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Energie & Management > Gas - Österreichisches Parlament beschließt Paket zur Gasversorgung
Quelle: Fotolia / Dmitry Naumov
Gas

Österreichisches Parlament beschließt Paket zur Gasversorgung

Die strategische Gasreserve wird von 12,6 auf 20 Mrd. kWh ausgebaut, das Use-it-or-lose-it-Prinzip für Gasspeicher eingeführt. Das soll die Abhängigkeit von Russland verringern.
Mit Zweidrittelmehrheit hat der Nationalrat, die erste Kammer des österreichischen Bundesparlaments, am 19. Mai ein Paket zur Verbesserung der Erdgasversorgung verabschiedet.

Dabei geht es um den Wunsch nach größerer „Unabhängigkeit“ von Gasimporten aus Russland, die rund 80 % des österreichischen Erdgasbedarfs decken. Dieser beläuft sich auf etwa 8 Mrd. m3 pro Jahr. Zu dem Paket gehört die Aufstockung der Ende März beschlossenen „strategischen Gasreserve“ von 12,6 auf 20 Mrd. kWh. Das entspricht dem Bedarf in zwei Wintermonaten (wir berichteten).

Konsequenterweise ist vorgesehen, das erforderliche Gas nicht in Russland zu kaufen. Eingeführt wird mit dem Paket ferner das Use-it-or-lose-it-Prinzip (UIOLI) für Speicherkapazitäten. Nutzt ein Unternehmen von ihm gebuchte Volumina „systematisch“ nicht, können ihm diese „nach vorhergehender schriftlicher Ankündigung“ entzogen werden. Näheres dazu hat die Regulierungsbehörde E-Control per Verordnung zu regeln.

Überdies sollen sämtliche in Österreich befindlichen unterirdischen Gasspeicher an das heimische Fernleitungsnetz angeschlossen werden. Ein diesbezüglicher Antrag ist für die betroffenen Anlagen „innerhalb von vier Monaten ab Inkrafttreten“ dieser Bestimmung zu stellen.

Sowohl das UIOLI-Prinzip für die Speichernutzung als auch die Speicheranbindung gelten als „Lex Gazprom“. Wie berichtet, nutzt die Gazprom-Tochter GSA ihren Teil des Speichers Haidach im Grenzgebiet zwischen den Bundesländern Oberösterreich und Salzburg seit längerer Zeit nicht. Das Gesamtvolumen des Speichers liegt bei 34,2 % der gesamten österreichischen Speicherkapazität.
 
Etwa zwei Drittel davon hat die GSA gebucht. Der Speicher Haidach ist mit dem österreichischen Fernleitungsnetz über den Knoten Burghausen auf der bayerischen Seite der Grenze zu Oberösterreich verbunden.

​Abkommen mit Deutschland soll kommen

Bislang wurde Haidach fast ausschließlich zur Versorgung in Deutschland genutzt. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) kündigte in der Debatte über das Paket an, ein Abkommen mit Deutschland über die gemeinsame Nutzung des Speichers zu schließen. Gespräche mit dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sind ihr zufolge im Gange.

Marktmacher nach deutschem Modell

Ein weiterer Teil des Pakets betrifft die Einführung der Rolle eines Marktmachers für das Speichergeschäft. Österreich orientiert sich dabei am deutschen Modell „Strategic Storage Based Options“. Interessierte Unternehmen können dem für die Gasbilanzierung verantwortlichen Bilanzgruppenkoordinator (BGK) das Vorhalten eingespeicherter Gasmengen über einen bestimmten Zeitraum anbieten. Der BGK kann auf diese Mengen zurückgreifen, wenn Ausgleichsenergie benötigt wird. Die Kosten für das Vorhalten trägt der Bund. Wird Gas eines Marktmachers tatsächlich eingesetzt, rechnet der BGK die Kosten dafür mit der jeweiligen Bilanzgruppe - dem österreichischen Gegenstück zum deutschen Bilanzkreis - ab.

