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Energie & Management > Politik - EU-Kommission legt kleine Reform der Strommärkte vor
Quelle: Fotolia / animaflora
Politik

EU-Kommission legt kleine Reform der Strommärkte vor

In der europäischen Elektrizitätswirtschaft bleibt es bei der bisherigen Meritorder. Die Verbraucher sollen besser gegen krisenhafte Entwicklungen geschützt werden.
Die Staats- und Regierungschefs hatten die Reform Ende letzten Jahres in Auftrag gegeben, nachdem die Strompreise schwindelerregende Höhen erreicht hatten. Ihre Hoffnung, die Strompreise unabhängig von den Gaspreisen zu machen, konnte die Kommission nicht erfüllen. Die jetzt vorgelegte Reform soll aber dazu beitragen, Gas und andere fossile Energieträger im Elektrizitätsmarkt zurückzudrängen. Mit den jetzt vorgelegten Vorschlägen sollen Investitionen in die Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Atomkraft noch stärker gefördert werden als bisher.

Wichtigstes Ziel der vorgeschlagenen Maßnahmen sei es, die Verbraucher von den günstigen Kosten der erneuerbaren Energien profitieren zu lassen, sagte Energiekommissarin Kadri Simson am Nachmittag in Straßburg. „Wir wollen deswegen den Anteil der Erneuerbaren schnell steigern.“ Dafür seien zusätzliche Anreize für Investitionen notwendig. Mit dem jetzt verabschiedeten Vorschlag würden die befristeten Notmaßnahmen aus dem vergangenen Jahr abgelöst und die Regulierung des Elektrizitätsmarktes wieder auf eine dauerhafte Grundlage gestellt.

Die Mitgliedsstaaten müssen in Zukunft sicherstellen, dass Verbraucher wählen können, ob sie über längere Zeit zu einem festen Preis beliefert werden wollen oder zu variablen Preisen, die sich an der aktuellen Entwicklung orientieren. Möglich wäre nach dem Kommissionsvorschlag zum Beispiel auch, dass man für seine Wärmepumpe eine Festpreisvereinbarung wählt, sein Elektroauto aber zu flexiblen Preise auflädt. Das Recht der Verbraucher auf mehrere Stromzähler ist nach Ansicht der Energiekommissarin entscheidend dafür, dass die Nachfrage flexibler wird und einen Beitrag zur Flexibilität des Systems leistet.

Die Mitgliedsstaaten werden verpflichtet, sogenannte Letztlieferanten zu bestimmen, die einspringen müssen, wenn Vertragspartner ausfallen. Anbieter von Festpreisverträgen müssen sich über den Terminmarkt so absichern, dass sie ihre Lieferverpflichtungen jederzeit einhalten können. Einkommensschwache Kunden müssen auch dann weiter beliefert werden, wenn sie ihre Rechnung nicht bezahlen können. In Krisenzeiten dürfen die Mitgliedsstaaten die Endpreise für private Haushalte und kleinere Unternehmen festlegen.

Grundregeln der Preisbindung bleiben unverändert

Im kurzfristigen Großhandel (Day-ahead und Intraday) hält die Kommission daran fest, dass die Preise nach der sogenannten Meritorder gebildet werden: der jeweils teuerste Energieträger bestimmt den Preis zu jedem Zeitpunkt. „Die Grundregeln der Preisbildung bleiben unverändert“, sagte die Kommissarin.

Die Konsultation der Unternehmen, der Verbände und der Mitgliedsstaaten hat nach Ansicht der Kommission aber offengelegt, dass die geltende Regulierung der Elektrizitätsmärkte nicht genug Anreize für Investitionen in die langfristige Erzeugung aus erneuerbaren Energien und in die „nicht-fossile Flexibilität“ des Systems bietet. Dem will die Kommission Rechnung tragen, indem die Rolle der Terminmärkte und langfristiger Verträge gestärkt wird.

So werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, langfristige Lieferverträge zwischen Erzeugern von Grünstrom und kommerziellen Kunden (PPA) durch Kredite, Garantien oder andere marktbasierte Instrumente abzusichern. Damit sollen vor allem Industriekunden vor starken Preisschwankungen geschützt und in die Lage versetzt werden, ihre Preise über längere Zeiträume zuverlässig zu kalkulieren. Das sei nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu verbessern.

