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Energie & Management > Stromnetz - Habeck: Ein großer Tag - fünf Jahre zu spät
Von rechts: Robert Habeck, Tim Mayerjürgens (Tennet), Joschka Knuth (Schleswig-Holstein), Christian Meyer (Niedersachsen). Quelle: E&M / Georg Eble
Stromnetz

Habeck: Ein großer Tag - fünf Jahre zu spät

Vizekanzler Robert Habeck hat beim offiziellen Baustart der Stromautobahn Südlink Einblicke in seine Reformgedanken gegeben. Für ihn ist das dänische Planungsrecht ein Vorbild.
Tim Meyerjürgens, COO des Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) Tennet, setzt als Gastgeber der Baustart-Feier von Südlink im schleswig-holsteinischen Wewelsfleth gerade mit seiner Rede an, da klappt sich die Pultbeschriftung nach vorne ab. Robert Habeck eilt sofort von der ersten Reihe ans Rednerpult und richtet „SuedLink“ wieder auf. Meyerjürgens lobt den grünen Vizekanzler schlagfertig: „So ist es, wenn Politik schnell ist!“

Das wurde die Politik bei dem 525-kV-Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs(HGÜ)-Projekt Südlink erst in der Ampelkoalition. Habeck erinnert in seiner Rede daran, dass sie fünf Beschleunigungsgesetze für Planungs- und Genehmigungsverfahren verabschiedet habe.

Der offizielle Baustart von Südlink an jenem 11. September 2023 sei, so beginnt Habeck seine Rede, „ein großer Tag, der“ − Kunstpause − „fünf Jahre zu spät kommt“. Südlink soll zweimal 2.000 MW Windstrom von den Konverterstationen Brunsbüttel und Wilster nach Bayern und Baden-Württemberg transportieren − und mehr, wie Meyerjürgens eingangs betont (siehe unten).
 
 
Beschlossen worden seien Südlink und andere HGÜ-Projekte nach dem Atomausstieg von 2011, um Süddeutschland mit Wind- statt Atomstrom zu versorgen. Südlink hätte mit dessen Abschluss fertig sein sollen. Doch 2015 setzte die CSU die Erdverkabelung durch, wodurch drei Jahre Planung komplett „für die Tonne“ waren, sagt der Vizekanzler.
 
Minister Robert Habeck richtet bei der Südlink-Feier spontan mit Tim Meyerjürgens die Pultbeschriftung wieder auf und wird von ihm gelobt
Quelle: E&M / Georg Eble

Dann grätschte der Corona-Lockdown 2020 dazwischen, just, als die Antragskonferenzen für Südlink beginnen sollten, erinnert Matthias Otte. Er leitet bei der Netzagentur die Abteilung Netzausbau. Damit konnte lange kein öffentliches Verfahren mehr durchgeführt werden.

Jetzt soll Südlink 2028 fertig werden. Begonnen wird mit dem Schachtbauwerk in Wewelsfleth, von dem aus sich dann eine Tunnelbohrmaschine unter der Elbe nach Niedersachsen durchfräst. In den begehbaren Tunnel mit Schienenbahn kommen sechs Leiterseile, zwei davon redundant.

Die Elbquerung ist das bedeutendste, teuerste und komplexeste Einzelbauwerk der 700 Kilometer langen Trasse. Sie kostet 1 Milliarde der 10 Milliarden Euro, sagt Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne). Ihr Bau dauert daher am längsten: vier Jahre. Habeck merkt mit Sorge an, dass es in der Vergangenheit noch „knapp“ vier Jahre geheißen habe.

Südlink ist Chefsache

Die Elbquerung hat zumindest Baurecht seit Mitte diesen August, 2022 beantragt, alle anderen Abschnitte noch nicht. Das soll 2024 geschehen. Im Raum Heilbronn am anderen Ende wird auch schon gebaut, in einem Salzbergwerk.

Habeck kümmert sich seit einiger Zeit persönlich um den Fortschritt von Südlink. Das wurde in Wewelsfleth deutlich: Er bespricht sich monatlich mit den ÜNB, der Netzagentur und Ländervertretern dezidiert zu dieser „Herzschlagader der Energiewende“, wie er sie nennt. Und wenn es da ein Problem zum Beispiel mit der Autobahn GmbH gibt, sagt er, nimmt er auch schon mal den Telefonhörer zur Hand. Habeck appelliert an die Beteiligten, ihm Probleme auch wirklich zu melden, "pragmatisch" zu sein, "nicht in Hierarchien (zu) denken".

