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Energie & Management > Gastbeitrag - Stärkerer Einfluss für Ökostromverbraucher
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Gastbeitrag

Stärkerer Einfluss für Ökostromverbraucher

Wie die Idee einer „harten Zusätzlichkeit“ die europäische Energiewende im Strombereich beschleunigen könnte, schildert Dominik Seebach* in einem Gastbeitrag für Energie & Management.
Der europäische Strommarkt ist im Wandel. Der bisherige Ausbau der erneuerbaren Energien basierte fast ausschließlich auf staatlichen Fördermechanismen. Im September wurde mit dem EU-Finanzierungsmechanismus für Erneuerbare nun ein EU-weites Fördersystem etabliert. Dieses wirft auch die Frage auf, auf welche Ausbauziele Erneuerbare angerechnet werden sollen, wenn sie nicht von dem Staat finanziert werden, in dem die Anlage steht.

Gleichzeitig zeigen zunehmende Meldungen über ungeförderten Zubau, dass zumindest teilweise die Erneuerbaren beginnen, sich im freien Markt zu behaupten.
Diese Entwicklungen eröffnen für Verbraucher neue Möglichkeiten, mit ihrer Entscheidung für Ökostrom eine noch stärkere Wirkung für zusätzliche Mengen an erneuerbarer Stromproduktion auszulösen.
 
Dominik Seebach. Bild: EnergieVision e.V.

Im bisherigen regulatorischen Rahmen können hochwertige Ökostromprodukte im besten Fall einen zusätzlichen Beitrag zum Erreichen der politisch definierten Ausbauziele leisten. Wenn Marktakteure aber sicherstellen könnten, dass der von ihnen bewirkte Ausbau der Erneuerbaren nicht auf diese Ziele angerechnet wird, dann würden andere Marktakteure und politische Entscheidungsträger nicht aus ihrer Verantwortung zur Zielerreichung entlassen werden. Im Ergebnis wäre ein in jeglicher Hinsicht zusätzlicher Energiewendenutzen erreicht – eine „harte Zusätzlichkeit“.

"Harte Zusätzlichkeit" als Impuls für mehr Verbraucher-Teilhabe

Wie sich dieses Plus an Einflussmöglichkeit der Ökostromverbraucher im Sinne einer „harten Zusätzlichkeit“ konkret in der Praxis umsetzen ließe, hat das Öko-Institut für den Verein "EnergieVision" untersucht.

Für diese „harte Zusätzlichkeit“ kommt ausschließlich erneuerbare Energieproduktion infrage, die aus neuen und nicht geförderten Anlagen stammt und somit als zusätzlich zu den öffentlichen Anstrengungen betrachtet werden kann. Um den Ansatz mit Leben zu füllen, müssten folgende regulatorische und technische Anpassungen realisiert werden:
  • Reduzierte staatliche Zielanrechnung: Der so erzeugte Strom sollte nicht vollständig auf die bestehenden politischen Ziele für erneuerbare Energien auf EU und nationaler Ebene angerechnet werden, sondern nur mit einem Basisanteil von 20 %. Die verbleibenden 80 % dieser Stromerzeugung können dann aus Sicht der Verbraucher als wirklich zusätzlich betrachtet werden.
  • Markierung im HKN-System: Die Überwachung und statistische Zuordnung der „harten Zusätzlichkeit“ durch öffentliche Stellen könnte auf der Grundlage des bestehenden Systems für Herkunftsnachweise (HKN) erfolgen. Hier ließen sich zwei Markierungen, sogenannte Earmarks, ergänzen:
    • Um neue und nicht geförderte EE-Erzeugung durch die Nachfrage nach diesem Strom zu finanzieren, werden die hierfür ausgestellten Herkunftsnachweise (Guarantees of Origin - GO) als „GOplus“ etabliert und vermarktet.
    • EE-Stromerzeugung, die aus neuen Anlagen stammt und (ansonsten) nicht gefördert wird, und welche im Rahmen eines „Fondsmodell-Ansatzes“ durch einen Ökostromanbieter mit oder ohne Verknüpfung zum EU-weiten Finanzierungsmechanismus von einer privaten Direktfinanzierung der Anlage profitiert, wird ebenfalls durch eine GO-Markierung gekennzeichnet.
Im Hinblick auf Transparenz und Sichtbarkeit für den Verbraucher können Ökostromlabel eine wichtige unterstützende Rolle einnehmen. Sie müssten hierfür ihre bestehenden Kriterien zur Zusätzlichkeit gezielt so weiterentwickeln, dass auf freiwilligen Ökostrom-Märkten künftig eine Nachfrage nach erneuerbaren Energien mit „harter Zusätzlichkeit“ entsteht.
 
Welche politischen Entscheidungen sind notwendig?

„Zusätzlich“ bedeutet in diesem Ansatz ganz klar und sichtbar „zusätzlich zu den politischen Zielen“. Dies zu ermöglichen, erfordert Akzeptanz und ein aktives Mitgestalten seitens des Gesetzgebers – auf Länder- wie auch auf EU-Ebene. Dementsprechend darf die EU – und die Bundesregierung gleichermaßen – ihre Zielstellungen nicht reduzieren, zugleich muss sie die statistischen Anrechnungsmechanismen umsetzen.
 
Das Diskussionspapier steht zum Download bereit unter https://www.oeko.de/publikationen/p-details/echter-einfluss-fuer-oekostromverbraucher oder https://www.ok-power.de/infothek-lexikon/downloads.html.

* Dominik Seebach, Experte für Herkunftsnachweise und Ökostrom beim Freiburger Öko-Institut und Vorstand des Vereins "EnergieVision".

