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Energie & Management > Wasserstoff - Die Nationale Wasserstoffstrategie unter dem Brennglas
Quelle: Shutterstock / r.classen
Wasserstoff

Die Nationale Wasserstoffstrategie unter dem Brennglas

Ein Entwurf für die lang ersehnte Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie ist da. Erste Äußerungen der Verbände dringen an die Oberfläche.
Der vom Bundeskabinett vorgelegte Entwurf zur Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) liegt nun zur Stellungnahme beim Nationalen Wasserstoffrat, dem Beratergremium der Bundesregierung. Er trägt das Datum 10. Juli. Auch unserer Redaktion liegt er jetzt vor. Wie auf Seite eins des Papiers zu lesen ist, handelt es sich um eine ressortabgestimmte Fassung, die noch "nicht kabinettbewilligt" ist (wir berichteten). Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) möchte sich auf Nachfrage in diesem Entwurfsstadium noch nicht zu den Inhalten äußern. Erste Reaktionen gab es dagegen seitens anderer Verbände. 

Positive Reaktionen

Der Verband kommunaler Verbände (VKU) begrüßte die Pläne, Wasserstoff auch als Technologieoption beim Beheizen von Wohnräumen einzusetzen. Die Umnutzung der Gasverteilnetze auf Wasserstoff sowie der Einsatz dezentraler Wasserstoffkessel ist zu prüfen, heißt es im Entwurf. "Damit findet unsere Empfehlung für mehr Technologieoffenheit nach dem Gebäudeenergiegesetz auch in der Nationalen Wasserstoffstrategie Widerhall", freut sich Ingbert Liebing, VKU-Hauptgeschäftsführer. Dies sei ein Fortschritt, hätten die zuvor vorgesehenen Regelungen, den Wasserstoff für Anwendungen im Wärmemarkt faktisch ausgeschlossen. 

Generell bewertet der VKU den Entwurf zur NWS-Fortschreibung als "insgesamt positiv". Sie unterstreiche die künftige sektorenübergreifende Bedeutung von Wasserstoff und Wasserstoffkraftwerken. Der Energieträger müsse, wo sinnvoll, in allen wichtigen Bereichen zum Einsatz kommen, betont der Verband. Er zählt die Industrie auf, den Verkehr sowie die Strom- und die Wärmeversorgung.

Auf geteiltes Echo stößt die im NWS-Entwurf beabsichtige Technologieoffenheit bei der Wasserstoffproduktion: Zwar liege nach wie vor der letztendliche Fokus auf dem grünen Wasserstoff. Das Ziel eines schnellen Wasserstoffhochlaufs vor Augen, sollen jedoch auch − solange bis ausreichende Mengen an grünem Wasserstoff bereit stünden − auch kohlenstoffarmer Wasserstoff aus Abfällen oder Erdgas in Verbindung mit Kohlenstoffabscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) gefördert werden.

Der VKU sieht hierin einen marktwirtschaftlichen Vorteil gemäß der Formel "Je größer das Angebot an Wasserstoff, desto niedriger die Preise". Liebing: "Wir begrüßen es sehr, dass in der Nationalen Wasserstoffstrategie nun auch ausdrücklich sogenannter oranger Wasserstoff − auf Basis von Abfall- und Reststoffen erzeugter Wasserstoff − berücksichtigt wird. Gleiches gilt für die übergangsweise Öffnung gegenüber blauem Wasserstoff, bei dessen Produktion auch Kohlendioxid entsteht, an der der Entwurf festhält." 

Negative Reaktionen

Insbesondere bei der Offenheit gegenüber blauem Wasserstoff, sei sie auch zeitlich begrenzt, setzt die Kritik des Landesverbandes Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) an. Der Verband verweist auf die beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie in Auftrag gegebene und in diesem Jahr veröffentliche Studie "Metaanalyse zu Wasserstoffkosten und -bedarfe für die CO2-neutrale Transformation". Diese habe gezeigt, dass blauer Wasserstoff in größeren Mengen erst zum Ende dieser Dekade zur Verfügung stehe. 

