Am 1.
Juni startet die Bundesnetzagentur die bisher größte Ausschreibung für Windkraft in der deutschen See: Windparkflächen mit insgesamt 7.000
MW für 2030 kommen unter den Hammer. Das sind nur 1.200
MW weniger, als schon installiert sind.
Im Gegensatz zu den vier Onshore-Ausschreibungen in diesem Jahr, deren erste trotz 25
Prozent höherer Subventionen um 55
Prozent unterzeichnet war, rechnet der Markt mit einem heftigen Bieterwettbewerb, also mit mehreren subventionsfreien Geboten auf alle drei 2.000-MW-Flächen in der Nordsee und die 1.000 MW in der Ostsee. Im Falle mehrerer 0-Cent-Gebote pro Fläche beginnt für alle gleichzeitig die erste echte Auktion im deutschen Erneuerbaren-Recht. Diese dreht sich in Schritten von 30.000
Euro/MW nur noch um die Frage, wer am meisten für eine Fläche zahlen möchte, und zwar nach oben offen. Die deutsche Branche hatte für einen Deckel plädiert.
Die Ausschreibung kann aufgrund ihres Designs zu monopolistischen Ergebnissen führen. Das ist Bewertungen zu entnehmen, die
Dominik Hübler teils im März bei einem Talk des
Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore (BWO) abgab und teils gegenüber
E&M ergänzte. Hübler ist Associate Director bei Nera Economic Consulting. Er hatte den BWO mit einem Gutachten für einen Gebotsdeckel und die Akteursvielfalt unterstützt.
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Dominik Hübler (l.), hier im März bei einem Talk mit dem Geschäftsführer des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore (BWO), Stefan Thimm Quelle: E&M/Georg Eble |
Der Volkswirt berät auch exklusiv einen ungenannten Bietwilligen bei dieser Auktion sowie bei der zweiten Ausschreibung am 1.
August, in der es um weitere 1.800
MW geht. Hübler hat den Verlauf der ersten Ausschreibung durchgespielt, und zwar anhand der Zahlungsbereitschaft bei einer ebenfalls ungedeckelten britischen Auktion 2021. Damals habe ein Bieter, der „auch in Deutschland aktiv“ ist, so Hübler, 1,2
Millionen Euro pro MW bezahlt. Für die Flächen vom 1.
Juni wären das also jeweils 2,4 beziehungsweise 1,2
Milliarden Euro, die zu 90
Prozent dazu eingesetzt würden, die Strompreise zu senken, und zu 10
Prozent für Umweltschutz und Fischerei in den Meeresgebieten.
Der Auktionsteil der Ausschreibung könnte nach den Berechnungen Hüblers frühestens am 21.
Juni beginnen und bei der vorausgesetzten Zahlungsbereitschaft 43
Gebotsrunden dauern. Fängt die Netzagentur damit aber erst Ende Juli an, würde die Auktion mit der
Ausschreibung vom 1.
August überlappen, und die verbliebenen Bieter zögen deren Ergebnisse noch in ihre Gebotstaktik ein.
Es spricht Hübler zufolge nichts gegen die Möglichkeit, dass ein einziger Bieter von Juni an die ganzen 7.000
MW abräumt, vielleicht sogar zunächst zusammen mit den 1.800
MW am 1.
August. Die Wahrscheinlichkeit hätte der Bundestag, den Hübler hier in einer relativ starken Position gegenüber dem Wirtschaftsministerium (BMWK) und der gesamten Regierung sieht, minimieren können: Zumindest in der Nordsee „hätte man einen Quereinstieg zwischen den Flächen erlauben sollen. Sie sind ähnlich viel wert“, so Hübler zu
E&M. „In New York ist eine solche Auktion 2022 erfolgreich durchgeführt worden.“ Die drei 2.000
-MW-Nordseeflächen
sind nämlich direkt benachbart, ähnlich weit vom Festland entfernt und haben damit ähnliche Errichtungs- und Unterhaltskosten.
So aber sähen sich Bieter gezwungen, am 1.
Juni auf alle drei (plus die eine in der Ostsee) zu bieten, wenn sie am Informationsvorsprung teilhaben wollen, wie viele sonst noch im Rennen sind. Wenn sie dann unerwartet viele Zuschläge bekommen, haben sie sich womöglich überfordert.
Hübler hält es zudem für „möglich, dass strategisch um Flächen geboten wird, die logistische Vorteile für die Folgeausschreibungen ermöglichen“. Der Cluster aus den Flächen N-10.1 und N.10-2 weiter südwestlich wird 2025 ausgeschrieben, der Cluster aus N-9.1 bis N-9.3 in direkter Linie 2024.
Am 1. August „vors Schienbein treten“Bei den 1.800
MW, die am 1.
August unter den Hammer kommen, haben etwa RWE und Vattenfall eine starke Position: RWE hat angekündigt, seine Eintrittsrechte auf die Flächen N-3.5 und
N-3.6 mit zusammen 900
MW zusammen mit der kanadischen Northland Power auszuüben und mit bestehenden Windparks zu einem „Nordseecluster“ auszubauen. Vattenfall wiederum hat klargestellt, sein (aufgekauftes) Eintrittsrecht auf die Fläche N-6.6 südlich von „Bard Offshore
1“ und „Veja Mate“ zu nutzen. Sie macht 630
MW aus.
Hübler will mehrfach aus dem Markt gehört haben, dass Wettbewerber diesen Rechteinhabern durch eigene Gebote strategisch „vors Schienbein treten“ wollen, wie es auch 2022 bei anderen Flächen geschah. Wenn nämlich die Altrechteinhaber erfolgreichen Bietern ihre Zuschläge wegnehmen wollen, müssen sie deren Gebotspreis übernehmen. Und das könnten bedeuten: Zahlung statt der maximal möglichen Subvention von 6,2
Cent/kWh.
Nur bei N-6.7, einem kleinen 270-MW-Streifen nördlich von „Bard“ und „Veja Mate“, findet die Ausschreibung ohne Eintrittsrechte statt. In bestehenden oder im Bau befindlichen Windparks in der Nähe sind die Großkonzerne EnBW, Oersted und Siemens vertreten.
Mittwoch, 31.05.2023, 13:09 Uhr
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