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Energie & Management > Gastbeitrag - EWPBG: Böller statt Rakete
Quelle: E&M
Gastbeitrag

EWPBG: Böller statt Rakete

Bundestag und Bundesrat haben das Erdgas- und Wärmepreisbremsengesetz (EWPBG) verabschiedet. Joachim Held * von Rödl & Partner hat dazu einige Anmerkungen. 
Das Gesetzgebungsverfahren zur sogenannten „Erdgas- und Wärmepreisbremse“ ist mit der Zustimmung des Bundesrats vom 16. Dezember 2022 inhaltlich abgeschlossen. Angesichts der knappen Fristen müssen die Versorgungsunternehmen kurzfristig mit der Umsetzung beginnen – Sonderschichten statt Gänse-Resteessen wird deshalb bei vielen Versorgern das Gebot der Stunde sein.

Die Entwicklung des Preisbremsensystems stand unter der Prämisse, der deutschen Bevölkerung im Wirtschaftskrieg mit Russland keine Opfer zumuten zu können. Eine breite Entlastung für alle ohne jeden Aufwand für private Letztverbraucher ist deshalb die magere Positivbilanz des neuen Preisbremsensystems. 

Die Liste der Nachteile ist dagegen lang: Der sozialmarktwirtschaftliche Sündenfall einer Höchstpreisgarantie führt dazu, dass Letztverbraucher, die bisher besonders viel Energie zu besonders hohen Preisen verbraucht haben, unabhängig von einer sozialen Bedürftigkeit den höchsten Beihilfebetrag erhalten. Ein gleicher Höchstpreis für ungleiche Verbrauchsfälle führt deshalb zu einem hohen Maß an sozialer Ungerechtigkeit und Abnahme von Wettbewerb. Ein Effekt, bei dem Ludwig Erhard im Himmel der sozialen Marktwirtschaft vermutlich vor Entsetzen die Zigarre aus dem Munde fällt. 
 
Joachim Held
Quelle: privat

Versorgungsunternehmen pauschal die Absicht zur Ausnutzung des Systemfehlers zu unterstellen, ist aber weder sachlich gerechtfertigt noch eine Lösung zur Beseitigung des Systemfehlers. Mit den weitgehend ungeeigneten Instrumenten des Grundpreisanpassungsverbots und der staatlichen Missbrauchskontrolle hat die Politik das Problem eines ineffizienten Marktordnungsrahmens eher verschärft.

Die Umstellung auf Alternativen zu erdgasbasierten Wärme- und Stromerzeugungssystemen erfordert hohe und schnelle Investitionen. Stattdessen investiert die Bundesregierung in eine Aufrechterhaltung des zu hohen sonstigen Konsumniveaus durch die Preisbremsen-Subventionen. Angesichts dauerhafter Hochpreisprognosen wird die Gefahr wütender Bürger und existenzgefährdeter Unternehmen durch die Preisbremsenpolitik aber nur verschoben. Die mit der Verschuldung verbundene Inflationsgefahr und Verkürzung der Mittel für Demethanisierungsinvestitionen ist deshalb ein hoher Preis für einen kurzfristigen Aufschub der Problematik erhöhter Erdgas-Importpreise.

Auf dem Rücken der Versorgungswirtschaft

Vor allem wird die Preisbremsenpolitik aber auf dem Rücken der Versorgungswirtschaft ausgetragen: Die Energievertriebe werden mit kürzesten Umsetzungsfristen für die Informationspflicht gezwungen, eine weitere Informationssau durch ihre vertrieblichen Dörfer zu jagen. Dabei sind sie mit einem Bürokratiemonster konfrontiert, das dennoch die Vielgestaltigkeit der Regelungen nur teilweise erfasst. 

