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Stephan Kohler (hier ein Bild von 2005). Quelle: Dena
E&M Vor 20 Jahren

"Die regenerativen Energien müssen integriert werden"

Auch wenn die Dena in erster Linie die Energieeffizienz im Land voranbringen sollte, machte sie von Anfang an den Wandel des Energiesystems zu ihrem Thema.
Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) wurde im Jahr 2000 gegründet, um vor allem das Thema Energieeffizienz voranzutreiben. Die Initiative kam von der damaligen SPD-geführten Bundesregierung. Vor 20 Jahren, keine zwei Jahre nach ihrer Gründung, hatte die Dena durchaus schon sichtbare Spuren hinterlassen – als Politikberater und „Streetworker“, als Energiegewissen und pragmatischer Initiator von Energieeffizienzkampagnen.

E&M-Chefredakteur Helmut Sendner sprach mit Stephan Kohler, dem damaligen Geschäftsführer der Dena, über die Rolle der Agentur und seine Pläne. Hier eine gekürzte Version des Gesprächs.

E&M: Herr Kohler, sind Sie einverstanden mit dem, was die Koalition zum Thema Energie vereinbart hat?

Kohler: Wir begrüßen, dass in der Koalitionsvereinbarung die Umsetzung einer nachhaltigen Energiepolitik nochmals bekräftigt und konkretisiert wurde, insbesondere die Nutzung und der Ausbau regenerativer Energiequellen festgeschrieben wurde, und dass die Exportinitiative für die regenerativen Energien noch mal deutlich hervorgehoben worden ist. Was besonders wichtig ist, und was auch von unserer Seite mitinitiiert worden ist, das ist das verstärkte Engagement bei der energetischen Altbausanierung, einem sehr wichtigen Bereich. Jetzt geht es um die Ausgestaltung, wie die einzelnen Themen realisiert werden.

E&M: Die Koalition ist für tägliche Überraschungen gut, so wie bei der Erhöhung der Erdgassteuer: Ist das ein richtiger Schritt?

Kohler: Die einseitigen Veränderungen bei der Erdgasbesteuerung sind bestimmt ein falsches Zeichen, denn gerade Erdgas ist unter den fossilen Energieträgern der umweltfreundlichste.

E&M: Die 20 Monate alte Dena hat verschiedene Mütter: Wird an dem Kind mit unterschiedlichen Interessen gezerrt?

Kohler: Die Deutsche Energie Agentur ist vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, vom Bundesumweltministerium und vom Bundesbauministerium im Aufsichtsrat besetzt, darüber hinaus arbeiten wir intensiv mit dem Kanzleramt und dem Bundeslandwirtschaftsministerium zusammen. Wir sehen ein großes Interesse an einer Zusammenarbeit, die auch auf die Erarbeitung von übergreifenden Strategien, wie zum Beispiel im Off-shore-Windausbau, ausgerichtet ist. In unserem Aufsichtsrat werden zwei neue Minister Platz nehmen, die eine weitere gute Zusammenarbeit garantieren werden.

Die Regenerativen benötigen in den nächsten 40, 50 Jahren ein fossiles Backup

E&M: Stichwort Konsens: Die Minister Clement und Trittin haben im Energiebereich um Verantwortung gestritten, nun wurde die Energie auf die zwei Ministerien verteilt: Kann das gut gehen?

Kohler: Ich bezweifle eher, dass das in der Sache richtig ist. Jürgen Trittin und sein Bundesumweltministerium müssen sehr genau aufpassen, dass die regenerativen Energiequellen nicht zum „grünen Biotop“ und von der konventionellen Energiepolitik abgehängt werden. Das Gegenteil nämlich ist notwendig: Die regenerativen Energien müssen in das bestehende Energiesystem integriert werden, also eine Koalition schließen mit der effizienten Nutzung der fossilen Energieträger. Es ist auch bei ökologisch orientierten Menschen anerkannt, dass die Regenerativen in den nächsten 40, 50 Jahren ein fossiles Backup benötigen, deshalb ist deren Verbindung besonders wichtig.