Das politische Ziel müsse sein, die Planungszeiten „mindestens zu halbieren“, fährt Habeck fort. Auf das Unverständnis von Karl-Heinz Strauss, österreichischer Chef des für die Elbquerung verantwortlichen Bauriesen Porr, warum Deutschland die beschleunigten „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ habe auslaufen lassen, erwidert Habeck, in Dänemark würden durchgeplante Großprojekte standardmäßig vom Parlament beschlossen und seien dann gerichtlich kaum noch anfechtbar. Er würde sich, vor die Wahl gestellt, für Abstriche bei den Klagerechten entscheiden, wenn man dafür „was hinkriegt“, statt die Klagerechte voll aufrechtzuerhalten und dann „nichts hingekriegt“ zu haben.

 
Auch mal Richtung Norden

Südlink werde keine reine Einbahnstraße Richtung Süden, betont Tim Meyerjürgens von Tennet in seiner Vorrede. Bayern werde 2037 mit seinen vielen PV-Anlagen „energieautark“, allerdings nur bilanziell aufs Jahr gesehen. In 7.000 Stunden des Jahres brauche es zwar bis zu 30.000 MW Stromimporte, in weiteren 1.000 Stunden werde es aber exportieren, hat Tennet prognostizieren lassen. Durch den Anschluss von Südlink an Nordlink aus Richtung Norwegen entstehe dereinst eine Ausgleichsmöglichkeit zwischen verschiedenen Ländern und Erneuerbaren. 

Ein weiteres HGÜ-Projekt „Korridor B“ − insgesamt gibt es mittlerweile fünf Vorhaben − soll in der Nähe von Südlink ebenfalls die Elbe unterqueren, sagt Matthias Otte von der Netzagentur. Habeck wird später gefragt werden, dass diese Trassenprojekte aus der Zeit von Angela Merkel stammten, als nur der Atomstrom ersetzt werden sollte. Er wird dem Fragesteller recht geben, dass weitere Stromautobahnen dazukommen müssten, um die höher gesetzten Erneuerbaren-Ziele ins Netz umzusetzen sowie den Kohle- und später auch den Gasausstieg zu kompensieren.
 
Ein Bild mit Symbolkraft: Robert Habeck vor einem Rammturm für das Südlink-Schachtbauwerk Wewelsfleth, hinten das abgeschaltete AKW Brokdorf
Quelle: E&M / Georg Eble

Dienstag, 12.09.2023, 09:30 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Stromnetz - Habeck: Ein großer Tag - fünf Jahre zu spät
Von rechts: Robert Habeck, Tim Mayerjürgens (Tennet), Joschka Knuth (Schleswig-Holstein), Christian Meyer (Niedersachsen). Quelle: E&M / Georg Eble
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Habeck: Ein großer Tag - fünf Jahre zu spät
Vizekanzler Robert Habeck hat beim offiziellen Baustart der Stromautobahn Südlink Einblicke in seine Reformgedanken gegeben. Für ihn ist das dänische Planungsrecht ein Vorbild.
Tim Meyerjürgens, COO des Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) Tennet, setzt als Gastgeber der Baustart-Feier von Südlink im schleswig-holsteinischen Wewelsfleth gerade mit seiner Rede an, da klappt sich die Pultbeschriftung nach vorne ab. Robert Habeck eilt sofort von der ersten Reihe ans Rednerpult und richtet „SuedLink“ wieder auf. Meyerjürgens lobt den grünen Vizekanzler schlagfertig: „So ist es, wenn Politik schnell ist!“

Das wurde die Politik bei dem 525-kV-Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs(HGÜ)-Projekt Südlink erst in der Ampelkoalition. Habeck erinnert in seiner Rede daran, dass sie fünf Beschleunigungsgesetze für Planungs- und Genehmigungsverfahren verabschiedet habe.

Der offizielle Baustart von Südlink an jenem 11. September 2023 sei, so beginnt Habeck seine Rede, „ein großer Tag, der“ − Kunstpause − „fünf Jahre zu spät kommt“. Südlink soll zweimal 2.000 MW Windstrom von den Konverterstationen Brunsbüttel und Wilster nach Bayern und Baden-Württemberg transportieren − und mehr, wie Meyerjürgens eingangs betont (siehe unten).
 
 
Beschlossen worden seien Südlink und andere HGÜ-Projekte nach dem Atomausstieg von 2011, um Süddeutschland mit Wind- statt Atomstrom zu versorgen. Südlink hätte mit dessen Abschluss fertig sein sollen. Doch 2015 setzte die CSU die Erdverkabelung durch, wodurch drei Jahre Planung komplett „für die Tonne“ waren, sagt der Vizekanzler.
 