Schließlich regelt das Paket den Umgang mit Gasmengen im Krisenfall, die von Endverbrauchern, vor allem Industrieunternehmen, eingelagert werden. Bis dato konnte der Bund entschädigungslos auf diese Mengen zugreifen, um „geschützte Kunden“ wie Haushalte und kritische Infrastruktur zu versorgen, darunter Krankenhäuser, aber auch Gaskraftwerke. Nunmehr stehen 50 % dieser Mengen dem Bund nur noch gegen Kostenersatz zur Verfügung. Weiterhin entschädigungslos darf der Bund das betreffende Gas nur nutzen, wenn dies „zur Erfüllung völkerrechtlicher oder EU-rechtlicher Vorgaben erforderlich“ ist. 

Theaterdonner im Parlament 

Die Debatte um das Paket war von Theaterdonner geprägt. Die Energiesprecherin der liberalen Neos, Karin Doppelbauer, bezeichnete die Gasimporte aus Russland als „energiepolitischen Skandal, den man durch einen Untersuchungsausschuss aufarbeiten sollte“. Wegen der Take-or-pay-Bestimmungen in ihren bis 2040 laufenden Importverträgen mit Gazprom laufe die österreichische OMV Gefahr, bei einem Gasembargo der EU gegen Russland bis zu 50 Mrd. Euro abschreiben zu müssen.

Gewessler konterte, mit dem nun beschlossenen Paket würden die Gasspeicherstände „auf das Niveau gebracht, das wir für den kommenden Winter brauchen“. Die Regierung bemühe sich, die Gasimporte aus Russland durch Einfuhren aus anderen Ländern ersetzen: „Das sind auch nicht immer voll ausgebaute Demokratien. Aber die Alternative wäre, dem russischen Angriffskrieg einfach zuzuschauen.“

Donnerstag, 19.05.2022, 16:15 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Gas - Österreichisches Parlament beschließt Paket zur Gasversorgung
Quelle: Fotolia / Dmitry Naumov
Gas
Österreichisches Parlament beschließt Paket zur Gasversorgung
Die strategische Gasreserve wird von 12,6 auf 20 Mrd. kWh ausgebaut, das Use-it-or-lose-it-Prinzip für Gasspeicher eingeführt. Das soll die Abhängigkeit von Russland verringern.
Mit Zweidrittelmehrheit hat der Nationalrat, die erste Kammer des österreichischen Bundesparlaments, am 19. Mai ein Paket zur Verbesserung der Erdgasversorgung verabschiedet.

Dabei geht es um den Wunsch nach größerer „Unabhängigkeit“ von Gasimporten aus Russland, die rund 80 % des österreichischen Erdgasbedarfs decken. Dieser beläuft sich auf etwa 8 Mrd. m3 pro Jahr. Zu dem Paket gehört die Aufstockung der Ende März beschlossenen „strategischen Gasreserve“ von 12,6 auf 20 Mrd. kWh. Das entspricht dem Bedarf in zwei Wintermonaten (wir berichteten).

Konsequenterweise ist vorgesehen, das erforderliche Gas nicht in Russland zu kaufen. Eingeführt wird mit dem Paket ferner das Use-it-or-lose-it-Prinzip (UIOLI) für Speicherkapazitäten. Nutzt ein Unternehmen von ihm gebuchte Volumina „systematisch“ nicht, können ihm diese „nach vorhergehender schriftlicher Ankündigung“ entzogen werden. Näheres dazu hat die Regulierungsbehörde E-Control per Verordnung zu regeln.

Überdies sollen sämtliche in Österreich befindlichen unterirdischen Gasspeicher an das heimische Fernleitungsnetz angeschlossen werden. Ein diesbezüglicher Antrag ist für die betroffenen Anlagen „innerhalb von vier Monaten ab Inkrafttreten“ dieser Bestimmung zu stellen.