E&M: Bei knappen Haushaltsmitteln geht es mehr denn je darum, Gelder effizient einzusetzen. Es ist doch wohl unstrittig, dass ein Förder-Euro für den Wärme- oder Verkehrssektor mehr CO2-Reduktion bewirkt als beispielsweise bei der Photovoltaik. Stimmt da die Richtung?

Kohler: Ich würde diese beiden Themen nicht alternativ diskutieren. Die Dena wird in Zusammenarbeit mit dem Bundesbauministerium und, was besonders wichtig ist, insbesondere mit der Wirtschaft Effizienzprogramme im Baubereich umsetzen. Dort sind die großen Potenziale, insbesondere im Gebäudebestand. Im Verkehrsbereich gibt es große Potenziale für den Klimaschutz, und deshalb muss die Bundesregierung dort auch einen Schwerpunkt setzen. Neben der notwendigen Effizienzsteigerung bei den Fahrzeugen und Motoren geht es im Wesentlichen um drei Punkte: einen verstärkten Erdgaseinsatz im Fahrzeugbereich, die Einführung von biogenen Treibstoffen zu fördern und zu organisieren und drittens langfristig die Einführung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff zu planen. Da muss eine konsistente Einführungs- und Förderstrategie aufgebaut werden, damit nicht jetzt eine Infrastruktur entsteht, die sich nach 15 oder 20 Jahren als falsch erweist.

Wasserstoff macht nur dann Sinn, wenn er regenerativ erzeugt wird

E&M: Wo soll der Wasserstoff denn langfristig herkommen?

Kohler: Wasserstoff macht nur dann Sinn, wenn er regenerativ erzeugt wird. Wenn wir im Jahr 2020 eine Größenordnung von rund 30.000 Megawatt an Windkraftwerken betreiben wollen, dann wird das elektrische Verbundnetz als Ausgleich- und Reservesystem nicht ausreichen. Wir brauchen also zusätzliche Speichertechnologien, und da steht neben der Druckluftspeicherung der Wasserstoff an erster Stelle. Wir können dann die fluktuierend anfallende Windenergie mit dem elektrischen Verbundsystem und den Speichertechnologien verbinden. Mit Wasserstoff hätten wir dann auch einen Energieträger, der insbesondere für den Fahrzeugbereich hoch interessant wäre. Dies ist zum Beispiel auch das Ergebnis der verkehrswirtschaftlichen Energiestrategie, die ja von namhaften Unternehmen aus diesen Branchen, also etwa aus dem Automobilbereich, erarbeitet wurde.

E&M: Und das Argument, dass dies ein exergetischer Unsinn ist, das negieren Sie?

Kohler: Was heißt exergetischer Unsinn, wir müssen das Energiesystem optimieren, insbesondere im Hinblick auf die fluktuierend auftretende Windenergie. Wenn Windkraftwerke im Jahr 2020 mit 30.000 MW rund ein Viertel zu der dann insgesamt installierten Kraftwerksleistung beitragen, dann haben wir wahrscheinlich auch eine schwankende Leistung von rund 24.000 MW. Die Frage ist dann, ob wir dies, auch unter ökonomischen Gesichtspunkten, alles über das elektrische Verbundnetz regeln können, oder ob wir nicht sinnvollerweise über Speichertechnologien gehen. Hier möchte ich aber neben Wasserstoff auch ausdrücklich auf die Druckluftspeicherung hinweisen, die mir in der bisherigen Diskussion zu kurz kommt.

E&M: Die Dena hat eine Hotline zur Energieberatung eingerichtet. Wie wird das Angebot angenommen?

Kohler: Das Angebot wird sehr gut angenommen. Als wir zum Beispiel die Hotline im letzten Jahr in Verbindung mit der neuen Energieeinsparverordnung in den Fachmedien beworben haben, war die Resonanz sehr gut. Wir haben jetzt unsere Effizienzkampagne mit der deutschen Wirtschaft gestartet, auch da wird die Hotline-Nummer eingesetzt und wir bemerken schon nach kurzer Zeit eine sehr rege Nachfrage.

E&M: Gibt es eigentlich Animositäten gerade aus der Energiewirtschaft gegenüber der Dena?

