Nur noch bis zum Closing an Bord: (v.l.) Mario Mehren (CEO), Dawn Summers (COO), Paul Smith (CFO). Quelle: Hero
Bei dem verkauften Öl- und Gasförderer Wintershall Dea laufen die Verträge des gesamten bisherigen Vorstandes aus. Die 850 Beschäftigten in den Zentralen müssen ebenfalls gehen.
Der deutsch-russische Öl- und Gasförderer Wintershall Dea wickelt vor dem Abschluss des Verkaufs seines Kerngeschäfts an die britische Harbour Energy sowohl den bisherigen dreiköpfigen Vorstand als auch die Beschäftigten in den bisherigen beiden Unternehmenszentralen ab.
Wintershall Dea verhandelt einer Mitteilung zufolge mit dem Betriebsrat über einen Interessensausgleich und Sozialplan für praktisch alle 850
Beschäftigten der aufzulösenden „Hauptquartiere“ in Kassel und Hamburg. Weltweit beschäftigt Wintershall Dea 2.500
Menschen.
Der Abschluss des Verkaufs (Closing) wird nach wie vor fürs Schlussquartal dieses Jahres erwartet − unter behördlichen Vorbehalten. Das Vorstandstrio aus CEO Mario Mehren, COO Dawn Summers, und CFO Paul Smith ist nur bis dahin im Amt.
Stattdessen kündigte Wintershall Dea an, dem Aufsichtsrat für die Zeit unter Harbour Energy ein Vorstandsduo vorzuschlagen, das aus der zweiten Reihe kommt:
- CEO soll Stefan Schnell werden. Er ist bis dahin Senior Vice President Group Reporting & Performance Management bei der BASF, der die Wintershall Dea noch mehrheitlich gehört.
- Schnells designierte Stellvertreterin ist Larissa Janz, derzeit Vice President Special Projects bei Wintershall Dea.
CTO Hugo Dijkgraaf war wie berichtet bereits im November 2023 gegangen und sein Technologieressort unter den verbliebenen Vorständen aufgeteilt worden.
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Designierter Wintershall-Chef: Stefan Schnell Quelle: Foto Backofen Neustadt GmbH |
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Designierte Wintershall-Vize: Larissa Janz Quelle: Harry Fichtner |
Ende einer deutschen UnternehmenstraditionDie ursprüngliche Wintershall schaut auf eine gut 120-jährige Unternehmensgeschichte zurück, davon 55
Jahre unter der Ägide der BASF:
- 1969 übernimmt die BASF das Öl- und Gasfördergeschäft der Wintershall, um sich eigene Rohstoffquellen zu sichern.
- 1990 hebt die Wintershall mit der russischen Gazprom den Importeur Wingas aus der Taufe, zunächst als Bezugsalternative der BASF zur Ruhrgas.
- 2015 verkauft Wintershall die Wingas in einem Tausch mit russischen Förderanteilen ganz an Gazprom, nicht aber den gemeinsamen Ferngasnetzbetreiber (FNB) Gascade.
- 2019 wird Wintershall mit der Dea Deutsche Erdoel AG aus Hamburg zur „Wintershall Dea“ fusioniert, in der die BASF eine Aktienmehrheit hält. Die Dea gehört über die Beteiligungsgesellschaft Letter One weitgehend dem russischen Oligarchen Michail Fridman.
- Im April 2022 stellt der Bund Gazprom Germania in Berlin zunächst unter Treuhandschaft, um ein plötzliches Abdrehen des Gases durch die Mutter Gazprom zu vereiteln,
- verstaatlicht sie dann im November 2022 und benennt sie in Sefe um. Damit ist nun indirekt der Bund statt Gazprom Wintershall Deas Joint-Venture-Partner bei Gascade (früher Wingas Gastransport).
- Ende 2023 kündigt die BASF den Verkauf des Herzstücks der Wintershall Dea an Harbour an − gewissermaßen eine feindliche Übernahme, also gegen den Willen des Managements, denn CEO Mario Mehren erklärt damals: „Für das Team von Wintershall Dea in Kassel und Hamburg und mich persönlich ist diese Nachricht, gerade so kurz vor Weihnachten, eine große Enttäuschung.“
- Sefe will Gascade über die Wintershall-Dea-Tochter Wiga im Sommer 2024 ganz übernehmen. Das Fernleitungsnetz ist daher von dem Deal zwischen BASF und Harbour ausgeklammert.
Russisches Geschäft wird abgetrenntEbenfalls ausgeklammert sind von dem Deal zwischen BASF und Harbour Energy − über die Wintershall-Hauptsitze hinaus − die Aktivitäten mit russischem Bezug, namentlich Anteile an Gemeinschaftsunternehmen in Russland, an Wintershall in Libyen, an Wintershall Noordzee in den Niederlanden sowie an der zerstörten Ostsee-Pipeline Nord Stream, die rechtlich von Wintershall Dea abgetrennt und weiter von BASF und Letter One bewirtschaftet werden sollen.
BASF hat nach dem Abschluss des Verkaufs kein strategisches Upstream-Geschäft mehr, nur noch eine Finanzbeteiligung. Der Chemiekonzern erhält von der börsennotierten Harbour Energy für das Herzstück von Wintershall Dea fast 40
Prozent der Harbour-Aktien sowie 1,56
Milliarden Dollar (umgerechnet knapp 1,5
Milliarden Euro) bar. Im Gegenzug werden das Produktions- und Entwicklungsgeschäft sowie Explorationsrechte in Norwegen, Argentinien, Deutschland, Mexiko, Algerien, Libyen, Ägypten und Dänemark sowie Lizenzen zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) an Harbour übertragen.
Donnerstag, 25.04.2024, 09:29 Uhr
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