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Energie & Management > Bayern - Aiwangers Traum von
Quelle: Fotolia / saschi79
Bayern

Aiwangers Traum von "hunderten" Windrädern in Bayerns Wäldern

Bayern kann es mit dem Windkraftausbau nun offenbar nicht schnell genug gehen. Dies gilt zumindest für Standorte im Wald, wo Staatsminister Aiwanger den Zubau vervielfachen will.
Die jahrelange Verzögerungstaktik beim Windkraftzubau erweist sich für Bayern zunehmend als Bumerang. Was der Freistaat nach 2017 an Ausbau durch strenge Abstandsregeln verhinderte, ist unter den Bedingungen der bundesweiten Vorgaben zur Flächenausweisung nun schleunigst nachzuholen. Auf einer Energiewende-Fachtagung sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am 1. März, "viele hundert" Windturbinen allein im Staatsforst bauen lassen zu wollen.

Der Energieplan "Bayern 2030" sieht für den gesamten Freistaat offiziell einen Zubau von 1.000 Turbinen vor, also fast eine Verdoppelung der aktuellen Anzahl (1.150). 100 der neuen Anlagen sollen in landeseigenen Wäldern entstehen. Auf der Fachtagung "Windkraft im Wald" vertrat Hubert Aiwanger jetzt allerdings die Ansicht, die Staatswälder könnten „hunderte“ Windräder unterbringen. In allen bayrischen Wäldern existieren derzeit 303 Turbinen, die mehr als 30 Prozent der Gesamtleistung erbringen (815 von 2.604 MW)

Die Vorstellungen des Ministers würden ein Mehrfaches der 100 geplanten Anlagen im Staatsforst bedeuten – und auch das Ausbaupotenzial für Windkraft in Privatwäldern deutlich erhöhen. 56 Prozent der Wälder Bayerns sind laut Bundeswaldinventur Privateigentum, dem Land gehören 30 Prozent. Der Rest ist in Händen des Bundes (2 Prozent) oder von Körperschaften (12 Prozent). Bayerns Energieminister wünschte sich nun, dass in Privatwäldern entsprechend "mindestens das Doppelte" des für Staatsforste ausgegebenen Ziels verwirklicht werde. Dass Hubert Aiwanger in großen Zahlen schwelgte, lag gewiss auch am Publikum: Die Tagung richtete sich zuvorderst an Bayerns private Waldeigentümer, die der Energiewende in Sachen Windkraft Schwung verleihen sollen.

Überbietungswettbewerb, aber noch kein Turnaround

Jetzt liefern Hubert Aiwanger und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sich seit 2019 einen Überbietungswettbewerb, was den Ausbau der in Bayern darbenden Windkraft angeht. An die Kluft zwischen Worten und Taten erinnerte auf der Tagung der Landesvorsitzende des Bundesverbands Windenergie (BWE), Bernd Wust. "Der richtige Turnaround ist noch nicht da", sagte er. Den Einbruch beim bayrischen Windenergieausbau schreibt Wust eindeutig der 10H-Regelung zu, also der von der damaligen Landesregierung Ende 2014 eingeführten Pflicht, dass Anlagen einen Abstand vom Zehnfachen ihrer Höhe zur Bebauung einzuhalten haben.

Seither, so Wust ironisch, sei Bayern "führend im Niedrigausbau". Von 311,5 MW Zubau im Jahr 2017, als noch viele vor der 10H-Regelung genehmigte Anlagen ans Netz gingen, stürzte die Leistung 2018 auf 23,5 MW. Erst 2022 wurden wieder Anlagen in zweistelliger Anzahl errichtet (14), sie kamen aber zusammen lediglich auf 44 MW Leistung. Dies ist für Wust auch ein Beweis für die viel zu langen Genehmigungsprozesse: 2022 seien Anlagen mit etwa 3-MW-Kapazität ans Netz gegangen, die zum Teil noch 2014 beantragt worden waren. Standard bei Windkraft an Land sind inzwischen 5 oder 6 MW.

