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Energie & Management > Österreich - Österreichs Gas-Fernleitungen: Streit um neues Tarifsystem
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich

Österreichs Gas-Fernleitungen: Streit um neues Tarifsystem

Mit dem Aus des Gastransits aus Russland nach Deutschland, Frankreich und Italien verloren Österreichs Fernleitungsbetreiber etliche Einnahmen. Ein neues Tarifsystem verspricht Hilfe.
 
Voraussichtlich in den kommenden etwa vier Wochen dürfte das neue Tarifsystem für die österreichischen Gasfernleitungen fixiert werden. Das berichtete der Geschäftsführer des Fernleitungsbetreibers Gas Connect Austria (GCA), Stefan Wagenhofer, der Redaktion am Rande der Energiekonferenz Epcon, die dieser Tage in Wien stattfindet.

Die GCA betreibt nicht zuletzt die West-Austria-Gaspipeline (WAG) vom Netzknoten Baumgarten 40 Kilometer nordöstlich von Wien nach Oberkappel an der oberösterreichisch-bayerischen Grenze. An der TAG-GmbH, dem Betreiber der Trans-Austria-Gasleitung (TAG) von Baumgarten nach Arnoldstein an der Grenze zwischen Österreich und Italien, hält sie 15 Prozent. Wagenhofer erläuterte, die Lage sei für die österreichischen Fernleitungsunternehmen extrem schwierig. Sie benötigten das neue Tarifsystem schlicht und einfach, „um weiter arbeiten zu können.“

Der Hintergrund: Bis zur Invasion Russlands in der Ukraine Ende Februar 2022 fungierte Österreich als „Drehscheibe“, über die russisches Gas nach Deutschland, Frankreich und Italien strömte. Dabei wurde ein Großteil der Kosten für den Fernleitungsbetrieb durch die Einnahmen aus dem Transit gedeckt.

Mittlerweile importiert Italien faktisch kein Gas mehr aus Russland. Auch die Einfuhren Deutschlands sind massiv gefallen. Insgesamt ging der Transit laut Wagenhofer um rund 80 Prozent zurück. Damit aber fehlen der GCA sowie der TAG-GmbH erhebliche Teile ihrer vormaligen Einnahmen.

Steigerungen um bis zu 331 Prozent

Um diese auszugleichen, erarbeitete die für die Festlegung der Strom- und Gasnetztarife zuständige Regulierungsbehörde E-Control ein neues Tarifsystem. Dieses orientiert sich an der sogenannten „Referenzpreismethode der kapazitätsgewichteten Distanz“. Grob gesprochen, wird dabei die Kapazität an jedem Netzknoten gemäß seiner Bedeutung für das gesamte Netz bepreist. Je wichtiger der Netzknoten, desto höher ist die dort anfallende Gebühr.

Das Problem: Der Vorschlag der E-Control von diesem Februar würde dazu führen, dass sich die Kosten für Gasimporte Richtung Österreich über Oberkappel um 206 Prozent erhöhen, die Kosten für Einfuhren via Arnoldstein sogar um 331 Prozent. Entsprechend wenig Begeisterung löste der Vorschlag bei den Fernleitungsbetreibern aus, aber auch bei den Wirtschaftsverbänden. Sie argumentierten, dass damit Importe aus Deutschland und Italien verteuert würden, obwohl Österreich doch plane, zulasten von Russland gerade über diese Länder mehr Gas zu beziehen.

Laut Wagenhofer sind die Verhandlungen zwischen den Fernleitungsbetreibern und der E-Control konstruktiv im Gange. Klar ist ihm zufolge, dass die Gebühren steigen werden. Doch von der absoluten Höhe her betrachtet, sei dies wenig dramatisch. Zurzeit habe Österreich die weitaus niedrigsten Fernleitungs-Gebühren Europas. Und auch nach ihrer zu erwartenden Anhebung würden diese sich in Grenzen halten.
 