Zudem berge der Einbezug erdgasbasierten Wasserstoffs die Gefahr von Stranded Investments und verschärfe das Henne-Ei-Problem zwischen Wasserstofferzeugung und -nachfrage. Der Fokus müsse vielmehr auf dem Ausbau der Elektrolysekapazitäten und der Produktion von grünem Wasserstoff liegen, fordert der Verband. 

Die heimischen Erzeugungspotenziale sieht der LEE NRW nur stiefmütterlich behandelt. Zwar erkenne der Entwurf die Problematik übermäßiger Abhängigkeiten Deutschlands bei Energieimporten, ziehe daraus jedoch die falsche Konsequenz. "Anstatt den Fokus auf die heimische Wasserstofferzeugung zu legen, setzt die Bundesregierung weiterhin schwerpunktmäßig auf teure Importe per Schiff", erklärt Geschäftsführer Christian Mildenberger. Mit einer Importstrategie, die auf den Schiffstransport setze, verpasse die NWS die Chance, die heimischen Potenzial zu nutzen. Gleichzeitig erhöhten sich durch auch die Preise für Wasserstoff. 

"Besonders kurzfristig sollten die heimischen Potenziale prioritär erschlossen und genutzt werden", fordert Mildenberger und verweist auf die im Osterpaket der Bundesregierung festgelegten Ausbauziele der erneuerbaren Energieerzeugung. Vor diesem Hintergrund rechnet der Verband damit, dass es bereits vor 2030 immer wieder dazu kommen wird, in denen die Stromerzeugung die Nachfrage deutlich übersteigt. Es gelte nun, die nötigen Elektrolysekapazitäten zu realisieren, um überschüssig produzierten grünen Strom nutzen zu können. Eine Abregelung der erneuerbaren Energieanlagen sei keine Option, da dieses Vorgehen nicht nur ineffizient sei, sondern auch die Stromgestehungskosten in den anderen Stunden erhöhe.

Dienstag, 18.07.2023, 12:43 Uhr
Davina Spohn
Energie & Management > Wasserstoff - Die Nationale Wasserstoffstrategie unter dem Brennglas
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Wasserstoff
Die Nationale Wasserstoffstrategie unter dem Brennglas
Ein Entwurf für die lang ersehnte Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie ist da. Erste Äußerungen der Verbände dringen an die Oberfläche.
Der vom Bundeskabinett vorgelegte Entwurf zur Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) liegt nun zur Stellungnahme beim Nationalen Wasserstoffrat, dem Beratergremium der Bundesregierung. Er trägt das Datum 10. Juli. Auch unserer Redaktion liegt er jetzt vor. Wie auf Seite eins des Papiers zu lesen ist, handelt es sich um eine ressortabgestimmte Fassung, die noch "nicht kabinettbewilligt" ist (wir berichteten). Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) möchte sich auf Nachfrage in diesem Entwurfsstadium noch nicht zu den Inhalten äußern. Erste Reaktionen gab es dagegen seitens anderer Verbände. 

Positive Reaktionen

Der Verband kommunaler Verbände (VKU) begrüßte die Pläne, Wasserstoff auch als Technologieoption beim Beheizen von Wohnräumen einzusetzen. Die Umnutzung der Gasverteilnetze auf Wasserstoff sowie der Einsatz dezentraler Wasserstoffkessel ist zu prüfen, heißt es im Entwurf. "Damit findet unsere Empfehlung für mehr Technologieoffenheit nach dem Gebäudeenergiegesetz auch in der Nationalen Wasserstoffstrategie Widerhall", freut sich Ingbert Liebing, VKU-Hauptgeschäftsführer. Dies sei ein Fortschritt, hätten die zuvor vorgesehenen Regelungen, den Wasserstoff für Anwendungen im Wärmemarkt faktisch ausgeschlossen. 