Der BWE-Landesvorsitzende mochte die Regierung des Freistaats für ihre Ankündigungen jedenfalls nicht explizit loben. Es seien nicht die Initiativen Bayerns, die der Windkraft "deutlich bessere Perspektiven" eröffneten, sondern "im Wesentlichen der Druck vom Bund". Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den Bundesländern Vorgaben für das Ausweisen von Windenergieflächen gemacht. Bayern muss bis Ende 2027 demnach 1,1 Prozent der Gesamtfläche öffnen, bis Ende 2032 insgesamt 1,8 Prozent. Aktuell, so Wust, liege Bayern bei 0,5 bis 0,6 Prozent.

Windkraft "ist im Wald gut versteckt"

Hubert Aiwanger, der sich gerne als Windkraft-Förderer gibt, schaute lieber in die Zukunft. Für die Windkraft in Bayern habe sich "der Wind gedreht". Die zuständigen, um 100 Stellen verstärkten Behörden in den 18 Planungsregionen "wollen das jetzt".

Gleichwohl ließ eine Aussage des Ministers sein eher gespaltenes Verhältnis zur Windenergie erahnen. Windkraft zwischen Nadel- und Laubhölzern habe den Vorteil, dass sie "im Wald gut versteckt ist". Auf freier Flur habe eine Anlange selbst im Abstand von 700 Metern noch eine bedrängende Wirkung auf die Betrachtenden. Im Wald dagegen werde sie erst sichtbar, wenn man unmittelbar davorstehe. Das klang nach dem Narrativ von der Energiewende, die dann gut ist, wenn man sie nicht sehen muss.

Dazu passt, dass die Landesregierung an der 10H-Abstandsregelung festhält, solange es geht. Sie verkommt allerdings allmählich zur Attrappe. Habeck will sie nur dann weiter dulden, sofern sie die Flächenvorgaben nicht unterläuft. Außerdem gilt sie nicht mehr für die auszuweisenden Windvorranggebiete. "10H wird in der Irrelevanz verschwinden", sagte BWE-Landeschef Bernd Wust.

Mittwoch, 1.03.2023, 16:20 Uhr
Volker Stephan
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Bayern
Aiwangers Traum von "hunderten" Windrädern in Bayerns Wäldern
Bayern kann es mit dem Windkraftausbau nun offenbar nicht schnell genug gehen. Dies gilt zumindest für Standorte im Wald, wo Staatsminister Aiwanger den Zubau vervielfachen will.
Die jahrelange Verzögerungstaktik beim Windkraftzubau erweist sich für Bayern zunehmend als Bumerang. Was der Freistaat nach 2017 an Ausbau durch strenge Abstandsregeln verhinderte, ist unter den Bedingungen der bundesweiten Vorgaben zur Flächenausweisung nun schleunigst nachzuholen. Auf einer Energiewende-Fachtagung sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am 1. März, "viele hundert" Windturbinen allein im Staatsforst bauen lassen zu wollen.

Der Energieplan "Bayern 2030" sieht für den gesamten Freistaat offiziell einen Zubau von 1.000 Turbinen vor, also fast eine Verdoppelung der aktuellen Anzahl (1.150). 100 der neuen Anlagen sollen in landeseigenen Wäldern entstehen. Auf der Fachtagung "Windkraft im Wald" vertrat Hubert Aiwanger jetzt allerdings die Ansicht, die Staatswälder könnten „hunderte“ Windräder unterbringen. In allen bayrischen Wäldern existieren derzeit 303 Turbinen, die mehr als 30 Prozent der Gesamtleistung erbringen (815 von 2.604 MW)

Die Vorstellungen des Ministers würden ein Mehrfaches der 100 geplanten Anlagen im Staatsforst bedeuten – und auch das Ausbaupotenzial für Windkraft in Privatwäldern deutlich erhöhen. 56 Prozent der Wälder Bayerns sind laut Bundeswaldinventur Privateigentum, dem Land gehören 30 Prozent. Der Rest ist in Händen des Bundes (2 Prozent) oder von Körperschaften (12 Prozent). Bayerns Energieminister wünschte sich nun, dass in Privatwäldern entsprechend "mindestens das Doppelte" des für Staatsforste ausgegebenen Ziels verwirklicht werde. Dass Hubert Aiwanger in großen Zahlen schwelgte, lag gewiss auch am Publikum: Die Tagung richtete sich zuvorderst an Bayerns private Waldeigentümer, die der Energiewende in Sachen Windkraft Schwung verleihen sollen.

