E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Österreich - Österreich:
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich

Österreich: "Erneuerbare" gegen Energiekrise

Die Politik sollte soziale Härten abfedern, den Ökostromausbau anregen und die Gasimporte aus Russland verringern, hieß es bei einer Veranstaltung des Stromkonzerns Verbund in Wien.
Um mit der gegenwärtigen Lage auf dem europäischen Energiemarkt zurande zu kommen, gilt es, mit kurzfristigen Maßnahmen soziale Härten abzufedern. Strukturell betrachtet, muss Europa den Ausbau der erneuerbaren Energien rasch vorantreiben und sich von den Gasimporten aus Russland lösen. Das waren die wesentlichsten Aussagen beim „Energiefrühstück“ des österreichischen Stromkonzerns Verbund am 7. Dezember in Wien.

Verbund-Generaldirektor Michael Strugl äußerte grundsätzlich Verständnis für die Bestrebungen der Politik, die „Übergewinne“ der Energieunternehmen abzuschöpfen: „Allerdings ist das nur die zweitbeste Lösung, weil man die hohen Preise im Großhandel und die Gewinne zuerst entstehen lässt und das Geld dann rückverteilt.“ Das habe den Nachteil einer starken Fragmentierung, weil jeder Staat anders vorgehe. Besser wäre laut Strugl, die Großhandelspreise für Strom und Gas zu entkoppeln, wie dies die E-Wirtschaft vorgeschlagen habe.

Den „wichtigsten Hebel“ zur Behebung der Krise sieht Strugl indessen im raschen Ausbau von Ökostromanlagen, Netzen und Speichern: „Das bringt Versorgungssicherheit und leistbare Preise.“ Die österreichische Elektrizitätswirtschaft wolle bis 2030 50 Milliarden Euro einschlägig investieren. Dazu benötige sie schnellere Genehmigungsverfahren sowie ausreichende Flächen. Überdies sei es notwendig, die Gasbezugsquellen stärker zu diversifizieren und damit die Importe aus Russland zu verringern.

Hertie-Professor warnt vor Deckel

Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin, warnte vor zu raschen Eingriffen in die Strom- und Gasmärkte. Diese seien keineswegs dysfunktional. Vielmehr hätten die Marktteilnehmer die verfügbaren Mechanismen nicht genutzt, um sich gegen Preisrisiken abzusichern, etwa mit langfristiger Strombeschaffung. Letztlich stelle sich die Frage: „Wie können wir den volatilen Strommarkt in Einklang bringen mit dem relevanten Sicherheitsbedürfnis der Menschen? Dazu müssen wir Preisinstrumente mit Absicherungsmaßnahmen verbinden.“

Der auf EU-Ebene diskutierte Gaspreisdeckel ist laut Hirt „genau das Gegenteil dessen, was wir jetzt brauchen.“ Ein solcher Deckel werde die Nachfrage nach Gas erhöhen und riskiere Rationierungen: „Die Versorgung von Unternehmen könnte abgestellt werden, weil es nicht genug Gas gibt. Das wäre der größtmögliche volkswirtschaftliche Schaden.“ Laut Hirt gibt es nur einen Ausweg: „Wir müssen die erneuerbaren Energien ausbauen. Alles, was diesbezügliche Investitionen verlangsamt, verschlimmert die Lage.“ Die Abschöpfung der „Übergewinne“ mache indessen „genau das. Sie reduziert die Investitionen.“

„Sehr einfache Lehrbuchdarstellungen“

Die Leiterin des volkswirtschaftlichen Referats des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), Helene Schuberth, widersprach Hirts „sehr einfachen Lehrbuchdarstellungen“. Preisdeckel könnten sehr wohl hilfreich sein, wenn sie intelligent konzipiert und mit Verbrauchsbeschränkungen kombiniert würden. Richtig sei Michael Strugls Ansatz, „Übergewinne“ gar nicht erst entstehen zu lassen.

Schuberth zufolge gilt es, das Wohlergehen der Bevölkerung sowie die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Gewerbe energiewirtschaftlich langfristig abzusichern. Die Energiewende werde teuer, da der Ausbau der erneuerbaren Energien kritische Rohstoffe und viel Kapital erfordere. Überlegenswert wäre laut Schuberth daher, für die Haushalte fixe Strompreise einzuführen, wie es sie in der Schweiz gebe. Wie der Wirtschaft geholfen werden könne, „muss man diskutieren.“

„Putin-Krise“ statt Energiekrise

Nach Ansicht des Leiters der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, handelt es sich bei der gegenwärtigen Lage nicht um eine Energiekrise, sondern um eine „Putin-Krise“. Der russische Präsident „belastet uns gezielt, um unsere Gesellschaft zu spalten“. Um gegenzusteuern, ist laut Selmayr dreierlei nötig:
  • Erstens gilt es, die Bevölkerung und die Unternehmen von den Energiekosten rasch zu entlasten, dem eben die Abschöpfung der „Übergewinne“ der Energieunternehmen diene.
  • Zweitens müsse die Abhängigkeit von Gas aus Russland zügig verringert werden, nicht zuletzt durch „dramatisches Energiesparen“. Dies finde bereits statt: Im Oktober und November sei der Gasverbrauch in der EU um rund 25 Prozent unter den Vorjahreswerten gelegen, teils zwar aufgrund milden Wetters, teils aber auch aufgrund der hohen Preise.
  • Drittens sei es notwendig, die „Erneuerbaren“ zügig auszubauen: „So kämpfen wir gegen Putin und gegen die Klimakrise.“

Donnerstag, 8.12.2022, 12:20 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Österreich:
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich
Österreich: "Erneuerbare" gegen Energiekrise
Die Politik sollte soziale Härten abfedern, den Ökostromausbau anregen und die Gasimporte aus Russland verringern, hieß es bei einer Veranstaltung des Stromkonzerns Verbund in Wien.
Um mit der gegenwärtigen Lage auf dem europäischen Energiemarkt zurande zu kommen, gilt es, mit kurzfristigen Maßnahmen soziale Härten abzufedern. Strukturell betrachtet, muss Europa den Ausbau der erneuerbaren Energien rasch vorantreiben und sich von den Gasimporten aus Russland lösen. Das waren die wesentlichsten Aussagen beim „Energiefrühstück“ des österreichischen Stromkonzerns Verbund am 7. Dezember in Wien.