 
Ein in den vergangenen Monaten intensiv diskutiertes Projekt zum Ausbau der West-Austria-Gasleitung etwa koste einen durchschnittlichen Haushaltskunden mit dem neuen Tarifsystem voraussichtlich „gerade einmal einen Espresso pro Jahr. Und wenn es zwei Espressi wären, sollte das wohl auch verkraftbar sein.“

FSRU in Mukran chartern?

Unterdessen ventilieren Energiehändler unterschiedliche Ideen, um die Gasversorgung Österreichs auf längere Sicht sicherzustellen. Kolportiert wird unter anderem die Überlegung, ein LNG-Tanklagerschiff (Floating Storage and Regasification Unit, FSRU) am Terminal Mukran auf Rügen mittel- bis langfristig zu chartern. Von dort aus wären Transite über die Pipelinesysteme Opal und Eugal sowie weiter durch Tschechien nach Österreich möglich.

Von Ungefähr kommen derlei Vorschläge nicht: In den vergangenen Wochen hatten Wirtschaftsverbände Kritik von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) verlangt, für den Fall vorzusorgen, dass vom 1. Januar 2025 an kein Erdgas mehr aus Russland importiert werden kann. Bekanntlich läuft mit Ende 2024 der Transitvertrag zwischen den Kriegsparteien Russland und der Ukraine aus. Seine Verlängerung schlossen Vertreter der Ukraine aus.

Allerdings ist diese auch nicht nötig: Wie berichtet, gehört die Ukraine der Energy Community der EU an. Daher hat sie Leitungskapazität zur Verfügung zu stellen, wenn Shipper aus der EU dies verlangen.

Neu aufgeflammt sind ferner die Debatten über Gewesslers im Februar veröffentlichten Plan, die Gasversorger zum schrittweisen Einstellen der Importe aus Russland zu verpflichten. Einen diesbezüglichen Vorschlag leitete die Ministerin, wie angekündigt, dem Koalitionspartner der Grünen zu, der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Diese zeigt sich jedoch weiter kühl. Und spätestens Ende September wird das Bundesparlament neu gewählt.

Donnerstag, 18.04.2024, 09:06 Uhr
Klaus Fischer
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Österreich
Österreichs Gas-Fernleitungen: Streit um neues Tarifsystem
Mit dem Aus des Gastransits aus Russland nach Deutschland, Frankreich und Italien verloren Österreichs Fernleitungsbetreiber etliche Einnahmen. Ein neues Tarifsystem verspricht Hilfe.
 
Voraussichtlich in den kommenden etwa vier Wochen dürfte das neue Tarifsystem für die österreichischen Gasfernleitungen fixiert werden. Das berichtete der Geschäftsführer des Fernleitungsbetreibers Gas Connect Austria (GCA), Stefan Wagenhofer, der Redaktion am Rande der Energiekonferenz Epcon, die dieser Tage in Wien stattfindet.

Die GCA betreibt nicht zuletzt die West-Austria-Gaspipeline (WAG) vom Netzknoten Baumgarten 40 Kilometer nordöstlich von Wien nach Oberkappel an der oberösterreichisch-bayerischen Grenze. An der TAG-GmbH, dem Betreiber der Trans-Austria-Gasleitung (TAG) von Baumgarten nach Arnoldstein an der Grenze zwischen Österreich und Italien, hält sie 15 Prozent. Wagenhofer erläuterte, die Lage sei für die österreichischen Fernleitungsunternehmen extrem schwierig. Sie benötigten das neue Tarifsystem schlicht und einfach, „um weiter arbeiten zu können.“

Der Hintergrund: Bis zur Invasion Russlands in der Ukraine Ende Februar 2022 fungierte Österreich als „Drehscheibe“, über die russisches Gas nach Deutschland, Frankreich und Italien strömte. Dabei wurde ein Großteil der Kosten für den Fernleitungsbetrieb durch die Einnahmen aus dem Transit gedeckt.

Mittlerweile importiert Italien faktisch kein Gas mehr aus Russland. Auch die Einfuhren Deutschlands sind massiv gefallen. Insgesamt ging der Transit laut Wagenhofer um rund 80 Prozent zurück. Damit aber fehlen der GCA sowie der TAG-GmbH erhebliche Teile ihrer vormaligen Einnahmen.