Kohler: Auch wenn man in bestimmten Sachthemen manchmal nicht übereinstimmt oder unterschiedliche Standpunkte und Interessen vertritt, so ist die Zusammenarbeit mit der Energiewirtschaft sehr gut und konstruktiv.

E&M: Die Dena ist also mittlerweile etabliert ...

Kohler: Etabliert im negativen Sinne hoffentlich nicht. Wir haben mit jetzt rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unsere Aufbauphase abgeschlossen und sind dabei, dem Roh-Diamanten nun den Feinschliff zu geben. Wir haben uns in einige Bereiche erfolgreich eingemischt und unsere Themen Energieeffizienz und regenerative Energiequellen gewinnen in der Öffentlichkeit immer mehr an Bedeutung. Zufrieden bin ich deswegen noch lange nicht, denn unsere Hauptaufgabe besteht darin, Energieeffizienz und die Nutzung von regenerativen Energiequellen in einem sich zunehmend liberalisierenden Energiemarkt auf Frist konkurrenzfähig zu machen und ohne Fördergesetze zu integrieren.

Wir verstehen Energieeffizienz und die Erneuerbaren auch als unternehmerische Aufgabe

E&M: Die dena hängt indirekt doch auch am Tropf von Fördergeldern, wird sich auch das ändern?

Kohler: Wir sind als GmbH verpflichtet, einen ausgeglichenen Wirtschaftsplan vorzulegen und der Jahresabschluss muss eine schwarze Null zeigen. Wir verstehen die Themen Energieeffizienz und die Erneuerbaren auch als unternehmerische Aufgabe und deshalb ist es für mich ein Auftrag, in Partnerschaft mit unseren Gesellschaftern der Wirtschaft ein Geschäft daraus zu machen. Die Gründung der Dena als GmbH wurde bewusst gewählt, um den damit verbundenen Spielraum auch zu nutzen.

E&M: Bei der geplanten Exportoffensive für erneuerbare Energien haben Sie sicherlich nur Freunde in der Wirtschaft ...

Kohler: Grundsätzlich ja, aber es reicht nicht aus, hier in Deutschland Produkte zu fertigen und sie dann nach China oder Indien zu verschiffen, was auch von diesen Ländern so nicht gewünscht wird. Es geht vielmehr darum, dass die deutschen Unternehmen sich in den jeweiligen Zielländern etablieren können, indem sie zum Beispiel Partner finden, um dann den Markt zu erschließen. Gleichzeitig besteht auch die Notwendigkeit, mit den Zielländern zu diskutieren, wie die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden können.

E&M: Der Anteil der regenerativen Energien zur Energieversorgung in Deutschland soll sich bis zum Jahr 2010 von etwa sechs auf etwa zwölf Prozent erhöhen: Ist das ein bescheidenes oder ein ehrgeiziges Ziel?

Kohler: Das Ziel ist ambitioniert. Den Hauptanteil bei der Verdoppelung wird die Windenergie erbringen müssen, und da liegen große Aufgaben wie Reservehaltung, Netzintegration, Regelenergie et cetera vor uns, die zu lösen und auch zu finanzieren sind. Man muss schon sehen, dass wir auf der einen Seite die Liberalisierung des Energiemarktes haben, und auf der anderen Seite mit staatlichen Instrumenten gestützt massiv einen Energieträger mit ins System bringen, der durch seine Volatilität ganz neue Anforderungen stellt.


Stephan Kohler war von 1981 bis 1991 Mitarbeiter des Öko-Instituts in Freiburg, zuletzt als Leiter der Abteilung Energie. Anschließend übernahm er die Geschäftsführung der Niedersächsischen Energie-Agentur. Im Oktober 2000 wurde er Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur GmbH in Berlin und im Mai 2006 Vorsitzender der Geschäftsführung. Diese Position hatte er bis 2014 inne. Ab Juni 2001 war er Mitglied im Vorstand des neu gegründeten Weltrates für erneuerbare Energien. Kohler verstarb im Jahr 2020 im Alter von 67 Jahren.