Überbietungswettbewerb, aber noch kein Turnaround

Jetzt liefern Hubert Aiwanger und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sich seit 2019 einen Überbietungswettbewerb, was den Ausbau der in Bayern darbenden Windkraft angeht. An die Kluft zwischen Worten und Taten erinnerte auf der Tagung der Landesvorsitzende des Bundesverbands Windenergie (BWE), Bernd Wust. "Der richtige Turnaround ist noch nicht da", sagte er. Den Einbruch beim bayrischen Windenergieausbau schreibt Wust eindeutig der 10H-Regelung zu, also der von der damaligen Landesregierung Ende 2014 eingeführten Pflicht, dass Anlagen einen Abstand vom Zehnfachen ihrer Höhe zur Bebauung einzuhalten haben.

Seither, so Wust ironisch, sei Bayern "führend im Niedrigausbau". Von 311,5 MW Zubau im Jahr 2017, als noch viele vor der 10H-Regelung genehmigte Anlagen ans Netz gingen, stürzte die Leistung 2018 auf 23,5 MW. Erst 2022 wurden wieder Anlagen in zweistelliger Anzahl errichtet (14), sie kamen aber zusammen lediglich auf 44 MW Leistung. Dies ist für Wust auch ein Beweis für die viel zu langen Genehmigungsprozesse: 2022 seien Anlagen mit etwa 3-MW-Kapazität ans Netz gegangen, die zum Teil noch 2014 beantragt worden waren. Standard bei Windkraft an Land sind inzwischen 5 oder 6 MW.

Der BWE-Landesvorsitzende mochte die Regierung des Freistaats für ihre Ankündigungen jedenfalls nicht explizit loben. Es seien nicht die Initiativen Bayerns, die der Windkraft "deutlich bessere Perspektiven" eröffneten, sondern "im Wesentlichen der Druck vom Bund". Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den Bundesländern Vorgaben für das Ausweisen von Windenergieflächen gemacht. Bayern muss bis Ende 2027 demnach 1,1 Prozent der Gesamtfläche öffnen, bis Ende 2032 insgesamt 1,8 Prozent. Aktuell, so Wust, liege Bayern bei 0,5 bis 0,6 Prozent.

Windkraft "ist im Wald gut versteckt"

Hubert Aiwanger, der sich gerne als Windkraft-Förderer gibt, schaute lieber in die Zukunft. Für die Windkraft in Bayern habe sich "der Wind gedreht". Die zuständigen, um 100 Stellen verstärkten Behörden in den 18 Planungsregionen "wollen das jetzt".

Gleichwohl ließ eine Aussage des Ministers sein eher gespaltenes Verhältnis zur Windenergie erahnen. Windkraft zwischen Nadel- und Laubhölzern habe den Vorteil, dass sie "im Wald gut versteckt ist". Auf freier Flur habe eine Anlange selbst im Abstand von 700 Metern noch eine bedrängende Wirkung auf die Betrachtenden. Im Wald dagegen werde sie erst sichtbar, wenn man unmittelbar davorstehe. Das klang nach dem Narrativ von der Energiewende, die dann gut ist, wenn man sie nicht sehen muss.

Dazu passt, dass die Landesregierung an der 10H-Abstandsregelung festhält, solange es geht. Sie verkommt allerdings allmählich zur Attrappe. Habeck will sie nur dann weiter dulden, sofern sie die Flächenvorgaben nicht unterläuft. Außerdem gilt sie nicht mehr für die auszuweisenden Windvorranggebiete. "10H wird in der Irrelevanz verschwinden", sagte BWE-Landeschef Bernd Wust.

Mittwoch, 1.03.2023, 16:20 Uhr
Volker Stephan

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