Bei atypischen Gestaltungen herrscht deshalb hohe Rechtsunsicherheit. Eine Streitwelle aus dem Auseinanderdriften der Erwartungshaltung der Letztverbraucher, der Beihilfenabrechnung durch die Versorger und der Beihilfengewährung durch den Staat ist deshalb programmiert. Statt sich auf den Vertrieb von Wärmepumpen, Solar- und Geothermieanlagen und auf die Demethanisierung der eigenen Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen zu konzentrieren, müssen Versorger jetzt erst einmal viele Ressourcen in die Beherrschung des Bürokratieungetüms stecken. 

Bei dem bisherigen Hauptproblem, wie gestiegene Erdgaskosten rechtssicher an Erdgas- und Fernwärmeverbraucher weitergegeben werden können, hat der Gesetzgeber die Versorgungsunternehmen dagegen alleine gelassen. Stattdessen wurden bestehende vertragliche oder gesetzliche Preisanpassungsregelungen beschränkt. 

Mit der Preisbremsenpolitik riskiert die Politik deshalb, dass Versorgungsunternehmen unter der Gaskrisen-Last durch die zusätzliche Belastung zusammenbrechen und dann womöglich durch einen staatlichen Versorgerschutzschirm gerettet werden müssen. 

Der Scholz'sche „Doppelwumms“ aus Dezember-Soforthilfe- und Preisbremsengesetz ist deshalb wohl eher ein Wirkung vortäuschender Silvester-Doppelkanonenschlag als eine präzise Rakete im Wirtschaftskrieg um den Ukraine-Angriff Russlands. Die Versorgungsunternehmen müssen die Preisbremsen jetzt dennoch schnell, effizient und unter Erfüllung des Minimalziels einer Sicherstellung der preisgünstigen Erdgas- und Fernwärmeversorgung umsetzen. Angesichts des damit im besten Fall zu gewinnenden Aufschubs darf aber nicht vergessen werden, sowohl auf der politischen als auch auf der operativen Ebene das Erfordernis der Demethanisierung und Erdgaseinsparung in den Vordergrund zu rücken. 

* Joachim Held, Rechtsanwalt, Rödl & Partner Nürnberg

Donnerstag, 22.12.2022, 11:30 Uhr
Redaktion
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EWPBG: Böller statt Rakete
Bundestag und Bundesrat haben das Erdgas- und Wärmepreisbremsengesetz (EWPBG) verabschiedet. Joachim Held * von Rödl & Partner hat dazu einige Anmerkungen. 
Das Gesetzgebungsverfahren zur sogenannten „Erdgas- und Wärmepreisbremse“ ist mit der Zustimmung des Bundesrats vom 16. Dezember 2022 inhaltlich abgeschlossen. Angesichts der knappen Fristen müssen die Versorgungsunternehmen kurzfristig mit der Umsetzung beginnen – Sonderschichten statt Gänse-Resteessen wird deshalb bei vielen Versorgern das Gebot der Stunde sein.

Die Entwicklung des Preisbremsensystems stand unter der Prämisse, der deutschen Bevölkerung im Wirtschaftskrieg mit Russland keine Opfer zumuten zu können. Eine breite Entlastung für alle ohne jeden Aufwand für private Letztverbraucher ist deshalb die magere Positivbilanz des neuen Preisbremsensystems. 

Die Liste der Nachteile ist dagegen lang: Der sozialmarktwirtschaftliche Sündenfall einer Höchstpreisgarantie führt dazu, dass Letztverbraucher, die bisher besonders viel Energie zu besonders hohen Preisen verbraucht haben, unabhängig von einer sozialen Bedürftigkeit den höchsten Beihilfebetrag erhalten. Ein gleicher Höchstpreis für ungleiche Verbrauchsfälle führt deshalb zu einem hohen Maß an sozialer Ungerechtigkeit und Abnahme von Wettbewerb. Ein Effekt, bei dem Ludwig Erhard im Himmel der sozialen Marktwirtschaft vermutlich vor Entsetzen die Zigarre aus dem Munde fällt. 
 