Freitag, 2.12.2022, 14:46 Uhr
Helmut Sendner
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Stephan Kohler (hier ein Bild von 2005). Quelle: Dena
E&M Vor 20 Jahren
"Die regenerativen Energien müssen integriert werden"
Auch wenn die Dena in erster Linie die Energieeffizienz im Land voranbringen sollte, machte sie von Anfang an den Wandel des Energiesystems zu ihrem Thema.
Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) wurde im Jahr 2000 gegründet, um vor allem das Thema Energieeffizienz voranzutreiben. Die Initiative kam von der damaligen SPD-geführten Bundesregierung. Vor 20 Jahren, keine zwei Jahre nach ihrer Gründung, hatte die Dena durchaus schon sichtbare Spuren hinterlassen – als Politikberater und „Streetworker“, als Energiegewissen und pragmatischer Initiator von Energieeffizienzkampagnen.

E&M-Chefredakteur Helmut Sendner sprach mit Stephan Kohler, dem damaligen Geschäftsführer der Dena, über die Rolle der Agentur und seine Pläne. Hier eine gekürzte Version des Gesprächs.

E&M: Herr Kohler, sind Sie einverstanden mit dem, was die Koalition zum Thema Energie vereinbart hat?

Kohler: Wir begrüßen, dass in der Koalitionsvereinbarung die Umsetzung einer nachhaltigen Energiepolitik nochmals bekräftigt und konkretisiert wurde, insbesondere die Nutzung und der Ausbau regenerativer Energiequellen festgeschrieben wurde, und dass die Exportinitiative für die regenerativen Energien noch mal deutlich hervorgehoben worden ist. Was besonders wichtig ist, und was auch von unserer Seite mitinitiiert worden ist, das ist das verstärkte Engagement bei der energetischen Altbausanierung, einem sehr wichtigen Bereich. Jetzt geht es um die Ausgestaltung, wie die einzelnen Themen realisiert werden.

E&M: Die Koalition ist für tägliche Überraschungen gut, so wie bei der Erhöhung der Erdgassteuer: Ist das ein richtiger Schritt?

Kohler: Die einseitigen Veränderungen bei der Erdgasbesteuerung sind bestimmt ein falsches Zeichen, denn gerade Erdgas ist unter den fossilen Energieträgern der umweltfreundlichste.

E&M: Die 20 Monate alte Dena hat verschiedene Mütter: Wird an dem Kind mit unterschiedlichen Interessen gezerrt?

Kohler: Die Deutsche Energie Agentur ist vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, vom Bundesumweltministerium und vom Bundesbauministerium im Aufsichtsrat besetzt, darüber hinaus arbeiten wir intensiv mit dem Kanzleramt und dem Bundeslandwirtschaftsministerium zusammen. Wir sehen ein großes Interesse an einer Zusammenarbeit, die auch auf die Erarbeitung von übergreifenden Strategien, wie zum Beispiel im Off-shore-Windausbau, ausgerichtet ist. In unserem Aufsichtsrat werden zwei neue Minister Platz nehmen, die eine weitere gute Zusammenarbeit garantieren werden.

Die Regenerativen benötigen in den nächsten 40, 50 Jahren ein fossiles Backup

E&M: Stichwort Konsens: Die Minister Clement und Trittin haben im Energiebereich um Verantwortung gestritten, nun wurde die Energie auf die zwei Ministerien verteilt: Kann das gut gehen?

Kohler: Ich bezweifle eher, dass das in der Sache richtig ist. Jürgen Trittin und sein Bundesumweltministerium müssen sehr genau aufpassen, dass die regenerativen Energiequellen nicht zum „grünen Biotop“ und von der konventionellen Energiepolitik abgehängt werden. Das Gegenteil nämlich ist notwendig: Die regenerativen Energien müssen in das bestehende Energiesystem integriert werden, also eine Koalition schließen mit der effizienten Nutzung der fossilen Energieträger. Es ist auch bei ökologisch orientierten Menschen anerkannt, dass die Regenerativen in den nächsten 40, 50 Jahren ein fossiles Backup benötigen, deshalb ist deren Verbindung besonders wichtig.

