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Energie & Management > Wasserstoff - (K)Eine Bahn für Wasserstoff?
Bild: Shutterstock, petrmalinak
Wasserstoff

(K)Eine Bahn für Wasserstoff?

Noch gibt es kaum grünen Wasserstoff aus erneuerbarem Strom in Deutschland und schon tobt der Streit um seine Infrastruktur.
 
Stadtwerke erproben, wie viel davon einfach im Erdgasnetz mitfließen kann. Bis zu 30 % ergaben erste Versuche. Ohnehin enthielt das frühere Stadtgas zur Hälfte Wasserstoff. Dieser war allerdings deutlich klimaschädlich, da er aus der Kohlevergasung stammte. Jedenfalls dürfte eine Umrüstung oder Weiternutzung von Endgeräten mit Wasserstoffmix kein Problem sein. Deshalb klingt es zunächst wie eine effektive Lösung, das vorhandene Gasnetz auch für das klimaneutrale Gas zu nutzen.

Die Grünen im Deutschen Bundestag sind dennoch dagegen, Wasserstoff einfach beizumischen. Ingrid Nestle, die Sprecherin für Energiewirtschaft, will keinen grünen Wasserstoff im normalen Erdgasnetz „versickern“ lassen. „Grüner Wasserstoff aus dem Inland wird wegen der knappen Mengen an erneuerbarem Strom sehr begrenzt sein“, sagt sie zur Begründung. Auch Importe aus dem Ausland seien in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Da wichtige Technologien in der Industrie und im Schwerlastverkehr reinen Wasserstoff benötigen, solle man ihn nicht als Erdgasersatz verheizen, so Nestle.

„Unser gemeinsames Ziel für den weiteren Transmissionspfad muss es sein, die zukünftigen Wasserstoffnetze organisch aus der bestehenden Erdgasinfrastruktur zu entwickeln“, betont dagegen VKU-Präsident Michael Ebling. Für Wasserstoff müsse „unser bewährtes Netz ein Upgrade bekommen“, so Ebling. Es brauche nur einen gemeinsamen Regulierungsrahmen und klimaneutral erzeugte Gase könnten im Wärmemarkt bei der Dekarbonisierung helfen.

Wasserstoffnetze durch industrielle Verbraucher genutzt

Hintergrund ist, dass für die bestehenden Gasnetze die Finanzierung über die Verbraucher geregelt ist − als Umlage ähnlich wie beim Stromnetz. Das will die Bundesregierung nicht einfach übernehmen, weil neue Wasserstoffnetze ja in erster Linie durch industrielle Verbraucher genutzt werden, die also auch dafür zahlen sollen. „Die Wasserstoffnetze werden nicht in den Netzentwicklungsplan für bestehende Erdgasnetze mit einbezogen. Vielmehr soll für diese ab 2035 ein eigener Netzentwicklungsplan aufgestellt werden“, erläutert Silke Goldberg, Partnerin in der Rechtsanwaltskanzlei Herbert Smith Freehills, die Regierungspläne.

Die Grünen plädieren dafür, einen Teil der Leitungen und Speicher, in denen heute Erdgas fließt, exklusiv für grünen Wasserstoff umzuwidmen. Dafür müsse die Gasinfrastruktur aber klar für die Erreichung der Klimaziele geplant werden. Momentan würden sowohl Strom- und Gasnetz wie auch Wasserstoffinfrastruktur separat betrachtet, kritisiert Nestle. „So werden massive Fehlinvestitionen riskiert“, warnt die energiewirtschaftliche Sprecherin gegenüber E&M.

Das Beratungshaus BET aus Aachen hat ein Impulspapier Wasserstoff vorgelegt. Darin weisen die Autoren darauf hin, dass für den grünen Wasserstoff viel mehr erneuerbarer Strom produziert werden muss. Allein für die bis 2030 in Deutschland geplanten Elektrolysekapazitäten von 5.000 MW sei das Äquivalent der Jahresproduktion von 3.000 Onshore-Windkraftanlagen mit jeweils 3 MW Leistung erforderlich. Deshalb müssten die Ausbauziele des EEG 2021 und der zugrunde liegende Strommengenpfad „deutlich“ erhöht werden.

Dies unterstützt auch die Grünen-Politikerin Ingrid Nestle. „Fließt Grünstrom in einen Elektrolyseur, ohne dass Erneuerbare zusätzlich zum ohnehin benötigten Zubaupfad installiert werden, verbraucht jemand anders mehr fossilen Strom“, mahnt sie. Deshalb sei die Zusätzlichkeit des Ökostroms für den grünen Wasserstoff so zentral.