Verbund-Generaldirektor Michael Strugl äußerte grundsätzlich Verständnis für die Bestrebungen der Politik, die „Übergewinne“ der Energieunternehmen abzuschöpfen: „Allerdings ist das nur die zweitbeste Lösung, weil man die hohen Preise im Großhandel und die Gewinne zuerst entstehen lässt und das Geld dann rückverteilt.“ Das habe den Nachteil einer starken Fragmentierung, weil jeder Staat anders vorgehe. Besser wäre laut Strugl, die Großhandelspreise für Strom und Gas zu entkoppeln, wie dies die E-Wirtschaft vorgeschlagen habe.

Den „wichtigsten Hebel“ zur Behebung der Krise sieht Strugl indessen im raschen Ausbau von Ökostromanlagen, Netzen und Speichern: „Das bringt Versorgungssicherheit und leistbare Preise.“ Die österreichische Elektrizitätswirtschaft wolle bis 2030 50 Milliarden Euro einschlägig investieren. Dazu benötige sie schnellere Genehmigungsverfahren sowie ausreichende Flächen. Überdies sei es notwendig, die Gasbezugsquellen stärker zu diversifizieren und damit die Importe aus Russland zu verringern.

Hertie-Professor warnt vor Deckel

Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin, warnte vor zu raschen Eingriffen in die Strom- und Gasmärkte. Diese seien keineswegs dysfunktional. Vielmehr hätten die Marktteilnehmer die verfügbaren Mechanismen nicht genutzt, um sich gegen Preisrisiken abzusichern, etwa mit langfristiger Strombeschaffung. Letztlich stelle sich die Frage: „Wie können wir den volatilen Strommarkt in Einklang bringen mit dem relevanten Sicherheitsbedürfnis der Menschen? Dazu müssen wir Preisinstrumente mit Absicherungsmaßnahmen verbinden.“

Der auf EU-Ebene diskutierte Gaspreisdeckel ist laut Hirt „genau das Gegenteil dessen, was wir jetzt brauchen.“ Ein solcher Deckel werde die Nachfrage nach Gas erhöhen und riskiere Rationierungen: „Die Versorgung von Unternehmen könnte abgestellt werden, weil es nicht genug Gas gibt. Das wäre der größtmögliche volkswirtschaftliche Schaden.“ Laut Hirt gibt es nur einen Ausweg: „Wir müssen die erneuerbaren Energien ausbauen. Alles, was diesbezügliche Investitionen verlangsamt, verschlimmert die Lage.“ Die Abschöpfung der „Übergewinne“ mache indessen „genau das. Sie reduziert die Investitionen.“

„Sehr einfache Lehrbuchdarstellungen“

Die Leiterin des volkswirtschaftlichen Referats des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), Helene Schuberth, widersprach Hirts „sehr einfachen Lehrbuchdarstellungen“. Preisdeckel könnten sehr wohl hilfreich sein, wenn sie intelligent konzipiert und mit Verbrauchsbeschränkungen kombiniert würden. Richtig sei Michael Strugls Ansatz, „Übergewinne“ gar nicht erst entstehen zu lassen.

Schuberth zufolge gilt es, das Wohlergehen der Bevölkerung sowie die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Gewerbe energiewirtschaftlich langfristig abzusichern. Die Energiewende werde teuer, da der Ausbau der erneuerbaren Energien kritische Rohstoffe und viel Kapital erfordere. Überlegenswert wäre laut Schuberth daher, für die Haushalte fixe Strompreise einzuführen, wie es sie in der Schweiz gebe. Wie der Wirtschaft geholfen werden könne, „muss man diskutieren.“

„Putin-Krise“ statt Energiekrise

Nach Ansicht des Leiters der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, handelt es sich bei der gegenwärtigen Lage nicht um eine Energiekrise, sondern um eine „Putin-Krise“. Der russische Präsident „belastet uns gezielt, um unsere Gesellschaft zu spalten“. Um gegenzusteuern, ist laut Selmayr dreierlei nötig:
  • Erstens gilt es, die Bevölkerung und die Unternehmen von den Energiekosten rasch zu entlasten, dem eben die Abschöpfung der „Übergewinne“ der Energieunternehmen diene.
  • Zweitens müsse die Abhängigkeit von Gas aus Russland zügig verringert werden, nicht zuletzt durch „dramatisches Energiesparen“. Dies finde bereits statt: Im Oktober und November sei der Gasverbrauch in der EU um rund 25 Prozent unter den Vorjahreswerten gelegen, teils zwar aufgrund milden Wetters, teils aber auch aufgrund der hohen Preise.
  • Drittens sei es notwendig, die „Erneuerbaren“ zügig auszubauen: „So kämpfen wir gegen Putin und gegen die Klimakrise.“

Donnerstag, 8.12.2022, 12:20 Uhr
Klaus Fischer

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.