung des Preissignals nicht beeinträchtigen, das Voraussetzung für die benötigte Verhaltensänderung der Verbraucher und der Investoren sei.

Kritisch betrachtet Acer den Vorschlag der Kommission und einzelner Mitgliedsstaaten, mehr Gas obligatorisch zu speichern. Das führe zwar zu einer höheren Lagerhaltung, könne aber den Handel beeinträchtigen und dadurch zu höheren Preisen führen. Eine genaue Analyse sei angezeigt.

Noch kritischer beurteilen die Regulierer den gemeinsamen Einkauf von Gas durch mehrere EU-Staaten. Angesichts der hohen Preise, die in Asien gezahlt würden, könnten dadurch keine zusätzlichen Mengen akquiriert werden. Versuche, einen gemeinsamen Einkauf in der Vergangenheit zu organisieren, seien regelmäßig fehlgeschlagen. Sie seien auch nicht wünschenswert, weil sie zu weniger Transparenz und weniger Wettbewerb führten und den Gashubs Liquidität entziehen würden. Sinnvoller wäre eine weitere Harmonisierung der Marktregeln, ein Ausbau der Leitungsnetze und eine Stärkung des Gashandels an den Hubs.

Die jüngste Entwicklung auf den Energiemärkten hat nach Ansicht von Acer eine wichtige Schwäche der europäischen Energiewirtschaft offen gelegt. Angesichts der globalen Entwicklung verhalte sich die Nachfrage in der EU nicht flexibel genug. Der Übergang zu einer emissionsarmen Energieversorgung müsse deswegen auf einem Gesamtkonzept beruhen, das Angebot und Nachfrage einbeziehe.

Mit Blick auf die Elektrizitätswirtschaft widerspricht Acer der Forderung, den Strom- vom Gaspreis zu „entkoppeln“. Das hatte vor allem die französische Regierung verlangt mit Hinweis auf die hohen Margen, die dadurch bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne entstehen. Ein Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wäre nur möglich, wenn die Betreiber der Anlagen höhere Einnahmen erzielen könnten als die nahe Null liegenden Grenzkosten.

Das „Design“ des Strommarktes müsse möglicherweise angepasst werden, schreiben die Regulierer, ohne genau zu präzisieren wie. Das Problem sei jedoch nicht, dass die Erzeuger zu viel verdienten, sondern ob sie genug verdienten, um die notwendigen Investitionen zu finanzieren.

Freitag, 5.11.2021, 13:21 Uhr
Tom Weingärtner

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