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Energie & Management > Recht - Windturbinen in NRW zu Unrecht auf Eis gelegt
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
Recht

Windturbinen in NRW zu Unrecht auf Eis gelegt

Der NRW-Landesregierung fliegt ein Windkraft-Gesetz um die Ohren. Es erlaubt unteren Behörden, Anträge für Turbinen auf Eis zu legen. Das OVG Münster hat dies nun einkassiert.
Bis zu 100 beantragte Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen werden aktuell wohl rechtswidrig aufgehalten. In einem ersten Eilverfahren hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster am 26. September geurteilt, dass eine in Werl beantragte Turbine zu Unrecht per Rückstellungsbescheid des Kreises Soest bis Sommer 2025 auf Eis liegt. Wörtlich spricht Münster davon, dass die Aussetzung „aller Voraussicht nach (offensichtlich) rechtswidrig“ sei.

Der im Hauptsacheverfahren zu bestätigende Spruch hat weitreichende Folgen. Denn beim OVG Münster sind weitere 17 Eilverfahren gegen Rückstellungsbescheide anhängig, die laut Gericht etwa 50 Anlagen betreffen. Hier folgen in den nächsten Tagen die Eilentscheidungen aus Münster, sie dürften ähnlich ausfallen. Die Genehmigungsverfahren sind dann von den Behörden sofort fortzusetzen, je nach Stand wird dann ein positiver oder negativer Bescheid fällig.

Auf politischer Ebene ist dies zugleich eine Ohrfeige für das von Mona Neubaur (Grüne) geführte Landesministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE). Denn das MWIKE hatte im Juni 2024 den betreffenden Passus im Paragrafen 36 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes verankert – gegen die frühzeitig geäußerten Bedenken und Proteste der Windkraft-Lobby. Düsseldorf wehrte Kritik damit ab, die Regelung würde wohl nur in Einzelfällen angewendet und sei im Sinne einer schnellen Regionalplanung für Windenergie.

Eilverfahren für 50 weitere Windenergieanlagen laufen

Das OVG hatte zunächst nur in der ersten Sache zu entscheiden. Dabei geht es darum, ob die Genehmigungsbehörde in Soest ihre Rückstellungsentscheidung gemäß Gesetz getroffen habe. Der Passus verlangt für den Stopp eines Genehmigungsverfahrens, dass beantragte Anlagen die laufende Regionalplanung „wesentlich erschweren oder unmöglich machen“. Mit diesen Planungen legen die Regionen in NRW aktuell ihre Flächen für Windenergie fest, um das von der Bundesregierung vorgeschriebene Flächenziel zu erreichen.

Das Münsteraner Gericht entschied, dass die Regionalplanung den Einzelfall gar nicht betrachte, also auch von ihm nicht negativ tangiert sei. Darüber hinaus muss die Bezirksregierung in Arnsberg sich die richterliche Kritik gefallen lassen, „ermessensfehlerhaft“ entschieden zu haben. Sie habe unzureichend argumentiert und gegenteilige Gesichtspunkte nicht gewürdigt. Hier wendet das OVG sich an die übergeordnete Bezirksregierung, weil sie den Kreis Soest zur Rückstellung angewiesen habe.

Auch mit dem Paragrafen im Landesgesetz selbst geht das OVG ins Gericht. Die Rückstellungs-Regelung dürfte nichtig sein, weil sie vermutlich gegen eine Vorschrift des Bundesimmissionsschutzgesetzes verstoße. Demnach sind vorliegende Genehmigungsanträge zu bescheiden, NRW wollte hier mit Zwangspausen eingreifen – und sich damit über „Bundesrecht bricht Landesrecht“ hinwegsetzen. Das zu klären ist indes nicht Aufgabe des OVG, sondern des – allerdings nicht befassten – Bundesverfassungsgerichtes. Daher drückt Münster sich im Konjunktiv aus.

