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Vor 20 Jahren versprachen sich mehr und mehr europäische Unternehmen vom Einstieg in den deutschen Gasmarkt, als Early Mover die Früchte der Liberalisierung zu ernten.
Anfang 2004 waren amerikanischen Energiehändler weitgehend vom deutschen Markt verschwunden. Nach der Enron-Pleite begannen europäische Unternehmen die Lücke zu füllen. Zu Ihnen gehörte damals die niederländische Essent, die später Teil von Innogy wurde und damit im Eon-Konzern landete.
Zum Start in den deutschen Gasmarkt sprach E&M-Redakteur Fritz Wilhelm vor 20 Jahren mit Michael Redanz, der damals Geschäftsführer der Essent Deutschland GmbH mit Sitz in Düsseldorf war. Hier das leicht gekürzte Interview.
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Michael Redanz (hier ein Foto von 2002) Quelle: E&M |
E&M: Herr Dr. Redanz, die Verbände streiten noch über die Rahmenbedingungen und Sie sprechen schon davon, dass Sie im Gasmarkt etwas bewegen wollen. Woher nehmen Sie diese Zuversicht?
Redanz: Der deutsche Gasmarkt ist zweifellos ein Wachstumsmarkt, unserer Meinung nach der interessanteste in Europa. Das ist schon ein enormer Ansporn.
E&M: ... aber noch keine Erfolgsgarantie.
Redanz: Unser Mutterkonzern ist sicher einer der wichtigsten Spieler im europäischen Gasgeschäft und hat bereits in den Niederlanden Erfahrungen in einem sich entwickelnden Markt gesammelt. Es gibt also nicht viel, was uns noch überraschen oder vor große Probleme stellen könnte.
E&M: Das Gezeter um das Netzzugangsregime schreckt Sie nicht ab?
Redanz: Natürlich müssen die Netzzugangsbedingungen verbessert werden. Das kürzlich vorgelegte BGW-Modell ist ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung, allerdings noch nicht weit genug. Die Zersplitterung des Marktes muss beseitigt werden, es müssen Netz übergreifende Regelzonen eingeführt werden und Einspeise- und Entnahmekapazitäten müssen ganz voneinander getrennt werden.
E&M: Wie viel Geduld bringen Sie mit?
Redanz : Wir sind von der Wichtigkeit des deutschen Marktes überzeugt. Paul van Son hat erst kürzlich noch einmal betont, dass die Deutsche Essent GmbH eine langfristig ausgerichtete Wachstumsstrategie im deutschen Markt verfolgt. Und uns ist klar, dass die Entwicklung des Marktes, wenn sie geordnet von statten gehen soll, ihre Zeit braucht. Wir erwarten jedoch in Deutschland eine deutlich schnellere Marktöffnung als wir sie im Augenblick sehen.
Wir werden nicht mit übertriebenen Ankündigungen an die Öffentlichkeit gehen E&M: Haben Sie schon Kunden in Aussicht?
Redanz: Wir bereiten im Augenblick noch das operative Geschäft vor, um Stadtwerke am City Gate zu beliefern. Einige erfolgreiche Abschlüsse mit deutschen Stadtwerken an den Grenzpunkten können wir bereits vorweisen. In einigen Monaten, auf jeden Fall noch in diesem Jahr, werden wir dann auf dem Großhandelsmarkt aktiv werden und gezielt Stadtwerke ansprechen. Wir tun das ganz klar mit dem Anspruch, möglichst schnell zu einem nennenswerten Marktanteil zu kommen und erfolgreich zu sein.
E&M: Haben Sie für den nennenswerten Marktanteil eine Zahl in Ihrem Geschäftsplan?
Redanz: Die steht in unserem internen Geschäftsplan. Ich kann nur so viel dazu sagen: Wir werden nicht wie andere Unternehmen mit übertriebenen Ankündigungen an die Öffentlichkeit gehen, und dann wieder zurückrudern.
E&M: Werden Sie hier nur Gas vermarkten oder auch einen eigenen Trading Floor haben?
Redanz: Wir konzentrieren uns auf die Vermarktung und werden sowohl beim Gas als auch beim Strom strukturierte Produkte anbieten. Ein Trading Floor besteht bereits bei unserer Muttergesellschaft in den Niederlanden, mit dem wir eng zusammenarbeiten werden.
E&M: Die Stadtwerke Bremen kommen erst noch in den Genuss Ihrer Produkte?