„Wir wollen ein System etablieren, bei dem die Elektrolyseure dann laufen, wenn insgesamt viel Wind- und Sonnenstrom in der Stromversorgung verfügbar ist“, erläutert Nestle. Angesichts des zu langsam vorankommenden Stromnetzausbaus sei dies auch eine Chance, mehr erneuerbaren Strom zu nutzen statt abzuregeln und so die Redispatchkosten von über 1 Mrd. Euro jährlich zu senken.

Kommunale Unternehmen planen unterdessen, sich Synergieeffekte zwischen verschiedenen Sektoren zunutze zu machen. Ein Modellversuch startet derzeit in Hamburg, wo im Green Hydrogen Hub aus dem Windstrom der Umgebung grüner Wasserstoff hergestellt werden soll, der fossile Brennstoffe in der Industrie und im Transport ersetzt. Die Abwärme der Elektrolyse soll zugleich ins städtische Fernwärmenetz und in die thermische Behandlung von Siedlungsabfällen gehen.

Für eine solche sinnvolle Kopplung von Strom, Gas, Wärme und Transport müssen im aktuellen Rechtsrahmen allerdings noch riesige Hindernisse beseitigt werden: Elektrolyseure oder Power-to-Heat-Anlagen können erst durch eine Befreiung von der EEG-Umlage preiswerten Strom nutzen. Industriebetriebe, die ihren Energiebedarf senken, dürfen deshalb nicht ihre Vorteile als energieintensive Unternehmen verlieren. Die Vernetzung der Sektoren müsste auch durch die integrierte Planung und Nutzung der Leitungen befördert werden.

Rechtsanwältin Goldberg sieht keine rasche Lösung des Problems. Der deutsche Netzplan für reine Wasserstoffnetze verhindere eine integrierte Betrachtung mit dem Erdgas- und Stromnetz. Daher werde es auf den europäischen Regulierungsrahmen für den Wasserstoffsektor ankommen. „Laut EU-Kommission soll ein erster Vorschlag für eine EU-weite Regelung des Wasserstoffsektors bis Ende 2021 kommen. Eine Umsetzung in deutsches Recht dürfte nicht vor 2025 zu erwarten sein“, resümiert Goldberg.

Dienstag, 8.06.2021, 09:30 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Wasserstoff - (K)Eine Bahn für Wasserstoff?
Bild: Shutterstock, petrmalinak
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(K)Eine Bahn für Wasserstoff?
Noch gibt es kaum grünen Wasserstoff aus erneuerbarem Strom in Deutschland und schon tobt der Streit um seine Infrastruktur.
 
Stadtwerke erproben, wie viel davon einfach im Erdgasnetz mitfließen kann. Bis zu 30 % ergaben erste Versuche. Ohnehin enthielt das frühere Stadtgas zur Hälfte Wasserstoff. Dieser war allerdings deutlich klimaschädlich, da er aus der Kohlevergasung stammte. Jedenfalls dürfte eine Umrüstung oder Weiternutzung von Endgeräten mit Wasserstoffmix kein Problem sein. Deshalb klingt es zunächst wie eine effektive Lösung, das vorhandene Gasnetz auch für das klimaneutrale Gas zu nutzen.

Die Grünen im Deutschen Bundestag sind dennoch dagegen, Wasserstoff einfach beizumischen. Ingrid Nestle, die Sprecherin für Energiewirtschaft, will keinen grünen Wasserstoff im normalen Erdgasnetz „versickern“ lassen. „Grüner Wasserstoff aus dem Inland wird wegen der knappen Mengen an erneuerbarem Strom sehr begrenzt sein“, sagt sie zur Begründung. Auch Importe aus dem Ausland seien in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Da wichtige Technologien in der Industrie und im Schwerlastverkehr reinen Wasserstoff benötigen, solle man ihn nicht als Erdgasersatz verheizen, so Nestle.

„Unser gemeinsames Ziel für den weiteren Transmissionspfad muss es sein, die zukünftigen Wasserstoffnetze organisch aus der bestehenden Erdgasinfrastruktur zu entwickeln“, betont dagegen VKU-Präsident Michael Ebling. Für Wasserstoff müsse „unser bewährtes Netz ein Upgrade bekommen“, so Ebling. Es brauche nur einen gemeinsamen Regulierungsrahmen und klimaneutral erzeugte Gase könnten im Wärmemarkt bei der Dekarbonisierung helfen.