Minister Robert Habeck richtet bei der Südlink-Feier spontan mit Tim Meyerjürgens die Pultbeschriftung wieder auf und wird von ihm gelobt
Quelle: E&M / Georg Eble

Dann grätschte der Corona-Lockdown 2020 dazwischen, just, als die Antragskonferenzen für Südlink beginnen sollten, erinnert Matthias Otte. Er leitet bei der Netzagentur die Abteilung Netzausbau. Damit konnte lange kein öffentliches Verfahren mehr durchgeführt werden.

Jetzt soll Südlink 2028 fertig werden. Begonnen wird mit dem Schachtbauwerk in Wewelsfleth, von dem aus sich dann eine Tunnelbohrmaschine unter der Elbe nach Niedersachsen durchfräst. In den begehbaren Tunnel mit Schienenbahn kommen sechs Leiterseile, zwei davon redundant.

Die Elbquerung ist das bedeutendste, teuerste und komplexeste Einzelbauwerk der 700 Kilometer langen Trasse. Sie kostet 1 Milliarde der 10 Milliarden Euro, sagt Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne). Ihr Bau dauert daher am längsten: vier Jahre. Habeck merkt mit Sorge an, dass es in der Vergangenheit noch „knapp“ vier Jahre geheißen habe.

Südlink ist Chefsache

Die Elbquerung hat zumindest Baurecht seit Mitte diesen August, 2022 beantragt, alle anderen Abschnitte noch nicht. Das soll 2024 geschehen. Im Raum Heilbronn am anderen Ende wird auch schon gebaut, in einem Salzbergwerk.

Habeck kümmert sich seit einiger Zeit persönlich um den Fortschritt von Südlink. Das wurde in Wewelsfleth deutlich: Er bespricht sich monatlich mit den ÜNB, der Netzagentur und Ländervertretern dezidiert zu dieser „Herzschlagader der Energiewende“, wie er sie nennt. Und wenn es da ein Problem zum Beispiel mit der Autobahn GmbH gibt, sagt er, nimmt er auch schon mal den Telefonhörer zur Hand. Habeck appelliert an die Beteiligten, ihm Probleme auch wirklich zu melden, "pragmatisch" zu sein, "nicht in Hierarchien (zu) denken".

Das politische Ziel müsse sein, die Planungszeiten „mindestens zu halbieren“, fährt Habeck fort. Auf das Unverständnis von Karl-Heinz Strauss, österreichischer Chef des für die Elbquerung verantwortlichen Bauriesen Porr, warum Deutschland die beschleunigten „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ habe auslaufen lassen, erwidert Habeck, in Dänemark würden durchgeplante Großprojekte standardmäßig vom Parlament beschlossen und seien dann gerichtlich kaum noch anfechtbar. Er würde sich, vor die Wahl gestellt, für Abstriche bei den Klagerechten entscheiden, wenn man dafür „was hinkriegt“, statt die Klagerechte voll aufrechtzuerhalten und dann „nichts hingekriegt“ zu haben.

 
Auch mal Richtung Norden

Südlink werde keine reine Einbahnstraße Richtung Süden, betont Tim Meyerjürgens von Tennet in seiner Vorrede. Bayern werde 2037 mit seinen vielen PV-Anlagen „energieautark“, allerdings nur bilanziell aufs Jahr gesehen. In 7.000 Stunden des Jahres brauche es zwar bis zu 30.000 MW Stromimporte, in weiteren 1.000 Stunden werde es aber exportieren, hat Tennet prognostizieren lassen. Durch den Anschluss von Südlink an Nordlink aus Richtung Norwegen entstehe dereinst eine Ausgleichsmöglichkeit zwischen verschiedenen Ländern und Erneuerbaren. 

Ein weiteres HGÜ-Projekt „Korridor B“ − insgesamt gibt es mittlerweile fünf Vorhaben − soll in der Nähe von Südlink ebenfalls die Elbe unterqueren, sagt Matthias Otte von der Netzagentur. Habeck wird später gefragt werden, dass diese Trassenprojekte aus der Zeit von Angela Merkel stammten, als nur der Atomstrom ersetzt werden sollte. Er wird dem Fragesteller recht geben, dass weitere Stromautobahnen dazukommen müssten, um die höher gesetzten Erneuerbaren-Ziele ins Netz umzusetzen sowie den Kohle- und später auch den Gasausstieg zu kompensieren.
 
Ein Bild mit Symbolkraft: Robert Habeck vor einem Rammturm für das Südlink-Schachtbauwerk Wewelsfleth, hinten das abgeschaltete AKW Brokdorf
Quelle: E&M / Georg Eble

Dienstag, 12.09.2023, 09:30 Uhr
Georg Eble

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