E&M: Bei knappen Haushaltsmitteln geht es mehr denn je darum, Gelder effizient einzusetzen. Es ist doch wohl unstrittig, dass ein Förder-Euro für den Wärme- oder Verkehrssektor mehr CO2-Reduktion bewirkt als beispielsweise bei der Photovoltaik. Stimmt da die Richtung?

Kohler: Ich würde diese beiden Themen nicht alternativ diskutieren. Die Dena wird in Zusammenarbeit mit dem Bundesbauministerium und, was besonders wichtig ist, insbesondere mit der Wirtschaft Effizienzprogramme im Baubereich umsetzen. Dort sind die großen Potenziale, insbesondere im Gebäudebestand. Im Verkehrsbereich gibt es große Potenziale für den Klimaschutz, und deshalb muss die Bundesregierung dort auch einen Schwerpunkt setzen. Neben der notwendigen Effizienzsteigerung bei den Fahrzeugen und Motoren geht es im Wesentlichen um drei Punkte: einen verstärkten Erdgaseinsatz im Fahrzeugbereich, die Einführung von biogenen Treibstoffen zu fördern und zu organisieren und drittens langfristig die Einführung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff zu planen. Da muss eine konsistente Einführungs- und Förderstrategie aufgebaut werden, damit nicht jetzt eine Infrastruktur entsteht, die sich nach 15 oder 20 Jahren als falsch erweist.

Wasserstoff macht nur dann Sinn, wenn er regenerativ erzeugt wird

E&M: Wo soll der Wasserstoff denn langfristig herkommen?

Kohler: Wasserstoff macht nur dann Sinn, wenn er regenerativ erzeugt wird. Wenn wir im Jahr 2020 eine Größenordnung von rund 30.000 Megawatt an Windkraftwerken betreiben wollen, dann wird das elektrische Verbundnetz als Ausgleich- und Reservesystem nicht ausreichen. Wir brauchen also zusätzliche Speichertechnologien, und da steht neben der Druckluftspeicherung der Wasserstoff an erster Stelle. Wir können dann die fluktuierend anfallende Windenergie mit dem elektrischen Verbundsystem und den Speichertechnologien verbinden. Mit Wasserstoff hätten wir dann auch einen Energieträger, der insbesondere für den Fahrzeugbereich hoch interessant wäre. Dies ist zum Beispiel auch das Ergebnis der verkehrswirtschaftlichen Energiestrategie, die ja von namhaften Unternehmen aus diesen Branchen, also etwa aus dem Automobilbereich, erarbeitet wurde.

E&M: Und das Argument, dass dies ein exergetischer Unsinn ist, das negieren Sie?

Kohler: Was heißt exergetischer Unsinn, wir müssen das Energiesystem optimieren, insbesondere im Hinblick auf die fluktuierend auftretende Windenergie. Wenn Windkraftwerke im Jahr 2020 mit 30.000 MW rund ein Viertel zu der dann insgesamt installierten Kraftwerksleistung beitragen, dann haben wir wahrscheinlich auch eine schwankende Leistung von rund 24.000 MW. Die Frage ist dann, ob wir dies, auch unter ökonomischen Gesichtspunkten, alles über das elektrische Verbundnetz regeln können, oder ob wir nicht sinnvollerweise über Speichertechnologien gehen. Hier möchte ich aber neben Wasserstoff auch ausdrücklich auf die Druckluftspeicherung hinweisen, die mir in der bisherigen Diskussion zu kurz kommt.

E&M: Die Dena hat eine Hotline zur Energieberatung eingerichtet. Wie wird das Angebot angenommen?

Kohler: Das Angebot wird sehr gut angenommen. Als wir zum Beispiel die Hotline im letzten Jahr in Verbindung mit der neuen Energieeinsparverordnung in den Fachmedien beworben haben, war die Resonanz sehr gut. Wir haben jetzt unsere Effizienzkampagne mit der deutschen Wirtschaft gestartet, auch da wird die Hotline-Nummer eingesetzt und wir bemerken schon nach kurzer Zeit eine sehr rege Nachfrage.

E&M: Gibt es eigentlich Animositäten gerade aus der Energiewirtschaft gegenüber der Dena?

