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Energie & Management > Kernkraft - Desaster für Mini-Meiler in den USA
Quelle: Shutterstock / lassedesignen
Kernkraft

Desaster für Mini-Meiler in den USA

Mini-Meiler, SMR abgekürzt, sollen der Kernkraft zu einem Comeback verhelfen und eine CO2-freie Alternative zu Erneuerbaren schaffen. Doch nun ist ein Großprojekt in den USA geplatzt.
Nachdem die Kosten zur Errichtung kleiner modularer Kernreaktoren (Small Modular Reactors, SMR) in den USA davon galoppiert sind, haben der Entwickler Nuscale und der Energieversorger „Utah Associated Municipal Power Systems“ (UAMPS) beim Projekt die Reißleine gezogen. Aus einer Mitteilung von Nuscale vom 8. November geht hervor, dass sich das Start-up und die UAMPS gütlich darauf geeinigt hätten, ein SMR-Projekt in Idaho mit 462 MW Gesamtleistung nicht zu realisieren. 2027 hätte das Vorhaben ans Netz gehen sollen.

Als Begründung wurde genannt, das „Carbon Free Power Project“ (CFPP) habe nicht genug Stromabnehmer gefunden, um weiterverfolgt werden zu können. Das ist eine diplomatische Umschreibung dafür, dass laut Spiegel eine Mehrheit der 50 Kommunen, die an dem Versorger UAMPS des US-Bundesstaates Utah hängen, wegen Kostenexplosionen den Abbruch durchgesetzt hatte. Laut Energy Watch Group (EWG) hatten sich die Kostenschätzungen im Januar von 5,3 auf 9,3 Milliarden erhöht. Der Strompreis, den die Kommunen hätten zahlen müssen, wäre von 55 auf 89 US-Dollar/MWh (umgerechnet von 51 auf 82 Euro/MWh) geklettert.

Davon wären schon 27,65 Euro/MWh vom US-Energieministerium subventioniert gewesen. Washington hatte Nuscale seit 2014 etwa 553 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In das Utah-Idaho-Projekt waren laut Bloomberg bereits 0,21 von versprochenen 1,24 Milliarden Euro Beihilfen geflossen. Der Aktienkurs von Nuscale war seit Bekanntwerden der Kostenexplosion Anfang des Jahres von umgerechnet gut 9,20 Euro fast linear auf 2,13 Euro am 16. November in den Keller gerauscht.

UAMPS wendet sich nun auf Sicht Wind- und Solarprojekten mit Batteriespeichern zu. Photovoltaik-Strom ist in der Gegend für unter 27,65 Euro/MWh zu gestehen.

SMR sind eine Hoffnung in der neuen und alten Atomwirtschaft, die mit ihnen eine CO2-freie Strom- und Wärmeversorgung mit weniger Kapitalbedarf, Kostenexplosionen und Sicherheitsrisiken verbindet. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) ließ sich 2021 mit einer gegenteiligen Bewertung zitieren.

Neuer Großmeiler in den USA: Ähnliche Probleme

Im August war nach enormen Verzögerungen und davon galoppierenden Kosten mit Vogtle 3 der erste neue Großmeiler der USA seit 30 Jahren ans Netz gegangen. Der völlig neu konzipierte Druckwasserreaktor vom Typ AP-1000 leistet 1.300 MW, so das Portal Heise. Die Errichtung dauerte mit zehn Jahren sechs Jahre länger als geplant, und allein der Kostenanteil, der auf den Betriebsführer Georgia Power entfällt, stieg von 7,3 auf 10,2 Milliarden Euro.

Georgia Power hatte im August angekündigt, dass Ende 2023 / erstes Quartal 2024 Block 4 des Vogtle-Komplexes ebenfalls ans Netz geht. An beiden Meilern sind auch Meag Power und Dalton Utilities beteiligt.