Redanz: Bremen ist in Deutschland die bedeutendste Beteiligung von Essent. Somit macht es natürlich Sinn, unsere bisherigen Optimierungsaktivitäten bei einer fortschreitenden Integration auch auf neue Produkte und Kooperationsformen auszuweiten. Hierzu stehen wir mit der swb AG in einem intensiven Dialog.
E&M: EWE ist auch Anteilseigner in Bremen. Ein sehr kollegialer oder ein unbequemer Partner?
Redanz: Wir haben beide das Interesse, die Werthaltigkeit unserer Investition sicherzustellen und damit auch den Erfolg des Unternehmens. Das verbindet uns.
E&M: EWE ist im Gasmarkt sehr gut positioniert.
Redanz: Dies ist ganz sicher richtig. Wir als Essent werden uns in Deutschland auf das Großhandelsgeschäft fokussieren und diese Position auch mit entsprechenden Assets unterfüttern.
E&M: Meinen Sie Speicher?
Redanz: Ja. Wir prüfen derzeit mehrere Optionen und werden diese gemäß unseres Marktwachstums entwickeln.
E&M: Wo sollen die Projekte umgesetzt werden und wie viel Kapazität wollen Sie schaffen?
Redanz: Dazu möchte ich derzeit noch nichts sagen. Die Kapazität wird aber auf jeden Fall ausreichen, um unsere Handelspositionen klar zu stärken. Daran zeigt sich auch die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit unseres Engagements in Deutschland.
E&M: Woher werden die Mengen für die Speicher kommen, aus Holland?
Redanz: Nicht unbedingt.
E&M: Woher sonst?
Redanz: Wir können momentan recht gut bilateral Gas einkaufen. Doch die Liquidität des Marktes ist noch sehr begrenzt. Deshalb setzt derjenige, der seine Quellen preisgibt, derzeit Wettbewerbsvorteile aufs Spiel.
E&M: Welche Rolle spielen die Handelsplätze?
Redanz: Abgesehen von Zeebrügge und dem NBP in England, deren Liquidität noch lange von keinem anderen Handelsplatz erreicht werden dürfte, ist der TTF in den Niederlanden der einzige wirklich funktionierende Hub. Der flexible Zugang und die Möglichkeit, kurzfristig Kapazitäten für den Abtransport buchen zu können, machen den Erfolg aus.
E&M: Freie Kapazitäten sind vorhanden?
Redanz: Essent kann in den meisten Fällen Exit-Kapazitäten kurzfristig verfügbar machen. Unter Umständen kann jedoch das Problem auftreten, dass für einen Transportvertrag nach Deutschland nur unterbrechbare Kapazitäten vom Transportnetzbetreiber als verfügbar gemeldet werden. Für die Belieferung eines Stadtwerks, das selbst noch einen Speicher hat, kann man sich vielleicht noch darauf einlassen. Aber beliefern Sie mal einen Industriekunden über unterbrechbare Kapazitäten...
E&M: Da haben wir wieder das Problem des Netzzugangsregimes.
Redanz: Ganz genau. Unserer Meinung nach ein Thema für den Regulierer. Schließlich wird das Kapazitätsproblem nicht zu lösen sein, solange jeder Netzbetreiber eine Vielzahl von Regelzonen umfasst.
E&M: Was erwarten Sie noch konkret vom Regulierer?
Redanz: Wir erwarten, dass der Regulierer ein Netzzugangskonzept entwickelt, das sowohl den Interessen der Einsteiger wie zum Beispiel Essent als auch den Interessen der Netzbetreiber Rechnung trägt. Denn wir sind schon der Meinung, dass die Re-Investitionsfähigkeit eines Netzbetreibers gewährleistet sein muss. Wir erwarten auch, dass der Regulierer konsequent auf die Umsetzung des gesellschaftsrechtlichen Unbundlings achtet, denn bisher kann man wohl noch davon ausgehen, dass in großem Stil in der Gaswirtschaft quersubventioniert wird, was den Wettbewerb stark behindert. In Anbetracht der großen Aufgabe, werden wir aber wohl im nächsten Gaswirtschaftsjahr noch mit den bisherigen Regularien leben müssen. Ich hoffe jedoch, dass der Regulierer schon bald das Gespräch mit den Marktteilnehmern sucht.
Freitag, 5.01.2024, 15:44 Uhr
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