Kohler: Auch wenn man in bestimmten Sachthemen manchmal nicht übereinstimmt oder unterschiedliche Standpunkte und Interessen vertritt, so ist die Zusammenarbeit mit der Energiewirtschaft sehr gut und konstruktiv.

E&M: Die Dena ist also mittlerweile etabliert ...

Kohler: Etabliert im negativen Sinne hoffentlich nicht. Wir haben mit jetzt rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unsere Aufbauphase abgeschlossen und sind dabei, dem Roh-Diamanten nun den Feinschliff zu geben. Wir haben uns in einige Bereiche erfolgreich eingemischt und unsere Themen Energieeffizienz und regenerative Energiequellen gewinnen in der Öffentlichkeit immer mehr an Bedeutung. Zufrieden bin ich deswegen noch lange nicht, denn unsere Hauptaufgabe besteht darin, Energieeffizienz und die Nutzung von regenerativen Energiequellen in einem sich zunehmend liberalisierenden Energiemarkt auf Frist konkurrenzfähig zu machen und ohne Fördergesetze zu integrieren.

Wir verstehen Energieeffizienz und die Erneuerbaren auch als unternehmerische Aufgabe

E&M: Die dena hängt indirekt doch auch am Tropf von Fördergeldern, wird sich auch das ändern?

Kohler: Wir sind als GmbH verpflichtet, einen ausgeglichenen Wirtschaftsplan vorzulegen und der Jahresabschluss muss eine schwarze Null zeigen. Wir verstehen die Themen Energieeffizienz und die Erneuerbaren auch als unternehmerische Aufgabe und deshalb ist es für mich ein Auftrag, in Partnerschaft mit unseren Gesellschaftern der Wirtschaft ein Geschäft daraus zu machen. Die Gründung der Dena als GmbH wurde bewusst gewählt, um den damit verbundenen Spielraum auch zu nutzen.

E&M: Bei der geplanten Exportoffensive für erneuerbare Energien haben Sie sicherlich nur Freunde in der Wirtschaft ...

Kohler: Grundsätzlich ja, aber es reicht nicht aus, hier in Deutschland Produkte zu fertigen und sie dann nach China oder Indien zu verschiffen, was auch von diesen Ländern so nicht gewünscht wird. Es geht vielmehr darum, dass die deutschen Unternehmen sich in den jeweiligen Zielländern etablieren können, indem sie zum Beispiel Partner finden, um dann den Markt zu erschließen. Gleichzeitig besteht auch die Notwendigkeit, mit den Zielländern zu diskutieren, wie die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden können.

E&M: Der Anteil der regenerativen Energien zur Energieversorgung in Deutschland soll sich bis zum Jahr 2010 von etwa sechs auf etwa zwölf Prozent erhöhen: Ist das ein bescheidenes oder ein ehrgeiziges Ziel?

Kohler: Das Ziel ist ambitioniert. Den Hauptanteil bei der Verdoppelung wird die Windenergie erbringen müssen, und da liegen große Aufgaben wie Reservehaltung, Netzintegration, Regelenergie et cetera vor uns, die zu lösen und auch zu finanzieren sind. Man muss schon sehen, dass wir auf der einen Seite die Liberalisierung des Energiemarktes haben, und auf der anderen Seite mit staatlichen Instrumenten gestützt massiv einen Energieträger mit ins System bringen, der durch seine Volatilität ganz neue Anforderungen stellt.


Stephan Kohler war von 1981 bis 1991 Mitarbeiter des Öko-Instituts in Freiburg, zuletzt als Leiter der Abteilung Energie. Anschließend übernahm er die Geschäftsführung der Niedersächsischen Energie-Agentur. Im Oktober 2000 wurde er Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur GmbH in Berlin und im Mai 2006 Vorsitzender der Geschäftsführung. Diese Position hatte er bis 2014 inne. Ab Juni 2001 war er Mitglied im Vorstand des neu gegründeten Weltrates für erneuerbare Energien. Kohler verstarb im Jahr 2020 im Alter von 67 Jahren.

Freitag, 2.12.2022, 14:46 Uhr
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