LEE NRW sieht „schwere Niederlage“ für Schwarz-Grün

Die Münsteraner Entscheidung bezeichnete Johannes Kempen, Fachreferent für Windenergie im Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW), als „schwere Niederlage“ für die Landesregierung. Er erneuerte die Forderung des Verbandes, den Passus umgehend zurückzunehmen. Er definiere nicht, wann ein Genehmigungsantrag die Regionalplanung erschwert oder unmöglich macht, sei also nicht messbar. Dagegen schädige er das Vertrauen der Windkraftentwickler in die Regierung, den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen.

Für die Kanzlei Engemann und Partner aus Lippstadt, die etliche Eilverfahren angestrengt hatte, sprach Rechtsanwalt Franz-Josef Tigges von einem Urteil mit bundesweiter Bedeutung. Denn andere Bundesländer würden bei ihrer Flächenausweisung gemäß Bundesvorgabe über ähnliche Rückstellungsmöglichkeiten nachdenken. Thüringen verfüge bereits über eine ähnliche Regelung wie NRW. Die anderen Länder könnten nun davon absehen.

Das MWIKE beließ es auf Anfrage dieser Redaktion bei Allgemeinplätzen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte, das Ministerium wolle das Urteil nun prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Über die Frage der Sinnhaftigkeit und Rechtmäßigkeit des Paragrafen und dessen mögliche Rücknahme schwieg das MWIKE sich aus.

Gesprächiger zeigte sich dagegen die Opposition im Düsseldorfer Landtag. Die SPD kritisierte, dass die Koalition das Landesplanungsgesetz vor der Sommerpause „durchgepeitscht“ habe. Damit habe Schwarz-Grün den Windkraft-Ausbau „aufs Spiel gesetzt, mindestens verzögert“. Die FDP sprach von einem „heillosen Chaos“ und von einer „herben Niederlage“ für Ministerin Neubaur.

Donnerstag, 26.09.2024, 17:22 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Recht - Windturbinen in NRW zu Unrecht auf Eis gelegt
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Windturbinen in NRW zu Unrecht auf Eis gelegt
Der NRW-Landesregierung fliegt ein Windkraft-Gesetz um die Ohren. Es erlaubt unteren Behörden, Anträge für Turbinen auf Eis zu legen. Das OVG Münster hat dies nun einkassiert.
Bis zu 100 beantragte Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen werden aktuell wohl rechtswidrig aufgehalten. In einem ersten Eilverfahren hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster am 26. September geurteilt, dass eine in Werl beantragte Turbine zu Unrecht per Rückstellungsbescheid des Kreises Soest bis Sommer 2025 auf Eis liegt. Wörtlich spricht Münster davon, dass die Aussetzung „aller Voraussicht nach (offensichtlich) rechtswidrig“ sei.

Der im Hauptsacheverfahren zu bestätigende Spruch hat weitreichende Folgen. Denn beim OVG Münster sind weitere 17 Eilverfahren gegen Rückstellungsbescheide anhängig, die laut Gericht etwa 50 Anlagen betreffen. Hier folgen in den nächsten Tagen die Eilentscheidungen aus Münster, sie dürften ähnlich ausfallen. Die Genehmigungsverfahren sind dann von den Behörden sofort fortzusetzen, je nach Stand wird dann ein positiver oder negativer Bescheid fällig.

Auf politischer Ebene ist dies zugleich eine Ohrfeige für das von Mona Neubaur (Grüne) geführte Landesministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE). Denn das MWIKE hatte im Juni 2024 den betreffenden Passus im Paragrafen 36 Absatz 3 des Landesplanungsgesetzes verankert – gegen die frühzeitig geäußerten Bedenken und Proteste der Windkraft-Lobby. Düsseldorf wehrte Kritik damit ab, die Regelung würde wohl nur in Einzelfällen angewendet und sei im Sinne einer schnellen Regionalplanung für Windenergie.