Wasserstoffnetze durch industrielle Verbraucher genutzt

Hintergrund ist, dass für die bestehenden Gasnetze die Finanzierung über die Verbraucher geregelt ist − als Umlage ähnlich wie beim Stromnetz. Das will die Bundesregierung nicht einfach übernehmen, weil neue Wasserstoffnetze ja in erster Linie durch industrielle Verbraucher genutzt werden, die also auch dafür zahlen sollen. „Die Wasserstoffnetze werden nicht in den Netzentwicklungsplan für bestehende Erdgasnetze mit einbezogen. Vielmehr soll für diese ab 2035 ein eigener Netzentwicklungsplan aufgestellt werden“, erläutert Silke Goldberg, Partnerin in der Rechtsanwaltskanzlei Herbert Smith Freehills, die Regierungspläne.

Die Grünen plädieren dafür, einen Teil der Leitungen und Speicher, in denen heute Erdgas fließt, exklusiv für grünen Wasserstoff umzuwidmen. Dafür müsse die Gasinfrastruktur aber klar für die Erreichung der Klimaziele geplant werden. Momentan würden sowohl Strom- und Gasnetz wie auch Wasserstoffinfrastruktur separat betrachtet, kritisiert Nestle. „So werden massive Fehlinvestitionen riskiert“, warnt die energiewirtschaftliche Sprecherin gegenüber E&M.

Das Beratungshaus BET aus Aachen hat ein Impulspapier Wasserstoff vorgelegt. Darin weisen die Autoren darauf hin, dass für den grünen Wasserstoff viel mehr erneuerbarer Strom produziert werden muss. Allein für die bis 2030 in Deutschland geplanten Elektrolysekapazitäten von 5.000 MW sei das Äquivalent der Jahresproduktion von 3.000 Onshore-Windkraftanlagen mit jeweils 3 MW Leistung erforderlich. Deshalb müssten die Ausbauziele des EEG 2021 und der zugrunde liegende Strommengenpfad „deutlich“ erhöht werden.

Dies unterstützt auch die Grünen-Politikerin Ingrid Nestle. „Fließt Grünstrom in einen Elektrolyseur, ohne dass Erneuerbare zusätzlich zum ohnehin benötigten Zubaupfad installiert werden, verbraucht jemand anders mehr fossilen Strom“, mahnt sie. Deshalb sei die Zusätzlichkeit des Ökostroms für den grünen Wasserstoff so zentral.

„Wir wollen ein System etablieren, bei dem die Elektrolyseure dann laufen, wenn insgesamt viel Wind- und Sonnenstrom in der Stromversorgung verfügbar ist“, erläutert Nestle. Angesichts des zu langsam vorankommenden Stromnetzausbaus sei dies auch eine Chance, mehr erneuerbaren Strom zu nutzen statt abzuregeln und so die Redispatchkosten von über 1 Mrd. Euro jährlich zu senken.

Kommunale Unternehmen planen unterdessen, sich Synergieeffekte zwischen verschiedenen Sektoren zunutze zu machen. Ein Modellversuch startet derzeit in Hamburg, wo im Green Hydrogen Hub aus dem Windstrom der Umgebung grüner Wasserstoff hergestellt werden soll, der fossile Brennstoffe in der Industrie und im Transport ersetzt. Die Abwärme der Elektrolyse soll zugleich ins städtische Fernwärmenetz und in die thermische Behandlung von Siedlungsabfällen gehen.

Für eine solche sinnvolle Kopplung von Strom, Gas, Wärme und Transport müssen im aktuellen Rechtsrahmen allerdings noch riesige Hindernisse beseitigt werden: Elektrolyseure oder Power-to-Heat-Anlagen können erst durch eine Befreiung von der EEG-Umlage preiswerten Strom nutzen. Industriebetriebe, die ihren Energiebedarf senken, dürfen deshalb nicht ihre Vorteile als energieintensive Unternehmen verlieren. Die Vernetzung der Sektoren müsste auch durch die integrierte Planung und Nutzung der Leitungen befördert werden.

Rechtsanwältin Goldberg sieht keine rasche Lösung des Problems. Der deutsche Netzplan für reine Wasserstoffnetze verhindere eine integrierte Betrachtung mit dem Erdgas- und Stromnetz. Daher werde es auf den europäischen Regulierungsrahmen für den Wasserstoffsektor ankommen. „Laut EU-Kommission soll ein erster Vorschlag für eine EU-weite Regelung des Wasserstoffsektors bis Ende 2021 kommen. Eine Umsetzung in deutsches Recht dürfte nicht vor 2025 zu erwarten sein“, resümiert Goldberg.

Dienstag, 8.06.2021, 09:30 Uhr
Susanne Harmsen

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