Kernelement des Kommissionsvorschlags sind Differenzverträge (CfD), die bereits jetzt zur Förderung der erneuerbaren Energien eingesetzt werden. Sie sollen in Zukunft das einzige Instrument zur Förderung der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Atomkraft werden. In den CfD vereinbaren der Betreiber und der Staat einen Mindest- und einen Höchstpreis. Beide werden durch eine Auktion festgelegt, die die Mitgliedsstaaten organisieren müssen.

Mehr Daten und Rechte für die Regulierer

Fällt der Marktpreis für Strom unter den Mindestpreis, erhält der Betreiber des Windrades, der PV-Anlage oder des Atommeilers einen Ausgleich, zum Beispiel in Form einer Prämie. Steigt der Marktpreis dagegen über den Höchstpreis, muss der Betreiber einen Teil davon oder alles an den Staat zurückzahlen. Dieser ist gehalten, mit den so entstehenden Einnahmen die Verbraucher zu entlasten, wenn die hohen Großhandelspreise auf die Verbraucherpreise durchschlagen.

Damit die langfristigen Lieferverträge auch eingehalten werden, sollen die Rolle der Terminmärkte und deren Transparenz gestärkt werden. Die europäische Regulierungsbehörde ACER soll dafür mehr Daten über die Vorgänge auf den Terminmärkten und über den grenzüberschreitenden Stromhandel erhalten. Die Regulierer sollen außerdem mehr Möglichkeiten erhalten, Unregelmäßigkeiten im grenzüberschreitenden Stromhandel zu untersuchen und zu sanktionieren.

Weil es Terminmärkte mit nennenswerter Liquidität nur in Deutschland und in der nordischen Handelszone gibt, soll der Zugang von Händlern aus den anderen Regionen der EU zu diesen Märkten erleichtert werden. Die Übertragungsnetzbetreiber (TSO) will die Kommission in diesem Zusammenhang verpflichten, Kapazität auf Interkonnektoren anzubieten, damit der Strom, den man vor zwei oder drei Jahren auf Termin gekauft hat, auch in die anderen Bieterzonen geliefert werden kann.

Dienstag, 14.03.2023, 15:47 Uhr
Tom Weingärtner
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Politik
EU-Kommission legt kleine Reform der Strommärkte vor
In der europäischen Elektrizitätswirtschaft bleibt es bei der bisherigen Meritorder. Die Verbraucher sollen besser gegen krisenhafte Entwicklungen geschützt werden.
Die Staats- und Regierungschefs hatten die Reform Ende letzten Jahres in Auftrag gegeben, nachdem die Strompreise schwindelerregende Höhen erreicht hatten. Ihre Hoffnung, die Strompreise unabhängig von den Gaspreisen zu machen, konnte die Kommission nicht erfüllen. Die jetzt vorgelegte Reform soll aber dazu beitragen, Gas und andere fossile Energieträger im Elektrizitätsmarkt zurückzudrängen. Mit den jetzt vorgelegten Vorschlägen sollen Investitionen in die Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Atomkraft noch stärker gefördert werden als bisher.

Wichtigstes Ziel der vorgeschlagenen Maßnahmen sei es, die Verbraucher von den günstigen Kosten der erneuerbaren Energien profitieren zu lassen, sagte Energiekommissarin Kadri Simson am Nachmittag in Straßburg. „Wir wollen deswegen den Anteil der Erneuerbaren schnell steigern.“ Dafür seien zusätzliche Anreize für Investitionen notwendig. Mit dem jetzt verabschiedeten Vorschlag würden die befristeten Notmaßnahmen aus dem vergangenen Jahr abgelöst und die Regulierung des Elektrizitätsmarktes wieder auf eine dauerhafte Grundlage gestellt.

Die Mitgliedsstaaten müssen in Zukunft sicherstellen, dass Verbraucher wählen können, ob sie über längere Zeit zu einem festen Preis beliefert werden wollen oder zu variablen Preisen, die sich an der aktuellen Entwicklung orientieren. Möglich wäre nach dem Kommissionsvorschlag zum Beispiel auch, dass man für seine Wärmepumpe eine Festpreisvereinbarung wählt, sein Elektroauto aber zu flexiblen Preise auflädt. Das Recht der Verbraucher auf mehrere Stromzähler ist nach Ansicht der Energiekommissarin entscheidend dafür, dass die Nachfrage flexibler wird und einen Beitrag zur Flexibilität des Systems leistet.