Wo weltweit SMR geplant werden − eine Auswahl

Früher war auch der Kraftwerks-Ausrüster Westinghouse beteiligt, doch Toshiba ließ seine damalige Tochter 2017 in die Pleite rauschen. Investoren kauften Westinghouse dann aus der Insolvenzmasse. Die US-Firma ist sowohl am Bau herkömmlicher nuklearer Großkraftwerke beteiligt, als auch an der Planung von SMR mit bis zu 300 MW.

So setzt etwa das slowakische Nuklearunternehmen Javys darauf, SMR in Kooperation mit Westinghouse zu errichten (wir berichteten). Tschechien und Großbritannien dagegen setzen auf SMR von Rolls-Royce mit ebenfalls bis zu 300 MW pro Standort. Die ersten SMR in Tschechien sollen in den nächsten Jahren im Rahmen des „Südböhmischen Nuklearpaktes“ am Standort des Atomkraftwerks Temelin entstehen. Westinghouse hatte Tschechien auch geholfen, 2024 von russischen Kernbrennstäben unabhängig zu werden. In Großbritannien soll ein 470-MW-SMR von Westinghouse entstehen.

Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (En Marche) hatte 2022 im Rahmen des von ihm initiierten Innovationspaktes „France 2030“ 1 Milliarde Euro Subventionen angekündigt.

Der polnische Orlen-Energiekonzern wiederum setzt auf SMR vom Typ BWRX-300 von Hitachi. In Polen sollen 79 solche Mini-Reaktoren entstehen (wir berichteten).

Die von Bill Gates gegründete US-Firma Terrapower wollte 2026 den ersten von vorerst elf SMR aus eigener Entwicklung ans Netz bringen − alle Projekte sind laut Energy Watch Group abgesagt.

Spiegel online zählt weltweit mindestens 40 SMR-Entwicklungsunternehmen. In Bau ist demnach im chinesischen Changjiang ein 125-MW-Meiler der dortigen Nuklearfirma CNNC. In Betrieb ist in Russlands Nordosten seit 2020 der schwimmende SMR „Akademik Lomonossow“.

Freitag, 17.11.2023, 17:09 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Kernkraft - Desaster für Mini-Meiler in den USA
Quelle: Shutterstock / lassedesignen
Kernkraft
Desaster für Mini-Meiler in den USA
Mini-Meiler, SMR abgekürzt, sollen der Kernkraft zu einem Comeback verhelfen und eine CO2-freie Alternative zu Erneuerbaren schaffen. Doch nun ist ein Großprojekt in den USA geplatzt.
Nachdem die Kosten zur Errichtung kleiner modularer Kernreaktoren (Small Modular Reactors, SMR) in den USA davon galoppiert sind, haben der Entwickler Nuscale und der Energieversorger „Utah Associated Municipal Power Systems“ (UAMPS) beim Projekt die Reißleine gezogen. Aus einer Mitteilung von Nuscale vom 8. November geht hervor, dass sich das Start-up und die UAMPS gütlich darauf geeinigt hätten, ein SMR-Projekt in Idaho mit 462 MW Gesamtleistung nicht zu realisieren. 2027 hätte das Vorhaben ans Netz gehen sollen.

Als Begründung wurde genannt, das „Carbon Free Power Project“ (CFPP) habe nicht genug Stromabnehmer gefunden, um weiterverfolgt werden zu können. Das ist eine diplomatische Umschreibung dafür, dass laut Spiegel eine Mehrheit der 50 Kommunen, die an dem Versorger UAMPS des US-Bundesstaates Utah hängen, wegen Kostenexplosionen den Abbruch durchgesetzt hatte. Laut Energy Watch Group (EWG) hatten sich die Kostenschätzungen im Januar von 5,3 auf 9,3 Milliarden erhöht. Der Strompreis, den die Kommunen hätten zahlen müssen, wäre von 55 auf 89 US-Dollar/MWh (umgerechnet von 51 auf 82 Euro/MWh) geklettert.