Sowohl das UIOLI-Prinzip für die Speichernutzung als auch die Speicheranbindung gelten als „Lex Gazprom“. Wie berichtet, nutzt die Gazprom-Tochter GSA ihren Teil des Speichers Haidach im Grenzgebiet zwischen den Bundesländern Oberösterreich und Salzburg seit längerer Zeit nicht. Das Gesamtvolumen des Speichers liegt bei 34,2 % der gesamten österreichischen Speicherkapazität.
 
Etwa zwei Drittel davon hat die GSA gebucht. Der Speicher Haidach ist mit dem österreichischen Fernleitungsnetz über den Knoten Burghausen auf der bayerischen Seite der Grenze zu Oberösterreich verbunden.

​Abkommen mit Deutschland soll kommen

Bislang wurde Haidach fast ausschließlich zur Versorgung in Deutschland genutzt. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) kündigte in der Debatte über das Paket an, ein Abkommen mit Deutschland über die gemeinsame Nutzung des Speichers zu schließen. Gespräche mit dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sind ihr zufolge im Gange.

Marktmacher nach deutschem Modell

Ein weiterer Teil des Pakets betrifft die Einführung der Rolle eines Marktmachers für das Speichergeschäft. Österreich orientiert sich dabei am deutschen Modell „Strategic Storage Based Options“. Interessierte Unternehmen können dem für die Gasbilanzierung verantwortlichen Bilanzgruppenkoordinator (BGK) das Vorhalten eingespeicherter Gasmengen über einen bestimmten Zeitraum anbieten. Der BGK kann auf diese Mengen zurückgreifen, wenn Ausgleichsenergie benötigt wird. Die Kosten für das Vorhalten trägt der Bund. Wird Gas eines Marktmachers tatsächlich eingesetzt, rechnet der BGK die Kosten dafür mit der jeweiligen Bilanzgruppe - dem österreichischen Gegenstück zum deutschen Bilanzkreis - ab.

Schließlich regelt das Paket den Umgang mit Gasmengen im Krisenfall, die von Endverbrauchern, vor allem Industrieunternehmen, eingelagert werden. Bis dato konnte der Bund entschädigungslos auf diese Mengen zugreifen, um „geschützte Kunden“ wie Haushalte und kritische Infrastruktur zu versorgen, darunter Krankenhäuser, aber auch Gaskraftwerke. Nunmehr stehen 50 % dieser Mengen dem Bund nur noch gegen Kostenersatz zur Verfügung. Weiterhin entschädigungslos darf der Bund das betreffende Gas nur nutzen, wenn dies „zur Erfüllung völkerrechtlicher oder EU-rechtlicher Vorgaben erforderlich“ ist. 

Theaterdonner im Parlament 

Die Debatte um das Paket war von Theaterdonner geprägt. Die Energiesprecherin der liberalen Neos, Karin Doppelbauer, bezeichnete die Gasimporte aus Russland als „energiepolitischen Skandal, den man durch einen Untersuchungsausschuss aufarbeiten sollte“. Wegen der Take-or-pay-Bestimmungen in ihren bis 2040 laufenden Importverträgen mit Gazprom laufe die österreichische OMV Gefahr, bei einem Gasembargo der EU gegen Russland bis zu 50 Mrd. Euro abschreiben zu müssen.

Gewessler konterte, mit dem nun beschlossenen Paket würden die Gasspeicherstände „auf das Niveau gebracht, das wir für den kommenden Winter brauchen“. Die Regierung bemühe sich, die Gasimporte aus Russland durch Einfuhren aus anderen Ländern ersetzen: „Das sind auch nicht immer voll ausgebaute Demokratien. Aber die Alternative wäre, dem russischen Angriffskrieg einfach zuzuschauen.“

Donnerstag, 19.05.2022, 16:15 Uhr
Klaus Fischer

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