Joachim Held
Quelle: privat

Versorgungsunternehmen pauschal die Absicht zur Ausnutzung des Systemfehlers zu unterstellen, ist aber weder sachlich gerechtfertigt noch eine Lösung zur Beseitigung des Systemfehlers. Mit den weitgehend ungeeigneten Instrumenten des Grundpreisanpassungsverbots und der staatlichen Missbrauchskontrolle hat die Politik das Problem eines ineffizienten Marktordnungsrahmens eher verschärft.

Die Umstellung auf Alternativen zu erdgasbasierten Wärme- und Stromerzeugungssystemen erfordert hohe und schnelle Investitionen. Stattdessen investiert die Bundesregierung in eine Aufrechterhaltung des zu hohen sonstigen Konsumniveaus durch die Preisbremsen-Subventionen. Angesichts dauerhafter Hochpreisprognosen wird die Gefahr wütender Bürger und existenzgefährdeter Unternehmen durch die Preisbremsenpolitik aber nur verschoben. Die mit der Verschuldung verbundene Inflationsgefahr und Verkürzung der Mittel für Demethanisierungsinvestitionen ist deshalb ein hoher Preis für einen kurzfristigen Aufschub der Problematik erhöhter Erdgas-Importpreise.

Auf dem Rücken der Versorgungswirtschaft

Vor allem wird die Preisbremsenpolitik aber auf dem Rücken der Versorgungswirtschaft ausgetragen: Die Energievertriebe werden mit kürzesten Umsetzungsfristen für die Informationspflicht gezwungen, eine weitere Informationssau durch ihre vertrieblichen Dörfer zu jagen. Dabei sind sie mit einem Bürokratiemonster konfrontiert, das dennoch die Vielgestaltigkeit der Regelungen nur teilweise erfasst. 

Bei atypischen Gestaltungen herrscht deshalb hohe Rechtsunsicherheit. Eine Streitwelle aus dem Auseinanderdriften der Erwartungshaltung der Letztverbraucher, der Beihilfenabrechnung durch die Versorger und der Beihilfengewährung durch den Staat ist deshalb programmiert. Statt sich auf den Vertrieb von Wärmepumpen, Solar- und Geothermieanlagen und auf die Demethanisierung der eigenen Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen zu konzentrieren, müssen Versorger jetzt erst einmal viele Ressourcen in die Beherrschung des Bürokratieungetüms stecken. 

Bei dem bisherigen Hauptproblem, wie gestiegene Erdgaskosten rechtssicher an Erdgas- und Fernwärmeverbraucher weitergegeben werden können, hat der Gesetzgeber die Versorgungsunternehmen dagegen alleine gelassen. Stattdessen wurden bestehende vertragliche oder gesetzliche Preisanpassungsregelungen beschränkt. 

Mit der Preisbremsenpolitik riskiert die Politik deshalb, dass Versorgungsunternehmen unter der Gaskrisen-Last durch die zusätzliche Belastung zusammenbrechen und dann womöglich durch einen staatlichen Versorgerschutzschirm gerettet werden müssen. 

Der Scholz'sche „Doppelwumms“ aus Dezember-Soforthilfe- und Preisbremsengesetz ist deshalb wohl eher ein Wirkung vortäuschender Silvester-Doppelkanonenschlag als eine präzise Rakete im Wirtschaftskrieg um den Ukraine-Angriff Russlands. Die Versorgungsunternehmen müssen die Preisbremsen jetzt dennoch schnell, effizient und unter Erfüllung des Minimalziels einer Sicherstellung der preisgünstigen Erdgas- und Fernwärmeversorgung umsetzen. Angesichts des damit im besten Fall zu gewinnenden Aufschubs darf aber nicht vergessen werden, sowohl auf der politischen als auch auf der operativen Ebene das Erfordernis der Demethanisierung und Erdgaseinsparung in den Vordergrund zu rücken. 

* Joachim Held, Rechtsanwalt, Rödl & Partner Nürnberg

Donnerstag, 22.12.2022, 11:30 Uhr
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