Davon wären schon 27,65 Euro/MWh vom US-Energieministerium subventioniert gewesen. Washington hatte Nuscale seit 2014 etwa 553 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In das Utah-Idaho-Projekt waren laut Bloomberg bereits 0,21 von versprochenen 1,24 Milliarden Euro Beihilfen geflossen. Der Aktienkurs von Nuscale war seit Bekanntwerden der Kostenexplosion Anfang des Jahres von umgerechnet gut 9,20 Euro fast linear auf 2,13 Euro am 16. November in den Keller gerauscht.

UAMPS wendet sich nun auf Sicht Wind- und Solarprojekten mit Batteriespeichern zu. Photovoltaik-Strom ist in der Gegend für unter 27,65 Euro/MWh zu gestehen.

SMR sind eine Hoffnung in der neuen und alten Atomwirtschaft, die mit ihnen eine CO2-freie Strom- und Wärmeversorgung mit weniger Kapitalbedarf, Kostenexplosionen und Sicherheitsrisiken verbindet. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) ließ sich 2021 mit einer gegenteiligen Bewertung zitieren.

Neuer Großmeiler in den USA: Ähnliche Probleme

Im August war nach enormen Verzögerungen und davon galoppierenden Kosten mit Vogtle 3 der erste neue Großmeiler der USA seit 30 Jahren ans Netz gegangen. Der völlig neu konzipierte Druckwasserreaktor vom Typ AP-1000 leistet 1.300 MW, so das Portal Heise. Die Errichtung dauerte mit zehn Jahren sechs Jahre länger als geplant, und allein der Kostenanteil, der auf den Betriebsführer Georgia Power entfällt, stieg von 7,3 auf 10,2 Milliarden Euro.

Georgia Power hatte im August angekündigt, dass Ende 2023 / erstes Quartal 2024 Block 4 des Vogtle-Komplexes ebenfalls ans Netz geht. An beiden Meilern sind auch Meag Power und Dalton Utilities beteiligt.

Wo weltweit SMR geplant werden − eine Auswahl

Früher war auch der Kraftwerks-Ausrüster Westinghouse beteiligt, doch Toshiba ließ seine damalige Tochter 2017 in die Pleite rauschen. Investoren kauften Westinghouse dann aus der Insolvenzmasse. Die US-Firma ist sowohl am Bau herkömmlicher nuklearer Großkraftwerke beteiligt, als auch an der Planung von SMR mit bis zu 300 MW.

So setzt etwa das slowakische Nuklearunternehmen Javys darauf, SMR in Kooperation mit Westinghouse zu errichten (wir berichteten). Tschechien und Großbritannien dagegen setzen auf SMR von Rolls-Royce mit ebenfalls bis zu 300 MW pro Standort. Die ersten SMR in Tschechien sollen in den nächsten Jahren im Rahmen des „Südböhmischen Nuklearpaktes“ am Standort des Atomkraftwerks Temelin entstehen. Westinghouse hatte Tschechien auch geholfen, 2024 von russischen Kernbrennstäben unabhängig zu werden. In Großbritannien soll ein 470-MW-SMR von Westinghouse entstehen.

Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (En Marche) hatte 2022 im Rahmen des von ihm initiierten Innovationspaktes „France 2030“ 1 Milliarde Euro Subventionen angekündigt.

Der polnische Orlen-Energiekonzern wiederum setzt auf SMR vom Typ BWRX-300 von Hitachi. In Polen sollen 79 solche Mini-Reaktoren entstehen (wir berichteten).

Die von Bill Gates gegründete US-Firma Terrapower wollte 2026 den ersten von vorerst elf SMR aus eigener Entwicklung ans Netz bringen − alle Projekte sind laut Energy Watch Group abgesagt.

Spiegel online zählt weltweit mindestens 40 SMR-Entwicklungsunternehmen. In Bau ist demnach im chinesischen Changjiang ein 125-MW-Meiler der dortigen Nuklearfirma CNNC. In Betrieb ist in Russlands Nordosten seit 2020 der schwimmende SMR „Akademik Lomonossow“.

Freitag, 17.11.2023, 17:09 Uhr
Georg Eble

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