Steigerungen um bis zu 331 Prozent

Um diese auszugleichen, erarbeitete die für die Festlegung der Strom- und Gasnetztarife zuständige Regulierungsbehörde E-Control ein neues Tarifsystem. Dieses orientiert sich an der sogenannten „Referenzpreismethode der kapazitätsgewichteten Distanz“. Grob gesprochen, wird dabei die Kapazität an jedem Netzknoten gemäß seiner Bedeutung für das gesamte Netz bepreist. Je wichtiger der Netzknoten, desto höher ist die dort anfallende Gebühr.

Das Problem: Der Vorschlag der E-Control von diesem Februar würde dazu führen, dass sich die Kosten für Gasimporte Richtung Österreich über Oberkappel um 206 Prozent erhöhen, die Kosten für Einfuhren via Arnoldstein sogar um 331 Prozent. Entsprechend wenig Begeisterung löste der Vorschlag bei den Fernleitungsbetreibern aus, aber auch bei den Wirtschaftsverbänden. Sie argumentierten, dass damit Importe aus Deutschland und Italien verteuert würden, obwohl Österreich doch plane, zulasten von Russland gerade über diese Länder mehr Gas zu beziehen.

Laut Wagenhofer sind die Verhandlungen zwischen den Fernleitungsbetreibern und der E-Control konstruktiv im Gange. Klar ist ihm zufolge, dass die Gebühren steigen werden. Doch von der absoluten Höhe her betrachtet, sei dies wenig dramatisch. Zurzeit habe Österreich die weitaus niedrigsten Fernleitungs-Gebühren Europas. Und auch nach ihrer zu erwartenden Anhebung würden diese sich in Grenzen halten.
 
 
Ein in den vergangenen Monaten intensiv diskutiertes Projekt zum Ausbau der West-Austria-Gasleitung etwa koste einen durchschnittlichen Haushaltskunden mit dem neuen Tarifsystem voraussichtlich „gerade einmal einen Espresso pro Jahr. Und wenn es zwei Espressi wären, sollte das wohl auch verkraftbar sein.“

FSRU in Mukran chartern?

Unterdessen ventilieren Energiehändler unterschiedliche Ideen, um die Gasversorgung Österreichs auf längere Sicht sicherzustellen. Kolportiert wird unter anderem die Überlegung, ein LNG-Tanklagerschiff (Floating Storage and Regasification Unit, FSRU) am Terminal Mukran auf Rügen mittel- bis langfristig zu chartern. Von dort aus wären Transite über die Pipelinesysteme Opal und Eugal sowie weiter durch Tschechien nach Österreich möglich.

Von Ungefähr kommen derlei Vorschläge nicht: In den vergangenen Wochen hatten Wirtschaftsverbände Kritik von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) verlangt, für den Fall vorzusorgen, dass vom 1. Januar 2025 an kein Erdgas mehr aus Russland importiert werden kann. Bekanntlich läuft mit Ende 2024 der Transitvertrag zwischen den Kriegsparteien Russland und der Ukraine aus. Seine Verlängerung schlossen Vertreter der Ukraine aus.

Allerdings ist diese auch nicht nötig: Wie berichtet, gehört die Ukraine der Energy Community der EU an. Daher hat sie Leitungskapazität zur Verfügung zu stellen, wenn Shipper aus der EU dies verlangen.

Neu aufgeflammt sind ferner die Debatten über Gewesslers im Februar veröffentlichten Plan, die Gasversorger zum schrittweisen Einstellen der Importe aus Russland zu verpflichten. Einen diesbezüglichen Vorschlag leitete die Ministerin, wie angekündigt, dem Koalitionspartner der Grünen zu, der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Diese zeigt sich jedoch weiter kühl. Und spätestens Ende September wird das Bundesparlament neu gewählt.

Donnerstag, 18.04.2024, 09:06 Uhr
Klaus Fischer

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