Eilverfahren für 50 weitere Windenergieanlagen laufen

Das OVG hatte zunächst nur in der ersten Sache zu entscheiden. Dabei geht es darum, ob die Genehmigungsbehörde in Soest ihre Rückstellungsentscheidung gemäß Gesetz getroffen habe. Der Passus verlangt für den Stopp eines Genehmigungsverfahrens, dass beantragte Anlagen die laufende Regionalplanung „wesentlich erschweren oder unmöglich machen“. Mit diesen Planungen legen die Regionen in NRW aktuell ihre Flächen für Windenergie fest, um das von der Bundesregierung vorgeschriebene Flächenziel zu erreichen.

Das Münsteraner Gericht entschied, dass die Regionalplanung den Einzelfall gar nicht betrachte, also auch von ihm nicht negativ tangiert sei. Darüber hinaus muss die Bezirksregierung in Arnsberg sich die richterliche Kritik gefallen lassen, „ermessensfehlerhaft“ entschieden zu haben. Sie habe unzureichend argumentiert und gegenteilige Gesichtspunkte nicht gewürdigt. Hier wendet das OVG sich an die übergeordnete Bezirksregierung, weil sie den Kreis Soest zur Rückstellung angewiesen habe.

Auch mit dem Paragrafen im Landesgesetz selbst geht das OVG ins Gericht. Die Rückstellungs-Regelung dürfte nichtig sein, weil sie vermutlich gegen eine Vorschrift des Bundesimmissionsschutzgesetzes verstoße. Demnach sind vorliegende Genehmigungsanträge zu bescheiden, NRW wollte hier mit Zwangspausen eingreifen – und sich damit über „Bundesrecht bricht Landesrecht“ hinwegsetzen. Das zu klären ist indes nicht Aufgabe des OVG, sondern des – allerdings nicht befassten – Bundesverfassungsgerichtes. Daher drückt Münster sich im Konjunktiv aus.

LEE NRW sieht „schwere Niederlage“ für Schwarz-Grün

Die Münsteraner Entscheidung bezeichnete Johannes Kempen, Fachreferent für Windenergie im Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW), als „schwere Niederlage“ für die Landesregierung. Er erneuerte die Forderung des Verbandes, den Passus umgehend zurückzunehmen. Er definiere nicht, wann ein Genehmigungsantrag die Regionalplanung erschwert oder unmöglich macht, sei also nicht messbar. Dagegen schädige er das Vertrauen der Windkraftentwickler in die Regierung, den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen.

Für die Kanzlei Engemann und Partner aus Lippstadt, die etliche Eilverfahren angestrengt hatte, sprach Rechtsanwalt Franz-Josef Tigges von einem Urteil mit bundesweiter Bedeutung. Denn andere Bundesländer würden bei ihrer Flächenausweisung gemäß Bundesvorgabe über ähnliche Rückstellungsmöglichkeiten nachdenken. Thüringen verfüge bereits über eine ähnliche Regelung wie NRW. Die anderen Länder könnten nun davon absehen.

Das MWIKE beließ es auf Anfrage dieser Redaktion bei Allgemeinplätzen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte, das Ministerium wolle das Urteil nun prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Über die Frage der Sinnhaftigkeit und Rechtmäßigkeit des Paragrafen und dessen mögliche Rücknahme schwieg das MWIKE sich aus.

Gesprächiger zeigte sich dagegen die Opposition im Düsseldorfer Landtag. Die SPD kritisierte, dass die Koalition das Landesplanungsgesetz vor der Sommerpause „durchgepeitscht“ habe. Damit habe Schwarz-Grün den Windkraft-Ausbau „aufs Spiel gesetzt, mindestens verzögert“. Die FDP sprach von einem „heillosen Chaos“ und von einer „herben Niederlage“ für Ministerin Neubaur.

Donnerstag, 26.09.2024, 17:22 Uhr
Volker Stephan

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