Dienstag, 27.10.2020, 11:19 Uhr
Redaktion
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Stärkerer Einfluss für Ökostromverbraucher
Wie die Idee einer „harten Zusätzlichkeit“ die europäische Energiewende im Strombereich beschleunigen könnte, schildert Dominik Seebach* in einem Gastbeitrag für Energie & Management.
Der europäische Strommarkt ist im Wandel. Der bisherige Ausbau der erneuerbaren Energien basierte fast ausschließlich auf staatlichen Fördermechanismen. Im September wurde mit dem EU-Finanzierungsmechanismus für Erneuerbare nun ein EU-weites Fördersystem etabliert. Dieses wirft auch die Frage auf, auf welche Ausbauziele Erneuerbare angerechnet werden sollen, wenn sie nicht von dem Staat finanziert werden, in dem die Anlage steht.

Gleichzeitig zeigen zunehmende Meldungen über ungeförderten Zubau, dass zumindest teilweise die Erneuerbaren beginnen, sich im freien Markt zu behaupten.
Diese Entwicklungen eröffnen für Verbraucher neue Möglichkeiten, mit ihrer Entscheidung für Ökostrom eine noch stärkere Wirkung für zusätzliche Mengen an erneuerbarer Stromproduktion auszulösen.
 
Dominik Seebach. Bild: EnergieVision e.V.

Im bisherigen regulatorischen Rahmen können hochwertige Ökostromprodukte im besten Fall einen zusätzlichen Beitrag zum Erreichen der politisch definierten Ausbauziele leisten. Wenn Marktakteure aber sicherstellen könnten, dass der von ihnen bewirkte Ausbau der Erneuerbaren nicht auf diese Ziele angerechnet wird, dann würden andere Marktakteure und politische Entscheidungsträger nicht aus ihrer Verantwortung zur Zielerreichung entlassen werden. Im Ergebnis wäre ein in jeglicher Hinsicht zusätzlicher Energiewendenutzen erreicht – eine „harte Zusätzlichkeit“.

"Harte Zusätzlichkeit" als Impuls für mehr Verbraucher-Teilhabe

Wie sich dieses Plus an Einflussmöglichkeit der Ökostromverbraucher im Sinne einer „harten Zusätzlichkeit“ konkret in der Praxis umsetzen ließe, hat das Öko-Institut für den Verein "EnergieVision" untersucht.

Für diese „harte Zusätzlichkeit“ kommt ausschließlich erneuerbare Energieproduktion infrage, die aus neuen und nicht geförderten Anlagen stammt und somit als zusätzlich zu den öffentlichen Anstrengungen betrachtet werden kann. Um den Ansatz mit Leben zu füllen, müssten folgende regulatorische und technische Anpassungen realisiert werden:
  • Reduzierte staatliche Zielanrechnung: Der so erzeugte Strom sollte nicht vollständig auf die bestehenden politischen Ziele für erneuerbare Energien auf EU und nationaler Ebene angerechnet werden, sondern nur mit einem Basisanteil von 20 %. Die verbleibenden 80 % dieser Stromerzeugung können dann aus Sicht der Verbraucher als wirklich zusätzlich betrachtet werden.
  • Markierung im HKN-System: Die Überwachung und statistische Zuordnung der „harten Zusätzlichkeit“ durch öffentliche Stellen könnte auf der Grundlage des bestehenden Systems für Herkunftsnachweise (HKN) erfolgen. Hier ließen sich zwei Markierungen, sogenannte Earmarks, ergänzen:
    • Um neue und nicht geförderte EE-Erzeugung durch die Nachfrage nach diesem Strom zu finanzieren, werden die hierfür ausgestellten Herkunftsnachweise (Guarantees of Origin - GO) als „GOplus“ etabliert und vermarktet.
    • EE-Stromerzeugung, die aus neuen Anlagen stammt und (ansonsten) nicht gefördert wird, und welche im Rahmen eines „Fondsmodell-Ansatzes“ durch einen Ökostromanbieter mit oder ohne Verknüpfung zum EU-weiten Finanzierungsmechanismus von einer privaten Direktfinanzierung der Anlage profitiert, wird ebenfalls durch eine GO-Markierung gekennzeichnet.
Im Hinblick auf Transparenz und Sichtbarkeit für den Verbraucher können Ökostromlabel eine wichtige unterstützende Rolle einnehmen. Sie müssten hierfür ihre bestehenden Kriterien zur Zusätzlichkeit gezielt so weiterentwickeln, dass auf freiwilligen Ökostrom-Märkten künftig eine Nachfrage nach erneuerbaren Energien mit „harter Zusätzlichkeit“ entsteht.
 
Welche politischen Entscheidungen sind notwendig?

„Zusätzlich“ bedeutet in diesem Ansatz ganz klar und sichtbar „zusätzlich zu den politischen Zielen“. Dies zu ermöglichen, erfordert Akzeptanz und ein aktives Mitgestalten seitens des Gesetzgebers – auf Länder- wie auch auf EU-Ebene. Dementsprechend darf die EU – und die Bundesregierung gleichermaßen – ihre Zielstellungen nicht reduzieren, zugleich muss sie die statistischen Anrechnungsmechanismen umsetzen.
 
Das Diskussionspapier steht zum Download bereit unter https://www.oeko.de/publikationen/p-details/echter-einfluss-fuer-oekostromverbraucher oder https://www.ok-power.de/infothek-lexikon/downloads.html.

* Dominik Seebach, Experte für Herkunftsnachweise und Ökostrom beim Freiburger Öko-Institut und Vorstand des Vereins "EnergieVision".

Dienstag, 27.10.2020, 11:19 Uhr
Redaktion

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