Generell bewertet der VKU den Entwurf zur NWS-Fortschreibung als "insgesamt positiv". Sie unterstreiche die künftige sektorenübergreifende Bedeutung von Wasserstoff und Wasserstoffkraftwerken. Der Energieträger müsse, wo sinnvoll, in allen wichtigen Bereichen zum Einsatz kommen, betont der Verband. Er zählt die Industrie auf, den Verkehr sowie die Strom- und die Wärmeversorgung.

Auf geteiltes Echo stößt die im NWS-Entwurf beabsichtige Technologieoffenheit bei der Wasserstoffproduktion: Zwar liege nach wie vor der letztendliche Fokus auf dem grünen Wasserstoff. Das Ziel eines schnellen Wasserstoffhochlaufs vor Augen, sollen jedoch auch − solange bis ausreichende Mengen an grünem Wasserstoff bereit stünden − auch kohlenstoffarmer Wasserstoff aus Abfällen oder Erdgas in Verbindung mit Kohlenstoffabscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) gefördert werden.

Der VKU sieht hierin einen marktwirtschaftlichen Vorteil gemäß der Formel "Je größer das Angebot an Wasserstoff, desto niedriger die Preise". Liebing: "Wir begrüßen es sehr, dass in der Nationalen Wasserstoffstrategie nun auch ausdrücklich sogenannter oranger Wasserstoff − auf Basis von Abfall- und Reststoffen erzeugter Wasserstoff − berücksichtigt wird. Gleiches gilt für die übergangsweise Öffnung gegenüber blauem Wasserstoff, bei dessen Produktion auch Kohlendioxid entsteht, an der der Entwurf festhält." 

Negative Reaktionen

Insbesondere bei der Offenheit gegenüber blauem Wasserstoff, sei sie auch zeitlich begrenzt, setzt die Kritik des Landesverbandes Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) an. Der Verband verweist auf die beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie in Auftrag gegebene und in diesem Jahr veröffentliche Studie "Metaanalyse zu Wasserstoffkosten und -bedarfe für die CO2-neutrale Transformation". Diese habe gezeigt, dass blauer Wasserstoff in größeren Mengen erst zum Ende dieser Dekade zur Verfügung stehe. 

Zudem berge der Einbezug erdgasbasierten Wasserstoffs die Gefahr von Stranded Investments und verschärfe das Henne-Ei-Problem zwischen Wasserstofferzeugung und -nachfrage. Der Fokus müsse vielmehr auf dem Ausbau der Elektrolysekapazitäten und der Produktion von grünem Wasserstoff liegen, fordert der Verband. 

Die heimischen Erzeugungspotenziale sieht der LEE NRW nur stiefmütterlich behandelt. Zwar erkenne der Entwurf die Problematik übermäßiger Abhängigkeiten Deutschlands bei Energieimporten, ziehe daraus jedoch die falsche Konsequenz. "Anstatt den Fokus auf die heimische Wasserstofferzeugung zu legen, setzt die Bundesregierung weiterhin schwerpunktmäßig auf teure Importe per Schiff", erklärt Geschäftsführer Christian Mildenberger. Mit einer Importstrategie, die auf den Schiffstransport setze, verpasse die NWS die Chance, die heimischen Potenzial zu nutzen. Gleichzeitig erhöhten sich durch auch die Preise für Wasserstoff. 

"Besonders kurzfristig sollten die heimischen Potenziale prioritär erschlossen und genutzt werden", fordert Mildenberger und verweist auf die im Osterpaket der Bundesregierung festgelegten Ausbauziele der erneuerbaren Energieerzeugung. Vor diesem Hintergrund rechnet der Verband damit, dass es bereits vor 2030 immer wieder dazu kommen wird, in denen die Stromerzeugung die Nachfrage deutlich übersteigt. Es gelte nun, die nötigen Elektrolysekapazitäten zu realisieren, um überschüssig produzierten grünen Strom nutzen zu können. Eine Abregelung der erneuerbaren Energieanlagen sei keine Option, da dieses Vorgehen nicht nur ineffizient sei, sondern auch die Stromgestehungskosten in den anderen Stunden erhöhe.

Dienstag, 18.07.2023, 12:43 Uhr
Davina Spohn

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