Die Mitgliedsstaaten werden verpflichtet, sogenannte Letztlieferanten zu bestimmen, die einspringen müssen, wenn Vertragspartner ausfallen. Anbieter von Festpreisverträgen müssen sich über den Terminmarkt so absichern, dass sie ihre Lieferverpflichtungen jederzeit einhalten können. Einkommensschwache Kunden müssen auch dann weiter beliefert werden, wenn sie ihre Rechnung nicht bezahlen können. In Krisenzeiten dürfen die Mitgliedsstaaten die Endpreise für private Haushalte und kleinere Unternehmen festlegen.

Grundregeln der Preisbindung bleiben unverändert

Im kurzfristigen Großhandel (Day-ahead und Intraday) hält die Kommission daran fest, dass die Preise nach der sogenannten Meritorder gebildet werden: der jeweils teuerste Energieträger bestimmt den Preis zu jedem Zeitpunkt. „Die Grundregeln der Preisbildung bleiben unverändert“, sagte die Kommissarin.

Die Konsultation der Unternehmen, der Verbände und der Mitgliedsstaaten hat nach Ansicht der Kommission aber offengelegt, dass die geltende Regulierung der Elektrizitätsmärkte nicht genug Anreize für Investitionen in die langfristige Erzeugung aus erneuerbaren Energien und in die „nicht-fossile Flexibilität“ des Systems bietet. Dem will die Kommission Rechnung tragen, indem die Rolle der Terminmärkte und langfristiger Verträge gestärkt wird.

So werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, langfristige Lieferverträge zwischen Erzeugern von Grünstrom und kommerziellen Kunden (PPA) durch Kredite, Garantien oder andere marktbasierte Instrumente abzusichern. Damit sollen vor allem Industriekunden vor starken Preisschwankungen geschützt und in die Lage versetzt werden, ihre Preise über längere Zeiträume zuverlässig zu kalkulieren. Das sei nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu verbessern.

Kernelement des Kommissionsvorschlags sind Differenzverträge (CfD), die bereits jetzt zur Förderung der erneuerbaren Energien eingesetzt werden. Sie sollen in Zukunft das einzige Instrument zur Förderung der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Atomkraft werden. In den CfD vereinbaren der Betreiber und der Staat einen Mindest- und einen Höchstpreis. Beide werden durch eine Auktion festgelegt, die die Mitgliedsstaaten organisieren müssen.

Mehr Daten und Rechte für die Regulierer

Fällt der Marktpreis für Strom unter den Mindestpreis, erhält der Betreiber des Windrades, der PV-Anlage oder des Atommeilers einen Ausgleich, zum Beispiel in Form einer Prämie. Steigt der Marktpreis dagegen über den Höchstpreis, muss der Betreiber einen Teil davon oder alles an den Staat zurückzahlen. Dieser ist gehalten, mit den so entstehenden Einnahmen die Verbraucher zu entlasten, wenn die hohen Großhandelspreise auf die Verbraucherpreise durchschlagen.

Damit die langfristigen Lieferverträge auch eingehalten werden, sollen die Rolle der Terminmärkte und deren Transparenz gestärkt werden. Die europäische Regulierungsbehörde ACER soll dafür mehr Daten über die Vorgänge auf den Terminmärkten und über den grenzüberschreitenden Stromhandel erhalten. Die Regulierer sollen außerdem mehr Möglichkeiten erhalten, Unregelmäßigkeiten im grenzüberschreitenden Stromhandel zu untersuchen und zu sanktionieren.

Weil es Terminmärkte mit nennenswerter Liquidität nur in Deutschland und in der nordischen Handelszone gibt, soll der Zugang von Händlern aus den anderen Regionen der EU zu diesen Märkten erleichtert werden. Die Übertragungsnetzbetreiber (TSO) will die Kommission in diesem Zusammenhang verpflichten, Kapazität auf Interkonnektoren anzubieten, damit der Strom, den man vor zwei oder drei Jahren auf Termin gekauft hat, auch in die anderen Bieterzonen geliefert werden kann.

Dienstag, 14.03.2023, 15:47 Uhr
Tom Weingärtner

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